Fakultät für Physik der LMU München Lehrstuhl für Kosmologie, Prof. Dr. V. Mukhanov Übungen zu Klassischer Mechanik (T1) im SoSe 2011 Blatt 4. Stoß und Streuung - Lösungsvorschlag Aufgabe 4.1. Stoß Zwei Kugeln der gleichen Masse m mit den Geschwindigkeiten v und −5v stoßen elastisch aneinander. Der Ablenkwinkel in Schwerpunktsystem sei θ. Was ist der Winkel α im Laborsystem (siehe Abbildung)? v α −5v θ θ Abbildung 1: Zwei Kugeln gleicher Masse stoßen aneinander. Links: Im Laborsystem, die Anfangsgeschwindigkeiten sind gegeben. Rechts: Im Schwerpunktsystem, der Ablenkungswinkel θ ist gegeben. Lösung. Zunächst berechnen wir die Geschwindigkeit des Schwerpunktsystems: u = −2v. Die Geschwindigkeiten der Kugeln im Schwerpunktsystem sind also 3v und −3v. Dann berechnen wir die Komponenten der Endgeschwindigkeiten (nach dem Stoß). Wenn die x-Achse ! ! −3v 3v . Die und parallel zu v ist, dann sind im Schwerpunktsystem die Anfangsgeschwindigkeiten 0 0 Endgeschwindigkeiten sind auch entgegengesetzt (Impulserhaltung bei gleichen Massen!), also ! ! ! ! 3v 0 3v cos θ −3v cos θ cos θ + sin θ = und . 0 3v 3v sin θ −3v sin θ ! −2v Transformieren wir jetzt diese Geschwindigkeiten ins Laborsystem: wir addieren u = zu diesen 0 beiden Vektoren. Also ! ! 3 cos θ − 2 −3 cos θ − 2 v1 = v, v2 = v. 3 sin θ −3 sin θ Berechnen wir nun den Winkel zwischen den Vektoren v1 und v2 . Der Cosinus des Winkels ist cos α = (3 cos θ − 2) (−3 cos θ − 2) + 3 sin θ (−3 sin θ) v1 · v2 = q q |v1 | |v2 | (3 cos θ − 2)2 + 9 sin2 θ (3 cos θ + 2)2 + 9 sin2 θ 5 4 − 9 cos2 θ − 9 sin2 θ 5 =−p . = √ =−√ √ 13 − 12 cos θ 13 + 12 cos θ 169 − 144 cos2 θ 25 + 144 sin2 θ Der Cosinus ist immer negativ, also der Winkel ist immer > 90◦ . Aufgabe 4.2. Streuung an Zylinder Ein homogener Strahl punktförmiger Teilchen wird an einem ideal reflektierenden Zylinder (Durchmesser d, Länge h) gestreut. Die Einfallsrichtung der Teilchenstrahlen sei senkrecht zur Zylinderachse. Die Lage des Zylinders sei im Raum fixiert. Berechnen Sie den differentiellen Wirkungsquerschnitt dσ/dθ und den totalen Wirkungsquerschnitt σtot . Geben Sie eine anschauliche Erklärung für den Wert von σtot . Lösung. Teilchen, die mit Stoßparameter ρ anfallen, bekommen den Streuwinkel θ = π − 2 arcsin ρ , d/2 θ (ρ = d/2 cos ) 2 (1) wenn sie innerhalb der Länge h anstoßen. Sonst werden die Teilchen nicht gestreut. Ein Teilchen wird innerhalb eines Richtungsinterval [θ, θ + dθ] nur dann gestreut, wenn es einen von zwei Streifen mit Länge h und Breite dρ trifft. Es folgt, daß der Querschnitt für das Richtungsinterval [θ, θ + dθ] ist θ dσ = 2h|dρ| = hd/2 sin dθ. 2 Der totale Querschnitt ist somit σtot = π Z 0 dσ dθ = hd. dθ Dieser ist gleich der Fläche des Querschnittes des Zylinders. (2) (3) Aufgabe 4.3. Meteore Nehmen wir an, dass viele gleichartige Meteore mit der ungefähr gleichen Geschwindigkeit V weit von der Erde stetig einen Strahl bilden, der