Thermodynamik g,s-Zustandsdiagramm für Wasser und Wasserdampf Bei der Untersuchung von technischen Systemen kann die spezifische freie Enthalpie g Zusatzinformationen liefern. Diese können zum Beispiel anhand von Zustandsdiagrammen ermittelt und veranschaulicht werden. Es wird deshalb ein neu entwickeltes g,s-Zustandsdiagramm für Wasser vorgestellt, in dem die spezifische Entropie s als Abszisse sowie der Druck p und die Celsiustemperatur t als Parameter verwendet werden. Beispiele für den Nutzen des g,s-Diagramms sind die Erfassung von isothermen Zustandsänderungen sowie die Darstellung von Zustandsänderungen für g = konstant. Es wird weiter gezeigt, dass sich Zustandsänderungen im Gebiet des idealen Gases für den Fall, dass einzelne wichtige Zustandsgrößen konstant gehalten werden, durch einen allgemeinen Zusammenhang p = p (T, n1, n2) wiedergeben lassen, wobei n1 und n2 für die jeweilige Zustandsänderung explizit angegeben werden. I n der Thermodynamik werden die Eigenschaften von Systemen mit Hilfe von Zustandsgrößen wie zum Beispiel dem Druck p, der absoluten Temperatur T und dem Volumen V bzw. dem spezifischen Volumen v erfasst. Diese lassen sich durch Zustandsgleichungen miteinander verknüpfen, mit denen die Eigenschaften von idealen sowie realen Gasen, von Flüssigkeiten und von Feststoffen dargestellt werden können. Werden dabei die Informationen des ersten und des zweiten Hauptsatzes genutzt, erhält man für einfache Systeme (reine Stoffe in einer Phase) Zustandsgleichungen, bei denen drei ausgewählte Zustandsgrößen miteinander verknüpft sind; solche Zustandsgleichungen werden wegen ihrer grundlegenden Bedeutung Fundamentalgleichungen, kanonische Zustandsgleichungen bzw. thermodynamische Potenziale genannt. Sie können zum Beispiel die Form F(s, h, p ) = 0, also s = s (h, p ), h = h (s, p ) oder p = p (s, h ) bzw. F(s, u, v ) = 0, also s = s (u, v ), u = u (s, v ) oder v = v (s, u ) aufweisen; dabei ist s die spezifische Entropie, h die spezifische Enthalpie und u die spezifische innere Energie. Diese Zustandsgleichungen sind dadurch ausgezeichnet, dass aus ihnen ohne Zusatzinformation alle möglichen weiteren Zustandsgrößen gewonnen werden können [1 bis 3]. Durch die Legendre-TransBWK Bd. 57 (2005) Nr. 11 formation können weitere Tripel von Zustandsgrößen erhalten werden, die sich ebenfalls zu Fundamentalgleichungen miteinander verknüpfen lassen, zum Beispiel F(g, p, T ) = 0, wobei die Form g = g (p,T) von technischer Bedeutung ist, und F( f , v, T ) = 0, wobei die Form f = f (v,T) Bedeutung erlangt hat [4]. Dabei sind g die spezifische freie Enthalpie und f die spezifische freie Energie, die als Aufbau des g,s-Diagramms Bei der Untersuchung von offenen Systemen in der Technik (zum Beispiel bei energietechnischen Fragestellungen) kann die spezifische freie Enthalpie g interessante Zusatzinformationen liefern. Solche Zusatzinformationen lassen sich aus ingenieurtechnischer Sicht