2 1.1 Allgemeine Pathologie der Knochentumoren und

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1.1 Allgemeine Pathologie der Knochentumoren und tumorartigen Läsionen
Wirth/Zichner, Orthopädie und Orthopädische Chirurgie, Band Tumoren (Winkelmann), (ISBN 3131261811), ã 2005 Georg Thieme Verlag KG
1.1 Allgemeine Pathologie der Knochentumoren und tumorartigen Läsionen
1.1
Allgemeine Pathologie
der Knochentumoren und
tumorartigen Läsionen
W. Winkelmann, B. Leidinger und G. Köhler
Wirth/Zichner, Orthopädie und Orthopädische Chirurgie, Band Tumoren (Winkelmann), (ISBN 3131261811), ã 2005 Georg Thieme Verlag KG
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1.1 Allgemeine Pathologie der Knochentumoren und tumorartigen Läsionen
Einleitung
Geschwülste an Knochen- und Weichgeweben können aus
unterschiedlichen Ursachen gewachsen sein. Bei den primären Knochensarkomen bleibt die ¾tiologie meist unbekannt. Reproduzierbare Einflüsse durch Umweltfaktoren,
ionisierende Strahlung oder genetische Faktoren sind nur
in Ausnahmefällen nachweisbar. Die sekundären Knochentumoren, das strahleninduzierte Osteosarkom, das Chondrosarkom bei Maffucci-Syndrom und die Knochenmetastasen von Sarkomen und Karzinomen sind dagegen ursächlich abgeklärt. Der Charakter eines Knochentumors ist einerseits durch sein biologisches Verhalten, seine Wachstumstendenz, seine Lokalisation und sein altersabhängiges
Auftreten gekennzeichnet. Seine Identität zeigt der Tumor
aber häufig erst in der histologischen Aufarbeitung. Anhand
seiner Differenzierung und Zellmorphologie sind seine Malignität sowie sein Ursprung zu erkennen und somit zu klassifizieren. Nach Jaffe (1958) muss jeder Tumor als eigene
anatomische und klinische Entität betrachtet werden. Das
bedeutet, dass manche Tumoren zwar denselben histogenetischen Ursprung haben, aber sich in ihrem klinischen
Verhalten nicht gleichbedeutend ähneln und somit auch
völlig unterschiedlich behandelt werden müssen.
Im Folgenden ist zunächst von Wichtigkeit, sich eine
eindeutige Begrifflichkeit hinsichtlich Terminologie und
Klassifikation der Tumoren anzueignen. Danach sollen
Häufigkeitsverteilung und klinische Erscheinung der Knochentumoren dargestellt werden. Anschlieûend wird auf
den Begriff des anatomischen Kompartments und das Tumorwachstum sowie das Stadiensystem eingegangen.
Terminologie
Hyperplasie
Nicht jede Geschwulst ist im eigentlichen Sinne auch ein
Tumor. Unter dem Begriff Hyperplasie wird eine Ansammlung von Zellen verstanden, die als reaktiver oder reparativer Prozess entweder durch beschleunigte Proliferation
oder verlangsamte Reifung und Degeneration der betroffenen Zellen in einem Gewebsverband bedingt ist. Auslöser dieses Vorgangs ist ein externer oder interner Stimulus, z. B. eine Fraktur oder hormonell bedingte Einflüsse.
Die Hyperplasie tritt mit Beginn dieses Stimulus auf und
endet sobald sich der Stimulus inaktiviert. Sie ist von
funktionellem Charakter und organischer Struktur, sie
neigt zur Differenzierung und Reifung. Beispiele sind die
hypertrophe Kallusbildung und die Myositis ossificans
(Campanacci 1999).
Dysplasie und Hamartom
Während der Embryonalphase, der fetalen oder infantilen
Entwicklung kann es zum Ausschluss eines regional organisierten Gewebeverbandes kommen, der scheinbar ohne
Funktion zurückbleibt. Dieser Gewebeverband unterliegt
keiner weiteren Steuerung und kann sich durch unabhängiges Wachstum wie ein gutartiger Tumor verhalten. Das
Produkt dieses Wachstums nennt man Hamartom. ¾hnlich wie ein Hamartom verhalten sich die als Dysplasien
in der Terminologie von Knochenerkrankungen bezeichneten Veränderungen, die durch überschüssiges, tumorähnliches Wachstum normalen und abnormalen Gewebes
während der Adoleszenz entstehen. ¾hnlich wie die Hyperplasie haben das Hamartom und die Dysplasie histologisch eine recht geordnete Struktur. Sie neigen dazu, ihr
Wachstum nach Ende der Pubertät zu erschöpfen. Beispiele sind die Exostose, das Chondrom und die fibröse Dysplasie (Campanacci 1999).
