Unterrichtsmaterial „Urban Sounds“ zusammengestellt von Bettina Büttner-Krammer + Lena Jaeger John Adams: „Short ride in a fast machine“. Fanfare für Orchester George Gershwin: An American in Paris. Symphonische Dichtung Leonard Bernstein: Ouvertüre zur Operette „Candide“ John Adams: City Noir für Orchester. Daraus: 3. Satz: "Boulevard Night" Vorbereitung auf das Schulkonzert am 20.03.2015, 10 Uhr im Wiener Konzerthaus, Großer Saal mit den Wiener Symphonikern Dirigent: Antonio Méndez Sprecherin: Nicola Schößler Videokünstler: Sebastian Freudenschuss Konzept: Bettina Büttner-Krammer, Annemarie Mitterbäck, Nicola Schößler Offizieller Sponsor von Young Symphony, dem Kinder- und Jugendprogramm der Wiener Symphoniker: Inhaltsverzeichnis Biographie Leonard Bernstein S. 3 Werkbeschreibung „Candide-Ouvertüre“ S. 4 Biographie George Gershwin S. 5 Werkbeschreibung „An American in Paris“ S. 6 Paris zur Zeit Gershwins S. 8 John Adams: Leben und Werk S. 9 K. Starr, „Black Dahlia“ / LA in den 40er Jahren S. 12 Exkurs Minimal Music S. 13 Bilder-Galerie S. 15 Vorschläge zur kreativen Vorbereitung S. 20 Quellen, Websites S. 22 2 Leonard Bernstein wurde am 25. August 1918 in Lawrence, Massachusetts, geboren. Er studierte an der Harvard University Klavier und Komposition. Nach der Abschluss-Prüfung 1939 nahm er das DirigierStudium in Philadelphia auf. Die Sommermonate verbrachte Bernstein als Student und Assistent des berühmten Dirigenten Serge Koussevitzky in Tanglewood, der ländlichen Festivalstätte des Boston Symphony Orchestra. 1943 wurde er Assistent des Chef-Dirigenten der New Yorker Philharmoniker. Bernsteins große Stunde als Dirigent schlug, als er am 14. November 1943 kurzfristig für den plötzlich erkrankten Bruno Walter einspringen musste und die Leitung eines landesweit über Rundfunk ausgestrahlten Konzerts übernahm. Damals war er gerade 25 Jahre alt und galt fortan als große Hoffnung. So wurde er 1945 Chefdirigent des New York City Symphony Orchestra. 1951 bekam er auch seine ersten Professur für Dirigieren. Bernstein stand in diesen Jahren außerdem regelmäßig am Pult der New Yorker Philharmoniker und des Israel Philharmonic Orchestra und erhielt viele Engagements als Gastdirigent von großen Orchestern in Amerika und Europa. 1958 ernannten ihn die New Yorker Philharmoniker zu ihrem Musikdirektor. Bernstein, damals vierzig Jahre alt, war damit der erste in den USA geborene und ausgebildete Musiker, der in eine der Spitzenpositionen des nordamerikanischen Musiklebens berufen wurde. Im Laufe einer zwölfjährigen erfolgreichen Zusammenarbeit dirigierte Bernstein mehr Aufführungen des Orchesters als alle seine Vorgänger. Bernstein sorgte in diesen Jahren außerdem als Gastdirigent der New Yorker Metropolitan Opera, der Mailänder Scala (als erster Amerikaner) und als Operndirigent an der Wiener Staatsoper für Aufsehen. Leonard Bernstein war aber auch Komponist - er komponierte 75 Werke verschiedenster Gattungen - drei Symphonien, drei Ballette, zwei Opern, die "Chichester Psalms" für Chor und Orchester, die "Serenade für Violine und Streichorchester", Kammermusik und Filmmusiken. Von seinen Broadway-Stücken wurden "On the Town", "Wonderful Town" und vor allem die "West Side Story" Wegweiser in der Entwicklung des amerikanischen Musiktheaters. Mit "Mass" wurde 1971 in Washington das Kennedy Center eröffnet. Aber Bernstein war auch noch als Musik-Schriftsteller tätig! Seine Bücher "The Joy of Music", "Leonard Bernstein's Young People's Concerts", "The Infinite Variety of Music" und "Findings" werden noch lange ihren Wert als ebenso originelle wie unkonventionelle Einführungen in die Welt der Musik behalten. Bernsteins Reihe der "Young People's Concerts" mit den New Yorker Philharmonikern, die zehnmal einen Emmy Award erhielt, wurde 14 Jahre lang gesendet. Leonard Bernstein starb am 14. Oktober 1990 in New York. Einige berühmte Werke: West Side Story "Chichester Psalms" für Chor und Orchester „Mass“ 3 Sinfonien für Orchester 3 Candide Voltaires Roman „Candide“, ein grelles Gemisch aus Abenteuergeschichte, Märchen und Satire, war 1759 (vorsichtshalber anonym) erschienen. Die amerikanische Dramatikerin Lillian Hellman hatte dann die Idee zu einer Candide-Bearbeitung, Bernstein sollte mit 8 Chorsätzen eine „Schauspielmusik“ beisteuern. Der Candide, der 1956 am Broadway Premiere hatte, stammte dann kaum noch von Lillian Hellman. Mindestens vier weitere Autoren hatten an den Gesangstexten mit gearbeitet, unter dem Druck von Bernsteins überbordender Partitur war das eigentliche Buch der Hellman auf einen kaum noch bedeutenden Rest zusammengeschrumpft. Das Publikum urteilte nicht sehr wohlwollend, ihm war das phantastische Spektakel nicht amerikanisch genug, die Kritiker konnten sich nicht einige werden, ob sie eine Opera buffa, eine Operette oder ein Musical erlebt hatten. Nach 74 Vorstellungen – für das Broadway eine dürftige Zahl – verschwand Candide von der Bühne. Um das Stück für die Bühne zu retten, wurde es siebzehn Jahre später zu einem einaktigen Musical umgeschrieben. Dieses erlebte seine Uraufführung am 8. März 1974 am Broadway Theatre in New York und brachte es auf 740 Vorstellungen. Die Musik für die Musical-Fassung wurde nahezu unverändert von der 