WS 2008/09 Diskrete Strukturen Prof. Dr. J. Esparza Lehrstuhl für Grundlagen der Softwarezuverlässigkeit und theoretische Informatik Fakultät für Informatik Technische Universität München http://www7.in.tum.de/um/courses/ds/ws0809 Kapitel II - Grundlagen • Mathematische und notationelle Grundlagen – – – – – Mengen Relationen und Abbildungen Aussagen- und Prädikatenlogik Beweismethoden Wachstum von Funktionen 2 Vorlesung Diskrete Strukturen WS 08/09 Prof. Dr. J. Esparza – Institut für Informatik, TU München Kapitel II – Grundlagen; Logik • Logik ist die Wissenschaft des Schließens. Sie untersucht welche Inferenzen korrekt sind. • Unter Inferenz verstehen wir (informell) eine Aussage der Form: wenn A wahr ist, dann ist auch B wahr. – Umgangssprachlich sagen wir auch: Wenn A gilt, dann gilt B Wenn A dann B A impliziert B • A ist die Annahme (Prämisse, Antezedens, Hypothese) und B die Konklusion (Konsequenz). 3 Vorlesung Diskrete Strukturen WS 08/09 Prof. Dr. J. Esparza – Institut für Informatik, TU München Kapitel II – Grundlagen; Logik • Eine korrekte Inferenz Wenn alle Menschen sterblich sind und Sokrates ein Mensch ist, dann ist Sokrates sterblich. A = alle Menschen sind sterblich und Sokrates ist ein Mensch B = Sokrates ist sterblich • Eine korrekte Inferenz „wenn A dann B“ bedeutet nicht, dass B wahr ist. Wenn die Inferenz korrekt ist und A wahr ist, dann ist B wahr, mehr wissen wir nicht. – „Wenn bestochene Ministerpräsidenten ins Gefängnis müssen und Herr Beckstein bestochen wurde, dann muss er ins Gefängnis“ ist eine korrekte Inferenz. Vorlesung Diskrete Strukturen WS 08/09 Prof. Dr. J. Esparza – Institut für Informatik, TU München Kapitel II – Grundlagen; Logik • Beispiele von inkorrekten Inferenzen: – Wenn einige Männer klug sind und alle Fussballer Männer sind, dann sind alle Fussballer klug. – Wenn einige vererbte Variationen dem Gesetz der Selektion unterliegen und alle menschlichen Unterschiede vererbte Variationen sind, dann unterliegen alle menschlichen Unterschiede dem Gesetz der Selektion. Vorlesung Diskrete Strukturen WS 08/09 Prof. Dr. J. Esparza – Institut für Informatik, TU München Kapitel II – Grundlagen; Logik • Korrekt oder inkorrekt? – Wenn es heute bewölkt ist, und wir nur dann schwimmen gehen, wenn es sonnig ist, und wir immer dann rudern, wenn wir nicht schwimmen, und wir immer früh nach Hause kommen wenn wir rudern, dann werden wir heute früh nach Hause kommen. Vorlesung Diskrete Strukturen WS 08/09 Prof. Dr. J. Esparza – Institut für Informatik, TU München Kapitel II – Grundlagen; Logik • Noch zwei korrekte Inferenzen Wenn alle Guldräber untreßig und alle Untreßigen filzig sind dann sind alle Guldräber filzig. – Diese Inferenz erkennen wir als korrekt, auch wenn wir nicht wissen, was „ Guldräber“, „untreßig“, oder „filzig“ bedeutet. – Die Inferenz ist eine Instanz von: Wenn (alle X sind Y) und (alle Y sind Z) dann (alle X sind Z) Vorlesung Diskrete Strukturen WS 08/09 Prof. Dr. J. Esparza – Institut für Informatik, TU München Kapitel II – Grundlagen; Logik • Noch zwei korrekte Inferenzen Wenn Anna ein Enkelkind hat dann ist Anna eine Mutter – Die Inferenz kann nur als korrekt erkannt werden, wenn man Wissen über die Bedeutung von „Mutter“ und „Enkelkind“ hat. Vorlesung Diskrete Strukturen WS 08/09 Prof. Dr. J. Esparza – Institut für Informatik, TU München Kapitel II – Grundlagen; Logik • Logische Inferenzen (informell) – Eine logische Inferenz ist eine Inferenz mit „Variablen“ (Platzhalter für Aussagen oder Objekte). Achtung: diese Terminologie ist nicht Standard! – Eine logische Inferenz ist korrekt, wenn alle ihre Instanzen korrekt sind. Logiker sagen: die Inferenz ist (allgemein)gültig oder eine Tautologie. • „Wenn (alle X sind Y) und (alle Y sind Z) dann (alle X sind Z)“ ist gültig. • „Wenn (alle X sind Y) dann (alle Y sind X)“ ist nicht gültig. • „Wenn A und B und (wenn A dann C) dann B und C“ ist gültig. Vorlesung Diskrete Strukturen WS 08/09 Prof. Dr. J. Esparza – Institut für Informatik, TU München Kapitel II – Grundlagen; Logik • Die Logik untersucht die gültigen Inferenzen – Wie kann man sie (automatisch) erkennen? – Welche sind die nützlichsten? • Die Logik stellt die Basis der mathematischen Beweise. • Praktische Anwendungen der Logik finden sich in zahlreichen Gebieten der Informatik, z.B. Datenbanken, Programmverifikation, Korrektheitsbeweise, Systemsicherheit, künstliche Intelligenz und vielen mehr. 10 Vorlesung Diskrete Strukturen WS 08/09 Prof. Dr. J. Esparza – Institut für Informatik, TU München Kapitel II – Grundlagen; Logik • Es gibt zahlreiche Logiken – Aussagenlogik, Prädikatenlogik, Temporalogik, deontische Logik … • Verschiedene Logiken studieren die gültigen Inferenzen in verschiedenen Sprachfragmenten: – Aussagenlogik: „und“, „oder“, „nicht“, „wenn … dann„ • „Wenn X und Y dann Y“ (Platzhalter für Aussagen) – Syllogistische Logik: „alle“, „einige“, „keine“ • „Wenn alle A sind B und kein B ist ein C dann ist kein A ein C“ (Platzhalter für Objekte) – Temporallogik: Aussagenlogik + „heute“, „morgen“, „irgendwann“, „nie“ • „Wenn heute A gilt, dann war gestern wahr, dass morgen A gelten wird“. 