TEILCHENPHYSIK FÜR FORTGESCHRITTENE Vorlesung am 2. Juni 2006 Thomas Schörner-Sadenius Universität Hamburg, IExpPh Sommersemester 2006 PRÄSENZÜBUNG 1. Vertexfaktor: 2. Dirac-Gleichung des Elektrons: 3. Objekte der SU(3)C-Eichtransformation: 4. Lagrangian des Photons: 5. Helizität: TSS/RK SS06: Teilchenphysik II 2.6.2006 - 2 ÜBERBLICK 1. Die quantenmechanische Beschreibung von Elektronen 2. Feynman-Regeln und –Diagramme 3. Lagrange-Formalismus und Eichprinzip 4. QED Einschub: Beschleuniger und Experimente 5. Starke Wechselwirkung und QCD Einschub: Wie sieht eine QCD-Analyse bei ZEUS aus? 5. Schwache Wechselwirkung 6.1 Einleitung und Allgemeines 6.2 Eichtheorie der schwachen W’Wirkung TSS/RK SS06: Teilchenphysik II 2.6.2006 - 3 WIEDERHOLUNG Beispiel 2-Zustands-System: Erweiterung auf Antiteilchen: p n 1 1 Ii i i 2 2 n p p 1 0 , p , n n 0 1 1 1 0 1 1 1 I 3 p 2 0 1 0 2 0 1 0 1 0 i 1 0 1 1 i 0 I p 2 1 0 i 0 0 0 0 0 Anwendung auf SU(3)Flavour: Mesonen 1 0 1 0 i 0 0 1 0 i p I n 2 1 0 i 0 1 0 0 1 Kombination von Zuständen / Multipletts / Vektorräumen: I3 1 I 1 I3 0 I 3 1 I 0 I3 0 pp 1 ( pn np) 2 nn 1 ( pn np) 2 I 3ges I 3 I 3 u d s I 3 1 3 2 Y 1 8 3 I 1 1 i2 I 1 1 i2 I 3 1 3 2 2 2 1 0 0 u 0 d 1 s 0 0 0 1 1 ( ) 2 1 ( ) 2 3 3 8 1 Erweitere Definition der Auf/Absteige-Operatoren etc. für Kombinationen von Teilchen, z.B.: Anwendung auf SU(3)Flavour: Baryonen I 3ges I 3(1) I 3( 2) I ges I (1) I ( 2) 3 3 3 10 8 8 1 Erster Summand wirkt nur auf “erstes” Teilchen etc. I 3 (np) ( I 3(1) I 3( 2) )( np) ( I 3(1) n) p n( I 3( 2) p) ... TSS/RK SS06: Teilchenphysik II 2.6.2006 - 4 6. DIE SCHWACHE WECHSELWIRKUNG Historischer Einstieg: - 1896: Becquerel entdeckt Radioaktivität (Uranpech auf verpackter Photoplatte). - 1914: Chadwick: -Strahlen aus nuklearen -Zerfall haben kontinuierliches Spektrum (im Gegensatz zu z.B. -Teilchen – diskrete Energieniveaus!). - 1956: Lee und Yang: Beobachtung der Paritätsverletzung in der schwachen WW: Co60Ni e e 60 Ausrichten der Co-Spins im B-Feld e–-Impuls bevorzugt entgegen Co-Spin Paritätsverletzung! - Problem: Fermi-Matrixelement ist paritätserhaltend! Theorie muss modifiziert werden durch bekannte Faktoren (Chiralitätsoperatoren). 1 5 2 - Denn: - Interpretaton (Ende der 1920er): - Energieerhaltung verletzt (Bohr) - “Neutrino” trägt Energiedifferenz weg (Pauli). - 1933: Fermi und Theorie des -Zerfalls in Analogie zur QED (Vierpunkt-WW und Strom-Strom-Form): M G( F ) un u p u ue … mit Kopplungskonstante G~1.1*10-5 GeV-2. Beachte das Fehlen eines Propagator-Terms! TSS/RK 1 1 1 1 5 V A 2 2 V transformiert unter Raumspiegelungen wie ein Vektor, A wie ein Axialvektor: A0 A0 A A Obiger Strom verletzt also die Paritätsinvarianz! - Damit wird das Matrixelement: 1 1 M G( F ) un 1 5 u p u 1 5 ue 2 2 (V-A)-Theorie der schwachen Wechselwirkung! Berücksichtigt Chiralität, beschreibt Paritätsverletzung SS06: Teilchenphysik II 2.6.2006 - 5 6. DIE SCHWACHE WECHSELWIRKUNG TSS/RK SS06: Teilchenphysik II 2.6.2006 - 6 6.1 (V-A) IM PION-ZERFALL Interessante Erkenntnis: Pion-Zerfall myonisch dominiert: eher als e e (Verzweigungsverhältnis 1.28*10-4) - obwohl m/me~210 ( wenig Phasenraum für Myon)!!! Leptonischer (V-A)-Strom Da Pion Spin-0-Teilchen ist (kein Dirac-Spinor) ist 4er-Impuls einziger Vektor, mit dem der leptonische Strom kontrahiert werden kann: j f p f m ,0 Pion-Ruhesystem G( F ) 2 f m ue 0 1 5 u … und man erhält als Zerfallsbreite (richtige Behandlung des Phasenraumes, des Flussfaktors): d TSS/RK p M d 2 32 m 2 2 1 u2 E me 0 p /( E m ) e - Aber: u2 0 (1 5 )v2 u2 0 0 v2 u2 0 0 5v2 u2 v2 u2 5v2 u2 v2 u2 v2 2u2 v2 0 Lösung mit negativer Helizität verschwindet! Muss sie auch – Drehimpulserhaltung! e ( E , k p) Damit wird das Matrixelement … M 1 0 k 1 0 - Erster Versuch Elektron: u2 (Spin entgegen z-Achse, negative Helizität): 0 Ansatz Matrixelement: G( F ) M j ue 1 5 u 2 Strom des Pions Welche Spinoren kommen in Frage (z-Achse parallel zu Elektron-Impuls)? - Antineutrino ist rechtshändig: v2 mit pz=-k! v2 (m ,0) e ( Ee , p ) z - Also: p u1 v2 E m k 1 Em u1 v2 2 pE p 2 pE 1 2 SS06: Teilchenphysik II p Em Em Ausrichtungsgrad ! 2.6.2006 - 7 6.1 (V-A) IM PION-ZERFALL Matrixelement: M e 4GF2 f2 m2 pE p 2GF2 f2 me2 m2 me2 2 Das Matrixelement ist unabhängig vom Winkel (keine Bezugsachse bei ruhendem Pion)! Zerfallsbreite: ( e e ) GF2 f 2 me2 m2 me2 3 8m 2 Analoge Rechnung für myonischen Zerfall. Verhältnis: e e me2 m2 me2 2 2 1.28 10 4 2 m m m Diese starke Unterdrückung des elektronischen Zerfalls kommt (fast) ausschliesslich vom Matrixelement – nicht vom Phasenraum. Er spiegelt die chirale Struktur der schwachen WW wider! TSS/RK SS06: Teilchenphysik II 2.6.2006 - 8 6.1 BEDEUTUNG VON GF Matrixelement der e--Streuung unter Annahme eines schweren Eichbosons: (p’) e Form des Propagators ableitbar via GreensFunktion etc. g W+ 2 (p) M e(k) g q q g2 1 1 5 u( ) 2 2 u(e) 1 1 5 u(e) u ( ) 2 2 2 q MW q2<MW2: g2 1 1 M u 1 5 u( ) u(e ) 1 5 u( e ) 2 ( ) 8M W 2 2 Vergleich mit Fermis 4-Punkt-WW: GF g2 2 2 8M W Berechnung des WQS: Spin-Mittelung/Summation etc … 2 … ergibt schliesslich: TSS/RK 2 … folgt dann (p=s/2, p’=(s-mu2)/(2s)): 2 d GF2 s m d 4 2 s 2 GF2 s 4 2 GF2 s Anmerkungen: - Der diff. WQS ist unabhängig vom Winkel. - Der WQS steigt mit dem Quadrat der Problem!!!!! Schwerpunktsenergie an !!! - In der e-e-Annihilation tritt Winkelabhängigkeit auf: 2 GF2 s 3 Anschaulich: - In e--Streuung ist Jz=0 keine Achse ausgezeichnet. - In e-e-Annihilation ist Jz(Anfang)=+1, aber Jz() ist nur in mit 33% W’keit +1. - Erwartung in Neutrino-Nukleon-Streeung: q q 1 3 GF2 M E 2 M 16GF2 s s m2 2 d 1 1 p M d 64 2 s p d GF2 1 cos s 2 d 4 2 Beste Bestimmung von GF aus der Lebensdauern des Myons: GF~(1.166390.00002)*10-5 GeV-2. GF ist effektive Kopplung für den Fall kleiner Impulsüberträge Q2! M Mit der normalen Formel zur Berechnung des WQS … SS06: Teilchenphysik II 2.6.2006 - 9 6.1 WO IST DAS PROBLEM? Partialwellenzerlegung im optischen Modell (Streutheorie): Der inelastische WQS kann geschrieben werden als: inel 2 (2l 1)(1 | l |2 ) k l 0 Bei Schwerpunktsimpulsen von p*=370GeV tritt also ein Konflikt auf Verletzung der Unitarität (l Amplitude 0<l<1, l Bahndrehimpuls, k Wellenzahl). Im Fall der l-ten Partialwelle gilt also: inel k2 (2l 1) Andererseits