Benigne Tumoren
Kennzeichen gutartiger Tumoren ist ihr autonomes, vergleichsweise langsames Wachstum. Ihre Zellmorphologie
ist typisch und die Gewebestruktur hochdifferenziert.
Meist erhält sich ein beträchtlicher Teil der ursprünglichen normalen Zellfunktion. Das Wachstum ist im Vergleich zu bösartigen Tumoren weniger permeativ und gut
abgrenzbar zu benachbarten Gewebestrukturen. Diese Tumoren können über eine gut abgrenzbare Pseudokapsel
verfügen. Nach vollständiger Entfernung neigen gutartige
Tumoren nicht zu Rezidivien und Metastasen. Typische
Beispiele sind der Riesenzelltumor des Knochens, das Osteoidosteom und das Osteo- und Chondroblastom.
Niedriggradig maligne Tumoren
Ihr Wachstumsverhalten ist eher langsam, aber fortschreitender als das der gutartigen Tumoren. Sie können dadurch eine enorme Gröûe annehmen. Auch der Wachstumscharakter ist eher permeativ als bei den gutartigen
Geschwülsten und die Grenzen sind weniger gut zu definieren. Bei chirurgischer Entfernung sollte eine gesunde
Gewebeschicht das Resektat umfassen, denn die Neigung
dieser Tumoren zum Lokalrezidiv ist erheblich. Metastasen treten nur selten auf, jedoch kann der Malignitätsgrad
dieser Tumoren durch Dedifferenzierung höhergradig
werden. Dies geschieht durch die Entwicklung neuer Zellklone. Typische Beispiele solcher Tumoren sind das Chondrosarkom Grad I und II und das parossale Osteosarkom.
Hochgradig maligne Tumoren
Das Wachstumsverhalten solcher Tumore ist in der Regel
schnell und aggressiv. Die Zellmorphologie ist atypisch
und undifferenziert, die Gewebsstrukturen nicht mehr organoid. Die ursprüngliche Funktion der Zelle ist aufgehoben. Das Wachstum ist invasiv und permeativ, so dass die
Grenzen der Geschwulst kaum vom umgebenden Gewebe
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unterschieden werden können. Bei der chirurgischen Resektion führt eine nicht weit im Gesunden durchgeführte
Entfernung des Tumors sicher zum Lokalrezidiv. Die Metastasierungsrate ist sehr hoch. Beispiele solcher Tumoren
sind das klassische Osteosarkom, Ewing-Sarkom und das
Chondrosarkom Grad III.
Klassifikation
Die Basis für die Klassifikation von Tumoren ist histologisch bzw. histogenetisch. Tumoren werden anhand des
Zelltyps unterschieden, aus dem sie bestehen und aus
dem sie hervorgegangen sind. Falls ein Tumor aus Chondrozyten, Chondroblasten und kartilaginärer Matrix besteht, handelt es sich zum Beispiel um ein Chondrom
oder Chondrosarkom.
Die richtige Identifikation des Tumors ist bei gutartigen
Tumoren einfach, da sie eine hohe Zelldifferenzierung aufweisen. Schwieriger kann die Einschätzung bösartiger Tumoren sein, die einerseits in ihrem Gewebsverband über
uneinheitlich differenzierte Zellareale verfügen und andererseits durch ihre geringe Differenzierung von ihrem Ursprungszellcharakter abweichen. Die histogenetische Diagnostik wird in solchen Fällen durch immunhistochemische, molekularbiologische und elektronenmikroskopische Untersuchungen unterstützt.
Werden verschiedene Differenzierungsstadien in einem
Tumor beobachtet, ist es immer der niedrigste Differenzierungsgrad, der den Tumor definiert. Sind z. B. in einem
Sarkom neben einer Osteoidbildung fibroblastische Zellreihen zusammen mit chondroblastischen und osteoblastischen zu beobachten, wird ein Osteosarkom diagnostiziert.
Die histogenetische Klassifikation der Knochentumoren
wurde von der WHO anhand des Gewebeursprungs des
Tumors vorgenommen (Fletcher u. Mitarb. 2002). An dieser Klassifikation orientiert sich die Terminologie der Kapitel 1.3 in diesem Buch. Nach der Identifikation des Tumors anhand histologischer und histogenetischer Kriterien besteht das zweite, entscheidende Merkmal aus der
Einstufung der Dignität eines Tumors zwischen gutartig,
niedrigmaligne und hochmaligne.