1956 entstandenen Operette übernommen. An vielen Stellen klingt sie sehr opernhaft. Nicht umsonst wird das Werk hin und wieder auch als „komische Oper“ bezeichnet. Bernstein wusste sich sowieso zu trösten: Kurz nach dem ersten Misserfolg stellte er die Ouvertüre als selbständiges Orchesterstück im Konzertsaal vor und der war um ein brillantes Showpiece reicher. Viele Sinfonieorchester haben sie in ihr Repertoire aufgenommen. Sie erklingt daher auch oft im Konzertsaal und im Rundfunk. Zitate von Bernstein Bernstein erkennt keinen Unterschied zwischen „ernster“ und „leichter“ Musik an: „For me every music is serious“ - alle Musik ist für mich ernst, heißt es in einem seiner zahlreichen selbstkritischen Essays. So nimmt er auch das Komponieren von sinfonischer Musik und Bühnenwerken ebenso ernst wie das eines zur Unterhaltung eines Theaterpublikums geschriebenen „Musical“ oder eines „Song“. Schon als 30jähriger Musiker hat er erklärt, es sei ihm unmöglich, eine ausschließliche Wahl zu treffen zwischen den verschiedenen Aktivitäten des Dirigierens, der Komposition von Sinfonien oder von Theatermusik und des Klavierspiels: „Was mir zu irgendeiner bestimmten Zeit richtig erscheint, das muss ich tun, ich kann dann nichts klassifizieren oder sonst meinen Dienst an der Musik einschränken. Ich werde keine Note Musik schreiben, wenn mein Herz am Dirigieren in einer Konzertsaison hängt. Andrerseits werde ich es auch nicht aufgeben, einen Song zu komponieren, der da ist, um ausgedrückt zu werden, nur weil ich Beethovens Neunte dirigieren soll. Hier liegt eine besondere Ordnung, die sich zugegebenermaßen schwer vorausplanen lässt, aber die Ordnung muss ganz streng eingehalten werden. Denn das Ziel ist die Musik selbst und nicht die Konvention des Musikbetriebs, und die Mittel sind mein eigenes persönliches Problem.“ 4 George Gershwin George Gershwin wurde 1898 als Jacob Gershovitz in Brooklyn, New York City, als Kind von russisch-jüdischen Immigranten geboren. Diese waren etwa um 1891 in die USA eingewandert. Die dortige Einwanderungsbehörde änderte daraufhin den Familiennamen von Gershovitz in Gershwin. George hatte zwei Brüder, Ira und Arthur Gershwin, sowie eine Schwester Frances Gershwin. 1910 kauften die Gershwins für die Musikstunden des älteren Sohnes Ira ein Klavier, auf dem aber bald George spielte. Nach zwei Jahren wurde Charles Hambitzer sein Klavierlehrer und blieb bis zu seinem Tod 1918 sein Mentor. Er ermutigte ihn, Orchesterkonzerte zu besuchen, wobei er zu Hause versuchte, die gehörte Musik am Klavier zu reproduzieren. Ab 1914 arbeitete George Gershwin als „Hauspianist“ in einem New Yorker Musikverlag. Seine Aufgabe war es, neue Lieder seines Verlages den Theateragenten vorzuspielen und zu verkaufen. Angeregt durch diese Tätigkeit, versuchte er sich in der Komposition von eigenen Liedern und Tanzstücken und ließ 1916 sein erstes Lied veröffentlichen. Trotz des Misserfolgs dieser Komposition wurden einige Broadway-Komponisten auf ihn aufmerksam und benutzten in den kommenden Jahren mehrere seiner Lieder in ihren Musicals. Gershwin studierte in diesen Jahren weiterhin Klavier und Harmonielehre, Musiktheorie und Instrumentation. 1918 gelang ihm mit dem Lied „Swanee“ der erste USA-weite Hit. 1924 begann Gershwin mit der Niederschrift der Rhapsody für zwei Klaviere, am 4. Februar war die „Rhapsody in Blue“ fertig, komponiert von George Gershwin und instrumentiert von Ferde Grofé. Die Uraufführung war ein historisches Ereignis von immenser Tragweite. Unter anderem war Walter Damrosch als Ehrengast zugegen. So kam es, dass Gershwin kurze Zeit später von der New York Symphony Society den Auftrag erhielt, ein Orchesterwerk zu schreiben. Er sagte ein Klavierkonzert zu und erhielt die Garantie von sieben Auftritten als Solist. Die Uraufführung seines Concerto in F fand am 3. Dezember 1925 in der Carnegie Hall mit dem Komponisten am Klavier unter der Leitung von Damrosch statt. Gershwin komponierte sowohl Stücke für den Broadway als auch klassische Konzerte. Ab 1931 war er auch für den Tonfilm als Komponist tätig. Zu den meisten Kompositionen von George Gershwin schrieb sein Bruder Ira die Texte. 1924 produzierten George und Ira gemeinsam die Musikkomödie Lady, Be Good. George und Ira Gershwin gehörten zu den erfolgreichsten Teams am Broadway. Ihre Werke wurden von Stars wie Fred Astaire, Gertrude Lawrence, und Ginger Rogers aufgeführt. Vor der Arbeit an der Oper Porgy and Bess verbrachte Gershwin einen Sommer in Folly Island in South Carolina, um sich mit der afroamerikanischen Musik vertrauter zu machen. Gershwin hat verfügt, dass sein Hauptwerk szenisch nur von schwarzen SängerInnen aufgeführt werden darf. Die Folk-Oper entstand nach dem Buch von DuBose Heyward über das afroamerikanische Leben mit der berühmten Arie „Summertime“. Porgy and Bess gilt als die erste eigenständige Oper Nordamerikas. Während George Gershwin in Hollywood an einer Filmmusik arbeitete, brach er am Flügel zusammen und starb am 11. Juli 1937 an einem Gehirntumor. Er wurde in New York beigesetzt. 