sinnvoll anhand von Zustandsdiagrammen ermitteln und veranschaulichen. Im Folgenden wird deshalb ein neu entwickeltes g,s-Zustandsdiagramm für das technisch wichtige Arbeitsmittel Wasser vorgestellt, das dem p,v-Diagramm, dem T,s-Diagramm und dem h,s-Diagramm an die Seite gestellt werden kann. Dabei wurden g als Ordinate, s als Abszisse sowie p und die Celsius-Temperatur t als Parameter gewählt. Auch Diagramme der Art F (g,p,T) sind grundsätzlich von Interesse, doch ist denen gegenüber ein Schaubild mit mindestens einer Koordinate vorzuziehen, auf der eine durch eine erste Ableitung der Zustandsgleichung (F (g,p,T) = 0) gewonnene Zustandsgröße aufgetragen wird, weil damit detailliertere grafische Aussagen möglich sind. Diese abgeleitete Zustandsgröße ist hier ⎛ ∂g ⎞ s = −⎜ ⎟ . ⎝ ∂T ⎠ p Das g,s-Diagramm für Wasser und Wasserdampf stützt sich auf die Informationen der Zustandsgleichungen von Wagner und Kruse (IAPWS-Formulie- g = h − Ts bzw. f = u − Ts definiert sind. g kann zum Beispiel bei offenen Systemen, f bei geschlossenen Systemen nützlich sein. g und f gehören in der chemischen Thermodynamik zu den zentralen Zustandsgrößen. In der Energietechnik finden sich bisher nur wenige Ansätze, mit g und f zu arbeiten, zum Beispiel im Rahmen der Brennstoffzellenentwicklung. Ein Grund für das bisher fehlende Interesse von Ingenieuren an g und f mag unter anderem sein, dass zu deren Berechnung die Absolutwerte von s, h bzw. u erforderlich sind, Ingenieure sich jedoch bei vielen Problemen auf die Darstellung von Differenzen Ds, Dh bzw. Du beschränken können. Autor Prof. Dr.-Ing. Martin Dehli, Jahrgang 1948, Studium des Maschinenbaus und Promotion an der Universität Stuttgart. Einer dreijährigen Tätigkeit in einem planenden Ingenieurunternehmen der Energieund Kraftwerkstechnik folgte eine 14-jährige Tätigkeit bei der Energie-Versorgung Schwaben. Seit 1991 an der Fachhochschule Esslingen (FHTE), Hochschule für Technik, Fachbereich Versorgungstechnik und Umwelttechnik (VU). i [email protected] 63 Thermodynamik 0 -2 000 0,01 °C Tr -1 000 100 °C 0,0 1 °C 200 °C 50 °C 15 C 0° 20 -4 000 C 0 °C 25 0 °C 30 0 -5 000 °C 200 500 35 0 °C 20 0 °C 1 0 30 °C 0 40 °C 1 0 50 °C 1 0,02 60 0 °C 00 17 °C 00 18 0,005 0,1 bar 0,002 0,05 °C 19 00 0,01 bar °C 2 4 6 8 10 12 14 16 0,001 bar 0 Spezifische Entropie s [kJ/(kg K)] 20 Spezifische Entropie s [kJ/(kg K)] Bild 1 Bild 2 g,s-Diagramm für den Stoff Wasser bis zu t = 800 0C. g,s-Diagramm für den Stoff Wasser bis zu t = 2 000 °C. 64 1 -26 000 -34 000 10 11 12 13 14 15 16 17 rung von 1998 [4; 5] sowie auf das h,s-Diagramm mit absoluten spezifischen Enthalpien und Entropien, das auf Bosnjakovic zurückgeht [6; 7]; dabei werden zwei Varianten vorgestellt, wobei in der ersten Variante (Bild 1) die Obergrenze der Temperatur bei 800 oC, in der zweiten Variante (Bild 2) bei 2 000 oC liegt. Von Belang ist, dass g als absolute spezifische Zustandsgröße dargestellt wird. Insofern wurde