11 Vorlesung Diskrete Strukturen WS 08/09 Prof. Dr. J. Esparza – Institut für Informatik, TU München Kapitel II – Grundlagen; Logik • Aussagenlogik (propositional logic) – Aussagen werden aus einer vorgegebene Menge von atomaren Aussagen (Platzhalter für Aussagen) mit Hilfe der Operatoren (Konnektoren, Junktoren) „und“, „oder“, „nicht“ und „wenn … dann“ gebaut. – Atomare Aussagen sind wahr oder falsch, nie wahr und falsch, keines von beiden oder etwas “dazwischen”. – Die Grundlagen der Aussagenlogik wurden von George Boole („The Laws of Thought“ 1854) entwickelt. Man spricht deswegen auch von der Booleschen Logik. 12 Vorlesung Diskrete Strukturen WS 08/09 Prof. Dr. J. Esparza – Institut für Informatik, TU München Kapitel II – Grundlagen; Logik George Boole (1815-1864) 13 Vorlesung Diskrete Strukturen WS 08/09 Prof. Dr. J. Esparza – Institut für Informatik, TU München Kapitel II – Grundlagen; Logik • Aussagenlogik formal – Die Aussagenlogik (wie jede Logik) bildet eine formale Sprache. – Eine formale Sprache wird definiert durch ihre Syntax und ihre Semantik. • Die Syntax der Sprache legt durch Regeln fest, welche Zeichenketten wohlgeformte Ausdrücke sind. Die wohlgeformten Ausdrücke einer Logik heißen Formeln. • Die Semantik legt die Bedeutung der Ausdrücke fest. Eine formale Semantik ordnet jeden Ausdruck einem mathematischen Objekt zu, welchem als Bedeutung des Ausdrucks interpretiert wird. 14 Vorlesung Diskrete Strukturen WS 08/09 Prof. Dr. J. Esparza – Institut für Informatik, TU München Kapitel II – Grundlagen; Logik • Formale Syntax. – Eine formale Syntax besteht aus einem Vokabular und einer Menge von Formationsregeln. – Das Vokabular legt fest, welche Zeichen in Ausdrücken vorkommen dürfen – Die Formationsregeln legen fest, welche Zeichenketten über dem Vokabular zulässig oder ‘wohlgeformt’ sind und welche nicht. 15 Vorlesung Diskrete Strukturen WS 08/09 Prof. Dr. J. Esparza – Institut für Informatik, TU München Kapitel II – Grundlagen; Logik • Syntax der Aussagenlogik: Vokabular – Das Vokabular setzt sich aus folgenden Zeichenklassen zusammen: • • • • Wahrheitskonstanten: true, false Aussagenvariablen: p, q, r, s, t … Logische Operatoren: , , , Hilfssymbolen: (, ) 16 Vorlesung Diskrete Strukturen WS 08/09 Prof. Dr. J. Esparza – Institut für Informatik, TU München Kapitel II – Grundlagen; Logik • Syntax der Aussagenlogik: Formationsregeln – – – – 17 Regel 0: true und false sind Formeln. Regel 1: eine Aussagenvariable ist eine Formel. Regel 2: ist F eine Formel, dann ist auch G eine Formel. Regel 3: sind F und G Formeln, dann sind a. (F G) b. (F G) c. (F G) ebenfalls Formeln. – Regel 4: Ein Ausdruck ist nur dann eine Formel, wenn er durch Anwendung der obenstehenden Regeln konstruiert werden kann. Vorlesung Diskrete Strukturen WS 08/09 Prof. Dr. J. Esparza – Institut für Informatik, TU München Kapitel II – Grundlagen; Logik • Syntax der Aussagenlogik: Formationsregeln – Es lassen sich also durch Anwendung von logischen Operatoren (Konnektoren) auf Formeln neue Formeln bilden. – Ein Operator kombiniert einen oder mehrere Operanden zu einem komplexeren Ausdruck. – Monadische/unäre Operatoren haben ein Argument (z.B. : F), dyadische/binäre Operatoren haben zwei Argumente (z.B. F Ç G). 18 Vorlesung Diskrete Strukturen WS 08/09 Prof. Dr. J. Esparza – Institut für Informatik, TU München Kapitel II – Grundlagen; Logik • Formeln sind: ((p q) r) ((p (false q)) (( p q) (q r) p)) • Keine Formeln sind: (q r] p (p q) ) ( q (q p)) 19 Vorlesung Diskrete Strukturen WS 08/09 Prof. Dr. J. Esparza – Institut für Informatik, TU München Kapitel II – Grundlagen; Logik • Ableitungsbeispiel (1)p Regel 1 (2)q Regel 1 (3) q Regel 2, (2) Regel 3a, (1), (2) (4)(p q) (5) (p q) Regel 2, (4) (6)(q q) Regel 3b, (2), (3) Regel 3c, (5), (6) (7)( (p q) (q q)) 20 Vorlesung Diskrete Strukturen WS 08/09 Prof. Dr. J. Esparza – Institut für Informatik, TU München Kapitel II – Grundlagen; Logik • Syntaxbaum für den Ausdruck ( (p q) q p q 21 Vorlesung Diskrete Strukturen WS 08/09 Prof. Dr. J. Esparza – Institut für Informatik, TU München q (q q)) Kapitel II – Grundlagen; Logik • Bindungsregeln zur Vereinfachung von Klammerausdrücken – – – bindet stärker als bindet stärker als bindet stärker als • Beispiele: – p q steht für ( p q), nicht für (p q) – p q r steht für ((p q) r), nicht für (p – p q r s steht für ((p q) (r s)) • In den Folien: – Weder p q r s noch ((p sondern (p q) (r s) q) 22 Vorlesung Diskrete Strukturen WS 08/09 Prof. Dr. J. Esparza – Institut für Informatik, TU München (r s)), q r )) Kapitel II – Grundlagen; Logik • Semantik der Aussagenlogik. – Was ist die „Bedeutung“ einer Formel? • Die Formel F = p q kann in vier „Welten“ ausgewertet werden – Welt 1: p und q sind beide wahr. F ist falsch. – Welt 2: p ist wahr, q ist falsch. F ist falsch. – Welt 3: p ist falsch, q ist wahr. F ist wahr – Welt 4: p ist falsch, q ist falsch. F ist falsch. – Die Bedeutung einer Formel ist die Funktion, die jede mögliche „Welt“ dem Wahrheitswert der Formel in dieser Welt zuordnet: 1 (die Formel ist wahr), oder 0 (die Formel ist falsch). Man nennt {1, 0} die Booleschen Werte. 