5 Einige berühmte Werke: 1924: Rhapsody in Blue 1925: Klavierkonzert in F-Dur 1926: Three Preludes für Klavier 1928: Ein Amerikaner in Paris 1935: Porgy and Bess George Gershwin – An American in Paris 1928 plante George Gershwin eine Europa-Reise, um dort an seinem Werk „An American in Paris“ zu arbeiten und in Frankreich bei europäischen Komponisten seine Kompositionsstudien fortzusetzen. Kurz vor der Reise sollte er einem der in Frage kommenden berühmten Musiker begegnen – Maurice Ravel. Am Abend des 7. März begegneten sich die beiden Komponisten, nach dem Essen spielt Gershwin die Rhapsody in Blue und dann fast sein ganzes Repertoire. Natürlich fragte Gershwin seinen berühmten Kollegen, ob er ihm nicht in Paris Unterricht geben könne. Dieser lehnte ab – mit der später vielzitierten Äußerung: „Warum wollen Sie ein zweitklassiger Ravel werden, wenn Sie doch ein erstklassiger Gershwin sind?“. Am 11. März bestiegen George, Bruder Ira und dessen Gattin den Dampfer, der sie nach England bringen sollte. In London verbrachten sie eine Woche, Sightseeing stand auf dem Programm, verschiedene Abendgesellschaften und ein Besuch von Gershwins Musical „Oh, Kay!“. Am 25. März reisten die Gershwins nach Paris weiter, wo man bis Anfang Juni im Hotel Majestic Quartier bezog. In Georges Suite war ein Klavier aufgestellt worden, da er ja zu arbeiten gedachte. Er wurde in Paris als berühmter Musiker empfangen, er war Stargast auf abendlichen Empfängen, wo er sich nur zu gern bitten ließ, ans Klavier zu gehen. Einer seiner ersten Besuche führte ihn zu Nadia Boulanger, der „Grande Dame“ der französischen Musik, Lehrerin vieler junger Komponisten. Doch auch Boulanger lehnte es – trotz einer Empfehlung Ravels – ab, ihm Unterricht zu geben. Er sei ein Talent, das keinen streng akademischen Unterricht brauche und dem sie nichts beizubringen habe. Ebenfalls schon in der ersten Woche ging Gershwin auf eine spezielle Einkaufstour – er wollte eine Anzahl jener typischen Pariser Taxihupen kaufen, die ihm bei vorangegangenen Besuchen in der Stadt so imponiert hatten und deren Klang er im „American in Paris“ einsetzen wollte. .. Zwischendurch besuchte man für eine Woche Berlin (Treffen mit Kurt Weill) und danach eine Woche Wien. Hier hatte Gershwin zahlreiche musikalische Begegnungen, gleich am ersten Nachmittag bat ihn Operettenkomponist Emmerich Kálmán ins Café Sacher. In der Wiener Staatsoper besuchte George eine Aufführung von Ernst Kreneks Jazz-Oper „Jonny spielt auf“. Am 3. Mai folgte ein Mittagessen mit Franz Lehár, am Nachmittag traf Gershwin mit Alban Berg zusammen – die beiden verstanden sich gut! Auch in Wien arbeitete Gershwin am „American“ weiter. Am 7. Mai fuhr George allein nach Paris zurück. Es folgten wichtige Begegnungen: mit Igor Strawinsky, dann mit Darius Milhaud und mit Sergej Prokofjew. Dazwischen lag weitere intensive Arbeit am „American in Paris“. Nach der europäischen Erstaufführung des „Concerto in F“ am 29. Mai – es war ein großer Erfolg – war es Zeit, nach New York zurück zu kehren. Walter 6 Damrosch hatte für das Jahresende die Uraufführung von „An American in Paris“ ins Auge gefasst, die Gershwins bestiegen am 13. Juni in Southampton das Schiff und trafen am 18. Juni wieder in New York ein. Erlebnisreiche Monate lagen hinter George, überall hatte man ihn gefeiert, er hatte interessante Begegnungen gehabt, nur seine ursprünglich verkündeten Absichten (Kompositionsstudium, zurückgezogene Arbeit in Südfrankreich) waren nicht zu realisieren gewesen. Dennoch war es mit dem „American“ in verschiedenen Hotelzimmern kräftig vorwärtsgegangen. George führte nach seiner Rückkehr nicht nur stolz die Pariser Autohupen vor, sondern berichtete bereits im August sehr konkret von seiner jüngsten Komposition: „Dieses neue Stück, tatsächlich ein rhapsodisches Ballett, ist sehr frei geschrieben, es ist die modernste Musik, die ich bisher versucht habe. Der Eröffnungsteil wird sich in typisch französischem Stil entwickeln… Meine Absicht ist es, die Impressionen eines amerikanischen Besuchers in Paris wiederzugeben, wie er durch die Stadt schlendert, den unterschiedlichen Geräuschen der Straßen lauscht und die französische Atmosphäre aufnimmt. Wie in meinen anderen Orchesterwerken habe ich auch hier nicht versucht, mit der Musik irgendwelche festgelegten Szenen wiederzugeben. Die Rhapsodie ist programmatisch nur in einem sehr allgemein impressionistischen Sinne, so dass jeder Hörer seine eigenen Erfahrungen und Vorstellungen in die Musik hinein deuten kann.“ Am 18. November schloss Gershwin die Orchestrierung ab, auf dem Partitur-Autograph vermerkte er nur „Ein Ton-Poem für Orchester“. Walter Damrosch hatte die Uraufführung für den 13. Dezember angesetzt. In der Presse stellte Gershwin das Werk folgendermaßen vor: „Auf einen fröhlichen Eröffnungsteil folgt ein ausladender Blues über einen streng rhythmischen Untergrund. Vielleicht ist unser amerikanischer Freund beim Besuch eines Cafés und nach einigen Drinks plötzlich von Heimweh befallen worden. Die Harmonien hier sind eindringlicher, aber auch einfacher als zuvor. Der Blues treibt schließlich seinem Höhepunkt zu, gefolgt von einer Coda, in der der Geist der Musik zur Lebhaftigkeit und überschäumenden Fülle des Eröffnungsteils zurückkehrt, mit seinen Impressionen von Paris. Offenbar hat der Zauber des Blues unseren heimwehkranken Amerikaner verlassen, nachdem er aus dem Café an die frische Luft getreten und nun wieder ein eifriger Beobachter des Pariser Lebens geworden ist. Am Ende vereinen sich Straßengeräusche und französische Atmosphäre zu einem triumphalen Schluss.