Trachom - Deutsches Ärzteblatt

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DEUTSCHES
ÄRZTEBLATT
Zur Fortbildung
Aktzelle Medizin
ÜBERSICHTSAUFSÄTZE:
Trachom: Gefahr der
Erblindung
Trachom: Gefahr der Erblindung
Die operative Korrektur
der Trichterbrust
Familienplanung —
ein klinischer Beitrag
Ursache und Abwehr
der Lungenfibrose
Vormals Krankheit nur des Vorderen Orients —
Im Zeitalter des Tourismus über alle Welt verbreitet
Hannsjürgen Trojan
BRIEFE AN DIE
REDAKTION:
Programmierte Fortbildung
— spannender als
„Der Kommissar"
DIAGNOSTIK IN KÜRZE:
Isolierte Ösophagotrachealfisteln
Behebung der
Harninkontinenz
TECHNIK IN DER
MEDIZIN:
Photometer mit Analogund Digitalanzeige
Fahrradergometer
NOTIZEN:
Wo bleibt die Grippe
im Sommer?
Laborautomaten
für Histologie
und Zytologie
Antibabypillen —
keine Gefahr für Kinder
Das Trachom, eine durch große atypische Viren (Clamydozoen)
hervorgerufene Keratokonjunktivitis, stellte die Haupterblindungsursache der Weltbevölkerung dar. Durch Klima- und Umweltfaktoren
bedingt, trifft man es vornehmlich in tropischen und subtropischen
Gegenden an. Im Zeitalter des Massentourismus ist auch bei Urlaubern mit dem Auftreten der Krankheit zu rechnen. Die Erkrankung
wird in sechs Stadien unterteilt. Die Behandlung erfolgt mit lokaler
Anwendung von Tetrazyklinen, die auch als Prophylaktikum in gefährdeten Gebieten genommen werden können.
0 Definition
Unter Trachom (Granulose, Körnerkrankheit, ägyptische Augenkrankheit) versteht man eine chronische, beidseitige, ansteckende
und spezifische Keratokonjunktivitis. Charakteristisch sind Follikelhyperplasie der Conjunctiva tarsi Hornhautvaskularisation sowie
schließlich narbige Schrumpfung
der Lider. Der Erreger gehört in
die Gruppe der Psittakose- und der
Lymphogranuloma-venereum-Viren.
Historisches
Das Trachom wurde schon vor
5000 Jahren am unteren Euphrat
bekämpft und in den Salbenstempeln der römischen Legionsärzte
gab es schon ein „Acineton contra
aspretudinem", ein „Mittel gegen
die Rauhigkeit". Im Grab des Tutenchamun wurden Epilationspinzetten gefunden, die den heute gebräuchlichen recht ähnlich sind.
Während des Mittelalters kam die
Erkrankung auch nach Europa.
Teilnehmer an den Kreuzzügen
hatten sie mitgebracht. In Paris
wurden „quinze ä vingt" erblindete
Kreuzfahrer hospitalisiert. Das bekannte Krankenhaus Quinze-Vingt
legt heute noch Zeugnis dieser Begebenheit ab.
Auch englische Soldaten kehrten
mit einem Trachom in die Heimat
zurück, nachdem sie im Nildelta
gegen Napoleon gekämpft hatten.
0 Der Erreger
Das Virus gehört, wie die Erreger
des Lymphogranuloma venereum
und der Psittakose, in die Gruppe
der großen atypischen Viren (Clamydozoen). Sie erscheinen als kleine Elementarkörper und als große basophile Initialkörper, die die
zytoplasmatischen HalberstädterProwazek-Einschlußkörperchen bilden (1907).
DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 40 vom 2. Oktober 1975
2741
Zur Fortbildung
Aktuelle Medizin
Trachom
Die Isolierung und Züchtung des
Virus ist erst neuerdings möglich
geworden. Seine Virulenz blieb auch
nach der achten Passage über
den Embryonalsack eines Hühnereies erhalten, anschließend konnte menschliche Bindehaut infiziert
werden.
Halberstädter-Prowazek-EinDie
schlußkörperchen sind nicht unbedingt für Trachom beweisend. Man
findet sie auch bei der Einschlußblennorrhöe Neugeborener sowie
bei der akuten Schwimmbad-Konjunktivitis. In der Fachliteratur wird
meist von Tric-Viren gesprochen
(Trachoma Inklusionsconjunktivitis).