Eine verlässliche Klassifikation muss zusätzlich zu histologischen Merkmalen die typischen Eigenschaften des
Tumors berücksichtigen, die aus der klinischen, makroskopischen und radiologischen Darstellungsweise zu analysieren und aus der klinisch prognostischen und therapeutischen Erfahrung abzuleiten sind.
Trotzdem besteht noch immer eine gewisse Unsicherheit in der Klassifikation von Knochen- und Weichteiltumoren. Besonders im vergangenen Jahrzehnt sind auf dem
Gebiet der Tumordifferenzierung durch immunohistochemische und molekularbiologische Untersuchungen entscheidende Fortschritte gemacht worden. Einige Weichteiltumoren wie z. B. das maligne fibröse Histiozytom bleiben aber hinsichtlich ihrer Histogenese und Diagnose
noch immer diskutabel.
Ein weiteres Problem stellt die Einschätzung des histologischen Malignitätsgrades dar. Dieser ist abhängig von
der Erfahrung des Pathologen eher subjektiv. Daher sollten
Knochentumoren in einem in der Bewertung von Knochen- und Weichteiltumoren erfahrenen Zentrum referenzpathologisch bewertet werden. Tumoren werden
nach ihrer Histogenese und ihrem histologischem Grad
klassifiziert. Für Knochentumoren beruht diese Klassifikation (Tab. 1.1.1) auf den Ergebnissen von Schajowicz u. Mitarb. (1972) und Campanacci (1999), deren Erkenntnisse in
die WHO-Klassifikation (Fletcher u. Mitarb. 2002) eingegangen sind.
Häufigkeitsverteilung
Knochentumoren sind sehr selten. Statistische Analysen
zeigen eine jährliche Inzidenz von knapp 10 Fällen primärer bösartiger Knochentumoren pro 1 Millionen Einwohner (Fletcher u. Mitarb. 2002). Ihr Anteil an der Häufigkeit
aller Neoplasien beträgt nur 0,2 % (Dorfmann u. Czerniak
1995). Knochentumoren sind etwa zehnmal seltener als
Weichteiltumoren. Gutartige Knochentumoren sind weitaus häufiger. Deren wahre Inzidenz kann nicht festgestellt
werden, ist doch davon auszugehen, dass die meisten gutartigen Tumoren unentdeckt bleiben. Bezüglich der Häufigkeitsverteilungen von Knochentumoren wurde Zahlenmaterial verschiedener pathologischer Institute verglichen. Alle Tumoren wurden in diesen Instituten histologisch gesichert. Dabei erfolgt ein Vergleich der Verteilung
aus den Registern von Dahlin (1978), Schajowicz u. Mitarb.
(1972) und Schajowicz (1981) mit dem Gerhard-Domagk
Institut für Pathologie des Universitätsklinikums Münster,
dem epidemiologischen Krebsregister für den Regierungsbezirk Münster, sowie mit der Arbeit von Dorfmann und
Czerniak (1955) über bösartige Knochentumoren. Dahlin
und Schajowicz beschreiben insgesamt 8066 Tumoren,
wobei 3.385 (42%) sicher benigner und 3.975 (48%) sicher
maligner Natur waren (Abb. 1.1.1 bis 1.1.3). Im Knochengeschwulstregister des Gerhard-Domagk-Instituts für Pathologie des Universitätsklinikums Münster fanden sich
von 1974 ± 2003 10.809 Knochentumore, wobei 6.829
(63%) benigner und 3.980 (37%) sicher maligner Natur
waren. Weiterhin erfolgte die Auswertung aus den gemeldeten bösartigen Neubildungen der Knochen und des Gelenkknorpels mit den ICD-Codes C40 und C41 an das Epidemiologische Krebsregister für den Regierungsbezirk
Münster der Jahre 1992 ± 2001 (Abb. 1.1.4 und 1.1.5).
Nach Dahlin und Schajowicz (n = 3.385) ist der häufigste, durch Biopsie gesicherte gutartige Tumor das Osteochondrom (40%), gefolgt vom Chondrom mit 19% und
vom Riesenzelltumor mit 17%. Die Angaben decken sich
in etwa mit der statistischen Analyse aus dem klinikeigenen Institut (n = 7.944), wobei das Chondrom mit 31% und
das Osteochondrom mit 20 % repräsentiert sind. Der Riesenzelltumor des Knochens ist mit 8% eher selten, auch
das Osteoidosteom mit nur 5%, das aber in unserer ortho-
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Tab. 1.1.1 Klassifikation der Knochentumoren in Anlehnung an Schajowicz u. Mitarb. (1972), Campanacci (1999) und Fletcher u.