23 Vorlesung Diskrete Strukturen WS 08/09 Prof. Dr. J. Esparza – Institut für Informatik, TU München Kapitel II – Grundlagen; Logik • Formale Semantik der Aussagenlogik. – Eine Belegung („eine Welt“) ist eine Funktion von einer Menge von Aussagevariablen in die Menge {0,1} der Wahrheitswerte. – Eine Belegung ¯ : V ! {0,1} passt zu einer Formel F, wenn alle Variablen, die in F vorkommen, zu V gehören. – Beispiel: die Funktionen • p ↦ 0, q ↦ 1 • p ↦ 1, q ↦ 1, r ↦ 1 sind passende Belegungen der Formel 24 Vorlesung Diskrete Strukturen WS 08/09 Prof. Dr. J. Esparza – Institut für Informatik, TU München p q. Kapitel II – Grundlagen; Logik • Formale Semantik der Aussagenlogik. – Die Semantik einer Formel F ist eine Funktion [F], die jede Belegung ¯ , die zu F passt, („jede Welt“) einem Wahrheitswert [F](¯) zuordnet. – Die Funktion [F] ist folgendermaßen definiert in Abhängigkeit von F: (1) Semantik der Formeln true und false: F = true. Für alle Belegungen ¯ gilt: [true](¯)=1 F = false. Für alle Belegungen ¯ gilt: [false](¯)=0 25 Vorlesung Diskrete Strukturen WS 08/09 Prof. Dr. J. Esparza – Institut für Informatik, TU München Kapitel II – Grundlagen; Logik • Formale Semantik der Aussagenlogik. (2) Semantik der Negation (NICHT) und der Konjunktion (UND): F = : G für eine Formel G. Für jede Belegung ¯, die zu F passt: ½ 1 falls [G](¯) = 0 [F ](¯) = 0 falls [G](¯) = 1 F = (G Æ H) für Formeln G und H. Für jede Belegung ¯ , die zu F passt: ½ 1 falls [G](¯) = 1 und [H](¯) = 1 [F ](¯) = 0 falls [G](¯) = 0 oder [H](¯) = 0 26 Vorlesung Diskrete Strukturen WS 08/09 Prof. Dr. J. Esparza – Institut für Informatik, TU München Kapitel II – Grundlagen; Logik • Formale Semantik der Aussagenlogik. Die Semantik kann mit Hilfe einer Wahrheitstabelle visualisiert werden Die Tabelle gibt den Wahrheitswert der Formel für jede Kombination von Wahrheitswerten der Operanden an. G ¬G 1 0 0 1 G H G 0 0 1 1 0 1 0 1 H 0 0 0 1 27 Vorlesung Diskrete Strukturen WS 08/09 Prof. Dr. J. Esparza – Institut für Informatik, TU München Kapitel II – Grundlagen; Logik • Formale Semantik der Aussagenlogik. (3) Semantik der Disjunktion (ODER): F = (G Ç H) für Formeln G und H. Für jede Belegung ¯ , die zu F passt, gilt: [F ](¯) = ½ 1 0 falls [G](¯) = 1 oder [H](¯) = 1 falls [G](¯) = 0 und [H](¯) = 0 28 Vorlesung Diskrete Strukturen WS 08/09 Prof. Dr. J. Esparza – Institut für Informatik, TU München Kapitel II – Grundlagen; Logik • Formale Semantik der Aussagenlogik. Wahrheitstabelle: G H GVH 0 0 1 1 0 1 0 1 0 1 1 1 In der Logik ist “G oder H” wahr, wenn G wahr ist, oder H wahr ist, oder beide wahr sind. Der ODER-Operator wird auch als NichtausschließendesOder bezeichnet, da er die Möglichkeit beinhaltet, dass G und H wahr sind. 29 Vorlesung Diskrete Strukturen WS 08/09 Prof. Dr. J. Esparza – Institut für Informatik, TU München Kapitel II – Grundlagen; Logik • Formale Semantik der Aussagenlogik. (4) Semantik der Implikation (WENN…DANN): F = (G ) H) für Formeln G und H. Für jede Belegung ¯, die zu F passt : ½ 1 falls [G](¯) = 0 oder [H](¯) = 1 [F ](¯) = 0 falls [G](¯) = 1 und [H](¯) = 0 30 Vorlesung Diskrete Strukturen WS 08/09 Prof. Dr. J. Esparza – Institut für Informatik, TU München Kapitel II – Grundlagen; Logik • Formale Semantik der Aussagenlogik. Wahrheitstabelle: F G F 0 0 1 1 0 1 0 1 G 1 1 0 1 Semantik in Worten: F G ist falsch genau dann wenn F wahr ist und G falsch ist. Andernfalls ist F G wahr. In der Implikation F G ist F die Hypothese und G die Konklusion. 31 Vorlesung Diskrete Strukturen WS 08/09 Prof. Dr. J. Esparza – Institut für Informatik, TU München Kapitel II – Grundlagen; Logik • Formale Semantik der Aussagenlogik. Die formale Semantik der Implikation ist unterschiedlich von dem Gebrauch von „wenn … dann“ in der Alltagssprache. p ) q sagt nicht, dass p eine Ursache für q ist Pinguine schwimmen ) Pferde wiehern ist wahr in unserer Welt. p ) q sagt nichts darüber, ob p wahr oder falsch ist Frau Merkel wurde bestochen ) Frau Merkel gehört hinter Gitter ist wahr in unserer Welt. Wenn in einer Welt p falsch ist, dann ist in dieser Welt p ) q wahr, unabhängig davon, was q sagt !! Pinguine fliegen ) Pferde sprechen ist wahr in unserer Welt. 32 Vorlesung Diskrete Strukturen WS 08/09 Prof. Dr. J. Esparza – Institut für Informatik, TU München Kapitel II – Grundlagen; Logik • Formale Semantik der Aussagenlogik. p ) q sagt nichts darüber, ob : p ) : q wahr ist In der Alltagssprache: aus „Wenn du brav bist, dann bekommst Du ein Bonbon“ folgt implizit „Wenn Du nicht brav bist, dann bekommst Du kein Bonbon“ In der Logik: Die Formel Du bist brav ) Du bekommst ein Bonbon sagt nichts darüber, was passiert, wenn Du nicht brav bist. Vielleicht bekommst Du auch ein Bonbon! 