“ Die Uraufführung in der Carnegie Hall am 13. Dezember (Wiederholung am nächsten Tag) wurde zum erneuten Triumph. Walter Damrosch dirigierte das New York Symphony Orchestra. Das Publikum war begeistert, die Kritik war (wie gewohnt) gespalten: Neben der Anerkennung des neuen Werkes standen akademische Kritteleien bis hin zur Ablehnung. Dies konnte jedoch den beginnenden Siegeszug des Werkes nicht aufhalten. 7 Paris zur Zeit Gershwins Gershwin reiste 1928 nach Paris und verbrachte dort knapp vier Monate. Es war die Zeit der Goldenen Zwanziger (1924 bis 1929). Der Erste Weltkrieg war einige Jahre vorbei und die Menschen versuchten einen Neuanfang in Politik, Gesellschaft, Kultur und Freizeit. Paris lockte als Zentrum der avantgardistischen Moderne - sowohl in der Literatur, als auch in der Malerei. Picasso und Braque hatten hier um 1906 mit kubistischer Darstellung experimentiert; die Kunstrichtung Dada und Surrealismus kündigten sich an. Ihr lagen die Erfahrungen des Ersten Weltkrieges zugrunde und der sich daraus ergebende gesellschaftliche Wandel. Viele Künstler zeigten sich engagiert und politisch interessiert. Die Kunst befreite sich ein weiteres Stück aus akademischen Zwängen. Man erlaubte sich mehr. Die neuen Themen waren das Leben in der Großstadt, die Kluft zwischen Arm und Reich und die neue, selbstbewusste Frau. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts zogen zwei Frauen von Amerika nach Paris, die der modernen amerikanischen Literatur einen wichtigen Boden bereiten sollten. Die eine war die Mäzenin Natalie Clifford Barney (1876 - 1972), die andere die Schriftstellerin Gertrude Stein (1874 1946). Beide unterhielten in Paris einen Salon und initiierten Begegnungen zwischen französischen und anglo-amerikanischen Autorinnen und Autoren. So empfingen sie beispielsweise F. Scott Fitzgerald, Sherwood Anderson und Ernest Hemingway. Beide Damen liebten schöne und begabte Frauen und ihre Häuser wurden zu inspirierenden und sagenumwobenen Treffpunkten. Die Nachrichten, die aus Paris über den Atlantik in die Künstlerviertel der Ostküste drangen, klangen vielversprechend. Mit dem starken Dollar konnte man im inflationären Europa der zwanziger Jahre fast ohne Geld ein anständiges Leben führen. Schriftstellerinnen und Schriftsteller - es sollen mehrere Hundert gewesen sein - reisten aus Amerika in Paris an, mieteten sich in billigen Hotels im Quartier Latin oder in Montparnasse ein, verbrachten viel Zeit in den einschlägigen Cafés und hielten sich mit Journalismus und dem Schreiben von Kurzgeschichten über Wasser. Einige der wichtigsten modernen englischen Texte sind in Paris entstanden: „Ulysses" des irischen Schriftstellers James Joyce, Gertrude Steins „The Making of Americans" und Djuna Barnes „Ryder". Eine ebenso bedeutende Mäzenin der Goldenen Zwanziger war Marie Sophie Olga Zenaide Godebska auch Salonfürstin von Paris genannt. Sie protegierte russische Tänzer ganz besonders Sergj Diaghilev und unterstützte Maler, Dichter und Komponisten wie Igor Strawinsky und Eric Satie. Der Modeschöpferin Coco Chanel verschaffte sie Zutritt zur feinen Pariser Gesellschaft, auch zur adeligen Schickeria und förderte so ihre Karriere. Chanel erfand 1926 in Paris das "Kleine Schwarze", indem sie alle Röcke auf eine skandalöse Länge knapp unterhalb des Knies kürzte. 8 John Adams Am 15. Februar 1947 wurde John Collidge Adams in Worcester, Massachusetts, geboren. Seine Kindheit verbrachte er im äußersten Nordosten der USA, in der ländlichen Abgeschiedenheit der Gegend von Vermont und New Hampshire. Adams Eltern waren engagierte Amateur-Musiker. Adams lernte schon früh Klarinette bei seinem Vater und spielte dann bald in Marschkapellen (Marching-Bands) und kleineren Orchestern der Region mit. Das hinterließ einen nachhaltigen Eindruck auf den jungen Musiker. Mit zehn Jahren begann er bereits zu komponieren, und schon als Jugendlicher hörte er die erste orchestrale Aufführung eines seiner Werke. Adams studierte an der Harvard University Kompositionslehre, wo unter anderen Leon Kirchner sein Lehrer war. Als Student spielte er gelegentlich im Boston Symphony Orchestra (Klarinette) und dirigierte das Harvard University Bach Society Orchestra. 1970 erhielt er den BMI Student Composer Awards. Nach Abschluss seines Studiums zog er 1971 nach San Francisco. Der Komponist fand hier bessere Arbeitsbedingungen und vor allem auch eine größere Offenheit und Vielfalt innerhalb der Komponisten-Szene. Von 1971 bis 1982 unterrichtete er Komposition am San Francisco Conservatory of Music, bevor er von 1982 bis 1985 Hauskomponist der San Francisco Symphony wurde und für dessen Dirigent Edo de Waart die erfolgreiche und kontroverse Konzertreihe „Neue und Ungewöhnliche Musik“ entwickelte. Eine Reihe von Adams' Orchesterstücken sind speziell für die San Francisco Symphony geschrieben, darunter Harmonium (1981), Grand Pianola Music (1982), Harmonielehre (1985) und El Dorado (1992). John Adams und der Minimalismus / Kompositionsstil und ästhetischer Ansatz Adams begann als