Mitarb. (2002)
Zelldifferenzierung
Gutartig
Niedriggradig bösartig
Hochgradig bösartig
Kartilaginär
Exostose
Chondrom
I Enchondrom
I periostales Chondrom
Chondroblastom
chondromyxoides Fibrom
fibrokartilaginäres Mesenchymom
Chondrosarkom Grad 1
I peripheres CS
I periostales CS
I Klarzell-CS
Chondrosarkom Grad 2 und 3
I zentrales CS
I dedifferenziertes CS
I mesenchymales CS
Ossär
Osteom
Osteoidosteom
Osteoblastom
Osteosarkom
I periostales OS
I parossales OS
I Low-grade zentrales OS
Osteosarkom
I klassisches OS
I teleangiektatisches OS
I kleinzelliges OS
I multifokales OS
I High-grade surface OS
I sekundäres OS
Fibrös
desmoblastisches Fibrom
Fibrosarkom Grad 1 und 2
Fibrosarkom Grad 3 und 4
Fibrohistiozytär
benignes fibröses Histiozytom
malignes fibröses Histiozytom
Ewing-Sarkom/PNET
Ewing-Sarkom
primitiver neuroektodermaler
Tumor (PNET)
Hämatopoetisch
Lymphom
multiples Myelom
Riesenzellen
Riesenzelltumor
Notochordal
maligne entarteter Riesenzelltumor
Chordom
Vaskulär
Hämangiom
Lymphangiom
Hämangioendotheliom
Glatte Muskulatur
Leiomyom
Leiomyosarkom
Lipomätös
Lipom
Liposarkom
Nerval
Neurofibrom
Neurinom
Neurofibrosarkom
Gemischt
Hämangioendotheliom
Hämangioperizytom
Adamantinom
Tumorähnliche Läsion
aneurysmatische Knochenzyste
juvenile Knochenzyste
fibröse Dysplasie
osteofibröse Dysplasie
Langerhans-Zell-Histiozytose
Synovial
Gelenkchondromatose
pädischen Klinik nicht mehr biopsiert, sondern durch
Flow-CT gesichert und dann thermokoaguliert wird.
Der häufigste bösartige Knochentumor ist nach der Statistik von Dahlin und Schajowicz (n = 3.975) das Osteosarkom mit 47%, danach das Chondrosarkom mit 23% und
das Ewing-Sarkom mit 8% (s. Abb. 1.1.2). Die Angaben aus
dem Gerhard-Domagk-Institut (n = 4.861) zeigen als häufigsten Tumor das Chondrosarkom mit 29%, das Osteosarkom mit 20% und das Ewing-Sarkom mit 12% (s.
Abb. 1.1.4). In dieser Statistik sind allerdings die Metastasen mit 19% miterfasst worden. In der zehnjährigen Sam-
Angiosarkom
Hämangioperizytom
malignes Mesenchymom
Metastasen
sekundäre maligne Entartung
melstatistik des Epidemiologischen Krebsregisters für den
Regierungsbezirk Münster ist das Osteosarkom mit 29%
die häufigste bösartige Neubildung des Knochens, gefolgt
vom Chondrosarkom (22%) und Ewing-Sarkom (20%) (s.
Abb. 1.1.5). Hierbei ist zu bedenken, dass die Ewing-Sarkom-Diagnostik in Münster ein Schwerpunkt ist. Auch
nach Dorfmann und Cerniak (1995) sind in einer Sammelstatistik von knapp 2.700 Fällen zwischen 1973 und 1987
das Osteosarkom mit 35%, das Chondrosarkom mit 26%
und das Ewing-Sarkom mit 16% die häufigsten Tumoren.
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Osteom 4 %
Osteoblastom 3 %
Osteoidosteom 5 %
Hämangiom 3 %
Chondroblastom 5 %
Osteochondrom
40 %
Chordom 5 %
Solitäre
Knochenzyste 6 %
Chondrom 31 %
Riesenzelltumor des
Knochens 8 %
Osteoidosteom 8 %
fibröse Dysplasie 8 %
aneurysmatische
Knochenzyste 8 %
Riesenzelltumor 17 %
Chondrom 19 %
Abb. 1.1.1 Verteilung der häufigsten gutartigen Tumoren aus
den Knochentumorregistern von Dahlin u. Schajowicz (n = 3385).
nicht ossifizierendes
Fibrom 10 %
Osteochondrom
20 %
Abb. 1.1.3 Verteilung der häufigsten gutartigen Tumoren aus
dem Knochengeschwulstregister des Gerhard-Domagk-Instituts
für Pathologie des Universitätsklinikums Münster (n = 7944).
plasmozytäres Myelom 4 %
MFH 2 %
Plasmozytom 7 %
Ewing-Sarkom 8 %
Fibrosarkom 9 %
MFH 5 %
Osteosarkom
47 %
Lymphom 11 %
Chondrosarkom 23 %
Abb. 1.1.2 Verteilung der häufigsten bösartigen Tumoren aus
den Knochentumorregistern von Dahlin u. Schajowicz (n = 3975).
