Die Nabis in Paris und die Berliner Sezession Autor(en): Stadler, Edmund Objekttyp: Article Zeitschrift: Du : kulturelle Monatsschrift Band (Jahr): 24 (1964) Heft 11 PDF erstellt am: 13.02.2017 Persistenter Link: http://doi.org/10.5169/seals-294297 Nutzungsbedingungen Die ETH-Bibliothek ist Anbieterin der digitalisierten Zeitschriften. Sie besitzt keine Urheberrechte an den Inhalten der Zeitschriften. Die Rechte liegen in der Regel bei den Herausgebern. Die auf der Plattform e-periodica veröffentlichten Dokumente stehen für nicht-kommerzielle Zwecke in Lehre und Forschung sowie für die private Nutzung frei zur Verfügung. Einzelne Dateien oder Ausdrucke aus diesem Angebot können zusammen mit diesen Nutzungsbedingungen und den korrekten Herkunftsbezeichnungen weitergegeben werden. Das Veröffentlichen von Bildern in Print- und Online-Publikationen ist nur mit vorheriger Genehmigung der Rechteinhaber erlaubt. 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Jahrhundert ist als Reaktion gegen den Realismus und vor allem seinen Dekor für das «Concile féerique» von Jules Laforgue auf einen Pro¬ den materialistischen Naturalismus in der Literatur der sogenannte Sym¬ spekt, der den nächtlichen Sternenhimmel darstellt, und Draperien. Denis bolismus entstanden. Der Name taucht erstmals 1885 in der Zeitschrift «Le Symbolisme» auf und wird ein Jahr später von Jean Moréas an den Kopf baut einen von ihm als «décor artistique» bezeichneten grossen romanischen Saal mit roten und goldenen Tapisserien, der, dank dem Verzicht auf realisti¬ seines Manifestes für die neue Richtung der Literatur gestellt. sche Details und dank der Beleuchtung durch eine rote Lampe, geheimnisvoll Aber nicht nur die Literatur soll erneuert werden, sondern auch ihre Darstel¬ lung. Stéphane Mallarmé, dessen Haus seit 1883 zum Treffpunkt der jungen und ambivalent bleibtund damitdem zwischen Heiligkeitund Wollust schwan¬ Dichtergeneration wird, erträumt die Fusion von Wort, Geste, Dekoration, Tanz und Musik auf einer mehr oder weniger abstrakten Bühne. Sein Schüler Albert Mockel fordert 1890 in der belgischen Zeitschrift «La Wallonie» eine symbolistische Ambiance gibt. Für die szenische Rezitation von Teilen der «Gestes du roi» tauchen Ibels Bühnenwahrheit, die nicht von dieser Welt ist, die ihre Atmosphäre, ihr Licht, ihr Leben hat, deren Kostüme und Dekorationen estompiert (verwischt, d.h. stilisiert) sind; Ideal ist für ihn eine Harmonie von Bewegungen, Gesten, Farben und Tönen, die zu einem Symbol hin orientiert sind. Nach ersten symbolistischen Inszenierungsexperimenten auf Kleinkunst¬ kenden Bischof in dem Legendenspiel «Théodat» von Rémy de Gourmont die und Pierre Bonnard den «Tod des Emir» «dans une tonalité orange» - ein Fragment des Dekors von Bonnard ist hier abgebildet-, Ibels und Sérusier den «Tod des Roland» in grüne Töne, von denen sich die goldenen Rü¬ stungen der Helden in der zauberhaften Weise der primitiven Malerei ab¬ heben; Ibels und Vuillard malen für «Bertas Verirrung im Walde» violette Felsen, über die Goldregen fällt. bühnen (seit 1887) tritt 1891 das «grosse Theater» auf den Plan. Das im Som¬ mer 1890 von Paul Fort eröffnete Théâtre mixte wird seit 1891 unter dem neuen Die am gleichen Abend aufgeführte szenische Bearbeitung des «Hohen Namen «Théâtre d'Art» Forum des Symbolismus. Stéphane Mallarmé, Paul Verlaine, Henri de Régnier und Charles Moris übernehmen das Patronat. und Düften, welche den ersten Skandal des symbolistischen Theaters entfes¬ Liedes» von Salomon ist