33 Vorlesung Diskrete Strukturen WS 08/09 Prof. Dr. J. Esparza – Institut für Informatik, TU München Kapitel II – Grundlagen; Logik • Weitere Operatoren: Ausschließendes-Oder – Der binäre Operator “ ” (XOR) entspricht dem sprachlichen Konstrukt “entweder … oder”– er schließt die Möglichkeit aus, dass beide Operanden wahr sind. – Wahrheitstabelle: G H G H 0 0 1 1 0 1 0 1 0 1 1 0 34 Vorlesung Diskrete Strukturen WS 08/09 Prof. Dr. J. Esparza – Institut für Informatik, TU München Kapitel II – Grundlagen; Logik • Weitere Operatoren: Bikonditional – Der binäre Operator “,” entspricht dem sprachlichen Konstrukt “genau dann, wenn ”. – Wahrheitstabelle: G H G,H 0 0 1 1 0 1 0 1 1 0 0 1 35 Vorlesung Diskrete Strukturen WS 08/09 Prof. Dr. J. Esparza – Institut für Informatik, TU München Kapitel II – Grundlagen; Logik • Aufgabe: Sind diese Aussagen wahr oder falsch in unserer Welt? – Diese Vorlesung wird niemals enden ) die Sonne wird morgen aufgehen – Dienstag ist ein Tag der Woche ) Bush ist ein Pinguin. – 1+1=6 ) Merkel ist Kanzlerin – Der Mond ist aus grünem Käse ) Frankreich hat einen König 36 Vorlesung Diskrete Strukturen WS 08/09 Prof. Dr. J. Esparza – Institut für Informatik, TU München Kapitel II – Grundlagen; Logik • Wahrheitstabellen – Sei F eine Formel, und sei VF die Menge der Variablen, die in F vorkommen. – Eine Belegung, die zu F passt, ist minimal für F wenn VF = V – Sei ¯ eine Belegung, die zu F passt, und sei ¯F die Projektion von ¯ auf VF. Dann ist ¯F ist eine minimale Belegung und es gilt: [F](¯)=[F](¯F). – Das heisst: die Funktion [F] wird von den minimalen Belegungen VF ! {0,1} eindeutig bestimmt. – Die Wahrheitstabelle von F enthält als Zeilen die minimalen Belegungen von F und die entsprechenden Werte von [F]. 37 Vorlesung Diskrete Strukturen WS 08/09 Prof. Dr. J. Esparza – Institut für Informatik, TU München Kapitel II – Grundlagen; Logik • Wahrheitstabellen. – Beispiel: Sei F = ((p Ç : q)) r) , : r p q r F 0 0 0 0 1 1 1 1 0 0 1 0 0 0 0 0 0 0 1 1 0 0 1 1 0 1 0 1 0 1 0 1 38 Vorlesung Diskrete Strukturen WS 08/09 Prof. Dr. J. Esparza – Institut für Informatik, TU München Kapitel II – Grundlagen; Logik • Wahrheitstabellen. – Wieviele zeilen hat die Wahrheitstabelle einer Formel F, in der n Variablen vorkommen? 39 Vorlesung Diskrete Strukturen WS 08/09 Prof. Dr. J. Esparza – Institut für Informatik, TU München Kapitel II – Grundlagen; Logik • Berechnung der Wahrheitstabelle einer Formel. p q r 0 0 0 0 1 1 1 1 0 0 1 1 0 0 1 1 ((p Ç : q) ) r) , : r 0 1 0 1 0 1 0 1 40 Vorlesung Diskrete Strukturen WS 08/09 Prof. Dr. J. Esparza – Institut für Informatik, TU München Kapitel II – Grundlagen; Logik • Berechnung der Wahrheitstabelle einer Formel. p q r 0 0 0 0 1 1 1 1 0 0 1 1 0 0 1 1 0 1 0 1 0 1 0 1 ((p Ç : q) ) r) , : r 0 0 0 0 1 1 1 1 0 0 1 1 0 0 1 1 0 1 0 1 0 1 0 1 41 Vorlesung Diskrete Strukturen WS 08/09 Prof. Dr. J. Esparza – Institut für Informatik, TU München 0 1 0 1 0 1 0 1 Kapitel II – Grundlagen; Logik • Berechnung der Wahrheitstabelle einer Formel. p q r 0 0 0 0 1 1 1 1 0 0 1 1 0 0 1 1 0 1 0 1 0 1 0 1 ((p Ç : q) ) r) , : r 0 0 0 0 1 1 1 1 1 1 0 0 1 1 0 0 0 0 1 1 0 0 1 1 0 1 0 1 0 1 0 1 42 Vorlesung Diskrete Strukturen WS 08/09 Prof. Dr. J. Esparza – Institut für Informatik, TU München 1 0 1 0 1 0 1 0 0 1 0 1 0 1 0 1 Kapitel II – Grundlagen; Logik • Berechnung der Wahrheitstabelle einer Formel. p q r 0 0 0 0 1 1 1 1 0 0 1 1 0 0 1 1 0 1 0 1 0 1 0 1 ((p Ç : q) ) r) , : r 0 0 0 0 1 1 1 1 1 1 0 0 1 1 1 1 1 1 0 0 1 1 0 0 0 0 1 1 0 0 1 1 0 1 0 1 0 1 0 1 43 Vorlesung Diskrete Strukturen WS 08/09 Prof. Dr. J. Esparza – Institut für Informatik, TU München 1 0 1 0 1 0 1 0 0 1 0 1 0 1 0 1 Kapitel II – Grundlagen; Logik • Berechnung der Wahrheitstabelle einer Formel. p q r 0 0 0 0 1 1 1 1 0 0 1 1 0 0 1 1 0 1 0 1 0 1 0 1 ((p Ç : q) ) r) , : r 0 0 0 0 1 1 1 1 1 1 0 0 1 1 1 1 1 1 0 0 1 1 0 0 0 0 1 1 0 0 1 1 0 1 1 1 0 1 0 1 0 1 0 1 0 1 0 1 44 Vorlesung Diskrete Strukturen WS 08/09 Prof. Dr. J. Esparza – Institut für Informatik, TU München 1 0 1 0 1 0 1 0 0 1 0 1 0 1 0 1 Kapitel II – Grundlagen; Logik • Berechnung der Wahrheitstabelle einer Formel. p q r 0 0 0 0 1 1 1 1 0 0 1 1 0 0 1 1 0 1 0 1 0 1 0 1 ((p Ç : q) ) r) , : r 0 0 0 0 1 1 1 1 1 1 0 0 1 1 1 1 1 1 0 0 1 1 0 0 0 0 1 1 0 0 1 1 0 1 1 1 0 1 0 1 0 1 0 1 0 1 0 1 0 0 1 0 0 0 0 0 45 Vorlesung Diskrete Strukturen WS 08/09 Prof. Dr. J. Esparza – Institut für Informatik, TU München 1 0 1 0 1 0 1 0 0 1 0 1 0 1 0 1 Kapitel II – Grundlagen; Logik • (Allgemein)gültigkeit, Tautologie. – Eine Formel F ist (allgemein)gültig wenn für jede Belegung ¯, die zu F passt, gilt: [F](¯)=1. – Intuitiv: eine Formel ist gültig wenn sie überall (“in allen Welten”) wahr ist. Achtung! “Eine Formel ist gültig” ist nicht dasselbe wie “Eine Formel ist wahr”. – Wir sagen auch: F ist eine Tautologie. – Eine Formel F ist gültig genau dann, wenn für jede minimale Belegung ¯, die zu F passt, gilt: [F](¯)=1. – Tautologietest: berechne die Wahrheitstabelle und prüfe, ob die Spalte für F ausschließlich Einsen enthält. 46 Vorlesung Diskrete Strukturen WS 08/09 Prof. Dr. J. Esparza – Institut für Informatik, TU München Kapitel II – Grundlagen; Logik • Allgemeingültigkeit, Tautologie. – Beispiele von Tautologien: pÇ:p (p Æ q) ) p p ) (p Ç q) p ) (q ) p) (p ) (q ) r)) ) ((p ) q) ) (p ) r)) 47 Vorlesung Diskrete Strukturen WS 08/09 Prof. Dr. J. Esparza – Institut für Informatik, TU München Kapitel II – Grundlagen; Logik • Widerspruch. – Eine Formel F ist ein Widerspruch wenn für jede Belegung ¯, die zu F passt, gilt: [F](¯)=0. – Intuitiv: eine Formel ist ein Widerspruch wenn sie überall (“in allen Welten”) falsch ist. – Eine Formel F ist ein Widerspruch genau dann, wenn für jede minimale Belegung ¯, die zu F passt, gilt: [F](¯)=0. – Widerspruchstest: berechne die Wahrheitstabelle und prüfe, ob die Spalte für F ausschliesschlich Nullen enthält. 