Hinsichtlich der Repräsentativität der Häufigkeitsverteilung dieses Zahlenmaterials ist kritisch zu betrachten,
dass es sich um histologische Register aus groûen, aber
sicher sehr spezialisierten Zentren handelt. Diese erhalten
ein Krankengut, welche die Entitäten nicht repräsentativ
der Allgemeinbevölkerung wiedergeben und seltene oder
speziell für diese Institution zugeschnittene Entitäten
überrepräsentiert. Aus diesen Zahlen können deshalb
keine direkten Rückschlüsse auf Prävalenz der Tumorentitäten in der Allgemeinbevölkerung gezogen werden (Unni
u. Dahlin 1996). Traditionell sind die gutartigen Knochentumoren in solchen Zentren im Verhältnis zu ihrer tatsächlichen Prävalenz deutlich unterrepräsentiert, da in
den Verzeichnissen nur die biopsierten Tumoren aufgelistet werden und die Fälle gutartiger Geschwülste, die nach
Bildgebung und klinischem Verlauf konservativ behandelt
wurden, nicht erfasst sind.
Chondrosarkom
29 %
Liposarkom 5 %
EwingSarkom 12 %
Metastase 19 %
Osteosarkom 20 %
Abb. 1.1.4 Verteilung der häufigsten bösartigen Tumoren aus
dem Knochengeschwulstregister des Gerhard-Domagk-Instituts
für Pathologie des Universitätsklinikums Münster (n = 4861).
Chordom 3 %
sonstige Tumoren 6 %
Osteosarkom
29 %
Geschwülste ohne
nähere Angabe 20 %
Ewing-Sarkom 20 %
Chondrosarkom 22 %
Abb. 1.1.5 Verteilung der gemeldeten bösartigen Neubildungen
der Knochen und des Gelenkknorpels an das Epidemiologische
Krebsregister für den Regierungsbezirk Münster der Jahre
1992 ± 2001.
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¾tiologie
Die meisten primären Knochentumoren entstehen aus
noch ungeklärter ¾tiologie. Die Kanzerogenese ist ein
komplexer und für die verschiedenen Tumorentitäten unterschiedlicher Prozess, der trotz groûer Fortschritte in der
Tumorforschung nicht vollständig verstanden ist. Generell
scheint es erwiesen zu sein, dass die Tumorentwicklung
durch dynamische Alterationen im Genom gesunder Zellen und den folgenden, essentiellen Veränderungen in der
Zellphysiologie bedingt ist (Hanahan u. Weinberg 2000):
I Selbstversorgung mit Wachstumssignalen,
I Insensivität gegenüber Antiwachstumsfaktoren,
I Umgehung des programmierten Zelltodes (Apoptose),
I unbegrenztes replikatives Potential,
I unterstützende Angiogenese,
I Fähigkeit zur Invasion und Metastasierung.
Als ursächliche Faktoren werden physikalische und chemische Einflüsse durch Umweltfaktoren, ionisierende
Strahlung und angeborene oder erworbene immunologische und genetische Faktoren diskutiert.
Umweltfaktoren
Traumata oder vorausgegangene Verletzungen werden
häufig für die Entstehung von Sarkomen verantwortlich
gemacht. Dennoch zeigt sich nur gelegentlich ein glaubwürdiger kausaler Zusammenhang. So wird vereinzelt
über die Entwicklung von Sarkomen in Narbengewebe infolge chirurgischer Eingriffe oder Hitze- bzw. Säureverbrennungen, an Knochenbruchstellen und vor allem in
der Nähe von Plastik-, Metall-, oder verschiedenen Biomaterialimplantaten, meist nach einer Latenzzeit von mehreren Jahren, berichtet (Aboulafia u. Mitarb. 1999, Burns u.
Mitarb. 1972, Ozyazghan und Kontas 1999, Kirkpatrick u.
Mitarb. 2000). Umweltkarzinogene stehen ebenfalls in Beziehung zur Tumorgenese, ihre Rolle ist jedoch noch weitgehend unerforscht, und es sind bisher nur wenige Substanzen bekannt wie z. B. Asbest, die erwiesenermaûen
Sarkome im Menschen induzieren können.
Ionisierende Strahlung
Bestrahlung steht im Zusammenhang mit der Genese von
Sarkomen. Die Inzidenz von strahleninduzierten Sarkomen ist schwer zu schätzen, bewegt sich aber zwischen
0,03 ± 0,80% (Amendola u. Mitarb. 1989, Mark u. Mitarb.