eine symbolistische Phantasie von Tonarten, Farben selt. Das in «Symbolistophiles» und «Symbolistophobes» zerfallende Publikum Paul Gauguin und Paul Sérusier schmücken das Programmheft aus. kann nur durch die heilige Garde der Dichter Verhaeren, Moréas, Claudel und Mit der Inszenierung des modernen Mysterienspiels «La Fille aux mains coupées» von Quillard hält die 1888 in der Nachfolge des Meisters von PontAven gebildete Malergruppe der «Nabis» ihren Einzug auf die Bühne. Das des Komponisten Debussy mit Stöcken wieder zur Raison gebracht werden. Bühnenbild ihres Anführers Paul Sérusiererregt am 19.März 1891 wegen seines revolutionären Habitus Aufsehen: auf einen Goldhintergrund sind Heilige und Engel im primitiven Stile eines Giotto gemalt, an Stelle der konventionellen, illusionistisch bemalten Kulissen zu beiden Seiten erscheinen rote Vorhänge. Auf den Bühnenrahmen ist ein Gazeschleier gespannt, der das Bühnenbild verschwimmen lässt. Vor ihm steht die Rezitierende in langer, blauer Tunika und verkündet mit monotoner Stimme den Wechsel von Ort und Zeit. «Die szenische Konzeption liess dem lyrischen Wort seinen Wert und vernach¬ lässigte den unvollkommenen Reiz der Dekoration» («Mercure de France»). Der Dekor wurde zur einfachen ornamentalen Fiktion; er vervollständigte mit Farben und Linien, welche dem Drama entsprachen, die Illusion (Quillard). Für die nächste Premiere am 5. Februar 1892 baut Sérusier den im Halbdunkel verdämmernden Raum mit dem von Anfang an schwarz umhüllten Bett der Sterbenden für «Les Flaireurs» von Charles van Lerberghe; Paul Ranson stellt für die Rezitation des «Bateau ivre» von Rimbaud einen vierteiligen, in der Arteines japanischen Meeresgartens bemalten Paravent auf die Bühne. In der Folge übernimmt Lugné-Poë die Inszenierung von Maeterlincks «Pelléas et Mélisande». Der vlämische Maler Paul Voégler entwirft die von Puvis de Chavannes inspirierten Bühnenbilder, die hinter Gazeschleiern verdäm¬ mern. Mallarmé hebt die Wälder hervor, die wie Zimmer aussehen, also auf drei Wände gemalt sind. Ornamental sind aber auch die weiten Säle, die keinerlei historische Reminiszenzen haben und auf überflüssige Möbel ver¬ zichten. Die gewählten Farben sind aussergewöhnlich: stumpfes Dunkelblau, Mauve, Orange, Moosgrün, Mondgrün, Wassergrün. Die Kostüme lehnen sich Damit ist das Eis gebrochen. Die Nabis, die zu dem laienhaften Paul Fort nicht genügend Vertrauen haben, bitten ihren Freund, den zweiundzwanzigjährigen Schauspieler und Regisseur Lugné-Poë, sich der Inszenierungen des Théâtre d'Art anzunehmen. Er beginnt vielversprechend mit dem Einakter nach dem Wunsche des Autors an Figuren Memlings an, verwenden jedoch in Harmonie mit dem Dekor symbolistische Farben erloschenes Violett, Grau¬ «L'Intruse» von Maeterlinck (Uraufführung am 20. Mai 1891). Der Nabi Edouard Vuillard abstrahiert in diesem symbolistischen Totentanz zum vorneherein excellence am 17. Mai 1893 wird zum europäischen Ereignis. Berauscht vom Erfolg, gründet Lugné-Poë, zusammen mit dem Dichter von einem realistisch eingerichteten Zimmer, beleuchtet den kahlen Raum nur mit der sichtbaren Lichtquelle einer Lampe, die am Schluss erlischt. Die hier Mauclair und dem Maler Vuillard, eine dramatische und ästhetische Gesell¬ schaft mit dem Ziele, unbekannte ausländische und moderne französische abgebildete Illustration aus dem Programmheft vermag eine Vorstellung dieses zweiten modernen Bühnenbildes zu vermitteln. An der nächsten Veranstaltung, am 11.Dezember 1891, sind fünf Nabis be¬ Dichter dem Pariser Publikum in avantgardistischen Inszenierungen nahezu¬ bringen: «L'Œuvre». teiligt. Vuillard gibt mit seinem in Dunkelheit gehüllten unbestimmten Dekor der Handlung der «Aveugles» von Maeterlinck einen viel entsprechenderen bildhaften Ausdruck, als es die genaue Ausführung der vom Dichter beschrie2 : blau und Grün. Das Gewand der Mélisande ist hell und wirkt, von oben be¬ leuchtet, irreal. Die Uraufführung des symbolistischen Märchenspiels par 6. Oktober 1893 tritt das zweite symbolistische Theater in Paris mit Ibsens «Rosmersholm» in der Inszenierung von Lugné-Poë und Vuillard ins Leben. Der Maler hat den Salon ganz dunkel tapeziert und wartet mit neuen Beleuch¬ Am tungseffekten auf. Vuillard beriet die Inszenierung von Ibsens «Baumeister Solness» am 3. April 1894. Nackte Mauern, in der Mitte ein Tisch, auf den Seiten ein Kanapee und Stühle, symbolisieren die Einsamkeit und Verlorenheit von Solness, die erst¬ mals im Théâtre de l'Œuvre eingerichtete schiefe Ebene den sinnbildlichen Konstruktionsfehler des Hauses und das drohende Unheil. horizont sind ganz unten die ferne Stadt und darüber der tiefblaue nächtliche Sternenhimmel gemalt. Grünliches Mondlicht fängt die Schwüle der orien¬ talischen Nacht ein. Die Kostüme stellen diesmal assyrisch-orientalische Vor¬ bilder durch die Kühnheit des Schnittes und den Rausch der Farben weit in den Schatten. Eine annähernde Vorstellung vermittelt Corinths Porträt der Vuillard malt für die Uraufführung des dialogisierten lyrischen Gedichtes Schauspielerin Gertrud Eysoldt als Salome. «La Gardienne» von Henri de Régnier eine Landschaft mit blauen Bäumen, Zu einem noch bedeutenderen künstlerischen Ereignis wird die Uraufführung violettem Boden und mauvefarbenem Palast auf einen Prospekt, die Lemaître als «Freske von Puvis de Chavannes, von derunsichern Hand eines farben¬ der «Elektra» von Hugo von Hofmannsthal am 30.Oktober 1903 im «Kleinen Theater». Wieder in Zusammenarbeit mit Reinhardt, diesmal aber auch mit blinden Kindes nachgeahmt, etwas wie gestammelte Malerei» glossiert. Ein ganz kühnes Experiment wagen Sérusier, Bonnard und Ranson anlässlich dem Autor, vermeiden Corinth und Kruse jegliche Anlehnung an die konven¬ tionelle Bühnenantike. Die Handlung spielt in einem von plastischen Blöcken umgebenen archaischen Hinterhof, in den blutrotes Licht fällt. Dem nach dem Wunsche des Dichters «verächtlich elenden Gewand, das zu kurz»für Elektra der Inszenierung des ersten europäischen Antidramas, des «Ubu Roi» von Alfred Jarry (10. Dezember 1896): Versatzstücke mit ganz gegensätzlichen Motiven werden um ein Cheminée aufgestellt, durch das der Auftritt des Anti- ist und Beine und Arme freigibt, wird das «prachtvoll grellrote Gewand» der helden erfolgt. Damit wird das Bühnenbild in seine Bestandteile aufgelöst und gewissermassen zumAntibühnenbild. Die vom Autor vorgesehene Anbrin¬ edelsteingeschmückten Klytemnästra entgegengesetzt, den schwarzen Klei¬ dern der Sklavinnen das blassgelbe Gewand der Schleppenträgerin und das gung von Schrifttafeln vor schwarzem Hintergrund zu realisieren, wagt man allerdings noch nicht. Das Publikum gerätohnehin ausser Rand und Band. Aber nicht nur die eigentlichen Nabis wirken am «Œuvre» mit. Toulouse-Lautrec violette der Vertrauten. Julius Bab spricht von der ausserordentlich balladesken Kraft der Inszenierung und preist die kleine Eysoldt, die im «rasenden illustriert das Programmheft und stattet die Pariser Erstaufführung des alt¬ indischen Dramas «Le Chariot de Terre