Im Gegensatz zu der allgemeinen
Annahme ist das Trachom normalerweise nicht hochinfektiös. Es
droht erst dann Gefahr, wenn ver-
schiedene Umweltfaktoren, Überbevölkerung, Schmutz oder Fliegen
hinzukommen.
Auf keinen Fall darf die Diagnose
Trachom automatisch mit dem Gedanken an Erblindung verbunden
werden. Auch bei meiner mehrjährigen Tätigkeit als Augenarzt in
Togo hat sich bestätigt, daß vidle
Fälle von Trachom auch ohne Behandlung langsam mit geringgradiger Narbenbildung und einer oft
nur unwesentlichen Visusherabsetzung abheilen.
0 Geographische Verteilung
Gefunden wird das Trachom praktisch in allen Ländern der Erde. Es
gibt wohl heute keine Gegend
mehr, in der keine frischen Trachomfälle diagnostiziert werden.
Selbst in Grönland ist kürzlich ein
frischer Fall beschrieben worden!
Die These, es handele sich ausschließlich um eine tropische Erkrankung, ist also nicht gültig. Fest
steht allerdings, daß in heißen Ländern eine ungleich höhere Zahl an
Erkrankungen vorkommt.
Abbildung 1: Ektropioniertes Oberlid mit typischen Trachomfollikeln. Die
tarsale Bindehaut ist sulzig verdickt
Abbildung 2: Beginnender Pannus in der oberen Hälfte der Hornhaut
2742 Heft 40 vom 2. Oktober 1975
DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
Die Verbreitung des Leidens ist
heute noch vor allem in China, Indien, den südlichen Mittelmeerländern und auch auf dem afrikanischen Kontinent erschreckend
groß. In der weiten Skala der Erblindungsursachen rangiert die
Krankheit nach wie vor an erster
Stelle. Nach Schätzung der Weltgesundheitsorganisation sind 100 bis
400 Millionen Menschen an der
Seuche erkrankt. Der Erblindungsfaktor dürfte bei drei Prozent liegen, das hieße, daß zwischen drei
und zwölf Millionen Trachomblinde
auf der Erde existieren!
Relativ häufig findet man das Trachom auch in Osteuropa, auf dem
Balkan, in Süditalien, Südfrankreich und in Spanien. Dadurch wird
verständlich, warum durch den immer mehr anwachsenden Reiseverkehr auch immer mehr Urlauber infiziert in nördliche Gegenden zurückkehren können. Sicherlich
wurde und wird diese Krankheit oft
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Aktuelle Medizin
Abbildung 3 (links): Durch Schwellung der Lider entsteht eine Ptosis
Abbildung 4 (rechts): Weiter fortgeschrittene Pannusbildung
nicht sofort erkannt. Dies ist möglich, weil es wohl nur wenige Ärzte
gibt, die schon frische Trachomfälle gesehen haben. Das wiederum
kann dazu geführt haben, daß in
amtlichen Blättern des Bundesgesundheitsministeriums in den letzten drei Jahren insgesamt nur 24
Fälle von Trachom im Bundesgebiet gemeldet worden sind. (1972
= 9 Fälle, 1973 = 11 Fälle, 1974
= 4 Fälle!).
0 Infektionsmodus
Um eine gesunde Person zu infizieren, muß infektiöses Material von
der Bindehaut eines Kranken in die
Bindehaut eines Gesunden gebracht werden. Der kürzeste Weg
ist also krankes Auge — gesundes
Auge.
Da dieser direkte Kontakt wohl nur
sehr selten vorkommt, muß ein
Kontaktmedium als Überträger dienen. Am häufigsten ist fraglos die
Infektion innerhalb der Familie. In
manchen Regionen gilt das Trachom als Familienkrankheit. Gemeinsam benutzte Handtücher und
Waschschüsseln sind ein idealer
Überträger für die Clamydozoen.
Gefährdend wirkt weiter das Zusammenleben vieler Familien auf
engstem Raum, etwa bei Naturkatastrophen: mehrere Personen
schlafen in einem Bett, es mangelt
an Waschgelegenheiten.
In den Ländern mit allgemeiner
Schulpflicht bilden sich automatisch Kollektive heraus, innerhalb
deren sich die Kinder untereinander infizieren. Ein krankes Mitglied
eines Internates oder einer Kaserne genügt, um seine gesamte Umgebung zu gefährden.