davon abgesehen, g als relative spezifische Größe wiederzugeben (etwa bei Wasser mit g = 0 kJ/kg am Tripelpunkt oder auch bei 0 °C zum Beispiel gemäß [5]). Zur Berechnung von g als absoluter spezifischer Zustandsgröße wurden absolute spezifische Werte für h und s gemäß [6; 7] verwendet (Werte am Tripelpunkt: pTr = 0,006112 bar, TTr = 273,16 K (tTr = 0,01 oC), hTr´ = 633,0 kJ/kg, sTr´ = 3,5214 kJ/ (kg K) für Wasser als Flüssigkeit). Die spezifische freie Enthalpie g ist – ausgenommen im Feststoffund Schmelzgebiet bei hohen Drücken – eine negative Zustandsgröße; deshalb ist in beiden g,s-Diagrammen die Ordinate nach unten aufgetragen. Wäre g positiv, ergäbe sich für das Nassdampfgebiet und das Gebiet überhitzten Dampfes eine ähnliche Diagrammform wie beim °C 1 0,001 bar 9 -24 000 -32 000 °C 8 -22 000 1 bar 0 75 7 -20 000 -30 000 °C 6 °C 00 0 0,5 0 5 -18 000 -28 000 °C 0,01 bar 4 1 70 0,005 3 -16 000 0,2 °C 0,002 0 65 0,1 bar 2 0 10 bar 0 60 0,05 1 °C 90 5 °C 0,02 1 bar 0 -14 000 2 0 0,5 -13 000 C 80 0 100 bar 55 0,2 -12 000 C 70 0° -12 000 50 °C 10 bar 0 50 5 -11 000 60 0° -10 000 20 °C 2 -10 000 C 50 0° C 0 0 45 100 bar -9 000 0° C 40 0° 10 °C 50 -8 000 -8 000 °C 30 1 0 40 20 1 000 bar -7 000 °C Spezifische freie Enthalpie g [kJ/kg] K -3 000 -6 000 °C 200 0 20 500 bar 1 000 -4 000 10 0° -6 000 100 K 300 °C -2 000 Spezifische freie Enthalpie g [kJ/kg] 0,01 °C Tr 0 T,s-Diagramm für Wasser und Wasserdampf; das g,s-Diagramm erscheint also in erster grober Näherung als ein Diagramm, das einem an der Abszisse gespiegelten T,s-Diagramm ähnlich ist. Besser als in Bild 2 lassen sich in Bild 1 Einzelheiten erkennen: So ist zum Beispiel am Koordinatenursprung links oben der absolute Nullpunkt mit T = 0 K (t = – 273,15 °C) sowie h = 0 kJ/kg und s = 0 kJ/(kg K) – und damit auch g = 0 kJ/kg – erfasst. An das Feststoffgebiet – hier lediglich mit der Begrenzungskurve für niedere Drücke wiedergegeben – schließt sich nach rechts das von Schmelzlinie und Erstarrungslinie eingegrenzte, im unteren Bereich von einem Teil des Sublimationsgebietes überlagerte Schmelzgebiet an. Hierin sind als waagerechte Strecken Isobaren bzw. Isothermen enthalten, für die jeweils auch g konstant bleibt, wobei für niedrigere Drücke auch g niedrigere Werte aufweist. Für den Tripelpunkt des Wassers gilt: gTr´= – 328,9 kJ/kg. Rechts von der Erstarrungslinie befindet sich das Flüssigkeitsgebiet, rechts von der Sublimationslinie das Sublimationsgebiet. Das vergleichsweise schmale und damit grafisch nur schlecht zu erfassende Flüssigkeits- gebiet ist hier von Tripeldruck pTr und Tripeltemperatur tTr an aufwärts bis hin zum Druck p = 1 000 bar wiedergegeben; es ist unterhalb von etwa 250 °C dem Nassdampfgebiet (in Bereichen sehr niedrigen Dampfgehalts) überlagert. Das Sublimationsgebiet liegt oberhalb der – durch die Tripeltemperatur tTr = 0,01 oC gekennzeichneten – waagerechten Tripellinie und reicht nach rechts hin in Gebiete hoher