Cuite» aus (13.Dezember 1894). Der hier abgebildete grosszügige Dekor baut sich auf drei Farben auf: dem hellen Ocker der Landschaft am Ganges, dem grellen Weiss der Häuser im Hinter¬ grund und dem tiefen Blau des weiten Himmels. Die Kostüme werden erstmals auf die nackte Haut gemalt, was einen kleinen Theaterskandal herauf¬ beschwört. An der Inszenierung von Ibsens «Peer Gynt», mit dem die vierte Spielzeit des «Œuvre» eröffnet wird, wirken die norwegischen Maler Fritz Taulow und Edvard Munch mit. Die Bühne ist in eine reale Sphäre für die realistischen Szenen und in eine irreale für die symbolistischen aufgeteilt. Auch für die Inszenierung von Ibsens «John Gabriel Borkmann» weiss Munch das letzte Bild mit der stilisierten weissen Landschaft unter dunklem Himmel, dem Drama entsprechend, von den ersten realistischen Bildern abzuheben. Der 1897 erfolgende Bruch Lugné-Poës mit dem Symbolismus lässt auch das Verhältnis mit den Nabis erkalten. Erst 1912 arbeitet Denis wieder für das Rachegesang der Elektra und in ihren fieberhaft hingeschleuderten, gross¬ artig durchgehaltenen Gesten vielleicht ihre stärkste Leistung bot». Etwas von dieser balladesken Kraft, an der Corinth wesentlichen Anteil hat, zeigt das hier abgebildete Titelbild einer Fantasie für Klavier aus der «Elektra» von Richard Strauss, Erst 1922 sollte Corinth wieder für die Bühne tätig sein. Die auf Einladung von Viktor Barnowsky für Goethes «Faust I» entworfenen expressionistischen Bühnenbilder lassen sich jedoch nicht in die Bühnenwirklichkeit des Lessing¬ theaters umsetzen. Max Slevogt zeichnet 1904 für die Inszenierung der «Lustigen Weiber» von Shakespeare. In schöpferischem Zusammenwirken mit Richard Vallentin wählt er ein zeitlich unbestimmtes kleinbürgerliches Milieu einer Provinzstadt und gibt dem vom Regisseur angestrebten, «mehr ungeschickt-derben als zauberhaften Feenspuk» die entsprechende, perspektivisch aufgebaute Land¬ In den neutralen Innenräumen kommen die an die englische Mode des schaft. 16.Jahrhunderts angelehnten grosszügigen Kostüme ausserordentlich schön «Œuvre», zeichnet allerdings bloss das Programm für Claudels «Annonce faite à Marie». zur Wirkung. Realistischer sind die dem späten Mittelalter verpflichteten Bühnenbilder, welche Slevogt im gleichen Jahre für die Inszenierung des «Florian Geyer» Mit der deutschsprachigen Erstaufführung von Maeterlincks «Pelleas und Mélisande» als Veranstaltung des Akademisch-literarischen Vereins am durch den Naturalisten Otto Brahm am Lessingtheater entwirft. Slevogt hält sich hier ebenso genau an die ausführlichen szenischen Anweisungen von Gerhart Hauptmann wie 1912 Max Liebermann, der Präsident der Berliner 18. November 1898 führt der Germanist und Regisseur Dr. Martin Zickel das symbolistische Drama in die deutsche Hauptstadt ein. Ende 1899 eröffnet er die «Sezessionsbühne», die schon im Namen an die in Berlin eben erfolgte Sezession moderner Maler von der konventionellen «Allgemeinen Deutschen Sezession, bei der Brahmschen Inszenierung von «Gabriel Schillings Flucht» Kunstgenossenschaft» erinnert. Aber erst Max Reinhardt gelingt es, führende Mitglieder der Berliner Sezes¬ sion für das Theater zu gewinnen. Lovis Corinth wirkt, zusammen mit Toni Impekoven, an der ersten Inszenierung des jungen Österreichers mit: «Pelleas 1907 im Goethetheater in Lauchstädt. Dass dabei beide Maler kraft ihrer künstle¬ rischen Potenz die konventionellen realistischen Bühnenbilder weit in den Schatten stellen, ist selbstverständlich. gibt Reinhardt Slevogt die