Kosmetische Produkte sind ebenfalls zur Verbreitung des Trachoms
geeignet, vor allem natürlich Präparate, die direkt mit dem Auge in
Berührung kommen. Ungeklärt ist
noch immer die Frage, ob Fliegen
das Trachom übertragen können.
In Marokko konnte man feststellen,
daß das Trachom nach Ausrottung
der Stubenfliege in umschriebenen
Gebieten deutlich seltener war.
Weiterhin weiß man, daß bakterielle Konjunktivitiden die Anfälligkeit
für ein Trachom wesentlich erhöhen, wohl im Sinne einer lokalen
Resistenzverminderung. Es ist
auch sicher, daß schlechte hygienische Bedingungen einer schnellen
Ausbreitung des Trachoms wesentlichen Vorschub leisten.
Gelegentliche Kontakte, so scheint
es, reichen nicht aus, einen Menschen mit dem Trachom zu infizieren. Man kann daraus schließen,
daß zur Manifestation eines Trachoms mehrere Infektionen notwendig sind.
und Klassifizierung
des Trachoms
Als weitere Infektionsquelle dienen die Finger, wenn sich der
Kranke vorher mit ihnen die Augen
gewischt hat. Beim „Shakehands"
werden also die Viren regelrecht
„weitergereicht".
Das Lebensalter spielt für die Manifestation des Trachoms keine
Rolle. Die Krankheit beginnt meist
wenig dramatisch als scheinbar
banale, katarrhalische, doppelseitige Konjunktivitis. Im Laufe der Zeit
O Symptomatik
DEUTSCHES ARZTEBLATT Heft 40 vom 2. Oktober 1975 2743
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Trachom
(Wochen) entwickeln sich dann die
typischen Körner zuerst an den
oberen Übergangsfalten der Bindehaut, später auch auf der Conjunctiva tarsi. Diese ein bis drei Millimeter großen, sulzig-trüben, grauroten, zu Erweichung und zum
Platzen neigenden Follikel kann
man in einer bestimmten Entwicklungsphase ausdrücken, eine früher
angewandte therapeutische Möglichkeit. Außerdem kommt es zu einer mehr oder weniger ausgeprägten, diffusen, papillären Hyperplasie der Subkonjunktiva oberhalb
der Lidknorpel und in den Übergangsfalten.
Gleichzeitig entsteht der Hornhautpannus: von oben her schiebt sich
ein trachomatöses, gefäßführendes Granulationsgewebe zwischen
Epithel und Bowmansche Membran der Kornea. Die Narben an
der Innenseite der Lider gehen
mit einer Einwärtskrümmung der
Oberlidkante mit reibenden Zilien
einher. Dieser progressive Vernarbungsvorgang begünstigt eine Superinfektion mit eventueller Ulzeration, was in den Tropen meist mit
dem Verlust des betreffenden Auges gleichzusetzen ist.
Mit der Zeit kommt der Prozeß —
auch unbehandelt — nach meist
mehreren Rezidiven und Remissionen zur Ruhe. Ausgedehnte Narben, die die Funktion in hohem
Maße beeinträchtigen, bleiben zurück. Ptosis, Bindehautschrumpfung, Entropium, Trichiasis und
Hornhautleukome sind die Folgen.
Eine Beteiligung der Schleimhaut
der abführenden Tränenwege
kommt gelegentlich ebenfalls vor.
0 Einteilung
Die klassische Einteilung nach
McCallan, die vier Stufen umfaßt,
wurde von der Weltgesundheitsorganisation um zwei Stufen erweitert. Die auch allgemein angewandte Klassifizierung umfaßt sechs
Stufen (Stadien):
Tr. d. = Trachoma dubium
Pr. Tr. = Pro Trachoma oder
präfollikuläres Trachom
K
0 Tr. I = Trachoma Stadium I
® Tr. II = Trachoma Stadium II
• Tr. III = Trachoma Stadium III
O Tr. IV = Trachoma Stadium IV
geschlossen ist (Abbildung 1).
Subjektiv empfindet der Patient die
typischen Zeichen einer akuten
Konjunktivitis mit Schmerzen,
Lichtscheu und Tränenfluß.