sich in der Richtung Erde bewegt. Die Dichte des Strahles sei n (Meteore pro Volumen), der Erdradius ist R und die Erdmasse ist M. Finden Sie die Anzahl der Meteore, die auf die Erdoberfläche binnen der Zeit τ fallen. Lösung. Die Aufgabe ist im Wesentlichen die Aufgabe 6 aus Landau&Lifshitz Paragraph 18. Die Bedingung für den Fall auf die Erde ist rmin < RErde wobei rmin der minimale Abstand der Meteorenbahn von dem Erdzentrum ist. Wir müssen also rmin als Funktion des Stoßparameters b ausdrücken, um den maximalen Wert von b zu bestimmen. Dann wird der totale Querschnitt gleich πb2max sein. Die Anzahl der fallenden Meteore wird dann πb2max nVτ sein. 2 Meteore Erde Abbildung 2: Meteore auf dem Weg zur Erde. Bei gegebenem Stoßparameter b und Anfangsgeschwindigkeit V weit von der Erde, können wir die Bewegungskonstanten E (Energie) und L (Drehimpuls) berechnen: E= mV 2 , 2 L = mVb. Den minimale Abstand rmin von der Erde können wir daraus bestimmen, dass mv21 GMm − = E; 2 rmin mv1 rmin = L, wobei v1 die (unbekannte) Geschwindigkeit bei r = rmin ist. Dieses Gleichungssystem ergibt v1 = L ; mrmin GMm mL2 − = E. 2 2 rmin 2m rmin Wir müssen diese quadratische Gleichung nicht nach rmin auflösen, da wir in unserm Fall Lmax (bmax ) = Lmax (rmin ) suchen. Wir müssen nur rmin = RErde einzusetzen, um den unbekannten Wert von Lmax und somit bmax zu bestimmen: s q 2GM . Lmax = mVbmax = 2mR2Erde E + 2GMm2 RErde = mVRErde 1 + RErde V 2 Deshalb s bmax = RErde 2GM 1+ ; RErde V 2 N= πb2max nVτ = πnVτR2Erde ! 2GM 1+ . RErde V 2 Man kann verschiedene Limites betrachten. Für M → 0 (keine Schwerkraft) ist bmax = RErde , da es wie ein elastischer Stoß von Kugeln ist. Für V → 0 ist bmax = ∞, da alle Meteore von der Erde angezogen werden. Im Fall V → ∞ ist bmax = RErde da die Meteore so schnell fliegen, dass die Schwerkraft keine Auswirkungen hat. Aufgabe 4.4. Streuung an Kugel Betrachten Sie die elastische Streuung von kugelförmigen Teilchen mit dem Radius R an einer stationären Kugel mit dem Radius R0 . Berechnen Sie den differentiellen Streuungsquerschnitt dσ/dθ und den totalen 3 Querschnitt σtot . Vergleichen Sie diese Querschnitte mit dem Fall R R0 (siehe Aufgabe 4.3.). Was passiert mit σtot in dem anderen Limes R R0 ? Lösung. Zunächst müssen wir bestimmen, bei welchem Stoßparameter eine anstoßende Kugel am Winkel θ gestreut wird. Da der Stoß elastisch ist und da die Kugel mit dem Radius R0 stationär ist, reicht es, den Berührungspunkt zu bestimmen. θ b α R R0 Abbildung 3: Kugelstreuung. Wenn b gegeben ist, können wir die Winkel α und θ bestimmen (Abbildung 3). Aus der Geometrie haben wir (R0 + R) sin α = b und θ = π − 2α. Also b = (R0 + R) sin θ π−θ = (R0 + R) cos . 