Möglichkeit, sich für Hebbels «Gyges und sein Ring» in den Kammerspielen auf bloss andeutende grosse Linien zu beschrän¬ ken und damit «auf dem Wege zu einer Reform der Inszenierungskunst einen und Melisande»von Maeterlinck (3.April 1903 im «Neuen Theater» am Schiff¬ weitern genialen Schritt zu machen» («Bühne und Welt»). Auch Slevogt sollte leider erst in den Zwanzigerjahren wieder für die Bühne bauerdamm). Ein Riesentor fasst die Bühne. Die Innenräume zeichnen sich durch ihre Weite aus, sind aber in der Dekoration und Möblierung, im Gegen¬ tätig sein. Nachdem er schon 1902 in dem Porträt des portugiesischen Sän¬ gers Francisco d'Andrade als Don Juan Bewegungsrhythmik, Farbenpracht satz zur Pariser Uraufführung, historisch-realistisch. Auch Wald und Park und strahlendes Licht zum Ausdruck brachte, entwirft er 1922 musikalisch werden nicht wie in Paris durch drei mit stilisierten Bäumen bemalte (Zim- beschwingte Dekorationen und Kostüme für die Neuinszenierung von Mozarts «Don Giovanni» an der Staatsoper Dresden und nimmt auch an der Bewegungs- und Lichtregie schöpferischen Anteil. mer-)Wände entwirklicht. Aber es stehen nur wenige schlanke Stämme mit Wipfeln vor dunklem Hintergrund. In der Szene am Meer ist ganz vorn eine Bergterrasse aufgebaut, Meer und Himmel sind auf den erstmals verwandten Rundhorizont gemalt. Wie in Paris lassen ein Gazeschleier und magische Beleuchtung - in Berlin grünes oder gelbrotes Licht-die Schauplätze ver¬ dämmern. Die Kostüme von Corinth lehnen sich an mittelalterliche Vorlagen an, sind aber viel grosszügiger in Linie und Farbe und zeichnen sich durch eine grössere Stoff-Fülle aus, als es bei der konventioneilen Theatergarderobe Eine viel weniger sporadische Tätigkeit an Berliner Bühnen übt ein weiteres Mitglied der Sezession aus: Karl Walser. Oskar Bie sagt von ihm in der 1909 bei Cassirer in Berlin verlegten, reich illustrierten Monographie «Das Theater»: «Keiner hat den überraschenden Eifer übertroffen, mit dem Walser hier ge¬ arbeitet hat. Er hat seine Stellung in der Theatergeschichte. Seine Einflüsse der Fall ist. waren streng und nachhaltig. Er hat eine Periode seines Lebens dieser Tätig¬ keit gewidmet und erntet heute den Dank dafür. Er war mitarbeitender Re¬ Als schöpferischer Künstler ist Corinth, diesmal in Zusammenarbeit mit dem Bildhauer Max Kruse, auch an der zweiten epochemachenden Inszenierung gisseur und Bühnengestalter.» 1902 ist der fünfundzwanzigjährige Schweizer auf Verwenden von Liebermann, Reinhardts beteiligt: «Salome» von Oscar Wilde. Wenige plastische Bauteile umfassen die ansteigende Terrasse des königlichen Palastes. Auf den Rund¬ Corinth und Slevogt in die Berliner Sezession aufgenommen worden. 1903 holt der 1874 in Luzern geborene Karl Vallentin seinen Landsmann für die Insze3 nierung von Wedekinds Schauspiel «So ist das Leben» (Uraufführung 27. No¬ vember 1903) ans «Neue Theater». Walser fällt durch seine flächige aper¬ spektivische Malerei von intensiver Farbgebung auf. Rokoko angesiedelten Szenerien und Kostümen für «Figaros Hochzeit» von An der Premiere der Wiener Posse «Einen Jux will er sich machen» am die er gesehen habe. Das Zimmer der weiss oder blau gewandeten Gräfin Mozart. Bie bezeichnet die Figurinen, die mit einer ausserordentlich graziösen Kunst auf das Papier geworfen seien, als die anmutigsten Skizzen von Walser, 18.Mai 1904 klatscht das Publikum beim Aufgehen des Vorhanges spontan, ist eine Phantasie von blauen Tönen. Das Zimmer der Susanne ist gelb, das so kongenial ist der