•
Die Trachomfollikel sind im allgemeinen größer und opaleszenter
als die kleinen Lymphfollikel, die
man auch bei „gesunden" Kindern
in den Augenwinkeln finden kann.
Sie messen 0,2 bis 0,7 Millimeter im
Durchmesser und liegen auch der
Conjunctiva tarsi auf. In typischen
Fällen sind sie von Gefäßen umgeben, und zwar so, daß sie direkt in
der Bifurkation dieser kleinen Neovaskularisation gelegen sind.
Trachoma dubium
Dieser Begriff ist nicht geschaffen
worden, um auszudrücken, daß
man im Zweifel ist über die Natur
einer zunächst noch harmlos erscheinenden Konjunktivitis. Dafür
gibt es die Bezeichnung: n. d. =
non däterminö.
Das Stadium Tr. d. tritt sieben bis
zehn Tage nach der Inokulation auf
und ist wie folgt charakterisiert:
Klinisch finden sich die Zeichen einer konjunktivalen Hyperämie —
Reaktion der Konjunktiva auf die
eingedrungenen Viren. Follikel sind
noch nicht sichtbar oder erst atypisch ausgebildet. Es finden sich
weder Veränderungen der Kornea,
noch lassen sich die Einschlußkörperchen nach Halberstädter und
Prowazek nachweisen.
Die Bezeichnung Trachoma dubium ist für die Arbeit außerhalb
eines Krankenhauses geschaffen
worden, wo der untersuchende
Arzt lediglich den Eindruck hat, es
handelte sich um ein Trachom.
C Trachoma praefollicularis
oder Pro Trachoma — Pr. Tr.
Hierbei handelt es sich um das
schon weiter fortgeschrittene
Krankheitsbild. Jetzt lassen sich
Einschlußkörperchen nachweisen,
jedoch, auch wie in den späteren
Stadien, nur in 30 Prozent der Fälle. Klinisch finden sich die ersten
Zeichen einer konjunktivalen Reaktion auf das eingedrungene Trachomvirus. Follikelbildungen bahnen sich an, korneale Veränderungen sind nicht nachweisbar.
® Trachoma Stadium I = Tr. I
Klinisch besteht eine Follikulitis
der oberen Conjunctiva tarsi, wobei auch der mittlere Anteil mit ein-
2744 Heft 40 vom 2. Oktober 1975 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
Diese Gefäßanomalien gestatten
eine differentialdiagnostische Abgrenzung gegen andere „harmlose" Bindehautentzündungen. Weiterhin findet man hier auch eine
Schwellung der präaurikulären
Lymphknoten, was beim Trachom
nie der Fall ist.
® Trachoma Stadium II = Tr. II
Das Stadium ist durch Ausreifung
der Follikel und eine beginnende
Bildung des Hornhautpannus gekennzeichnet. Langsam beginnt er
sich über den Oberteil der Hornhaut auszubreiten (Abbildung 2).
Dieser korneale Pannus ist eines
der charakteristischen Zeichen des
Trachoms. Hierbei handelt es sich
um eine Narbenbildung zwischen
Epithel und der Bowmanschen
Membran. Die Gefäße zeigen eine
typische, besenreiserartige Aufteilung, die sie wiederum gegen die
B-Avitaminosen abgrenzen.
Es muß betont werden, daß der
Pannus ein charakteristisches
Frühzeichen des Trachoms darstellt und nicht, wie früher angenommen, eine Komplikation desselben.
Die papilläre Hyperplasie ist auf
dem Höhepunkt angelangt, was zu
einer Schwellung der Lider führt.
Daraus resultiert eine Ptosis, die
dem Kranken einen charakteristischen, verschlafenen Blick gibt
(Abbildung 3).
Zur Fortbildung
Aktuelle Medizin
Trachom
®
Trachoma Stadium 111 = Tr. 111
Hierbei steht die Narbenbildung im
Bereich der Oberlider im Vordergrund . Die Follikel sind nekrotisch,
und das fehlende Gewebe wird
durch Fibroblasten, also Narbengewebe, ersetzt. Durch die Einwärtsdrehung der Lider können die ersten Zeichen einer Trichiasis auf-
treten. Der korneale Pannus hat
seinen Höhepunkt erreicht (Abbildung 4) . Das Trachom ist nur noch
bedingt infektiös.