ist die Reichweite der schwachen WW sehr klein: R 2.5 10 18 m MW Es gibt also faktisch keinen Stossparameter – die Streuung erfolgt immer mit l=0 (s-Welle). Mit (im CMS) k=p* folgt also für die inelastische Reaktion e--e (e e ) k 2 (2l 1) p*2 Laut Fermi aber: (e e ) TSS/RK GF2 s GF2 4 p*2 SS06: Teilchenphysik II 2.6.2006 - 10 6.1 DIVERGENZEN UND NEUTRALE STRÖME WQS der (Myon-Neutrino)-Elektron-Streuung: 2 d GF2 s m d 4 2 s 2 GF2 s 4 2 Wir haben den “Fehler” gemacht, auch für hohe Energien (s!) den Propagator zu vereinfachen: g q q q M 2 2 W Beitrag des qq-Termes ist also von Ordnung me m Ersetze (in Austauschdiagrammen): 1 M W2 g q q q M 2 Im Falle sehr hoher Q2 aber eher: g q q q 2 M W2 Vernachlässigbar klein! M W2 2 W 1 q M W2 2 Aber: Probleme treten wieder auf, wenn externe WBosonen einbezogen werden, z.B. e+e-W+W-, die linear mit s ansteigt! 1 Q2 Das sieht wieder aus wie der Photon-Propagator jetzt sollte alles in Ordnung sein. Allerdings: Kompensieren die beiden q im Zähler das Q2? Nein! (q=p3-p1=p4-p2) W e W e Entscheidender Punkt (ohne Rechnung): Masse des q q W: MW>0 Helizität 0 möglich, und dieser 1 1 5 u1 2 2 u4 1 1 5 u2 u3 G2 2 2 q MW “longitudinale” Anteil steigt mit s an. F s 12 1 1 1 u ( p4, p2, ) 1 5 u2 u3 ( p3, p1, ) 1 5 u1 2 2 4 2 2 q MW Theoretische Lösung (wegweisend für Experimente!): Dirac-Gleichungen der (adjungierten) Spinoren: u3 p 3 m u3 u4 p 4 0 TSS/RK p 1u1 0 p 2u2 meu2 Existenz eines neutralen Feldquants (Z0), das die Divergenzen kompensiert. SS06: Teilchenphysik II 2.6.2006 - 11 6.1 DIVERGENZEN UND NEUTRALE STRÖME Divergenzen in: W W W e e W e Die Theorie fordert also die Existenz von Neutralen Strömen: - Schon früh in tiefunelastischer eN-Streuung Hinweise auf Notwendigkeit schwerer neutraler Feldquanten (Interferenz mit Photon-Term). - Hinweise aus Vorwärts-Rückwärts-Asymmetrien in e+e--Experimenten (PETRA, später) -1973 (Blasenkammer Gargamelle am CERN) erstmals Neutrino-Reaktionen ohne geladene Myonen im Endzustand (keine Flavour/ Ladungsänderung “neutral current”, NC): Kompensation durch: W W W Z Z e W e Damit Kompensation (mit nur einem Z) eintritt, muss gelten: g (We ) ~ g ( Zee) ~ g ( ZWW ) ~ e g Z ~ gW ~ e (Modifiziert durch EW-Mischungswinkel) Achtung: - Auch schweres Lepton im t-Kanal kann kompensieren. - Es kann auch mehrere Z-Bosonen geben! TSS/RK Z e e e - Gleichzeitig viele hadronische Ereignisse mit grosser Rate, die nur mit NC gehen konnten: N ( ) X , N ( ) X Mithilfe von folgt in erster Ordnung: MW~MZ~40GeV GF g2 2 2 8M W e ( N ( ) X ) : ( N X ) 0.25 Gleiche Raten legen nahe, dass Kopplung des Z an Quarks/Leptonen etwa wie W-Kopplungen! - 1984 Entdeckung von W,Z am SppS (UA1,UA2) SS06: Teilchenphysik II 2.6.2006 - 12 6.1 SCHWACHE WW VON HADRONEN, “SU(2)L” Nahezu alle langlebigen Hadronen zerfallen schwach. Dabei gilt empirisch im Falle nichtleptonischer strange-Zerfälle die Auswahlregel S=1: p K 0 e e ne e BR: 1.017*10-3 BR: <5*10-6 Verständlich, falls grundlegender Prozess sWu: s u W S 1, Q 1 3 S 0, Q 2 3 TSS/RK K 0e e 0.05 0e e Diese werden in starker WW erzeugt Die “schwachen” Zustände d’,s’ sind