TEILCHENPHYSIK FÜR FORTGESCHRITTENE Vorlesung am 7. April 2006 Thomas Schörner-Sadenius Universität Hamburg, IExpPh Sommersemester 2006 ÜBERBLICK 1. Die quantenmechanische Beschreibung von Elektronen 1.1 Schrödinger-Gleichung 1.2 Klein-Gordon-Gleichung 1.3 Hinführung zur Dirac-Gleichung 1.4 Niederenergiegrenzfall der Dirac-Gleichungen 1.5 Die Pauli-Gleichung, das magnetische Moment des Elektrons 1.6 Kovariante Schreibweise, Notation 1.7 Vollständige Lösung der Dirac-Gleichung 1.8 Spin des Elektrons 1.9 Viererstromdichte 1.10 Die Lösungen negativer Energie - Antiteilchen TSS SS06: Teilchenphysik II 2 1.4 GRENZFALL NIEDRIGER ENERGIEN Wir betrachten zuerst ein freies, ruhendes Elektron: Dann vereinfacht sich die Dirac-Gleichung: mit der Frequenz 0. Anwendung des Energie-Operators auf die vier Lösungen ergibt: Ausgeschrieben bedeutet das: Was ist die Interpretation der Lösungen mit negativer Energie ? Dafür gibt es 4 unabhängige Lösungen: TSS SS06: Teilchenphysik II 3 1.4 GRENZFALL NIEDRIGER ENERGIEN Jetzt gehen wir von kleinen kinetischen Energien aus: Wir benutzen die Taylor-Entwicklung der QuadratWurzel … Einsetzen in die Dirac-Gleichung Einzelne Betrachtung der oberen und unteren Komponente; zuerst die untere: … und entwickeln die Energie-Wurzel; der kinetische Term wird als kleine Störung der Ruheenergie betrachtet: Nach einiger Rechnung und unter Verwendung Die Zeitabhängigkeit ist daher in etwa die des ruhenden Elektrons exp(-i0t); wir wählen folgenden Ansatz für die Wellenfunktion : von 0 und p2/2m<<mc2 kann man zeigen, dass Daher wird die kleine, die große Komponente genannt. Die große Komponente erfüllt die SchrödingerGleichung (später oder Übung) – die SGL ist der nicht-relativistische Grenzfall der Dirac-Gleichung. TSS SS06: Teilchenphysik II 4 1.5 DIE PAULI-GLEICHUNG Geladenes Teilchen im Potential A,: Ersetzen des Impuls … p p qA … und Berücksichtigen der potentiellen Energie: i c p qA mc 2 q Übergang zu Operatoren … Die potentielle Energie eines magnetischen Moments im B-Feld lautet: E pot Der Term proportional zum B-Feld stellt diese potentielle Energie dar; das magnetische Moment des Elektrons lautet also … P p qA i qA 2 e 1 i i eA B e 2m 2m Diese Gleichung beinhaltet sowohl den Spin als auch das magnetische Moment des Elektrons und seine Wechselwirkung mit dem B-Feld. TSS … wobei gilt: B P P q 2m Das wiederum führt zur Pauli-Gleichung: e B 2 S 2m … führt zu folgender Gleichung für die “große” Komponente: 1 i B e und S . 2m 2 Der Faktor 2 in der Definition des magn. Moments des Elektrons ist der Lande-Faktor g, dessen Wert im Experiment zu etwa 2 bestimmt wurde, der aber bis zu Dirac unerklärlich war! Die Abweichung g-2 kann in der QED berechnet werden; die Messung dieser Größe stellt einen der genauesten Tests der QED dar! SS06: Teilchenphysik II 5 1.6 KOVARIANTE SCHREIBWEISE Definiere den kontravarianten Vierervektor: Beispiel: Die Viererableitungen: Beispiel: Viererimpuls p, Raumzeit x: Metrischer Tensor: Einsteinsche Summenkonvention und kovarianter Vierervektor: Vierervektor-Produkte sind lorentz-invariant: TSS Zur weiteren Komplikation setzt man: Man drückt also Geschwindigkeiten in Einheiten von c und Wirkungen in Einheiten des Plankschen Quantums aus! SS06: Teilchenphysik II 6 1.7 DIRAC KOVARIANT Wir wollen nun die Kovarianz der Dirac-Gleichung auch in der Schreibweise herausstellen. Dazu definieren wir die -Matrizen: Der Vierervektor der -Matrizen … … und die kovariante Ableitung … Damit schreibt man die Dirac-Gleichung um: … erlauben folgende Schreibweise: Mit dem “dagger”-Symbol … … folgt: Die -Matrizen erfüllen die Vertauschungsrelation: TSS SS06: Teilchenphysik II 7 1.7 VOLLSTÄNDIGE LÖSUNG DER DIRAC-GL. Nun die generelle Lösung der