Minimalist im Sinne von Philip Glass und Steve Reich, verband jedoch in seinen späteren Werken die rhythmische Energie des Minimalismus mit einer reichen harmonischen Palette und großer orchestraler Imagination, die Einflüsse der Spätromantik verrät. Die Zuordnung von John Adams zu den Minimalisten rechtfertigt sich also im Hinblick auf die starke Affinität Adams‘ zu minimalistischen Ansätzen. Sowohl der Einsatz spezifisch minimalistischer Mittel, als auch manches Detail seines musikalischen Werdeganges legen diese Zuordnung nahe. Andererseits scheint die Klassifizierung angesichts der stilistischen Vielfalt der Adamsschen Werke und der Einflüsse, die nicht dem Bannkreis der Minimal-Music entstammen, zu kurz zu greifen. Gegen eine Etikettierung wehrt sich auch der Komponist selbst. Adams bezeichnete sich vielmehr als „durch den Minimalismus gelangweilten Minimalisten“ und band konsequenterweise andere Musiksphären in seine Arbeit ein. Die Rückkehr zur Tonalität bringt der Komponist mit eigenen Erkenntnissen während seiner musikalischen Sozialisation in Verbindung: „Wir haben alle an den Hochschulen gelernt, dass die Tonalität tot ist, … und ich habe es geglaubt, bis ich merkte, dass etwas ungeheuer Mächtiges verlorenging, als die Komponisten die tonalen Harmonien und den regelmäßigen Puls aufgaben. Unter anderem ging auch das Publikum verloren.“ 9 Adams verarbeitet ein weites Spektrum musikhistorischer Einflüsse (sowohl von E- als auch UMusik) in seinen Werken, verlässt jedoch nie die tonale Basis. Eine besondere Rolle in seiner Auseinandersetzung mit dem Werk anderer Komponisten spielt Charles Ives, dem Adams bisher zwei Kompositionen widmete: das Orchesterwerk „My Father Knew Charles Ives“, in dem der Komponist Erinnerungen an seine Kindheit verarbeitet, und ein Orchester-Arrangement von Ives-Songs. Adams greift immer wieder aktuelle und zeithistorische Ereignisse als Inspiration für seine Musik auf, auf den ersten Blick „unpassende“ Sujets für klassische Musik, die oft zu politischen Kontroversen führten (den Staatsbesuch Nixons in China, die Entführung eines Kreuzfahrtschiffes durch Terroristen, ein Erdbeben, die Entwicklung der ersten Atombombe, Terroranschläge, den Amerikanischen Bürgerkrieg und illegale Emigration). Auch greift Adams für seine Werke oft direkte Anregungen aus Philosophie, Literatur und Religion auf. Frühe Werkphase in den 70er Jahren Adams interessierte sich in dieser Zeit vor allem für elektronische Musik, Jazz und experimentelle Konzepte, wie die von John Cage und Morton Feldman. Am San Francisco Conservatory integrierte er zunehmend Elemente wie Gospel, Jazz oder Marschmusik in seine Musiksprache. Die experimentellen Stücke der Frühphase bezogen daneben oftmals Live-Elektronik oder elektronische Medien ein. Der bei Adams zentrale Begriff des „Gate“ (übersetzt etwa: Tor) tauchte dann 1977 erstmals auf. Bei permanenter, scheinbar unveränderlicher Repetition wird ein allmählicher Wandel dadurch erreicht, dass die Parameter Tonhöhe, Tonart und Dynamik kleinsten Veränderungen unterworfen werden. Adams sieht in dieser Technik ein „Tor der musikalischen Grenzüberschreitung“. Die Stücke „Phrygian Gates“ und „China Gates“, beides Klavierwerke von 1977, sind die wichtigsten Arbeiten dieser frühen Phase. Zweite Werkphase ab etwa 1978 Der Übergang zur zweiten Werkphase wird zunächst gekennzeichnet durch eine Ausweitung der Instrumentierung. Hatte Adams bislang für einzelne Instrumente, eher kammermusikalische oder offene Ensembles komponiert, so konzentrierte er sich nun auf orchestrale Besetzungen. „Shaker Loops“ ist ein frühes Stück dieses zweiten Abschnitts. Adams versuchte hier das minimalistische Erbe mit der musikalischen Tradition zu vereinen. 1985 entstand nach einer einjährigen Schaffenskrise das Orchesterstück „Harmonielehre“. Der Titel spielt auf Arnold Schönbergs „Harmonielehre (1911)“ an - er ist einerseits als Widmung gedacht, aber ebenso im konkreten Sinne als Ausdruck geistiger und emotionaler Harmonie, die auch ihn selbst betreffe. An diesem Punkt offenbart sich Adams´differenziertes Verhältnis zur Moderne. Denn nimmt er sie auch in seine Kompositionen auf, so geht er doch mit ihrem eigentlichen Anliegen keineswegs konform, wie auch die folgende Äußerung über Schönberg belegt: „Nun (…) jedenfalls erkennen wir, dass Schönbergs Stil eben nicht die unumkehrbare Wende in der Geschichte war, wie er glaubte. (…) Tonalität ist für mich ein natürliches Phänomen wie die Schwerkraft (…) Wenn Schönberg ankündigt, es würden die Töne befreit werden innerhalb einer gleichtemperierten, gleichmäßigen Skala, so hat er genau das Gegenteil erreicht. Er hatte sie mittels der Kraft seiner 10 Methode in ein beliebiges Verhältnis zueinander gesetzt. Vielleicht ist es das, was so viele Menschen ein unangenehmes Spannungsgefühl erleben lässt, wenn sie atonale Musik hören.