2 2 Den differentielle Streuungsquerschnitt berechnen wir nach der Standardformel, θ θ dσ = −πd b2 = π (R0 + R)2 sin cos dθ. 2 2 Der totale Querschnitt ist σtot = π Z 0 dσ dθ = π (R0 + R)2 . dθ Dies ist genau so, als ob Punktteilchen auf eine Kugel des Radiuses R0 +R gestreut würden. Wenn R R0 dann ist σtot ≈ πR2 . Also ist die Größe der Kugel R0 vernachlässigbar. Aufgabe 4.5. Variationsprinzip Ein Teilchen der Masse m gleite aus der Ruhe reibungslos in der x-z-Ebene im homogenen Schwerefeld (F = −mgez ) entlang einer Kurve z(x) vom Punkt P1 = (0, 0) bis P2 = (x2 , z2 ) (z2 ≤ 0). a) Zeigen Sie, dass sich die Zeit T [z(x)], die das Teilchen für den Weg von P1 nach P2 benötigt, als das folgende Funktional der Kurve z(x) Z x2 T [z(x)] = G(z(x), z0 (x), x) dx (4) 0 mit G(z, z0 , x) = q 1+(z0 )2 −2gz darstellen lässt. 4 b) Finden Sie die Euler-Lagrange-Gleichung für die Kurve z(x), die dem schnellsten Weg enspricht. c) Da G = G(z, z0 ) nicht explizit von x abhängt, kann das Problem auf eine Differentialgleichung erster Ordnung reduziert werden. Machen Sie dies analog zur Energieerhaltung im Lagrangeformalismus. Zeigen Sie, dass die Lösung dieser Gleichung der Parameterdarstellung einer Zykloide x = R(ξ − sin ξ), z = −R(1 − cos ξ) (5) genügt. Lösung. Das Problem der Bahn mit der kürzesten Laufzeit ist auch als Brachistochrone Problem bekannt. (a) Betrachte ein infinitesimales Element der Kurve ds zwischen x und x + dx ds = p p (dx)2 + (dz(x))2 = 1 + (z0 (x))2 dx , dt = ds v Mithilfe des Energieerhaltungsatzes 1 1 mgz + mv2 = const = mgz(0) + mv2 (0) = 0 2 2 läßt sich die Geschwindigkeit v berechnen: v= p −2gz (z ≤ 0) Die Zeit T [z(x)] erhält man als folgendes Funktional der Kurve z(x) Z T Zx2 s Zx2 1 + (z0 (x))2 T [z(x)] = dt = dx = G(z(x), z0 (x))dx −2gz(x) 0 x1 (6) x1 s G(z, z0 ) = 1 + (z0 )2 −2gz (7) (b) Der schnellste Weg entspricht der Bedingung δT = 0. Betrachte die Analogie mit der extremalen Wirkung (Vorlesung): Z t2 d ∂L ∂L I= L(q, q̇, t)dt , δI = 0 ⇒ = dt ∂q̇ ∂q t1 Die Euler-Lagrange-Gleichung für eine Brachistochrone lautet d ∂G ∂G (7) = ⇒ dx ∂z0 ∂z (6) δT = 0 ⇒ d z0 1p 1 1 + z02 p = p dx (1 + z02 )(−2gz) 2 2g(−z)3 5 (8) (c) Da G = G(z, z0 ) nicht explizit von x abhängt, gilt d ∂G 0 ∂G 00 G(z, z0 ) = z + 0z dx ∂z ∂z (9) ! ∂G d ∂G d (8)(9) ∂G ∂G ∂G ∂G d 0 ∂G − G = z00 0 + z0 − ( z0 + 0 z00 ) = 0 z 0 − G = z00 0 + z0 0 dx ∂z ∂z dx ∂z dx ∂z ∂z ∂z ∂z (10) Aus Gleichung (10) folgt, dass z0 ∂G ∂z0 − G eine Konstante ist. In unserem Fall reduziert sich das Problem auf die folgende Differentialgleichung s 0) 02 0 )2 ∂G(z, z 1 1 + (z z = − z0 − G(z) = p p 0 ∂z −z 2g (1 + z02 )(−z) −1 1 = const = p p 2g (1 + z02 )(−z) ⇒ −z(1 + z02 ) = const1 (11) Im Falle x = R(ξ − sin ξ), z = R(cos ξ − 1) gilt z0 = dz/dξ sin ξ =− , dx/dξ 1 − cos ξ −z(1 + z02 ) = R(1 − cos ξ)(1 + sin2 ξ ) = 2R = const1 (1 − cos ξ)2 Damit ist die ‘ eine Lösung der Gleichung (11). Bemerkung: Eine verschobene Zykloide x = R(ξ − sin ξ) + A, z = R(cos ξ − 1) ist auch die Lösung der Gleichung (12). Die Parametern der Zykloide findet man durch Anpassung zu vorgegebenen Punkten der Strecke P1 und P2 . z x 6