48 Vorlesung Diskrete Strukturen WS 08/09 Prof. Dr. J. Esparza – Institut für Informatik, TU München Kapitel II – Grundlagen; Logik • Erfüllbarkeit. – Eine Formel F ist erfüllbar wenn es eine Belegung ¯ gibt, die zu F passt, und [F](¯)=1 erfüllt. – Intuitiv: eine Formel ist erfüllbar wenn sie in mindestens einer Welt wahr ist. – Erfüllbarkeitstest: berechne die Wahrheitstabelle und prüfe, ob die Spalte für F mindestens eine 1 enthält. – Das Erfüllbarkeitsproblem (satisfiability problem, SAT) ist eines der am meisten untersuchten Problemen der ganzen Informatik: 49 • Gegeben: eine aussagenlogische Formel F • Entscheiden: ob F erfüllbar ist. Vorlesung Diskrete Strukturen WS 08/09 Prof. Dr. J. Esparza – Institut für Informatik, TU München Kapitel II – Grundlagen; Logik • Aufgabe. Gültig Erfüllbar Widerspruch p pÇq pÇ:p pÆ:p p):p p)q p ) (q ) p) p )(p) q) p,:p 50 Vorlesung Diskrete Strukturen WS 08/09 Prof. Dr. J. Esparza – Institut für Informatik, TU München Kapitel II – Grundlagen; Logik • Aufgabe: Stimmt es oder nicht? J/N Wenn F gültig, dann F erfüllbar Wenn F erfüllbar, dann : F unerfüllbar Wenn F gültig, dann : F unerfüllbar Wenn F unerfüllbar, dann : F gültig 51 Vorlesung Diskrete Strukturen WS 08/09 Prof. Dr. J. Esparza – Institut für Informatik, TU München Gegenbeispiel Kapitel II – Grundlagen; Logik • Logische Äquivalenz 52 – Zwei Formeln F und G sind logisch äquivalent (symbolisch: F ´ G) genau dann, wenn für jede Belegung ¯, die zu F und zu G passt, gilt: [F](¯) = [G](¯) Intuitiv: wenn F und G äquivalent sind, dann sind sie zwei verschiedene Schreibweisen der selben Aussage. – Sei V die Menge der Variablen, die in F oder G vorkommen. F und G sind äquivalent genau dann, wenn für jede Belegung ¯: V ! {0,1} gilt: [F](¯) = [G](¯). – Aquivalenztest: Konstruiere die Wahrheitstabelle von F,G und prüfe, ob die Spalte für F,G ausschliesschlich Einsen enthält. Vorlesung Diskrete Strukturen WS 08/09 Prof. Dr. J. Esparza – Institut für Informatik, TU München Kapitel II – Grundlagen; Logik • Aufgabe: stimmt es oder nicht? F G p Æ (p Ç q) p : (p Ç q) p Æ (q Ç r) :pÇ:q (p Æ q) Ç r p Æ (q Ç r) (p Æ q) Ç (p Æ r) 53 Vorlesung Diskrete Strukturen WS 08/09 Prof. Dr. J. Esparza – Institut für Informatik, TU München F´G Kapitel II – Grundlagen; Logik • Logischen Inferenzen: Formalisierung. 54 – Eine logische Inferenz ist eine Formel der Gestalt F ) G. Dabei ist F die Annahme und G die Konklusion. Eine logische Inferenz ist korrekt wenn sie gültig ist. – Notation: F ² G (in Worten: G folgt aus F) bezeichnet, dass F ) G gültig ist. Achtung! “G folgt aus F” ist nicht dasselbe wie “F impliziert G” – Fast immer ist die Annahme F eine Konjunktion F1 Æ … Æ Fn . Man spricht dann von den Annahmen F1, …, Fn Statt F1 Æ … Æ Fn ² F schreibt man platzsparend F1 , …, Fn² F. – Folgerungstest: berechne die Wahrheitstabelle und prüfe, ob die Spalte für F ) G ausschließlich Einsen enthält. Vorlesung Diskrete Strukturen WS 08/09 Prof. Dr. J. Esparza – Institut für Informatik, TU München Kapitel II – Grundlagen; Logik • Aufgabe: stimmt es oder nicht? A p p p, q p, q pÆq pÇq p, p ) q F pÇq A²F pÆq pÇq pÆq p p q 55 Vorlesung Diskrete Strukturen WS 08/09 Prof. Dr. J. Esparza – Institut für Informatik, TU München Kapitel II – Grundlagen; Logik • Beziehungen – F ist gültig (eine Tautologie), genau dann, wenn • : F ist ein Widerspruch. • F ´ true • true ² F – F ist ein Widerspruch, genau dann, wenn • : F ist gültig. • F ´ false • F ² false – F ist erfüllbar genau dann, wenn • : F ist nicht gültig – F ´ G gilt, genau dann, wenn • F , G ist eine Tautologie 56 Vorlesung Diskrete Strukturen WS 08/09 Prof. Dr. J. Esparza – Institut für Informatik, TU München Kapitel II – Grundlagen; Logik • Aufgabe: Wahr oder falsch? – Eine Formel F ist eine Tautologie, genau dann, wenn : F ein Widerspruch ist. – Eine Formel F ist keine Tautologie, genau dann, wenn : F erfüllbar ist. – Wenn F ein Widerspruch ist, dann ist F ) G eine Tautologie. – F ist ein Widerspruch genau dann, wenn F ´ false. – F ist ein Widerspruch genau dann, wenn F ) false 57 Vorlesung Diskrete Strukturen WS 08/09 Prof. Dr. J. Esparza – Institut für Informatik, TU München Kapitel II - Grundlagen • Eigenschaften der Äquivalenz – Die Relation ´ ist reflexiv, symmetrisch und transitiv. Damit ist ´ eine Äquivalenzelation (wie zu erwarten war). – Diese Transitivität erlaubt es, die Äquivalenz zweier Formel F und G nachzuweisen , in dem man eine Kette von Äquivalenzen F ´ F1 ´ F 2 ´ ´ Fn ´ G angibt. – Das ist eine alternative Methode zur Wahrheitstabelle. 58 Vorlesung Diskrete Strukturen WS 08/09 Prof. Dr. J. Esparza – Institut für Informatik, TU München Kapitel II - Grundlagen • Eigenschaften der Äquivalenz – Die Relation ´ ist eine Kongruenz. Das heißt: wenn in einer Formel F eine Teilformel durch eine äquivalente Formel ersetzt wird, dann ist die resultierende Formel äquivalent zu F. – Die Kongruenz-Eigenschaft erlaubt es, eine Äquivalenz Fi ´ Fi+1 zu finden, in dem man einen kleinen Teil von Fi durch eine äquivalente Formel ersetzt. 