Problemlösen 1. Definition Problem/Problemlösen 2. Klassifikation von Problemen 3. Geschichte des Problemlösens 3.1 Behavioristischer Ansatz 3.2 Gestaltspsychologischer Ansatz 3.3 Informationsverarbeitungstheorie Was ist ein Problem ? „Ein Problem entsteht z.B. dann, wenn ein Lebewesen ein Ziel hat und nicht weiß, wie es dieses Ziel erreichen soll. Wo immer der gegebene Zustand sich nicht durch bloßes Handeln (Ausführen selbstverständlicher Operationen) in den erstrebten Zustand überführen lässt, wird das Denken auf den Plan gerufen. Ihm liegt es ob, ein vermittelndes Handeln allererst zu konzipieren.“ (Duncker, 1935/1974, S.1) „Ein Individuum steht einem Problem gegenüber, wenn es sich in einem inneren oder äußeren Zustand befindet, den es aus irgendwelchen Gründen nicht für wünschenswert hält, aber im Moment nicht über die Mittel verfügt, um den unerwünschten Zustand in den wünschenswerten Zielzustand zu überführen.“ (Dörner, 1976, S. 10) Was ist ein Problem ? Zusammenfassung: 3 Komponenten eines Problems 1. unerwünschter Ausgangszustand (Ist-Zustand) 2. erwünschter Endzustand (Soll-Zustand) 3. Barriere oder Lücke, die die Transformation vom Ist- in den Sollzustand im Moment verhindert A Z Was ist Problemlösen? „Unter Problemlösen versteht man das Bestreben, einen gegebenen Zustand (Ausgangs- oder Ist-Zustand) in einen anderen, gewünschten Zustand (Ziel- oder Soll-Zustand) zu überführen, wobei es gilt, eine Barriere zu überwinden, die sich zwischen Ausgangs- und Zielzustand befindet.“ (Hussy, 1983, S 114) Problemlösendes Denken erfolgt, um Lücken in einem Handlungsplan zu füllen, der nicht routinemäßig eingesetzt werden kann. Dazu wird eine gedankliche Repräsentation erstellt, die den Weg vom Ausgangs- zum Zielzustand überbrückt.“ (Funke, 2003, S. 25) Problem vs. Aufgabe „Aufgaben sind geistige Anforderungen, für deren Bewältigung Methoden bekannt sind. [...] Aufgaben erfordern nur reproduktives Denken, beim Problemlösen aber muss etwas Neues geschaffen werden.“ (Dörner, 1976, S.10) „Offensichtlich entscheidet das Vorwissen und das Vermögen eines Individuums, effektive Operationen zur Bewältigung einer Aufgabenstellung anzuwenden, darüber, ob es sich um eine (Lern-) Aufgabe oder um ein Problem handelt.“ (Seel, 2003, S. 326) Problem oder Aufgabe ? 1. 2+5= 2. 215 x 34 = Kein Problem: Ergebnis kann i.d.R.aus dem Gedächtnis abgerufen werden Kein Problem, wenn die Lösungsprozedur bekannt ist Klassifikation von Problemen eine verbindliche Klassifikation von Problemen gibt es nicht Unterteilung der Problemtypen nach bestimmten Kriterien: 1. Klarheit der Definition von Ausgangs- und Zielzustand (Reitmann, 1965) 2. Art der Barriere (Dörner, 1976) 3. Prozesse, die zur Lösung notwendig sind (Greeno & Simon, 1988) 4. Bedeutung von Wissen 5. Inhalt/Bereich, aus dem die Probleme stammen etc. Klassifikation von Problemen 1. Klarheit der Definition von Ausgangs- und Zielzustand (u.a.Reitmann, 1965) • geschlossenes (well defined) Problem: - Ist- und Sollzustand sind klar definiert - Mittel (Operatoren) sind unbekannt • offenes (ill defined) Problem: - Ist- und Sollzustand und die Operatoren sind unbekannt Klassifikation von Problemen 2. Art der Barriere (Dörner, 1976) Klarheit der Zielkriterien Bekanntheit der Mittel hoch gering hoch Interpolationsbarriere Dialektische Barriere gering Synthesebarriere Dialektische und Synthesebarriere Klassifikation von Problemen • Interpolationsprobleme liegen vor, wenn neben dem Ist- und Sollzustand auch die Operatoren zur Überwindung bekannt sind, nicht jedoch deren spezifische Kombination (z.B. Nummernschloss am Fahrrad) • Bei Syntheseproblemen sind Ist- und Sollzustand bekannt und die Mittel unbekannt (z.B. Nagel an die Wand schlagen ohne Hammer) • dialektisches Problem: die Mittel sind bekannt, aber das Ziel ist unklar. In einem dialektischen Prozess müssen Vorstellungen über das Ziel entwickelt, revidiert, geprüft und verworfen werden, bis die Lösung