“ Insgesamt suchte Adams in „Harmonielehre“ stärker als davor den Abstand zu minimalistischen Ausdrucksformen und bemühte sich stattdessen um eine erweiterte harmonische Sprache. Die Orchesterwerke der zweiten Phase verschafften Adams internationale Geltung. Auch seine Fanfaren für großes Orchester – „Tromba Lontana“ und „Short Ride in a Fast Machine“ erlangten hohen Bekanntheitsgrad. Das Stück wurde erstmals als Eröffnungsmusik des Great Woods Festival in Mansfield im Juni 1986 aufgeführt. Adams 1987 entstandene Oper „Nixon in China“ markierte den Beginn eines weiteren Werkabschnitts – eine Erweiterung der Mittel, abermaliger Ausbau der Besetzungen – zu Orchester und Chor traten nun Solisten. Die Musik der Oper ist eine Mischung aus Minimalismus und amerikanischer Tradition. Die Kritik nahm die Oper geteilt auf – ein häufiger Vorwurf war der des Eklektizismus oder Opportunismus. Adams selbst sagte in diesem Zusammenhang: „Ich bin kein Avantgardist. Ich glaube tatsächlich, die ganze Idee des Avantgardismus ist erschöpft. Mir scheint es, zumindest für die letzten zehn Jahre, dass wir in eine Epoche der Synthesis eingetreten sind. Jüngere Komponisten schreiben ihre Einflüsse aus verschiedensten Bereichen nieder…“ City Noir – Ausschnitt aus einem Text von John Adams (2009) City Noir was first suggested by my reading the so-called “Dream” books by Kevin Starr, a multivolume cultural and social history of California. In the “Black Dahlia” chapter of his Embattled Dreams volume Starr chronicles the tenor and milieu of the late Forties and early Fifties as it was expressed in the sensational journalism of the era and in the dark chiaroscuro of the Hollywood films that have come to define the period sensibility for us: … Those images and their surrounding aura whetted my appetite for an orchestral work that, while not necessarily referring to the soundtracks of those films, might nevertheless evoke a similar mood and feeling tone of the era. The music of City Noir is in the form of a thirty-minute symphony. “Boulevard Night” (3rd movement) is a study in cinematic colors, sometimes, as in the moody “Chinatown” trumpet solo near the beginning, it is languorous and nocturnal; sometimes, as in the jerky stop-start coughing engine music in the staccato strings, it is animal and pulsing; and othertimes, as in the slinky, sinuous saxophone theme that keeps coming back, each time with an extra layer of stage makeup, it is in-your-face brash and uncouth. The music should have the slightly disorienting effect of a very crowded boulevard peopled with strange characters, like those of a David Lynch film—the kind who only come out very late on a very hot night. 11 Kevin Starr, Embattled Dreams – California in war and peace, 1940-1950 Daraus: 1947: Black Dahlia (Dieses Kapitel diente John Adams als Inspiration für seine Komposition „City Noir“. Kevin Starr berichtet über verschiedene Aspekte der Stadt Los Angeles in den 1940er Jahren). Zeitungen: „Los Angeles of 1947 was a Front Page kind of city…“ - LA von 1947 war eine „TitelSeiten-Stadt“, eine Stadt der Polizisten, der Gangster und Strafverteidiger. Eine Halbwelt von Schlägern, Politikern in den Medien, eine Stadt der Spieler, des Schnaps und des Sex. Eine Stadt, in der ein Privat-Detektiv wie Philipp Marlowe seinen Weg machte, auf der Suche nach der flüchtigen Wahrheit…Es war eine goldene Zeit für Zeitungen! Eine Titelseiten-Zeit in einer Titelseiten – Stadt. Polizei: Die Polizei war in dieser Zeit sehr korrupt, sehr mächtig, sehr autonom und stand quasi über dem Gesetz. Kriminelle wurden bei Verhören geschlagen, gequält, ja sogar manchmal getötet (Untersuchungen gab es dann keine). Die Polizei war auch riesig – 1947 gab es allein 1000 Polizisten nur für den Verkehr. Es war aber auch notwendig – damals gab es durchschnittlich alle 2-3 Tage einen Mord! Kriminalität - Der Fall Black Dahlia: 1947 geschah ein besonders grausiger Mordfall: eine junge Frau, 22, Elizabeth Short, wurde ermordet und schwer misshandelt aufgefunden (gefoltert, mehrfach zerstückelt, auch sexuell missbraucht). Nicht nur das Ende ihres Lebens war tragisch, auch ihr Leben davor traurig: sie hat mit 16 die Schule verlassen, war nach Hollywood gezogen – in der Hoffnung, Schauspielerin zu werden. Stattdessen wurde sie eine von tausenden jungen Mädchen, die rund um die Militär-Stützpunkte herumhingen, in der Hoffnung, dort jemand kennen zu lernen und zu heiraten. Ihr Leben sagt auch etwas über LA in dieser Zeit aus – über die Anonymität, die Verzweiflung, die Brutalität, die das Leben in LA haben konnte. Raymond Chandler - Schriftsteller (Romane, Drehbücher), geboren zwar in Chicago, aufgewachsen aber in London – gehörte zu der verlorenen Generation, der mit einem Drink in der einen Hand und einer Zigarette in der anderen durch´s Leben ging. Selbst gemessen an den Standards seiner Zeit schaffte er neue Rekorde. In den 1920ern führte ihn das Trinken mindestens einmal an den Rand eines Selbstmordes. Alkoholismus war das Leitmotiv seiner Karriere als Hollywoods Drehbuchautor. Billy Wilder erzählte, dass Chandler in seinem Schreibtisch immer ein Flasche hatte, die er gegen drei oder vier am Nachmittag zu trinken begann. Um eine Schreibblockade zu bekämpfen, als er „Blue Dahlia“ schrieb (1946), blieb er zwei Wochen lang durchgehend betrunken. Ein befreundeter Doktor versorgte ihn während dieser Zeit mit Vitaminen und Glukose – Injektionen. Er trank – schrieb – fiel in Ohnmacht, erwachte, trank wieder, schrieb wieder und so weiter. Chandler war der typische Schriftsteller von LA in den 40er Jahren, seine Sichtweise, sein Stil, sein Ton, seine Obsessionen waren die des 1940er Los Angeles. Nicht zufällig fiel Raymond Chandlers Karriere als Schriftsteller auch mit Hollywoods „film noir“ – Jahren zusammen, in denen Chandler ebenfalls eine wichtige Rolle als Drehbuchautor spielte. Sechs seiner Bücher wurden noch während seines Lebens verfilmt, er wurde für den Academy Award nominiert (Double Indemnity / The Blue Dahlia). Inspieriert vom Deutschen Expressionismus, mit einer Vorliebe für düstere Menschen in klaustrophobischen Situationen, passte der film noir perfekt ins LA der 1940er Jahre. Double Indemnity (Regie: Billy Wilder) wird von vielen als der beste Film noir überhaupt gesehen und ist auch der Beginn von vielen Filmen, die Los Angeles als Spielort nahmen. 