59 Vorlesung Diskrete Strukturen WS 08/09 Prof. Dr. J. Esparza – Institut für Informatik, TU München Kapitel II - Grundlagen • Vergleich mit arithmetischen Ausdrücken: – Syntax: • 0,1,2, … sind arithmetische Ausdrücke • Wenn A und B arithmetische Ausdrücke sind, dann sind (A+B) und (A£ B) auch arithmetische Ausdrücke – Semantik eines Ausdrucks: eine natürliche Zahl – Relation „=„ : zwei Ausdrücke sind äquivalent, wenn ihre Semantik dieselbe Zahl ist. • 3 + 4 =2 + 5 3 + (5 £ 4) = 17 + 6 60 Vorlesung Diskrete Strukturen WS 08/09 Prof. Dr. J. Esparza – Institut für Informatik, TU München Kapitel II - Grundlagen • Vergleich mit arithmetischen Ausdrücken: – Die Relation „=„ ist eine Äquivalenzrelation und eine Kongruenz. – Beweis, dass (9 + 7) £ (3 + (4 £ 2)) = 176: (9 +7) £ (3 + (4 £ 2)) = (9 + 7) £ (3 + 8) = 16 £ (3 + 8) = 16 £ 11 = 176 61 Vorlesung Diskrete Strukturen WS 08/09 Prof. Dr. J. Esparza – Institut für Informatik, TU München Kapitel II – Grundlagen; Logik • Äquivalenzregeln – Um Äquivalenzketten zu konstruieren können wir Äquivalenzregeln verwenden: Äquivalenzschemen, die instanziert werden können, um äquivalente Formeln zu gewinnen. – Regeln enthalten Formelvariablen (Platzhalter für Formeln). – Beispiel: Die Regel (F Ç G) Æ H (F Æ H)Ç (G Æ H) sagt “Für alle Formeln F, G, H gilt: die Formel (FÇ G)Æ H und die Formel (FÆ H)Ç (GÆ H) sind äquivalent” – Vergleiche mit der arith. Regel: (x + y) £ z = (x £ z) + (y £ z) – Eine Regel kann mit verschiedenen Formeln instanziert werden: • (p Ç q) Æ r (p Æ r) Ç (q Æ r) • ((p) q) Ç q) Æ : p ´ ((p) q) Æ : p) Ç (q Æ : p) 62 Vorlesung Diskrete Strukturen WS 08/09 Prof. Dr. J. Esparza – Institut für Informatik, TU München Kapitel II – Grundlagen; Logik • Äquivalenzregeln – Wie zeigt man, dass eine Regel korrekt ist? Jede Instanz kann mit einer Wahrheitstabelle geprüft werden, aber es gibt unendlich viele Instanzen! – Die folgende Eigenschaft (ohne Beweis) gibt die Lösung: Eine Regel ist korrekt genau dann, wenn sie korrekt ist für die Instanz, in der die Formelvariablen F, G, H, … jeweils durch die Variablen p,q,r, … ersetzt werden. – D.h.: Um die Korrektheit einer Regel nachzuweisen reicht es zu zeigen, dass sie für diese eine Instanz gilt. Das kann mit einer Wahrheitstabelle gemacht werden. 63 Vorlesung Diskrete Strukturen WS 08/09 Prof. Dr. J. Esparza – Institut für Informatik, TU München Kapitel II – Grundlagen; Logik • Äquivalenzregeln für , , – – – – – – Identität: F true F F false Dominanz: F true true F false Idempotenz: F F F F F F Doppelte Negation: F F Kommutativität: F G G F F G G Assoziativität: (F G) H F (G H) (F G) H F (G H) – Distributivität: F (G H) (F G) (F H) F (G H) (F G) (F H) – De Morgan’s: (F G) F G (F G) F G – Triviale Tautologie/Kontradiktion: F F true F F 64 Vorlesung Diskrete Strukturen WS 08/09 Prof. Dr. J. Esparza – Institut für Informatik, TU München F false F Augustus De Morgan (1806-1871) false Kapitel II – Grundlagen; Logik • Äquivalenzregeln für andere Operatoren – Mit Hilfe von Äquivalenzregeln lassen sich logische Operatoren durch andere Operatoren ausdrücken. – Exklusives-Oder: F F G (F G) G (F G) – Implikation: F F G G – Bikonditional: F F 65 Beachte: die Konnektoren ¬, ∧, ∨, F F (F G) (G F) G G G (F G) (G G (F G) sind nicht unabhängig! Vorlesung Diskrete Strukturen WS 08/09 Prof. Dr. J. Esparza – Institut für Informatik, TU München F) Kapitel II – Grundlagen; Logik • Beweis von Äquivalenzen mit Äquivalenzregeln – Zeige (p (p ( p ( p q)) q)) ´ p q p ( p p ( p p (p ( p p) ( false ( p ( p q) p q 66 Vorlesung Diskrete Strukturen WS 08/09 Prof. Dr. J. Esparza – Institut für Informatik, TU München q) q) q) p q) q) false Kapitel II – Grundlagen; Logik • Beweis von Äquivalenzen mit Äquivalenzregeln – Zeige, dass p q p q p. q p q q q p q p p 67 Vorlesung Diskrete Strukturen WS 08/09 Prof. Dr. J. Esparza – Institut für Informatik, TU München Kapitel II – Grundlagen; Logik • Beweis von Äquivalenzen mit Äquivalenzregeln – Beobachtung: Eine Formel F ist eine Tautologie gdw. F ´ true – Zeige, dass ((p ∨ q) ∧ ( p ∨ r) ∧ (s ∨ s)) (q ∨ r) eine Tautologie ist. ((p ∨ q) ∧ ( p ∨ r) ∧ (s ∨ s)) (q ∨ r) ((p ∨ q) ∧ ( p ∨ r) ∧ true) (q ∨ r) ((p ∨ q) ∧ ( p ∨ r)) (q ∨ r) ((p ∨ q) ∧ ( p ∨ r)) ∨ (q ∨ r) ( (p ∨ q) ∨ ( p ∨ r)) ∨ (q ∨ r) 68 Vorlesung Diskrete Strukturen WS 08/09 Prof. Dr. J. Esparza – Institut für Informatik, TU München Kapitel II – Grundlagen; Logik • Beweis von Äquivalenzen mit Äquivalenzregeln (p ∨ q) ∨ ( p ∨ r)) ∨ (q ∨ r) p ∧ q) ∨ (p ∧ r) ∨ q ∨ r p ∧ q) ∨ q ∨ (p ∧ r) ∨ r p ∨ q) ∧ ( q ∨ q)) ∨ ((p ∨ r) ∧ ( r ∨ r)) p ∨ q) ∧ true) ∨ ((p ∨ r) ∧ true) p ∨ q ∨ p ∨ r (Beachte: Klammern weggelassen) p∨p∨q∨r true ∨ q ∨ r true ( ( ( (( (( 69 Vorlesung Diskrete Strukturen WS 08/09 Prof. Dr. J. Esparza – Institut für Informatik, TU München Kapitel II – Grundlagen; Logik • Beweis von nicht-Äquivalenzen – Um zu zeigen, dass F und G nicht äquivalent sind reicht es, eine Belegung anzugeben, die zu F und G passt, und F wahr macht und G falsch (oder umgekehrt). – Eine solche Belegung kann systematisch mit einer Wahrheitstabelle gesucht werden, aber nicht mit Äquivalenzregeln. – In der Praxis oft besser: • Finde mit Hilfe von Regeln “einfachere” Formeln F’ und G’ mit F ´ F’ und G ´ G’. • Finde eine Belegung, die zeigt, dass F’ und G’ nicht äquivalent sind. 70 Vorlesung Diskrete Strukturen WS 08/09 Prof. Dr. J. Esparza – Institut für Informatik, TU München Kapitel II – Grundlagen; Logik • Beweis von nicht-Äquivalenzen – Zeige: ((p q) äquivalent. 