2.4. GAUSSSCHER SATZ 2.4 23 Gaußscher Satz Das Feld einer Punktladung genügt der Gleichung: |E| = 1 Q 4 π ε0 r 2 Desweiteren berechnet sich die Oberfläche einer Kugel, deren Punkte vom Mittelpunkt den Abstand r haben zu: A = 4 π r 2 . Deshalb ist das Produkt aus E = |E| (auf der Kugeloberfläche, also bei konstantem r) und A: E·A = = = Q ε0 ! 1 Q 4 π ε0 r 2 " # $ · 4 π r2 (2.24) eine Konstante. Nun ist E ein Vektor. Ebenso kann man einen Flächenvektor A definieren, der senkrecht auf einer Oberfläche eines Objektes (Volumens) steht und von innen nach außen zeigt, z.B. würde man die Oberfläche eines “Deckel” eines Kubus mit Kantenlänge a, der entlang der kartesischen Koordinaten ausgerichtet ist, mit ADeckel = a2 ez bezeichnen. Die Oberfläche des “Bodens” wäre dann ABoden = −a2 ez . Für gekrümmte Oberflächen, wie die einer Kugel, kann man nur kleine Oberflächensegmente betrachten, die man (meist) lokal als nicht gekrümmt annähren kann. Als Beispiel diene die Oberfläche der Erde, die lokal flach erscheint. Bei einer Kugel ist das Oberflächensegment parallel zu r, wenn der Schwerpunkt der Kugel im Koordinatenzentrum liegt. Also ist dA parallel zu r. Wir können also Gleichung 2.24 auch schreiben, indem wir kleine Oberflächensegmente betrachten und dann jeweils deren Beiträge dA · E über die gesamte Kugeloberfläche summieren. Das 24 KAPITEL 2. ELEKTROSTATIK resultierende Integral schreibt man formal wiefolgt: % Dabei bedeutet das Symbol & E dA = 1 Qeingeschlossen . ε0 (2.25) dA... eine Summation bzw. Integration über eine geschlossene Oberfläche, also über die Hülle eines Volumens. ⇒ ∆A · r = ∆A · r · cos α, wobei α der Winkel zwischen ∆A und r ist. Auf der Kugeloberfläche, deren Schwerpunkt im Ursprung des Koordinatensystems liege, ist cos α = 1. Man kann den Ausdruck dA · E auch als “Fluss” des Vektorfeldes E durch die Oberfläche bezeichnen. Betrachten wir als Beispiel wieder unseren Kubus und nehmen ein konstantes EFeld der Form E0 · ez an, also eins das parallel zur z-Achse ist. Die Feldlinien treten dann durch den Boden ein, wo dA · E negativ ist und sie treten durch den Deckel wieder aus, wo dA · E positiv wäre. Insgesamt treten also gleich viele Feldlinien ein wie aus. Durch die Seiten geht kein & “Fluss”, weil in diesem Beispiel E · ex = 0 bzw. E · ey = 0. In diesem Beispiel würde dA · E = 0 gelten, sprich es gibt keinen resultierenden Fluss in den Kubus, denn es fließt durch den Boden soviel hinein, wie durch den Deckel wieder hinausfließt. Der Begriff “Fluss” stammt im Übrigen aus der Strömungslehre, in der man den Begriff dann durchaus wörtlich nehmen darf. Betrachten wir wieder den allgemeinen Fall. Dazu gibt es einige Anmerkungen: Anmerkungen: • Gleichung 2.25 gilt auch, wenn die Ladung nicht im Zentrum der Kugel sitzt (ohne Beweis). • Gleichung 2.25 gilt auch, wenn die Oberfläche eine beliebige Form hat (wieder ohne Beweis). • Gleichung ist isomorph (mathematisch identisch) zum Coulomb-Gesetz. • Eine radialsymmetrische Verteilung ρ (R) = ρ (|R|) kann so behandelt werden, als sei die 2.4. GAUSSSCHER SATZ 25 gesamte Ladung im Schwerpunkt der Ladungsverteilung vorhanden. Es sei angemerkt, dass alles, was wir hier gesagt haben, ebenso für das Gravitationsgesetzt gilt, das abgesehen von Konstanten mit dem Coulomb-Gesetz identisch ist. Insbesondere der letzte Punkt unserer Anmerkungen spielt im Gravitationsgesetz eine wichtige Rolle: Die Gravitationswirkung eines Planeten, den man in aller Regel als kugelsymmetrisch annehmen kann, entspricht der Wirkung einer “Punktmasse”, sprich der Gesamtmasse des Planeten, die im Schwerpunkt des Planeten vereinigt ist. Dies gilt auch, wenn die Objekte sich sehr nahe an Planeten befinden, wie z.B. Satelliten. Würde das Coulomb-Gesetz von 1/r 2 abweichen, könnte man das Konzept von Punktmassen, oder analog Punktladungen, nicht vornehmen. So ist die Anziehungskraft zwischen zwei homogenen, nichtgeladenen Kugeln auf der Erde nicht einfach eine Funktion des Abstandes ihrer Schwerpunkte, weil die dominierende van-der-Waals Kraft mit 1/R 6 statt mit 1/R2 abfällt. Aus Gleichung 2.25 folgt, dass der Gesamtfluß von elektrischen