spezifischer Entropie s; da dieses Gebiet technisch weniger interessant ist, wird hier nur die waagerecht verlaufende Isobare p = 0,001 bar (t = – 20,3 oC; g = – 286,22 kJ/kg) zusätzlich erfasst. Unterhalb der Tripellinie schließt sich das Nassdampfgebiet an, das durch Siedelinie und Taulinie begrenzt ist. Auch hier verlaufen Isothermen, Isobaren und Linien konstanter spezifischer freier Enthalpie g waagerecht, wobei g mit steigenden Drücken und Temperaturen abnimmt. Nach unten hin wird das Nassdampfgebiet durch den kritischen Punkt K (pK = 220,64 bar, TK = 647,10 K (tK = 373,95 0C), hK = 2 720,55 kJ/kg; sK = 7,9334 kJ/(kg K); gK = – 2413,15 kJ/kg) abgeschlossen, der den Tiefpunkt der Grenzkurve (Siedelinie und Taulinie) darstellt. BWK Bd. 57 (2005) Nr. 11 Thermodynamik 0 0,01 °C Spezifische freie Enthalpie g [kJ/kg] 0,01 g -1 000 DK 50 °C 200 °C s vp e e T, h p 100 v s -2 000 °C 25 0° C 30 0° C 15 0° C 35 0° C -3 000 g 40 0° C 0 20 0° C 45 0° C 50 0° 5 50 -4 000 600 C °C °C T, h 0,002 0,001 bar bar r 0,01 ba bar 0,005 r 0,02 ba r 0,1 ba r 0,05 ba r 0,2 ba 1 bar r 0,5 ba 5 bar 2 bar r 10 ba r 20 ba bar bar bar ar 50 b 100 200 500 r ba 00 -5 000 8 9 10 11 12 13 14 15 Spezifische Entropie s [kJ/(kg K)] Weiter ist zum Beispiel erkennbar, dass bei rechtslaufenden Kreisprozessen, die durch eine isotherme Zustandsänderung im unteren Temperaturbereich gekennzeichnet sind (zum Beispiel beim Clausius-Rankine-Prozess), Einige Nutzanwendungen der Arbeitsaufwand für die isotherme des g,s-Diagramms Verdichtung dann gleich null ist, wenn diese isotherme Verdichtung eine isoBei der isothermen Zustandsänderung therme Kondensation ist: Dann ist nämeines einfachen offenen Systems bei der lich (Dg = g2 – g1 = 0). Kreisprozesse mit Absoluttemperatur T ergibt die Differenz isothermer Kondensation am „kalten der spezifischen freien Enthalpien (g2 – Ende“ sind also thermodynamisch vorteilhaft [2; 9; 10]. g1) die spezifische DruckänderungsEine weitere Nutzanwenarbeit wp12 [8]: dung des g,s-Diagramms ist w p12 = h 2 − h1 − ( q 12 )rev = h 2 − h1 − T ( s2 − s1 ) = g2 − g1 = Δ g . die Betrachtung weiterer ausgewählter Zustandsänderungen mit (g2 – g1 = Dg = 0, Das g,s-Diagramm verdeutlicht zum also mit g = konst.). Diese werden im Folgenden für das Gebiet des idealen GaBeispiel, dass bei rechtslaufenden Kreisses untersucht. prozessen, die eine isotherme Entspannung im oberen Temperaturbereich aufweisen (zum Beispiel bei Carnot-Prozess, Das Gebiet des idealen Gases Ericsson-Prozess, Stirling-Prozess), der Arbeitsgewinn bei dieser isothermen ZuWie aus den Bildern 1 und 2 zum Teil standsänderung umso größer ist, je höersichtlich ist, bleibt beim Erschmelher die Temperatur ist: Dann ist nämlich zungs- bzw. Erstarrungsvorgang, beim (wp12 = g2 – g1 = Dg) besonders groß. WeiSublimations- bzw. Desublimationsvorgang und beim Verdampfungs- bzw. ter ist bei der isothermen Entspannung Kondensationsvorgang die spezifische ein möglichst