1994).
Immunologische und
genetische Faktoren
Immuninsuffizienz und immunsuppressive Therapie infolge von Transplantationen kann in Einzelfällen in der Pathogenese von Sarkomen mitwirken. Gendefekte und Genomveränderungen werden für eine familiäre Häufung
von Knochensarkomen verantwortlich gemacht. Zukünftige epidemiologische molekularbiologische Studien werden den pathogenetischen Mechanismus der malignen
Transformation im Knochen weiter erforschen.
Maligne Entartung
gutartiger Läsionen
Die meisten primären Knochentumoren entstehen de
novo. Einige bekanntermaûen gutartige Tumoren und tumorähnlichen Läsionen prädisponieren mit unterschiedlichem Risiko zur malignen Entartung. Insgesamt ist die
maligne Entartung gutartiger Läsionen selten zu beobachten. Syndromerkrankungen wie das Maffucci-Syndrom als
Form der multiplen Enchondromatose haben ein relativ
hohes Risiko zur malignen Entartung. Ein moderates Risiko weisen die multiple kartilaginäre Exostosenkrankheit,
der Morbus Paget und die strahleninduzierte Osteitis auf.
Als sehr gering wird das Risiko bei der fibrösen Dysplasie,
dem Riesenzelltumor, der Osteogenesis imperfecta, dem
Knocheninfarkt, der chronischen Osteomyelitis und dem
Osteoblastom eingeschätzt (Fletcher u. Mitarb. 2002).
Klinische Darstellung
Klinisches Bild. Das klinische Bild eines Knochentumors
ist in der Regel unspezifisch. Es kann deshalb ein relativ
langer Zeitabschnitt vergehen, bis der Tumor diagnostiziert wird. Schmerzen, Schwellung und allgemeines Unwohlsein sowie eingeschränkte Mobilität und pathologische Frakturen gehören zu diesen Symptomen.
Jeder Tumor ist eine für sich eigene Entität und kann
sich klinisch unterschiedlich darstellen. Deswegen ist es
wichtig, genaue Informationen über das Erscheinungsbild
des Tumors zu erheben. Neben den erforderlichen Staging-Untersuchungen ist eine akkurat erfasste Anamnese Ausgangspunkt jeder Tumordiagnose. Hierzu gehört
neben Fragen nach dem Auftreten der Geschwulst und
ihrem Wachstumsverhalten, Unfällen und Vorerkrankungen auch die Erhebung der Familienanamnese, die z. B. im
Falle der multiplen Exostosenkrankheit und der Neurofibromatose aussagekräftig ist.
Auûerdem spielt die Lokalisationsverteilung eine
wichtige Rolle. Der Riesenzelltumor ist nahezu immer in
der Meta-Epiphysen-Region lokalisiert. Er tritt regelmäûig
kurz nach Verschluss der Wachstumsfugen auf. Das Chondroblastom ist fast ausnahmslos in der Epiphyse zu beobachten. Das Adamantinom ist ein typischer Tumor der Tibia. Das Chordom ist vor allem in der Schädelbasis, dem
Os sacrum und den Wirbelkörpern zu finden. Knorpeltu-
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moren in der Hand sind definitionsgemäû fast ausnahmslos gutartig, da Sarkome an der Hand eine Rarität darstellen. Eine Ausnahme ist das Epitheloidzellsarkom, dessen
Prädilektionsstelle die Hand und der Unterarm ist.
Es ist eine generelle Regel, dass periostal lokalisierte
Tumoren biologisch weniger bösartig sind als ihr intramedulläres Vorkommen.
Altersabhängigkeit. Hinsichtlich des Auftretens bestimmter Tumoren besteht eine eindeutige Altersabhängigkeit.
Diese ist bimodal. Der erste Altersgipfel tritt während der
zweiten Lebensdekade auf, der zweite nach dem 60. Lebensjahr (Abb. 1.1.6). Mit diesem Verlauf unterscheiden
sich die Knochentumoren von den Weichteiltumoren, die
in ihrer Verteilung einen chronologischen Anstieg der Inzidenz aufweisen. Das Osteosarkom tritt meist vor dem
20. Lebensjahr auf und ist zu 80% in der Metaphyse der
langen Röhrenknochen lokalisiert. Ein Chondrosarkom ist
auûergewöhnlich selten im Kindesalter. Die Inzidenz dieses Tumors steigt graduell bis zum 75. Lebensjahr an. Auch
hier sind mehr als 50% der Tumoren in den langen Röhrenknochen lokalisiert. Ein Ewing-Sarkom tritt selten vor
dem 5. und nach dem 30. Lebensjahr auf. In der Altersverteilung ähnelt es dem Osteosarkom, tritt aber eher diaphysär auf. Ein Riesenzelltumor des Knochens ist vor Einsetzten der Pubertät extrem selten. Das multiple Myelom und
das Chordom sind Erkrankungen des Erwachsenenalters,
ebenso wie Karzinommetastasen.