hintergründige Witz Nestroys ins Bild umgesetzt. Nach Zimmer der Gerichtsszene rot. der Kritik von Alfred Gold lassen die mit geistvoller Stilphantasie hingewor¬ Für die Gottfried-Keller-Oper «Romeo und Julia auf dem Dorfe» von Frederick fenen Szenerien die Vorgänge sofort als komisch erscheinen. In den Innen¬ räumen spielt Walser mit dem Stil des Biedermeier. Aber auch die Kostüme entsprechen der parodistischen Inszenierung von Vallentin. Die empfindsam-ironische, oft an Beardsley erinnernde Zeichenkunst Walsers Delius beschränkt er seine Malkunst auf sechs Prospekte, fasst die Bühne seitlich mit Vorhängen ein und spielt mit wechselnden Lichteffekten. Ein be¬ sonders schönes Bild ist, nach Jacobsohn, ein rotes Mohnfeld in glühenden Farben, in praller Sonnenbeleuchtung. bewährt sich bei der Uraufführung von Josef Ruederers «Morgenröte», einer Münchner Komödie um Lola Montez, am 15. November 1904 im Neuen Theater auf der zum erstenmal in Berlin in Funktion tretenden Drehbühne. In Bizets «Carmen» verwendet er eigene Impressionen aus Andalusien und überwindet in Bühnenbild und Kostüm als erster das bisherige Klischee. Nicht ausgeführt werden die 1906 begonnenen, 1913 bei Cassirer in Berlin Bei der Eröffnungspremiere des von Reinhardt übernommenen «Deutschen Theaters» am 19.Oktober 1905 darf Walser mit Kleists «Käthchen von Heil¬ bronn» für sein ganz malerisch konzipiertes zweites Bild den tosenden Bei¬ veröffentlichten Entwürfe und Figurinen für Busonis musikalisch-phantasti¬ sche Komödie «Die Brautwahl», in denen das Berlin um 1820 künstlerische Urstände erlebt. fall des Publikums entgegennehmen. Der weite mattblaue Himmel über dem dunklen Wald, Graf Wetter vom Strahl in silberner Rüstung mit langem blon¬ Auch Walser sollte in den Zwanzigerjahren nochmals an Berliner Bühnen gastieren: 1922für die Inszenierung des «Cyrano von Bergerac» von Rostand dem Haar, sein wie ein Farbfleck auf der grünen Wiese ausgebreiteter Mantel, wirken in ihrer ungewohnten farblichen Harmonie überwältigend. In der Kindertragödie «Frühlings Erwachen» von Wedekind, die Reinhardt und 1925 für die Erneuerung von «Frühlings Erwachen» an den Kammer¬ spielen. Seine Figurinen und Bühnenbilder für «Wie es Euch gefällt» von Shakespeare zeigen deutlich seine inzwischen erfolgte Abwendung von der am 20. November 1906 an den eben eröffneten Kammerspielen zur Urauffüh¬ rung bringt, lässt eine Flusslandschaft mit Weiden und hohen gelben Gräsern den Duft des Vorfrühlings förmlich riechen. Für die Schlußszene denkt sich Neuromantik zu einem neuen Klassizismus. Neben Walser ist endlich noch ein anderer ausländischer Maler, wenn auch nur zweimal, an den Reinhardt-Bühnen schöpferisch tätig gewesen: Edvard Walser, wie er Oskar Bie erzählt, eine hohe Ziegelmauer, über die ein Baum Munch. und irgendein nüchternes vorstädtisches Gebäude herüberragen, und davor Der norwegische Vorläufer des Expressionismus, der 1902 in der Berliner die Versammlung der Lehrer und Schüler am Grabe des jungen Selbstmör¬ ders, alles schwarz mit schwarzen Schirmen bewaffnet. Die Inszenierung ist Sezession mit seinem «Fries des Lebens» Aufsehen erregt hatte, ist für Rein¬ nicht zuletzt wegen des vollkommenen Einklangs von Bild und Handlung so erfolgreich, dass sie 117 Mal in derselben Spielzeit gegeben werden kann. Auch Walsers doppelstöckige Drehbühnenaufbauten für Shakespeares «Romeo und Julia» von 1907 nehmen schöpferischen Anteil an der Inszenie¬ hardt der berufenste Maler für die Eröffnung der Kammerspiele mit Ibsens «Gespenstern» am 8.November 1906. Denn wie schon Lugné-Poë erkennt auch Reinhardt das Hintergründige in Ibsens Gesellschaftsdramen, das über blossen Realismus weit hinausgehende Symbolhafte. Munch wird seiner Auf¬ rung Reinhardts. Aus den Dekorationen und Kostümen schössen nach einer zeitgenössischen Kritik Strahlenbündel von Farben in unerhörter Fülle her¬ gabe voll und ganz gerecht. Er lässt das zu Beginn nach den szenischen An¬ weisungen des Dichters ausgesprochen realistisch wirkende Zimmer nach und nach in Dunkelheit versinken. Die schwarzgekleideten Darsteller mit aus. Das winklig-graue Verona lauert auf das Unheil. In den Palästen ist das ihren im Lampenlicht aufleuchtenden weissen Gesichtern werden zu ihren Rot der Leidenschaft und des Blutes die vorherrschende Farbe. Das weisse eigenen Gespenstern. Die am Schluss aus dem Regen im kalten Morgenlicht Mondlicht der Balkonszene ist der einzige Lichtblick. Am Schluss fällt man geradezu vom geheimnisvollen Friedhof ins Grabgewölbe - nach Siegfried Jacobsohn nur einer der unvergesslichen Einfälle des Szenenkünstlers. hinter dem Fenster des Wintergartens auftauchende Fjordlandschaft lässt beim verrückten Ruf des kranken Oswald nach der Sonne erschauern. Nicht In Reinhardts Inszenierung des «Sommernachtstraumes» im «Künstler¬ theater» in München (19. Juni 1909) beschränkt sich die Waldszenerie auf vier plastische Bäume; helle Beleuchtung erweckt die Illusion einer Lichtung, dunkle zaubert einen undurchdringlichen Wald hervor. Ornamental mit stili¬ sierten Blumen und Blättern bemalte Seidenvorhänge verhüllen nicht nur die starren Bühnentürme des Künstlertheaters, sondern entwirklichen gleich¬ zeitig die Bühne. Auch ausserhalb der Reinhardt-Bühnen ist Walser begehrt. Brahm holt ihn für die Uraufführung von Hauptmanns «Griselda» 1912 ans Lessingtheater. Dem hier abgebildeten Gartensaal aus dem dritten Akt fehlen leider die für Walser so wesentlichen Farben, aber er offenbart doch die preziose Malerei dieses Künstlers. Als Viktor Barnowsky nach dem Tode Brahms das Lessingtheater übernimmt, lässt er Walser 1913 Büchners ironisches Lustspiel «Léonce und Lena» ins Bild setzen. Die duftigen Dekorationen sind voll Märchenstimmung, ohne doch der Ironie zu entraten. Wesentliches hat Walser auch für die «Komische Oper» in Berlin geleistet, welche Hans Gregor, der «Reinhardt der Oper» am 18.November 1905 er¬ öffnet. «Hoffmanns Erzählungen »von Offen bach werden nicht nur wegen der lebendigen Regie Gregors neu entdeckt, sondern ebensosehr wegen der Kunst des Bühnenbildes und derEmpire-KostümevonWalser.angefangenvon dem graphisch verspielten musikalischen Kabinett des Dr.Spalanzani, über das üppige Giulietta-Bild in venezianischem Rot, sattem Gold und grünem Mondlicht, in das zartblaue Empire-Zimmer der Antonia, die in einem mit schwarzen Borten besetzten Kleide ihr Sterbelied singt. Am 28. März 1906 überrascht Walser mit den erstmals in ein verspieltes nur der Regisseur Reinhardt lässt sich durch die über eine blosse Dekoration weit hinausgehende schöpferische Kraft der Aussage für seine Inszenierung weitgehend anregen: Wie Janssen erwähnt, bekennt Alexander Moissi, dass die Ausstattung Munchs vorbildlich für seine Interpretation des Oswald ge¬ wesen sei. Zum Kernpunkt seiner Darstellung habe er die Szene gemacht, in der Oswald der Mutter von seiner unheilbaren Krankheit erzählt. Am 11.März 1907 folgt in den Kammerspielen Ibsens «Hedda Gabler» in der Inszenierung von Hermann Bahr und Edvard Munch. Entgegen der Ansicht Janssenssind wohl Entwürfe vorhanden und finden sich auch Besprechungen, wie z.B. jene von Jacobsohn in der «Schaubühne». Dieser bezeichnet zwar die Ausstattung als einen der «Irrtümer» dieser Aufführung. Aber gerade aus dieser negativen Kritik können wir entnehmen, wie sehr Munch das hinter¬ gründig Symbolhafte auch dieses Dramas erfasst hat:.