®
Trachoms Stadium IV = Tr. IV
Jetzt sind alle Follikel und Infiltrate
endgültig durch Narbengewebe er-
Abb ildu ng 5: Entropiu m mit Tri chiasis beiderseits. Die einwärts gedrehten Zili en scheuern auf der Hornhaut
setzt. Diese Narben können, obwohl sie nicht mehr ansteckend
sind, bei mechanischer Eröffnung
Ausgangspunkt einer Reinfektion
sein . Deshalb sollten auch in Spätstadien vorgenommene plastische
Operationen
unter
Tetrazyklinschutz durchgeführt werden. Diese
Narben sind für die eigentliche
Schwere der Krankheit verantwortlich. An erster Stelle rangiert
das durch narbige Verkürzung der
Lider hervorgerufene Entropium
{Abbildung 5). Die Zilien werden
nach innen gekehrt und reiben auf
der ohnehin schon vorgeschädigten Hornhaut. Obgleich die Sensibilität dieser Hornhaut geringgradig herabgesetzt ist, wird das Reiben der Zilien als sehr schmerzhaft
empfunden. Diese bedingt einen
Blepharospasmus, der wiederum
eine Verstärkung des Entropiums
bewirkt. Außerdem verursachen
scheuernde Zilien auf der schon
vorgeschädigten Hornhaut mechanische Läsionen, was zu Ulzerationen führen kann (Abbildung 6) . Die
Folgen sind erneute Superinfektionen , oft genug mit Perforation und
Verlust des Auges.
Verständlicherweise ist die Erkrankung im Einzelfall nicht immer
exakt einem bestimmten Stadium
zuzuordnen. Die einzelnen Stadien
können stufenlos ineinander übergehen. Auch der erfahrene Tropenarzt wird immer wieder vor der
Frage stehen , in welchem Stadium
sich der Kranke wirklich befindet.
Dies ist aber nicht so wichtig . Wesentlich erscheint, daß das Trachom
überhaupt erkannt wird.
Im folgenden seien nochmals die
typischen Symptome aufgez?hlt:
..,.. Hyperplastische Follikel, die,
wenn sie reif sind, auf Druck platzen .
..,.. Vorherrschen der Follikel im
Bereich der Konjunktiva des Oberlides .
..,.. Typischer trachomatöser Pannus, der sich von oben kommend
über und in die Hornhaut schiebt.
Abb ildung 6: Durch scheuernde Zilien schwer geschädigte Hornhaut
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Heft 40 vom 2. Oktober 1975 DEUTSCHES ARZTEBLATI'
..,.. Fehlen jeglicher Adenopathie.
Zur Fortbildung
Aktuelle Medizin
Trachom
• Vernarbung im III. und IV. Stadium.
Neben diesen klinischen Aspekten
trägt die mikroskopische Untersuchung eines Bindehautabstriches
zur Sicherung der Diagnose bei.
Einschlußkörperchen sind jedoch
nur in 30 Prozent der Fälle nachweisbar!
Auch auf dem Sektor der Serodiagnostik werden intensive Anstrengungen unternommen. Die Ergebnisse lassen jedoch noch keine
routinemäßige Anwendung dieser
Untersuchungsmethode zu. Eine
aktive und passive Immunisierung
ist bisher noch nicht möglich.
0 Die Therapie des Trachoms
Aus dem Gesagten geht die überragende Bedeutung prophylaktischer Maßnahmen, vor allem einer
Verbesserung der Hygiene, hervor.
Auf diesen sehr wichtigen Aspekt
sei hier jedoch nicht näher eingegangen.
Die Prognose hat sich durch die
Einführung der Sulfonamide und
der Antibiotika wesentlich verbessert. Die Behandlung der Trachompatienten sollte auf zwei Punkte
zielen:
0 Verbesserung des Allgemeinzustandes des Patienten, um die körperliche Abwehr zu stärken.
C) Frühzeitige Therapie.
Das therapeutische Vorgehen vor
der Antibiotika-Ära ist heute verlassen. Dabei handelte es sich um
mechanische Methoden, wie Ausquetschender Follikel, oder um die
lokale Applikation zum Beispiel
von Silbernitrat, Quecksilbersalben
und Phenol.