Wachstumsgeschwindigkeit. Eine schnelle Wachstumsgeschwindigkeit und ein rasch eintretendes Lokalrezidiv
kennzeichnet hochgradige Bösartigkeit. Es gibt Ausnahmen von dieser Regel. Das eosinophile Granulom und die
aneurysmatische Knochenzyste sind Erkrankungen, die zu
schnellem Wachstum neigen können.
Schmerzen sind für die meisten Tumoren eher uncharakteristisch. Sie treten bei Knochentumoren vor allen Dingen
in bereits fortgeschrittenen Stadien auf, wenn bei mecha-
nischer Beanspruchung der osteolytisch geschwächte Knochen belastet wird. Deutlich belastungsabhängige Schmerzen sprechen für eine drohende pathologische Fraktur. Anfangs hat der Schmerz neuralgiformen Charakter und tritt
nur intermittierend auf. Schlieûlich wird der Schmerzcharakter intensiver, tritt nachts auf und strahlt in die Nachbarregion aus. Er kann so quälend werden, dass eine Therapie mit Opioiden notwendig wird. Bei fortschreitendem
Wachstum kann z. B. durch Kompression von spinalen Nervenbahnen auch eine radikuläre Symptomatik festgestellt
werden. In einigen Fällen eines im Becken, Oberschenkel
oder in der Poplitealregion gelegenen Extremitätensarkoms kann auch eine Ischialgie durch direkten Kontakt
mit dem Nerven auftreten (Bickels u. Mitarb. 1999). Ein
eindrucksvoll Aspirin- oder NSAR-abhängiger Nachtschmerz ist typisch für die Diagnose eines Osteoidosteoms. Im Falle eines intraossären Knorpeltumors ohne
Anhalt einer Fraktur würden Schmerzen eher für ein
Chondrosarkom als ein Chondrom sprechen.
Schwellung. Neben Schmerzen ist die Schwellung ein Kardinalsymptom aller Raum fordernden knöchernen Prozesse. Ist im Falle gutartiger Tumoren eher ein langsames
Zunehmen der Schwellung gewöhnlich, kann sich bei bösartigen Läsionen innerhalb kurzer Zeit eine sicht- und
tastbare Prominenz entwickeln. Auch Hautveränderungen
wie Kolorierung, Venenprominenz, die Ausbildung von
Striae und Ulzerationen, können festgestellt werden.
Auch die Konsistenz der Schwellung, ob eher weich, prallelastisch oder induriert, wird beurteilt. Je weniger gut verschiebbar die Schwellung ist, desto wahrscheinlicher handelt es sich eher um eine maligne Raumforderung.
Bewegungseinschränkung. Tumoren in Gelenknähe können dazu veranlagen, durch ihr Wachstum und eine reaktive Synovitis im Gelenk neben Schmerzen eine Bewegungseinschränkung zu verursachen. Dies trifft vor allen
Dingen auf das gelenknahe Osteoblastom, das Chondroblastom und den Riesenzelltumor zu.
0,8
Osteosarkom
Inzidenzrate (Fälle/100 000 Einwohner)
0,7
Abb. 1.1.6 Altersverteilung der
Knochentumoren nach Dorfmann
u. Czerniak (1995).
Chondrosarkom
Ewing-Sarkom
0,6
MFH
0,5
0,4
0,3
0,2
0,1
0
0–4
10 – 14 20 – 24 30 – 34 40 – 44 50 – 54 60 – 64 70 – 74 80 – 84 > 85
Alter
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1.1 Allgemeine Pathologie der Knochentumoren und tumorartigen Läsionen
Pathologische Fraktur. Sie führt dazu, dass sich der Patient aufgrund der Schmerzen und des Funktionsverlustes
unmittelbar in Behandlung begibt. Im Falle juveniler Knochenzysten kann diese ohne jede Vorwarnung spontan
auftreten. Bei bösartigen Knochentumoren ist die pathologische Fraktur Ausdruck eines weit fortgeschrittenen
Krankheitsstadiums. Sie bedeutet für die chirurgische Resektionsplanung eine entscheidende Erschwernis, da häufig aus onkologischer Sicht eine extraartikuläre Resektion
oder sogar eine Amputation notwendig wird.