unphysikalisch – das System muss sich also entscheiden: u d cos C W ud u s sin C Geladener Strom qq’W-Vertex Aber z.B. für -Zerfall braucht man auch dW-u mit S=0. Experimentell ist diese Kopplung etwa so stark wie W; aber S=1-Prozesse Faktor 20 kleiner! K Diese Zustaende koppeln an das W sin C d cos C s Die physikalischen (starken) Flavour-Zustände d,s koppeln immer nur mit cosC, sinC “verziert” an W. W e e , W , W ud , W us Interessant: -Hyperon: ne e d cos C s sin C Erinnerung: uds uud u d S(s)=-1! S 1 S 0 In semileptonischen Prozessen gilt S= QHadron: K 0 e e Idee Cabibbo: Quarks d und s koppeln nicht direkt an den schwachen Strom, sondern in Superpositionen: Beispiel Tafel. WARUM? SS06: Teilchenphysik II 2.6.2006 - 13 6.1 SCHWACHE WW VON HADRONEN, “SU(2)L” Essenz: Geladener schwacher Strom koppelt an (linkshändige) schwache Isospindubletts: Das sieht aus wie eine SU(2)-Symmetrie (des schwachen Isospins). Also sollte es auch neutrale Ströme (neben den Schiebeoperatoren W+, W-) geben weitere Evidenz der Existenz eines Z0! u c c e u , , e L d L d cos C s sin C L s L d sin C s cos C L Beschaffenheit des Z0: Nichtexistenz flavour- Dazu gehört eine Strom-Strom-WW: M J J (Existenz des c vorweggenommen!) J u , c d d 1 1 5 u , c 1 1 5 U 2 2 s s cos C U sin C sin C cos C 1 1 5 d cos C s sin C 2 1 c 1 5 d sin C s cos C 2 eigentlich sollte es neutrale FCNC sd geben, also Prozesse wie: K L0 ds Idee 1970 (Glashow, Iliopoulos, Maiani = GIM): Es gibt ein c-Quark mit Ladung 2/3, das mit s’ in schwachem Isodublett ist: c c d’Wu s L d sin C s cos C L s’Wc Experimenteller Wert: C=12.8o, sinC=0.22 TSS/RK Werden aber nicht beobachtet (BR 10-9). Warum? Ausführlich: u ändernder neutraler Ströme (“flavour changing neutral currents”, FCNC): u M NC J J J u , d A(S 0) B(S 1) d Unter dieser Annahme fallen die S=1-Terme weg (Tafel) Theorie sagt KEINE FCNC mehr voraus! Experimentell 1974 bestätigt: J/=cc! SS06: Teilchenphysik II 2.6.2006 - 14 6.1 SCHWACHE WW VON HADRONEN, “SU(2)L” Anmerkungen zu GIM: – Wahl der Mischung im “down”-Sektor ist beliebig – analoge Ergebnisse auch bei Mischung im “up”- oder in beiden Sektoren. – Ohne Cabibbo-Rotation (falls also starke=schwache Zustände), dann gäbe es keine Mischung zwischen den Dubletts Kaonen, B-Mesonen, D-Mesonen … stabil! Welt sähe ganz anders aus! – Entdeckung von W,Z 1984 am SppS am CERN (UA1, UA2) in Proton-Antiproton-Kollisionen. – Charm-Hadonen zerfallen bevorzugt in StrangeHadronen: cs: cosC. DK! cd: sinC. In etwa heutiger Stand der Kenntnis der Matrixelement-Beträge (Achtung: Es geht noch eine komplexe Phase ein!): ~ 0.23 ~ 0.003 ~ 0.974 ~ 0.974 ~ 0.04 ~ 0.022 0.004 0.01 0.04 ~ 1 Die Diagonalelemente dominieren. t koppelt fast exklusiv an b, b-c-Kopplung stark unterdrückt! Nachtrag zu Cabibbo: Cabibbo-Theorie findet Erweiterung auf sechs Quarks in der CKM-Matrix (Cabibbo-Kobayashi-Maskawa). Sehr aktives Feld mit Implikationen für elementare Fragen der Teilchenphysik und Kosmologie (später)! d ' Vud Vus Vub d s ' V V V cd cs cb s b' V td Vts Vtb b TSS/RK Cabibbo-Matrix näherungsweise “links oben”! SS06: Teilchenphysik II 2.6.2006 - 15