Die Antibiotika werden lokal in den
Bindehautsack gegeben. Hier haben sich Tetrazykline am besten
bewährt. Man muß aber wissen,
daß sich diese Behandlung über
Monate hinziehen kann. Zusätzlich
können oral Sulfonamide zugeführt
werden. Auch diese kombinierte
Behandlung erstreckt sich über
mehrere Monate, ehe man sicher
sein kann, daß das Trachom endgültig abgeheilt ist. Durchschnittlich erfolgt im Laufe von drei bis
fünf Monaten bei 80 bis 90 Prozent
aller Kranken eine vollständige
Heilung. Schließlich müssen noch
die vielfältigen chirurgischen Eingriffe Erwähnung finden, die bei
der Trichiasis unumgänglich sind.
Selbst eine Keratoplastik kommt
bei dichten Hornhautnarben in Betracht.
Für Reisende in besonders gefährdete Gebiete empfiehlt es sich, zur
Prophylaxe zweimal wöchentlich
einige Tropfen eines Tetrazyklinpräparates in den unteren Bindehautsack einzuträufeln. Weiterhin
ist auf strenge persönliche Hygiene zu achten. So sollten zum Beispiel unnötiges Händeschütteln
vermieden werden, denn leicht gelangen so die Erreger durch unwillkürliches Reiben der Augen in den
Bindehautsack. Bei Übernachtungen in einfachen Herbergen sollte
möglichst in eigener Bettwäsche
geschlafen werden, noch wichtiger
sind die eigenen Handtücher zum
Abtrocknen des Gesichts!
Anschrift des Verfassers:
Dr. med. Hannsjürgen Trojan
355 Marburg/Lahn
Barfüssertor 25
Berichtigung
Röntgenstrahlen —
Ihr Entstehen
und ihre Eigenschaften
In der Vorankündigung des Artikels
„Röntgenstrahlen" von Karlheinz
Manegold, Heft 33/1975, Seite IV, ist
versehentlich an Stelle des Wortes
„energiearm" das Wort „energieschwach" verwendet worden. Wir
bitten .diesen Fehler zu entschuldigen. Es bestand keineswegs die
Absicht, eine neue Art von Strahlen
zu kreieren. DÄ
IN KÜRZE
Diagnostik
Isolierte
Ösophagotrachealfisteln
lassen sich von allen angeborenen
Mißbildungen der Speiseröhre am
schwierigsten nachweisen. Am
ehesten gelegt in die Diagnosestellung mit der strahlensparenden
Mittelformattechnik mit Serienaufnahmen. Dazu müssen eine 70oder 100-Millimeter-Kamera und
ein Bandspeichergerät zur Verfügung stehen. Das Kind muß bei der
Untersuchung exakt seitlich gelagert werden, damit eine genaue
Unterscheidung zwischen Luft- und
Speiseröhre möglich wird. Nachdem die kontrastgebende Substanz
geschluckt oder mittels Sonde
appliziert wurde, muß das Gebiet
vom Kehlkopf bis zur Bifurkation
beobachtet werden. Übertreten des
Kontrastmittels vom Ösophagus in
die Trachea und Anfärbung des
Fistelgangs beweisen eine isolierte
Ösophagotrachealfistel. cb
(Bützler, H.-O., et al.: Röntgen-BI.
28 [1975] 1-17)
Zur Behebung der Harninkontinenz
werden auch Prothesen implantiert, die einen Druck von außen im
Bereich des Bulbus urethrae, distal
vom Diaphragma urogenitale, auf
die Harnröhre ausüben. Das Implantat besteht aus einem silikongefüllten Kunststoffball. Der Detrusordruck öffnet die Harnröhre
so weit, daß ein Harnstrahl zustande kommt. Bei sieben Patienten mit
Harninkontinenz nach transurethraler Resektion der Prostata, radikaler Prostatektomie oder Meningozelenoperation wurde der Eingriff
teilweise erfolgreich durchgeführt.
Das Ergebnis war direkt nach der
Operation bei drei Patienten sehr
gut, zweimal gut und zweimal
schlecht. Sehr gute Resultate erzielte die Implantation der Prothese Größe „large". Im Fall der beiden schlechten Befunde wurden
Prothesen der Größe „medium"
verwendet. Diese wiesen nach Füllen des Kunststoffballs mit SilikonFlüssigkeit ein Leck auf. he
(Riedel, B., Brosig, W., Kelämi, A.:
Urologe A 14 [1975], S. 121-126)
DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 40 vom 2. Oktober 1975 2747
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