1. ((p q) 2. (p (q 3. ((p q) ((p q) ( p q r) und (p (q r)) sind nicht- r) ´ ( ( p q) r) ´ ((p q) r) r)) ´ ( p q r) r) und ( p q r) sind nicht äquivalent: r) falsch für p 0, q 1, r 0 r) wahr für p 0, q 1, r 0 71 Vorlesung Diskrete Strukturen WS 08/09 Prof. Dr. J. Esparza – Institut für Informatik, TU München Kapitel II – Grundlagen; Logik • Vergleich: Wahrheitstabelle vs. Äquivalenzregeln – Vorteile der Wahrheitstabellen: • Automatische und einfache Methode. • Terminiert garantiert mit der richtigen Antwort – Nachteile der Wahrheitstabellen: • Die Wahrheitstabelle einer Formel mit n Variablen enthält 2n Zeilen. Die Methode ist daher völlig ungeignet für großes n. • Die Wahrheitstabelle jeder Formel mit n Variablen enthält 2n Zeilen, egal wie „dumm“ die Formel ist (p1 Ç : p1) Æ (p2 Ç : p2)Æ Æ (pn Ç : pn) 72 Vorlesung Diskrete Strukturen WS 08/09 Prof. Dr. J. Esparza – Institut für Informatik, TU München Kapitel II – Grundlagen; Logik • Vergleich: Wahrheitstabelle vs. Äquivalenzregeln – Vorteile der Äquivalenzregeln: • Ab vier/fünf Variablen die bessere Methode für Menschen. • Richtige Sequenz von Regelanwendungen kann schnell zum Ziel führen. – Nachteile der Äquivalenzregeln: • Die „richtige“ Regel muss erraten werden. • Terminierung ist nicht garantiert • Kann nur zeigen , das F ´ G gilt, aber nicht, dass es nicht gilt. 73 Vorlesung Diskrete Strukturen WS 08/09 Prof. Dr. J. Esparza – Institut für Informatik, TU München Kapitel II – Grundlagen; Logik • Ein Kalkül für logische Inferenzen. – Wir beschreiben eine Menge von Inferenzregeln (ein Kalkül), Mit den Inferenzregeln können Ausdrücke A ` F mechanisch erzeugt werden, wobei A eine Konjunktion von Annahmen und F eine Formel ist. – Es wird gelten: wenn A ` F, dann A ² F. Das Kalkül bietet damit eine alternative zum Folgerungstest. – Die Regeln sind ähnlich zu den Formationsregeln: • Basisregeln: “A ` F für die Konjunktion A und die Formel F” • Induktive Regeln: “wenn A1 ` F1, …, An ` Fn , dann B ` F ” 74 Vorlesung Diskrete Strukturen WS 08/09 Prof. Dr. J. Esparza – Institut für Informatik, TU München Kapitel II – Grundlagen; Logik • Ein Kalkül für logische Inferenzen – Grafische Darstellung der Basisregeln: _______ A`F – Grafische Darstellung der induktiven Regeln A1 ` F1 … An` Fn _________________ B`F Intuition: um B ² F zu beweisen, reicht es zu zeigen, dass A1 ² F1 und A2 ² F2 und … und An ² Fn gelten. 75 Vorlesung Diskrete Strukturen WS 08/09 Prof. Dr. J. Esparza – Institut für Informatik, TU München Kapitel II – Grundlagen; Logik • Ein Kalkül für logische Inferenzen – Annahmeregel. Für jede A, für jede Annahme F in A : _______ A`F – Regel für true. Für jede A : _________ A ` true – Regel für false. Für jede A, für jede Formel F : A`F A`:F ________________ A ` false 76 Vorlesung Diskrete Strukturen WS 08/09 Prof. Dr. J. Esparza – Institut für Informatik, TU München Kapitel II – Grundlagen; Logik • Ein Kalkül für logische Inferenzen – Konjunktionseinführung. Für alle A, für alle F, G : A`F A`G _____________ A`FÆG – Konjunktionsbeseitigung. Für alle A, für alle F, G : A`FÆG __________ A`F A`FÆG __________ A`G 77 Vorlesung Diskrete Strukturen WS 08/09 Prof. Dr. J. Esparza – Institut für Informatik, TU München Kapitel II – Grundlagen; Logik • Ein Kalkül für logische Inferenzen – Disjunktionseinführung. Für alle A, für alle F, G : A`F __________ A`FÇG A`F __________ A`GÇF – Disjunktionsbeseitigung. Für alle A, für alle F, G, H : A`FÇG A,F`H A,G`H _________________________________________ A`H 78 Vorlesung Diskrete Strukturen WS 08/09 Prof. Dr. J. Esparza – Institut für Informatik, TU München Kapitel II – Grundlagen; Logik • Ein Kalkül für logische Inferenzen – Negationseinführung. Für alle A, für alle F : A , F ` false ______________ A`:F – Negationssbeseitigung. Für alle A, für alle F : A , : F ` false _________________ A`F 79 Vorlesung Diskrete Strukturen WS 08/09 Prof. Dr. J. Esparza – Institut für Informatik, TU München Kapitel II – Grundlagen; Logik • Ein Kalkül für logische Inferenzen – Implikationseinführung. Für alle A, für alle F, G: A,F `G ____________ A`F)G – Implikationsbeseitigung. Für alle A, für alle F, G: A`F)G A `F _____________________ A`G 80 Vorlesung Diskrete Strukturen WS 08/09 Prof. Dr. J. Esparza – Institut für Informatik, TU München Kapitel II – Grundlagen; Logik • Ein Kalkül für logische Inferenzen – Theorem: Die Regelmenge hat die folgenden zwei Eigenschaften: • Wenn F ` G , dann F ² G. (Korrektheit, soundness) “Aus der Regelmenge werden nur gültige Inferenzen hergeleitet”. • Wenn F ² G , dann F ` G. (Vollständigkeit, completeness) “Jede gültige Inferenz kann mit der Regelmenge hergeleitet werden ”. 81 Vorlesung Diskrete Strukturen WS 08/09 Prof. Dr. J. Esparza – Institut für Informatik, TU München Kapitel II – Grundlagen; Logik • Beispiel eines formalen Beweises. – Wir betrachten nochmal die Inferenz Wenn es heute bewölkt ist, und wir nur dann schwimmen gehen, wenn es sonnig ist, und wir immer dann rudern, wenn wir nicht schwimmen, und wir immer früh nach Hause kommen wenn wir rudern, dann werden wir heute früh nach Hause kommen. – Wir formalisieren sie in der Aussagenlogik und zeigen ihre Korrekheit mit Hilfe der Inferenzregeln. 