Dirac-Gleichung. Wir betrachten folgenden oszillatorischen Term: Nebenrechnung: Für die Energie-Eigenwerte folgt (E>0): Damit folgt das Gleichungssystem: Oberes Vorzeichen: positive Energie; unteres Vorzeichen: negative Energie. Wahl des Ansatzes und Einsetzen: Für positive Energien folgt aus der 2. Gleichung: Es zeigt sich, dass frei wählbar ist; wähle und verifiziere durch Einsetzen in obere Gleichung: TSS SS06: Teilchenphysik II 8 1.7 VOLLSTÄNDIGE LÖSUNG DER DIRAC-GL. Das führt auf zwei Lösungen positiver Energie. Mit pz px ip y folgt: Normierung N der Dirac-Spinoren? Konvention: px ip y 1 pz E m 1 0 p u1 ( p) N z , ( E m) p ip x y Em 0 1 p ip u2 ( p) N x y Em p z ( E m) Die vollständigen Lösungen der Dirac-Gleichung lauten also: Jetzt negative Energien (unteres Vorzeichen). Aus der ersten Gleichung folgt und jedes erfüllt Gleichungen. px ip y E m p z v1 ( p) N , ( E m) 0 1 TSS pz ( E m ) p ip v2 ( p ) N x y E 1 m 0 SS06: Teilchenphysik II 9 1.8 DER SPIN DES ELEKTRONS Spezialfall 1: Impuls in +z-Richtung: Kleine Komplikation: In der Zukunft werden v1,2 Antiteilchen beschreiben – daher dreht sich noch das Vorzeichen um; v1 hat also Spin +½, v2 Spin -½. p (0,0, pz ), pz | p | p Explizite Form der Spinoren: 1 0 u1 E m p , E m 0 0 p E m , v1 E m 0 1 0 1 u2 E m , 0 p E m p E m v2 E m 0 1 0 Spezialfall 2: Impuls in -z-Richtung: p (0,0, pz ), pz | p | p Die Form des Spinors ändert sich … Anwendung des Spin-Operators S3 auf u1 etc.: 1 0 0 0 1 1 0 1 0 0 0 1 S3u1 E m p 2 u1 2 0 0 1 0 E m 0 0 0 1 0 Analog: S3u2=-½u2, S3v1=-½v21, S3v2=½v2 Dirac-Gleichung liefert korrekten Spin ½! TSS 1 0 u1 E m p E m 0 … aber der Spin bleibt der gleiche: 1 0 1 0 1 S3u1 2 0 0 0 0 1 0 1 E m p 2 u1 E m 0 1 0 0 0 1 0 0 0 Spin ist bezogen auf die Quantitiserungsachse! SS06: Teilchenphysik II 10 1.9 DIE VIERERSTROMDICHTE Wir schreiben zuerst die Stromdichte um: j c 0 0 Dabei wurde die Definition des adjungierten Spinors verwendet: 0 Zusammen mit der Dichte 0 0 0 kann man dann eine Viererstromdichte definieren: j ( , j ) Die Kontinuitätsgleichung wird dann zu (nachrechnen!): j 0 ( j 0) TSS SS06: Teilchenphysik II 11 1.10 DIE LÖSUNGEN NEGATIVER ENERGIE Idee Dirac (1928, NP 1933): Alle Zustände negativer Energie sind besetzt (PauliPrinzip) bei voller Besetzung sind sie egal. - Ist eines der Niveaus unbesetzt, dann kann ein Elektron mit E>0 dahin wechseln und ein Photon mit E>2me aussenden; - Alternativ kann ein Photon mit E>2me ein Elektron von negativer auf positive Energie heben. Man interpretiert Lösungen negativer Energie als Teilchen, die rückwärts in der Zeit laufen beziehungsweise als Antiteilchen, die vorwärts in der Zeit laufen : ~ e Gemäß dieser Löcher- und See-Theorie sollten sich Löcher wie positiv geladene Teilchen verhalten Begriff der Antiteilchen. Anwendung auf Festkörper (Halbleiter!) sehr erfolgreich; Probleme in der Teilchenphysik – das Pauli-Prinzip gilt nicht für Bosonen! Daher alternative Idee von Feynman (E>0!): Für positive/negative Energien galt ja: TSS ipx e iEt ipx e i ( E ) t i ( p ) x e iE ( t ) ip ( x ) ENTWEDER hat das Teilchen negative Energie und Impuls ODER es hat positive Energie und Impuls und läuft rückwärts in der Zeit. Was aber bedeutet: Ein Teilchen läuft rückwärts in der Zeit? SS06: Teilchenphysik II 12 1.10 DIE LÖSUNGEN NEGATIVER ENERGIE ”Ein Schritt”: Mehrere Schritte: t t 1 1 1 e– 2 1 e– e+ e+ 2 2 2 3 3 x Das Elektron (die negative Ladung) wandert von 1 nach 2 effektiv wandert eine positive Ladung (das Positron) von 2 nach 1. x Das Elektron wandert rückwärts in der Zeit – der Schritt 23 kommt also VOR dem Schritt 12 Das Positron wandert 321, also vorwärts in der Zeit Antiteilchen tragen die negativen additiven Quantenzahlen der Teilchen! TSS SS06: Teilchenphysik II 13