Feldlinien durch eine geschlossene & Oberfläche gleich null ist, wenn sie keine Ladung umschließt. Ist dA · E positiv bzw. negativ muss die von der Oberfläche eingeschlossene Ladung in ihrer Summe jeweils positiv bzw. negativ sein. Deshalb haben wir vorher davon gesprochen, dass positive Ladungen die Quellen des elektrischen Feldes sind und negative Ladungen ihre Senken. Ebenso bekommt der Satz, dass elektrische Felder Start- und Endpunkte nur in Ladungen haben, eine tiefere Bedeutung. Betrachte den links gezeichneten (infinitesimal) dünnen Diskus. Für ihn gilt: % E dA = 0 rag replacements Jeder ”Fluss” des Feldes, der in ein Vo- +Q lumen geht (E dA), geht auch wieder −Q unverändert heraus, da keine Ladung d im (Diskus-) Volumen enthalten ist. 26 % KAPITEL 2. ELEKTROSTATIK E dA = positiv negativ Wenn wir über einen Dipol integrie- placements ren, sodass beide Ladungen von unserer +Q −Q Oberfläche eingeschlossen sind, gilt: + − Qeing. = +e + (−e) d ⇒ % = 0 E dA = 0 Weitere Konsequenzen des Gauss’schen Satzes sind: • Eine Kugel mit homogener Oberflächenladung hat kein inneres E-Feld. Das Konzept des Massenpunktes bzw. Ladungspunkt bezieht sich also nur auf die Massen/Ladungen, die einen kleineren Abstand vom Ursprung haben als man selbst. • Induzierte Ladungen in Metallen sitzen auf Oberflächen. Ansonsten hätte man elektrische Feldlinien innerhalb eines Metalls, was aber nicht erlaubt ist, weil dann Ladungen anfangen zu fließen, die das E-Feld kleiner machen. Anwendungen: Berechnung elektrischer Felder von hochsymmetrischen Strukturen 1. Beispiel: Feld einer homogen geladenen Kugel. Die Kugel habe den Radius R und die konstante Ladungsdichte ρ = ∆Q . ∆V Berechne das innere E-Feld einer homogen geladenen Kugel mit der Ladungsdichte Aus Symmetriegründen: E ↑↑ r (Kugel im Zentrum) ⇒ % E dA = E · A = E · 4 π r 2 2.4. GAUSSSCHER SATZ 27 Berechnung der eingeschlossenen Ladung für r ≤ R: Qeing. = ρ · V ! " 4π 3 = ρ· ·r 3 Eingesetzt in den Gaußschen Satz: 1 E · 4πr = ·ρ· ε0 ρ E = ·r ε0 2 ! 4π 3 ·r 3 " Innerhalb der Kugel steigt das Feld linear an. Außerhalb muss es gemäß des Coulombgesetzes abfallen. Daher ergibt sich folgendes Bild: |E| PSfrag replacements +Q −Q d RKugel Interessant: Im Ursprung ist E = 0, was aber aus Symmetriegründen sowieso unvermeidbar war. Eine Einheitenanalyse hätte uns schon ahnen lassen müssen, dass E ∝ ρr sein muss, da das innere Feld gemäß Gauß nicht vom äußeren Radius abhängen kann. ([ρ] = C/m3 ) 2. Beispiel: Homogen geladener Draht Der als undendlich dünne genäherte Draht habe eine homogene (Linien-) Ladungsdichte λ = ∆Q = const. ∆Z 28 KAPITEL 2. ELEKTROSTATIK z g replacements +Q −Q r Wenn der Draht durch den Ursprung (0, 0, 0) geht d und auf der z-Achse liegt mit R = (x, y, z) ⇒ E (R) = E · '( ) x2 + y 2 · (x, y, 0) * +, +, * radialer Vektor Abstand von z-Achse z g replacements +Q ADeckel = π · r2 · ez −Q Da E ↑↑ ex d ⇒ kein Fluss durch den Deckel ADeckel = −ABoden |ASeite | = (2 π · r) · *+,∆z * +, Umfang ⇒ ⇒ % Höhe ASeite ↑↑ E E dASeite = ASeite · E(r) = (2 π r · ∆z) · E(r) Qeing. = λ · ∆z 2.4. GAUSSSCHER SATZ 29 (2 π r · ∆z) · E(r) = λ · ∆z Gleichsetzen liefert: ⇒ E(r) = λ 2πr Siehe hier Gleichung 2.5, in der wir den Abstand vom Draht mit a statt mit r bezeichnet haben. Die numerische Konstante N , die wir in Gleichung 2.5 haben, ist also N = 2. Die Berechnung des E-Feldes hat sich durch den Gauß’schen Satz stark vereinfacht - und kann nun mit etwas Übung in zwei Zeilen geschehen, statt über die Berechnung eines (komplizierten) Integrals. Allerding mussten wir dazu etwas Mathematik lernen. 3. Beispiel: Feld einer homogen geladene Platte Die als unendlich dünn genäherte Platte liege in der xy Ebene und habe eine konstante Flächen∆Q ladungsdichte σ = ∆A eplacements ⇒ E ↑↑ ez : z>0 +Q E ↑↓ ez : z<0 ⇒ E · ∆ADeckel = E · ADeckel −Q E · ∆ABoden = |E| · |ABoden | d Es findet kein Fluss durch die Seiten statt E · ∆ASeite = 0 % E dA = E · ADeckel + E · ABoden A = ABoden = ADeckel Qeing. = σ · A eingeschlossene Ladung: ⇒ 2A · E = 1 ·σ·A ε0 oder E= σ 2 ε0 Dies ist auch ein Ergebnis, das wir vorher nur mit sehr viel mehr Aufwand erzielen konnten.