«Die gute Stube im Tesmanschen Hause soll nicht bloss sich selber, sondern offenbar zugleich auch Hedda Gablers Dämonie und Schicksal bedeuten. In schaurig schwarze Vorhänge und Sofabezüge sind gellendrote Pflanzen gestickt, während die übrige Einrichtung von angejahrter Alltäglichkeit ist. Man kann nicht sym¬ bolischer, aber man kann auch nicht aufdringlicher sein.» Munchs visionäre Bühnenkraft findet sich wieder in den hier abgebildeten Illustrationen des expressionistischen Plastikers und Dramatikers Ernst Bar¬ lach für seine Dramen «Der arme Vetter» (1918) und «Der Blaue Boll» (1925). Sie sind zwar nicht für die Bühne bestimmt, haben aber ohne Zweifel Hin¬ weise für die Uraufführungen 1919 und 1926 gegeben. Vor allem die Treppen¬ gasse mit den kleinen winkligen Häusern und dem mächtigen Dom im Hinter¬ grund als Symbol der gespreizten Selbstgefälligkeit des Gutsbesitzers Boll und seines Strebens nach oben ist ohne weiteres in die Bühnenwirklichkeit übertragbar. Edmund Stadler DIE VORLÄUFER Oben links: Pierre Bonnard: Buhnenbild-Fragment zu «Les Gestes du Roi», Théâtre d'Art, Paris, 1891 Oben rechts: Edouard Vuillard: Aus dem Programmheft zu «L'Intruse» von Maurice Maeterlinck, Théâtre d'Art, Paris, 1891 Unten: Henri de Toulouse-Lautrec: Am Ganges, Bühnenbild zu «Le Chariot de Terre Cuite», Théâtre de l'Œuvre, Paris, 1895 * ft *Œ *• S * m- ti î k \ m Cs f-*?% J^V s r" * y^ r, y y y: *$&*. ¦¦u s c Aïï R frmm .K v_; f] \ %m *•-»¦•-s»."- "" »««•ili.*' -* N r Ï / ?P5S • 5. I ^ J^ • m * \»» EDVARD MUNCH i I .lW 1 TP W Y - ¦ tftr * i^ t 1 n »•s. 3 - fcr Tu*. ^*wfc^ V ft. \ - i «• i» 5' Munch: Buhnenbild-Detail und zwei Szenenbilder zu «Gespen¬ LM*./„ A ster» von Ibsen, Kammerspiele (Max Reinhardt), Berlin, 1906 Farbseite: Szene aus «Gespenster». Aquarell auf Leinwand. 1906. Kunstmuseum Basei •53 0 Tv ¦jL. \ .—û. -siäJL > s » s ¦S i t.- "ï* r if 1 SLEVOGT CORINTH WALSER •x ¦>:¦ "-¦ X X. ^ ^ ^ Oben: Max Slevogt: Programm-Umschlag zu «Don Giovanni» von Mozart, Opernhaus Dresden, 1924 0ß V Links: Lovis Corinth: Titelbild-Entwurf für eine Phan¬ tasie für Klavier aus «Elektra» von Richard Strauss, Berlin, 1908 *2 ./« ;¦¦ -J y w /?&% s' » *• -y ¦•*.- .¦ • '¦«^-4-,/J 7 r- y / .-- i \ ¦ !¦¦ - - "Î '^jfS ¦ U r < ¦ r,r L...J /t- •. 7 'y/i^i^s* •*xy. Rechts oben: Karl Walser: Bühnenbild zu «Griselda» von Gerhard Hauptmann, Lessingtheater, Berlin, 1912 Rechts unten: Karl Walser: Bühnenbild und Pro¬ szeniums-Vorhang zum «Sommernachtstraum» von Shakespeare, Künstlertheater (Max Reinhardt), Mün¬ chen, 1909 >+*'+ »>.#n> < *¦• VVJt* &** NS A ¦Xw«> <* §? SaNHP >^ (C 's-. I ^ » "V - Ut V' -. t»-0«A<t ?n v a ** a f«; **• ii a *W S *? r ^jC *f*0 JlfrV â r r? k r** '-. i-.« m *v*të *» r f *¦ Ott ff. m « Km ~? N ¦*¦*** ft <« M I M * U t^*^L MOm-VtmjJ} kf ERNST BARLACH ir* <m.?* m Barlach: Bühnenbild zu seinem Stück «Der blaue Boll», 1925 Unten: Szenenbild zu seinem Stück «Der arme Vetter», 1918 A*fc ~_ m. ..--¦" .JÏ «-, #*' I\m*' ¦*'äS ¦y y ...r mï x it » V f,vîXv N ir ""^< x* 7 /. I v .*• P^m. 1 \,A y i 402 vV i/ x * ¦r /' -.,. ,- ¦K; *% .^2-1 î «* V-- "*¦ y/V!k ¦H /i' ff "T. H Vl yy rO<K r- jPPNfl tfytt&j i s*. ' ; r*«*» f 7 <? / 4! jrrf* ••" i ê: •*"