zufriedenstellend ist. Klassifikation von Problemen 3. Prozesse, die zur Lösung notwendig sind (Greeno & Simon, 1988) • Transformationsprobleme (= Interpolationsprobleme) • Anordnungs- und Designprobleme (= synthetische Probleme) • Induktionsprobleme: erfordern das Finden einer Struktur (z.B. beim Fortsetzen einer Zahlenreihe beim Intelligenztest) • Deduktionsprobleme: machen logische Schlussfolgerungen aus vorgegebenen Prämissen notwendig Klassifikation von Problemen 4. Bedeutung von Wissen • wissensarme Probleme (einfache Probleme) • wissensreiche Probleme (komplexe Probleme) „Bei einfachen Problemen kann Vorwissen in der Regel nicht oder nur in sehr minimalen Umfang genutzt werden. Es muss für die Lösungsfindung aus den Instruktionen erst aufgebaut werden. Bei komplexen Problemen greifen die Problemlöser hingegen auf vorhandenes Wissen, das über den Inhalt hinausgeht, zurück.“ (Lüer & Spada, 1992, S. 258) Klassifikation von Problemen • einfache Probleme (künstliche Probleme): - gut definierter Problemraum - kleine Zahl zulässiger Operationen - ein optimaler Lösungsweg - alle lösungsrelevanten Informationen sind in der Instruktion enthalten Paradigmen: Turm von Hanoi, Kannibale und Missionare… -schlecht definierter Problemraum (Einsichts- bzw. Fixationsprobleme): Paradigmen: Neun-Punkte-Problem, Kerzenproblem,… Klassifikation problemlösenden Denkens • analytisches problemlösendes Denken: - Ausgangssituation und Ziel sind klar definiert und die lösungsrelevanten Informationen sind bekannt oder erschließbar - Hauptanforderung: Informationsanalyse und Lösungsentwicklung; - Problemlösen = intelligente Anwendung von Wissen • produktives problemlösendes Denken: - das Lösungsprinzip ist unbekannt - selbstreguliert-strategischer Erwerb und intelligente Anwendung von Wissen Theorien des Problemlösens Behaviormus/Assoziationismus: Problem= dominante Reaktion auf Reiz führt nicht zu erwünschten Erfolg Problemlösen= Umschichtung von Reaktionshierarchien Gestaltpsychologie: Problem=defekte Gestalt Problemlösen= Suche nach einer guten Gestalt (Umstrukturierung; Einsicht (Aha-Effekt)) Informationsverarbeitungsansatz: Problem= 1. unerwünschter Ausgangszustand 2. erwünschter Zielzustand 3. Barriere, die die Transformation von A nach Z verhindert Problemlösen= Suche im Problemraum (Newell & Simon) Theorien des Problemlösens 1. Assoziationismus: Durch wiederholte Assoziationsbildung ergeben Reaktionshierarchien mit der jeweils wahrscheinlichsten Reaktion an der Spitze (= Gewohnheitsmuster, mit denen auf bestimmte Auslösebedingungen routinemäßig reagiert wird.) - Experiment: trial and error-Verhalten bei Katzen (Thorndike 1898) Mit diesem Ansatz nicht zu klären: a) Produktives Denken (neue Reaktion, die noch nicht in der Reaktionshierarchie existiert) b) Verhalten durch Einsicht (kaum/gar nicht gezeigte Reaktion wird durch einmalige Verstärkung zum dominanten Verhalten) Theorien des Problemlösens 2. Gestaltpsychologischer Ansatz: (Wertheimer, Duncker, Köhler) Grundgedanke: Die Wahrnehmung wird gesteuert durch Prinzipien der Wahrnehmungsorganisation (gute Gestalt, das Ganze ist mehr als die Summe der Teile) Problem= defekte Gestalt, die Spannung und das Bestreben erzeugt, daraus eine gute Gestalt zu machen Problemlösen: durch Umstrukturierung und Einsicht - nicht Reiz-Reaktionsverhalten sondern produktives Denken Theorien des Problemlösens Phasen des Organisationsprozesses beim Problemlösen: 1. Vorbereitung: Sammeln von Informationen, erste Lösungsversuche 2. Inkubation: nach Scheitern, Problem liegen lassen 3. Einsicht: Erkennen der Lösung; Aha-Erlebnis 4. Überprüfung der Lösung • Einsichtsprobleme: Bergsteigerproblem, Neun-PunkteProblem, Kerzenproblem … Theorien des Problemlösens 3. Informationstheoretischer Ansatz: Grundgedanke: Mensch als offenes System, das Informationen aktiv aus der Umwelt aufnimmt, intern verarbeitet und wieder an die Umwelt abgibt - funktionalistische Betrachtung von Lernprozessen - Grundlage: kognitive Architektur ( KZG, LZG) in dem die Prozesse ablaufen Problemlösen= Suche im Problemraum (Newell & Simon,1972) Verstehensprozess: interne Repräsentation des Problems Suchprozess: Lösung des Problems Resultatsorientierter Ansatz: Interesse am Ergebnis (Lösungszeit, Lösungsgüte) Paradigmen: 9-Punkte; Bergsteiger; Kerzenproblem,... Prozessorientierter Ansatz: Interesse am Lösungsprozess (Lösungsschritte, Strategien) Paradigmen: Turm von Hanoi, Kannibalen und Missionare, Kryptarithmetische Probleme, komplexe Probleme,.... Problemlöseprozess I Klassische Schritte nach Polya (1945) o Problemstellung sowie relevante Informationen und Bedingungen für eine angemessene Lösung sind zu erkennen o Lösungswege sind zu suchen o Ein bestimmter Lösungsweg ist auszuwählen und anzuwenden o Lösung ist zu reflektieren und zu überprüfen o Ergebnis ist mitzuteilen • Modell TOTE-Einheiten (Miller, Galanter & Pribram,1960) - Konzept der Rückkoppelung Problemlöseprozess II Zentrale Bestandteile im Problemlöseprozess • Zielantizipation • Problemrepräsentation • Planung • Überwachung/Kontrolle • Reflektion - Lösung wird konstruiert - Problemlösen erfolgt kontrolliert; vollzieht sich nicht schrittweise (Hin und Herspringen); an vielen Stellen wird gleichzeitig etwas geändert Lösen von Interpolationsproblemen I Organisation mentaler Prozesse (Dörner, 1976) Lösen von InterpolationsproblemenII Schritte im Problemlöseprozess 1. Situations- und Zielanalyse Entscheidung über Startpunkt; Analyse der Problemsituation unter Einbezug des Ziels Unterschiede zwischen Ausgangs- und Zielzustand ermitteln 2. Operatorauswahl Mit dem Einsatz eines Operators können Nebenwirkungen verbunden sein Voraussetzungen für den Einsatz eines anderen Operators können zerstört werden 3. Operatoranwendung und Erfolgsanalyse 1.Prüfung der Anwendbarkeit des Operators 2.Ausführung der einzelnen Teiloperationen Eigenschaften von Operatoren: - Wirkungsbreite (Nebenwirkungen in Betracht ziehen) - Reversibilität (Möglichkeit der Rücknahme einer Operatoranwendung?) - Wirkungssicherheit (Effektkontrolle - beabsichtigte Wirkung überprüfen) - Anwendungsvoraussetzungen (Beachtung des Zeitpunktes der Anwendung) 4. Umorientierung bei Misserfolg - Zwischenzielbildung - Erneute Operatorsuche - Absichtswechsel (Auswahl anderer Operatoren) - Zielwechsel - Startpunktwechsel (und Richtungswechsel) - Wechsel des Heurismus Festlegung der Suchrichtung Vorwärts- oder Rückwärtssuche Heuristiken /Suchprozeduren I • Heurismus Verfahren zur Lösungsfindung, d. h. eine bestimmte Abfolge elementarer geistiger Operationen, durch die ein Problem gelöst werden kann, aber nicht unbedingt gelöst werden muss (Dörner, 1976) - „Daumenregel“ (zeitsparend, keine Lösungsgarantie) • Algorithmus systematisches Überprüfen aller Alternativen (zeitaufwändig, führt aber sicher zur Lösung) Heuristiken /Suchprozeduren II Generate and test (Hypothesen testen): Lösungsvorschläge werden Schritt für Schritt generiert und überprüft Backward chaining (Rückwärtsverkettung): ist der Zielzustand gut beschrieben, kann auch vom Zielzustand rückwärts gearbeitet werden Operator subgoaling (Zwischenzielbildung): erzeugt ein Operator eine sinnvolle Transformation, kann aber derzeit noch nicht angewendet werden, besteht ein Zwischenziel darin die Anwendungsvoraussetzungen für diesen Operator zu schaffen Subgoal decomposition (Teilzielbildung): das Gesamtziel wird in additive Teilziele zerlegt Difference reduction (Differenzreduktion): Suche nach dem Operator, der die Differenz zwischen dem gegebenem und dem Zielzustand maximal reduziert Means-end analysis (Mittel-Ziel-Analyse) Kombination von Vorwärtsverkettung und Zwischenzielbildung Match (Passung): existiert ein Lösungsschema, wird es Teil für Teil an die bestehende Struktur herangetragen und passend gemacht Versuch und Irrtum: Analoges Problemlösen: zum Ausgangsproblem wird durch Vergleich mit vorhandenem Wissen eine analoge Lösung gesucht