12 Exkurs über Minimal Music Minimal Music (auch musikalischer Minimalismus) ist ein Sammelbegriff für verschiedene Musikstile innerhalb der Neuen Musik, die sich ab den 1960er-Jahren in den USA entwickelten. Der Name wurde Anfang der 1970er-Jahre von Michael Nyman geprägt in Anlehnung an den aus der Bildenden Kunst stammenden Begriff Minimal Art. Was sind die charakteristischen Merkmale Die exakte Charakterisierung dieser Musikrichtung ist wegen der großen stilistischen Vielfalt schwierig. Es gibt eine Reihe von stilistischen Merkmalen: • • • • • • • • • Repetitive Strukturen, die u.a. durch die Aneinanderreihung und ständige Wiederholung kleinster motivischer (melodischer, rhythmischer oder harmonischer) Pattern entstehen. stabile Harmonik, tonale Musiksprache mit vielen Konsonanzen Durch Hinzufügen oder Fortnehmen einzelner Noten der motivischen Pattern werden diese in ihrer rhythmischen Struktur verändert. Phasenverschiebungen, Überlagerungen, Akzentverschiebungen der motivischen Zellen in verschiedenen Stimmen lassen einen Klangteppich entstehen Kontinuität und Vermeidung von Spannungsaufbau. Klangfarbe und -dichte werden wenig verändert. Es entsteht der Eindruck, Fragmente aus einem permanenten musikalischen Kontinuum zu hören. erweiterter Zeitbegriff: Neue Dimensionen in der Dauer der Stücke - von wenigen Sekunden oder Minuten zu Stunden, Tagen, Wochen positive Funktion des Vergessens Minimal Music ist im Vergleich mit Kunstmusik von eher geringer harmonischer Komplexität: Minimal Music bewegt sich meistens im Rahmen einer bestimmten Tonalität und verwendet Dissonanzen nur sehr sparsam. Das rhythmische Element (oft Polyrhythmik) ist in der Minimal Music stark hervorgehoben, sie ist stark repetitiv: Ein einfaches Grundmuster (Pattern) wird über längere Zeiträume ständig mit nur leichten, oft kaum wahrnehmbaren Variationen wiederholt, das Stück ergibt sich dann aus der einfachen Aneinanderreihung der Variationen. Wird ein Muster gleichzeitig mit geringfügig unterschiedlichen Geschwindigkeiten gespielt, kommt es zum so genannten Effekt der Phasen-Verschiebung (phase shifting, phasing). Einflüsse Die Minimal Music verarbeitet Einflüsse aus asiatischer (vor allem indischer und indonesischer) und afrikanischer Musik (besonders deren Polyrhythmik), der Notre-Dame-Schule des 12./13. Jahrhunderts, (Free-)Jazz sowie aus bestimmten Formen des Rock (Psychedelic Rock). Sie ignoriert weitgehend die Konventionen des Komponierens, wie sie im westlichen (also im Wesentlichen europäischen) Kulturkreis bis dahin galten. Ausgehend von der Minimal Music entwickelte sich in den 1970er Jahren der Post-Minimalismus. Auch viele der heutigen Produzenten von Minimal Techno sehen sich in der Tradition der Minimal Music. 13 Komponisten Zu den Begründern der Minimal Music zählen Steve Reich, La Monte Young, Terry Jennings und Terry Riley. Unabhängig davon haben der Straßenmusiker Moondog (und weit später Charlemagne Palestine) zur Entwicklung der Musikform beigetragen. Über Tony Conrad ist John Cale mit dem Minimalismus vertraut geworden. Weitere wichtige Komponisten der amerikanischen Minimal Music sind Philip Glass (der die Minimal Music besonders mit seiner Filmmusik zu Koyaanisqatsi als einer der ersten einem breiteren Publikum nahebrachte), John Adams, Jon Gibson, Tom Johnson und Arnold Dreyblatt. Auch in Europa gibt es viele Komponisten, die Kompositionen vorgelegt haben, die man zu Minimal Music zählen kann oder die von dieser beeinflusst sind – die bekanntesten unter ihnen sind der Brite Michael Nyman, der Este Arvo Pärt sowie György Ligeti (im Spätwerk). Als Vorläufer werden bisweilen Erik Satie, John Cage und Morton Feldman genannt. Darüber hinaus finden sich einzelne Merkmale der Minimal Music bereits in den Filmmusiken von Bernard Herrmann und/oder in den Carmina Burana von Carl Orff. Hörbeispiele “It´s gonna rain”, Steven Reich: https://www.youtube.com/watch?v=vugqRAX7xQE Der Komponist ist damals durch New York gelaufen, hat Alltagsgeräusche aufgenommen und anschließend bearbeitet. Die Stimme eines Straßenpredigers ruft: "It's gonna rain, it's gonna rain, it's gonna r-r-r-r." Seine Worte zersetzen sich nach und nach in ihre Einzelteile, die Sprache wird zu purem Rhythmus. “Music for pieces of wood”, Steven Reich: https://www.youtube.com/watch?v=5LbmvD7ytDc Aufgaben 1) Wie klingt Dein Bezirk in dem Du wohnst, welche Klänge zeichnen ihn aus? Erstelle Dein eigenes Klangbild, nimm es mit Hilfe Deines Handys auf. Nutze hier für das Stück „It´s gonna rain“ von Steven Reich als Anregung. Präsentiere Dein Klangbild Deinen Mitschülern. Wer kann Deinen Bezirk erhören? 