hohes Druckverhältnis freie Enthalpie g unverändert. Deshalb p2/p1 anzustreben: Auch hierfür wird liegt es nahe, zusätzlich hierzu auch ei(wp12 = g2 – g1 = Dg) besonders groß. Das ne Zustandsänderung bei g = konst. im Diagramm veranschaulicht, dass die Gebiet des idealen Gases zu unterspezifische freie Enthalpie g hinsichtlich suchen. Hier bieten sich für g = konst. der isothermen Zustandsänderung Pobeispielsweise Verknüpfungen der Art tenzialcharakter hat und damit der speT = T (s), p = p (T) und v = v (T) an; daraus zifischen Exergie der spezifischen Entkönnen auch andere Verknüpfungen – halpie e verwandt ist [2]. BWK Bd. 57 (2005) Nr. 11 °C 0 T, p, g 100 °C 10 Im Gebiet des überhitzten Dampfes sind die Isothermen zwischen tTr = 0,01 °C (tTr = 0 oC) und 800 oC in Intervallschritten von jeweils 50 oC wiedergegeben. Mit steigender Temperatur wird die Neigung der Isothermen größer. Die Isobaren – logarithmisch skaliert – erstrecken sich über einen Druckbereich von 0,001 bar bis 1 000 bar; als Zwischenlinien sind zusätzlich Isobaren von 0,02 bar bis 200 bar und von 0,05 bar bis 500 bar enthalten. Die kritische Isotherme und die kritische Isobare – hier nicht eingezeichnet – haben einen stetigen Verlauf und weisen im kritischen Punkt K eine waagerechte Tangente auf. Überkritische Isothermen und Isobaren verlaufen stetig vom Flüssigkeitsgebiet (links) durch das Übergangsgebiet unterhalb des kritischen Punktes (Mitte) hindurch ins Gebiet des überhitzten Dampfes hinein (rechts). Unterkritische Isothermen und Isobaren verlaufen aus dem Flüssigkeitsgebiet (links) mit einem Knick ins Nassdampfgebiet oberhalb des kritischen Punktes (Mitte) hinein, durch das Nassdampfgebiet waagerecht hindurch und mit einem Knick ins Gebiet des überhitzten Dampfes hinein (rechts). Bild 3 Beispiele für Zustandsänderungen im g,s-Diagramm von 0 ausgehend für g = konst., p = konst., T = konst., s = konst., v = konst., e = konst. und auf der Taulinie (DK). etwa der Zusammenhang p = p (s) durch Einsetzen von T = T (s) in p = p (T) – gewonnen werden. Ohne auf deren Herleitungen einzugehen, seien hier entsprechende Beziehungen genannt: T = T0 s0 − cp s − cp mit der Umformung s = T0 ( s0 − cP ) + cP T κ ⎛ T ⎞ κ −1 p = p0 ⎜ ⎟ e ⎝ T0 ⎠ 1 T− T0 ⎛ S0 κ ⎞ − ⎜ T ⎝ R κ − 1 ⎠⎟ ⎛ T ⎞ 1− κ − v = v0 ⎜ ⎟ e ⎝ T0 ⎠ T − T0 ⎛ S 0 κ ⎞ − ⎜ κ − 1 ⎟⎠ T ⎝ R . Dabei ist cp = konst. bzw. ein konstanter Mittelwert cp = cpm im betrachteten Intervall vorausgesetzt. s0 und T0 sind konstante Bezugswerte (Anfangswerte der Zustandsänderung), H der Isentropenexponent und R die spezielle Gaskonstante des jeweiligen idealen Gases. 