82 Vorlesung Diskrete Strukturen WS 08/09 Prof. Dr. J. Esparza – Institut für Informatik, TU München Kapitel II – Grundlagen; Logik • Beispiel eines formalen Beweises – Wir führen Variablen für die Aussagen ein sonnig = “es ist sonnig” schwimmen = “wir werden schwimmen” rudern = “wir werden rudern” früh = “wir werden früh nach Hause kommen”. – Annahmenmenge A: (a) sonnig (b) schwim (c) schwim (d) rudern 83 Vorlesung Diskrete Strukturen WS 08/09 Prof. Dr. J. Esparza – Institut für Informatik, TU München sonnig rudern früh Kapitel II – Grundlagen; Logik • Beispiel eines formalen Beweises – Eine Herleitung von A ` F ist eine endliche Sequenz A1 ` F1, A2 ` F2, …, An` Fn mit: • An = A und Fn = F • Für alle i, 1· i· n, der Ausdruck Ai ` Fi kann aus einer Teilmenge der Ausdrücke A1 ` F1 , …, Ai-1 ` Fi-1 durch Anwendung einer Regel gewonnen werden. – Ein formaler Beweis der Aussage “F folgt aus den Annahmen A1, …, An’’ ist eine Herleitung von A1 , A2 ,…, An ` F 84 Vorlesung Diskrete Strukturen WS 08/09 Prof. Dr. J. Esparza – Institut für Informatik, TU München Kapitel II – Grundlagen; Logik • Beispiel eines formalen Beweises Schritt 1. A , schwim ` schwim 2. A , schwim ` schwim ) sonnig 3. A , schwim ` : sonnig 4. A , schwim ` sonnig 5. A , schwim ` false 6. A ` schwim ) false 7. A ` : schwim 8. A ` : schwim ) rudern 9. A ` rudern 10. A ` rudern ) früh 11. A ` früh 85 Vorlesung Diskrete Strukturen WS 08/09 Prof. Dr. J. Esparza – Institut für Informatik, TU München Bewiesen durch An. An. (b) An. (a) Imp.Bes. 1,2 false.Ein. 3,4 Imp.Ein. 5 Neg.Ein. 6 An. (c) Imp.Bes. 7,8 An. (d) Imp.Bes. 9,10 Kapitel II – Grundlagen; Logik • Wieviele verschiedene Operatoren gibt es? – Die Semantik von Operatoren (Konnektoren, Junktoren) kann durch Wahrheitstabellen dargestellt werden. – Da die Wahrheitstabelle einer Formel mit n Variablen 2n n Einträge (1/0) hat, gibt es genau 22 verschiedene Wahrheitstabellen für Formeln mit n Variablen. n – Es gibt also 22 Operatoren der Arität n (insbesondere 4 unäre und 16 binäre Operatoren). 86 Vorlesung Diskrete Strukturen WS 08/09 Prof. Dr. J. Esparza – Institut für Informatik, TU München Kapitel II – Grundlagen; Logik • Vollständige Mengen von Operatoren. – Einige Operatoren können durch andere „ausgedrückt werden“. Z.B. aus p ) q ´ : p Ç q folgt F ) G ´ : F Ç G für beliebige Formeln F und G. – Formal: Ein Operator OP der Stelligkeit k ¸ 0 kann durch die Operatoren OP_1, …, OP_n ausgedrückt werden wenn es eine Formel F über OP_1, …, OP_n gibt mit OP(p1, , pk) ´ F – Eine Menge M von Operatoren ist vollständig wenn jeder Operator (egal welcher Arität) durch die Operatoren von M ausgedrückt werden kann. 87 Vorlesung Diskrete Strukturen WS 08/09 Prof. Dr. J. Esparza – Institut für Informatik, TU München Kapitel II – Grundlagen; Logik • Vollständige Mengen von Operatoren. – Theorem: Die Menge {:, Ç, Æ} ist vollständig. Beispiel. Wir betrachten den 3-stelligen Operator ITE mit folgender Wahrheitstabelle: p q r 0 0 0 0 1 1 1 1 0 0 1 1 0 0 1 1 0 1 0 1 0 1 0 1 ITE(p,q,r) 0 1 0 1 0 0 1 1 Es gilt: ITE(p,q,r) ´ (: p Æ : q Æ r) Ç (: p Æ q Æ r) Ç ( p Æ q Æ : r) Ç ( p Æ q Æ r) 88 Vorlesung Diskrete Strukturen WS 08/09 Prof. Dr. J. Esparza – Institut für Informatik, TU München Kapitel II – Grundlagen; Logik • Vollständige Mengen von Operatoren. – Theorem: Die Mengen {:, Ç} und {:, Æ} sind vollständig. Beweisidee. Beobachtung: Sei V eine vollständige Menge und sei M eine Menge von Operatoren. Wenn jeder Operator aus V durch die Operatoren von M ausgedrückt werden kann, dann ist M auch vollständig. Fall {:, Ç}. Es reicht zu zeigen, dass Æ durch : und Ç ausgedrückt werden kann. Das wird mit der De Morgan´sche Regel erreicht: p Æ q ´ : (: p Ç : q). Fall {:, Æ}. Symmetrisch. 89 Vorlesung Diskrete Strukturen WS 08/09 Prof. Dr. J. Esparza – Institut für Informatik, TU München Kapitel II – Grundlagen; Logik • Vollständige Mengen von Operatoren. – Wir betrachten die Operatoren nand: (F nand G) ( (F G)) nor: (F nor G) ( (F Ç G)) F G F nand G 0 0 1 1 0 1 0 1 F G F nor G 0 0 1 1 0 1 0 1 90 Vorlesung Diskrete Strukturen WS 08/09 Prof. Dr. J. Esparza – Institut für Informatik, TU München 1 1 1 0 1 0 0 0 Kapitel II – Grundlagen; Logik • Vollständige Mengen von Operatoren. – Theorem: Die Mengen {nand} und {nor} sind vollständig. Beweisskizze für die Menge {nand}: ( F) (F G) (F G) (F nand F) (F nand G) nand (F nand G) (F nand F) nand (G nand G) 91 Vorlesung Diskrete Strukturen WS 08/09 Prof. Dr. J. Esparza – Institut für Informatik, TU München Kapitel II – Grundlagen; Logik • Zusammenfassung Boolesche Operatoren Formaler Name Umg.spr. Stelligkeit Negation NICHT Mon. Konjunktion UND Dyad. Disjunktion ODER Dyad. Exclusives-Oder XOR Dyad. Implikation IMPLIZIERT Dyad. Bikonditional IFF (GDW) Dyad. NAND NAND Dyad. NAND NOR NOR Dyad. NOR 92 Vorlesung Diskrete Strukturen WS 08/09 Prof. Dr. J. Esparza – Institut für Informatik, TU München Symbol ¬ Kapitel II – Grundlagen; Logik • Zusammenfassung Aussagenlogik – Syntax und Semantik. • Operatoren und Wahrheitstabellen. – Logische Begriffe. • Tautologie, Widerspruch, Erfüllbarkeit, Äquivalenz, Folgerung – Äquivalenzregeln, Folgerungsregeln. • Formale Beweise – Vollständige Operatorenmengen. 93 Vorlesung Diskrete Strukturen WS 08/09 Prof. Dr. J. Esparza – Institut für Informatik, TU München