2) Auf Seite 13 haben die SchülerInnen erfahren, welches die charakteristischen Elemente der Minimal Music sind. Das Hörbeispiel „Music for pieces of wood” von Steven Reich verdeutlicht dies nochmals. Gestaltet euer eigenes Minimal Music Stück. „Music of Bodysounds“. Vorab eine Übung: Rhythmuskreis Bodypercussion ausprobieren, was gibt es für Körperklänge? Klatschen, klopfen, schnipsen u.s.w. Die SpielerInnen sitzen im Kreis und klopfen mit ihren Fingerspitzen im selben Rhythmus auf die Oberschenkel. Ein/e SpielerIn beginnt mit einem freien Rhythmusbaustein und einem frei ausgewähltem Körperklang über dem Puls der Gruppe zu spielen. Der Rhythmusbaustein soll beständig wiederholt werden, hat er sich eingependelt, so kann der/die nächste SpielerIn mit seinem Rhythmus einsetzen. Dies geschieht reihum, bis alle ihren Rhythmus im gemeinsamen Puls spielen. Startet einen neuen Rhythmuskreis, wenn jeder seinen Rhythmusbaustein gefunden hat, verändert ihn ein wenig nach kurzer Zeit. 14 Bildergalerie 1. Die Komponisten Leonard Bernstein 15 George Gershwin 16 John Adams 17 Paris der 1920er Jahre 18 LA der 1940er Jahre 19 Vorschläge für den kreativen / fächerübergreifenden Unterricht Besprechen der Stücke, mögliche Themen: - Mit welchen Instrumenten setzt Gershwin die Klänge der Stadt um? Wie macht es Adams? Vergleiche die beiden Stücke. Wie klingt die Fahrt mit der Maschine bei Adams? Welche musikalischen Parameter nutzt Adams? (Höraufgabe ohne Partitur) Fächerübergreifende Herangehensweisen (ev. in Zusammenarbeit mit KollegInnen?) BE: - - Erstellen von Collagen zum Thema Stadt Genauere Untersuchung der Kunstrichtungen aus der Zeit Gershwins (Paris in den Zwanziger- Jahren) – Bilder im Stile dieser Maler malen. Aufgabe für die SchülerInnen: Lauft einen Nachmittag mit euren Handies durch die Stadt, macht Fotos von eurer Meinung nach „typischen“ Stadt-Situationen oder typischen Stadt-Bildern. Daraus ergibt sich auch die Diskussion: was ist für Euch Großstadt? Ist Wien eine Großstadt? Wenn ja, warum? In der Klasse werden die Fotos gezeigt, verglichen und diskutiert. Ansehen eines Film noir, z.B. „Double Indemnity“ oder „The Blue Dahlia“ Deutsch: - Texte zur Stadt, zu urbanen Sounds schreiben. Eine Möglichkeit für Poesie: Haikus Zwei Beispiele: Auf dem Kunstmarkt – ein Portraitmaler zeichnet mein zweites Gesicht Andrea D'Alessandro Stromausfall. In der Wohnung des Nachbarn spielt jemand Klavier. - Texte von Raymond Chandler lesen Geschichte/Geografie: Vertiefendes Arbeiten zu den Städten Paris + Los Angeles. Diskussion: wie unterscheidet sich unsere heutige Welt zum Los Angeles der 40er Jahre? 20 Musikalische Aufgaben: Aufgabe von S. 14 - Wie klingt Dein Bezirk in dem Du wohnst, welche Klänge zeichnen ihn aus? Klangbilder der Bezirke erstellen (mit dem Handy aufnehmen), die Klänge können auch sortiert werden – in menschliche / technische / tierische Klänge. Das Ergebnis wird präsentiert und die Mitschüler sollen erraten, um welchen Bezirk es sich handeln könnte. Bodypercussion – Übung zur Minimal Music (S. 14) Entwicklung einer Straßen-Improvisation: zuerst Diskussion: welche Geräusche kommen in der Stadt vor? Wie könnte man diese Geräusche mit Alltags-Gegenständen und (Orff-) Instrumenten nachahmen. Vor der eigentlichen Ideen-Findung könnte noch eine kurze konkrete Szene in der Stadt überlegt werden (Beispiel: eine Straße, zuerst ist es ruhig, nur ein paar Menschen gehen, reden, singen, pfeifen. Dann kommen ein paar Autos. Plötzlich: ein Zusammenstoß. Erschrecken, Panik. Die Rettung kommt. Alles beruhigt sich wieder). Die Klasse soll dann eine Klang-Partitur erstellen (also ganz klar notieren, was wann kommt). Daraus entsteht die Improvisation – ausprobieren – spielen… 21 Websites + Quellen Website John Adams http://www.earbox.com/ Interview mit John Adams, in englisch (Video) http://www.pbs.org/wnet/gperf/gustavo-dudamel-and-the-la-phil-interview-with-johnadams/858/ Interview mit John Adams, in deutsch (Artikel) http://www.planet-interview.de/interviews/john-adams/33802/ Urban Sounds (Geräusche der Stadt) http://soundbible.com/tags-urban.html American Film noir – viele Fotos http://americanfilmnoir.com/page9a.html Paris zur Zeit Gershwins: http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-14332892.html http://www.musee-orsay.fr/de/veranstaltungen/ausstellungen/im-musee-dorsay/ausstellungen-im-museedorsay-mehr-informationen/article/misia-reine-de-paris32546.html?S=&tx_ttnews%5BbackPid%5D=254&cHash=4d22c615ff&print=1&no_cache=1& http://www.mare.de/index.php?article_id=3781&setCookie=1 Hörbeispiele zu Minimal Music https://www.youtube.com/watch?v=vugqRAX7xQE https://www.youtube.com/watch?v=5LbmvD7ytDc „Leonard Bernstein. Der Komponist“ in: Musik der Zeit. Dokumentationen und Studien 7. Hg. von Reinhold Dusella und Helmut Loos. Bonn, 1989 Embattled Dreams – California in war and peace, 1940 – 1950. Daraus: 1947, Black Dahlia. Kevin Starr „minimal – music“; Entwicklung. Fabian R. Lovisa. Darmstadt, 1996 Komponisten. Werke. Daraus: John Adams. Wikipedia, die freie Enzyklopädie 22