65 Thermodynamik Der genannte Zusammenhang p = p (T) für Kurven konstanter spezifischer freier Enthalpie (g = konst.) legt einen Vergleich mit weiteren Beziehungen der Art p = p (T) nahe, die im Gebiet des idealen Gases für Kurven anderer Zustandsgrößen – etwa für konstante Werte von p, v, T, h und s – gelten (Isobaren, Isochoren, Isothermen, Isenthalpen, Isentropen). Weiter kann auch ein Zusammenhang p = p (T) für Kurven konstanter spezifischer Exergie der spezifischen Enthalpie e angegeben werden, wobei hier mit Tu die Umgebungstemperatur bezeichnet wird. Daneben kann ergänzend eine einfache Näherungsbeziehung p = p (T) für die Dampfdruckkurve (als Begrenzungslinie des Gebiets des idealen Gases) verwendet werden; dabei kennzeichnen die Zustandsgrößen p0, T0, s0´ (siedende Flüssigkeit) und s0´´ (Sattdampf) einen gewählten Bezugspunkt 0; die spezifische Verdampfungsenthalpie ist zu (r0 = T0(s0´´ – s0´) = konst.) angenommen. Hierfür gelten die Beziehungen: Bild 4 p0 T0 Maschine für die Verwirklichung einer Entspannung bei g = konst. Qrev Wp p T Dampfdruckkurve: T − T0 s"0 − s' 0 T R p = p0 e Linien gleicher spezifischer freier Enthalpie: g = g0 = konstant κ ⎛ T ⎞ κ −1 e p = p0 ⎜ ⎟ ⎝ T0 ⎠ T− T0 ⎛ s 0 κ ⎞ − ⎜ κ − 1 ⎟⎠ T ⎝R Isobare: Linien gleicher spezifischer Exergie der spezifischen Enthalpie: p = p0 = konstant ⎛T⎞ p = p0 ⎜ ⎟ ⎝ T0 ⎠ 0 e = konstant κ ⎛ T ⎞ κ − 1 − T−TuT0 e p = p0 ⎜ ⎟ ⎝ T0 ⎠ Isochore: v = v0 = konstant p = p0 ⎛T⎞ T = p0 ⎜ ⎟ T0 ⎝ T0 ⎠ Isotherme: T = T0 = konstant ⎛T⎞ p = p0 ⎜ ⎟ ⎝ T0 ⎠ Alle Beziehungen lassen sich mit dem folgenden allgemeinen Ansatz erfassen: n ⎛ T ⎞ 1 n2 p = p0 ⎜ ⎟ e ⎝ T0 ⎠ mit ∞ Isenthalpe: h = h0 = konstant T = T0 = konstant ⎛T⎞ p = p0 ⎜ ⎟ ⎝ T0 ⎠ 1 κ κ−1 ∞ Zustandsänderung n1 n2 Isobare 0 0 Isochore 1 0 Isotherme/Isenthalpe ∞ 0 κ κ −1 0 Isentrope Dampfdruckkurve Isentrope: s = s0 = konstant 0 Linien gleicher spezifischer freier Enthalpie κ κ −1 Linien gleicher spezifischer Exergie der spezifischen Enthalpie κ κ −1 κ ⎛ T ⎞ κ −1 p = p0 ⎜ ⎟ ⎝ T0 ⎠ 66 In Bild 3 sind die genannten Zustandsänderungen in das g,s-Diagramm für Wasser für zwei beispielhafte Fälle eingetragen: Im ersten Fall nehmen die Zustandsänderungen vom Punkt 0 auf der Taulinie bei p0 = 1,0 bar und t0 = 99,606 0C (t0 ª100 oC) ihren Ausgang. Im Diagramm sind (von links nach rechts) dargestellt: die Verdichtung ins Nassdampfgebiet hinein bei gleicher spezifischer freier Enthalpie (g = konst.), gleichem Druck (p = konst.) und gleicher Temperatur (T = konst.), der als entgegengerichteter Vorgang die Entspannung bei gleicher spezifischer freier Enthalpie im Gebiet des idealen Gases auf t = 50 °C ergänzend zugeordnet ist; die Zustandsänderung auf der Taulinie (DK) bis zu t = 150 °C; die isentrope Verdichtung (s = konst.) auf t = 150 °C; die isochore Erwärmung (v = konst.) auf t = 150 °C; die isobare Erwärmung (p = konst.) auf t = 150 °C; die Erwärmung bei gleicher spezifischer Exergie der spezifischen Enthalpie (e = konst.) auf t = 150 °C; die isotherm-isenthalpe Entspannung (t = konst.; h = konst.). Im zweiten Fall ist der Ausgangspunkt 0 durch p0 = 1,0 bar und t0 = 300 °C gekennzeichnet. Im Diagramm sind (von links nach rechts) dargestellt: die Ab- T − T0 s 0" − s 0' T R T − T0 s0 κ R − κ −1 T − T − T0 κ Tu κ −1 BWK Bd. 57 (2005) Nr. 11 Thermodynamik kühlung bei gleicher spezifischer Exergie der spezifischen Enthalpie (e = konst.) auf t = 200 °C; die isobare Abkühlung (p = konst.) auf t = 200 °C; die isochore Abkühlung (v = konst.) auf t = 200 °C; die isentrope Entspannung (s = konst.) auf t = 200 °C; die Entspannung bei gleicher spezifischer freier Enthalpie auf t = 200 °C und p ª 0,005 bar; die isothermisenthalpe Zustandsänderung (t = konst.; h = konst.) auf p = 0,005 bar. Bei Zustandsänderungen auf Kurven gleicher spezifischer freier Enthalpie (g = konst.) im Gebiet des idealen Gases interessiert unter anderem der hierbei auftretende Umsatz der vier Prozessgrößen spezifische Druckänderungsarbeit wp, spezifische Volumenänderungsarbeit wv, spezifische Wärme q = qrev = qs (spezifische reversible Wärme, spezifische Entropieänderungswärme) und spezifische Temperaturänderungswärme qT [2; 9; 10]. Für eine Zustandsänderung zwischen dem Anfangszustand 0 und einem allgemeinen Endzustand gelten die Beziehungen: me, so dass die spezifische Enthalpie h sowie die spezifische Energie u des Systems – und damit gleichzeitig die Temperatur T – abnehmen; weiter nimmt auch der Druck p ab. Bei der isobar-isothermen Verdampfung sind Flüssigkeit und Dampf im thermodynamischen Gleichgewicht. Dabei finden zwei sich gegenseitig aufhebende, einander entgegengesetzt gerichtete Vorgänge statt: Erstens nimmt die spezifische Enthalpie um (r = h´´ – h´) zu; dies ist dem Bestreben des Systems nach minimaler spezifischer Enthalpie entgegengerichtet. Zweitens wächst die spezifische gebundene Energie um (T (s´´ – s´) = r); dies kommt dem Bestreben des Systems nach möglichst hoher spezifischer gebundener Energie entgegen. Beide Tendenzen halten sich das thermodynamische Gleichgewicht; dies kommt in der Beziehung für die Änderung der spezifischen freien Enthalpie zum Ausdruck, die sich zu null ergibt: κ κ T R( T − T0 ) R ) T0 ln + κ −1 T0 κ − 1 Im Gebiet des überhitzten Dampfes – hier zugleich das Gebiet des idealen Gases – ergibt sich für die gewählte Bedingung wp = qT = (s 0 − wv = (s0 − κ T R ) T0 ln + κ −1 T0 + κ ⎛T⎞ κ R(T − T0 ) − RT0 1 − ⎜⎜⎜ ⎟⎟⎟ ⎜⎝ T0 ⎠ κ −1 T κ qs = − (s0 − R ) T0 ln T0 κ −1 Fasst man eine auf der Taulinie beginnende Zustandsänderung bei konstanter spezifischer freier Enthalpie g im Gebiet des idealen Gases als Fortsetzung der isobar-isothermen Verdampfung im Nassdampfgebiet auf, für die ebenfalls g = konst. gilt, so kann vergleichend festgestellt werden: Bei der isobar-isothermen Verdampfung wird die spezifische Wärme q = qs = r zugeführt; gleichzeitig wird die spezifische Volumenänderungsarbeit (wv = – p (v´´ – v´)) abgegeben. Bei der Fortsetzung des Vorgangs im Gebiet des idealen Gases bei g = konst. wird weiter spezifische Wärme qs zugeführt und gleichzeitig spezifische Volumenänderungsarbeit wv bzw. spezifische Druckänderungsarbeit wp abgegeben; dabei überwiegt die Abgabe spezifischer Arbeit die Zufuhr von spezifischer Wär- BWK Bd. 57 (2005) Nr. 11 spannungsmaschine Arbeit abgibt und gleichzeitig – etwa durch einen Wärmeübertrager oder zum Beispiel durch ein gleichzeitig kondensierendes zusätzliches Arbeitsmittel im Stoffstrom – eine Wärmezufuhr erfährt (Bild 4). Diese Wärmezufuhr wäre mengenmäßig kleiner als im Falle der isothermen Entspannung eines idealen Gases, die bekanntlich bisher technisch nicht befriedigend verwirklichbar ist. Δ g = g"− g' = h"− h'− T( s"− s') = r − r = 0. Literatur [1] Baehr, H. D.: Thermodynamik. 11. Auflage. Berlin/ Heidelberg: Springer-Verlag, 2002. [2] Doering, E.; Schedwill, H.; Dehli, M.: Grundlagen Δ g = g − g0 = h − h0 − Ts − T0 s0 = 0, dass auch hier zwei sich gegenseitig aufhebende, einander entgegengesetzt gerichtete Vorgänge stattfinden: Erstens nimmt die spezifische Enthalpie um (Dh = h – h0) ab; dies kommt dem Bestreben des Systems nach minimaler spezifischer Enthalpie entgegen (Temperaturabnahme infolge der Abgabe von mengenmäßig größerer spezifischer Druckänderungsarbeit wp bei gleichzeitiger Zufuhr mengenmäßig geringerer Wärme q = qs). Zweitens nimmt die spezifische gebundene Energie um (Ts – T0s0) ab: infolge der Temperaturabnahme von T0 auf T, die die Zunahme der spezifischen Entropie von s0 auf s überwiegt. Diese Verringerung der spezifischen gebundenen Energie ist dem Bestreben des Systems nach möglichst hoher spezifischer gebundener Energie entgegengerichtet. Beide Tendenzen halten sich auch hier das thermodynamische Gleichgewicht. Für die Verwirklichung einer solchen Zustandsänderung wäre eine Maschine erforderlich, bei der ein Gas (etwa ein ideales Gas) in einer thermischen Ent- der Technischen Thermodynamik. 5. Auflage. Stuttgart/Leipzig/Wiesbaden: B. G. Teubner Verlag, 2005. [3] Dehli, M.: Über kanonische Zustandsgleichungen und deren Bedeutung in der Technik. VDI-Forschungsheft 575. Düsseldorf: VDI-Verlag, 1973. [4] Wagner, W.; Kruse, A.: Zustandsgrößen von Wasser und Wasserdampf. Der Industrie-Standard IAPWSIF97 für die thermodynamischen Zustandsgrößen und ergänzende Gleichungen für andere Eigenschaften. Berlin/Heidelberg: Springer-Verlag, 1998. [5] Wagner, W.: Water & Steam. Ein interaktives Programm zur Berechnung thermodynamischer Zustandsgrößen auf Basis der IAPWS-IF97 Formulation für technische Anwendungen von Wasser und Wasserdampf. Lehrstuhl für Thermodynamik der Ruhr-Universität Bochum, 1998. [6] Bosnjakovic, F.: Technische Thermodynamik. Teil 1; 8. korrigierte Auflage. Darmstadt: Steinkopff-Verlag, 1998. [7] Bosnjakovic, F.: Technische Thermodynamik. Band 1 und 2. 4. Auflage. Dresden: Steinkopff-Verlag, 1965. [8] Schmid, E.: Thermodynamik. 7. Auflage. Berlin/ Göttingen/Heidelberg: Springer-Verlag, 1958. [9] Dehli, M.: Vergleichende Bewertung von thermodynamischen Kreisprozessen. BWK 51 (1999), Nr. 11/12, S. 48–58. [10] Dehli, M.: Thermodynamische Kriterien für die Weiterentwicklung von Kraftmaschinen. BWK 57 (2005), Nr. 1/2, S. 61–66. 67