Allgemeinbefinden. Die Einschränkung des Allgemeinbefindens durch Gewichtsverlust und Erschöpfung tritt im
späten Stadium von malignen Knochentumoren auf und
spielt bei gutartigen Läsionen keine Rolle. Fieber als klinisches Symptom ist selten, kann aber typischerweise bei
einem Ewing-Sarkom auftreten und erschwert somit die
Abgrenzung zur Osteomyelitis.
Anatomisches Kompartment
Vor jeder lokaltherapeutischen Behandlung eines Knochen- oder Weichteiltumors muss man sich ein genaues
Bild davon machen, wo und mit welcher Ausdehnung der
Tumor gewachsen ist. Dies gilt zum Zeitpunkt der ersten
Diagnosestellung und auch nach erfolgter neoadjuvanter
Vorbehandlung. Generell kann man Tumoren einteilen, ob
sie innerhalb eines Gewebekompartments gewachsen sind
oder sich aus diesem heraus ausdehnen. Diese Einschätzung ist von entscheidender Bedeutung für die Planung
einer Operation. Je nach Aggressivität und Ausdehnung
des Tumors, intra- oder extrakompartmentell, muss die
Entfernung der Geschwulst geplant werden. Für ein einheitliches Verständnis ist eine genaue Definition des Kompartmentbegriffs und seiner anatomischen Räume notwendig.
Enneking u. Mitarb. (1980) und Enneking (1983) beschreiben den Begriff des Kompartments als einen Raum,
der durch natürliche Barrieren den Tumor begrenzt. Natürliche Grenzen sind der kortikale Knochen, die Faszien,
die Muskelsepten, der Gelenkknorpel, die Gelenkkapsel,
die Sehnen und die Sehnenscheiden.
Am Beispiel des Oberschenkels lässt sich der Begriff
erläutern. Der Oberschenkelknochen ohne das Kniegelenk
ist ein in sich geschlossenes Kompartment. Eine funktionelle Muskelgruppe, die durch eine Faszie in allen Ebenen
begrenzt ist, stellt ebenfalls ein geschlossenes Kompartment dar. So ist ein Tumor, der an der Oberfläche eines
Knochens gewachsen ist, z. B. ausgehend vom Periost, auf
der einen Seite begrenzt durch die Kortikalis, auf der anderen Seite durch die dem Knochen zugewandte Faszie
mit der darüber liegenden Muskelgruppe. Nach proximal
und distal wird dieser so genannte parossale Raum durch
die Muskelinsertion abgeschlossen. Somit kann man auch
hier von einem intrakompartmentellen Tumorwachstum
sprechen.
Auch die Strahlen im Bereich der Hände und Füûe sind
in sich geschlossene Kompartmente. Das Gleiche gilt für
bestimmte weitere Körperregionen. Auf der anderen Seite
gibt es so genannte definitionsgemäû extrakomartmentelle Räume, die auf ein oder zwei Seiten durch Faszien begrenzt, nach proximal oder distal jedoch offen sind. Werden diese Räume durch das Tumorwachstum erreicht oder
ist der Tumor primär in ihnen entstanden, gilt er als extrakompartmentell. Dies ist z. B. der Fall im Bereich der Axilla
und der Fossa poplitea. Auch die Mittelhand, der Rückfuû,
das innere Becken und der paraspinale Raum sind extrakompartmentelle Räume.
Extrakompartmentelle Tumoren haben entweder ihren
Ursprung ausgehend von Gewebe des extrakompartmentellen Raumes oder sind zunächst primär intrakompartmentell gewachsen, aber aufgrund ihrer Gröûenausdehnung und Permeativität aus dem Ursprungskompartment
herausgewachsen.
Die natürlichen Barrieren, die die Läsion begrenzen,
werden von Tumoren am leichtesten dort durchbrochen,
wo eine Gefäûperforation möglich ist (Abb. 1.1.7). Im Bereich der Meta- bzw. Epiphyse, im Bereich der Sehnenansätze, im Ursprungs- und Ansatzbereich der Gelenkkapsel, der Synovialis und dem Ansatz der Gelenkbänder kann
der Tumor sehr leicht aus dem spongiösen Knochen he-
1
5
2
4
3
3
Abb. 1.1.7 Anatomische Barrieren für das Knochentumorwachstum.
1 diapysäre Kortikalis
2 metaphysärer dünner Kortex
3 ligamentäre Strukturen
4 Gelenkknorpel
5 Fasziengewebe
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1.1 Allgemeine Pathologie der Knochentumoren und tumorartigen Läsionen
a
Abb. 1.1.8 a u. b Down-Staging
eines extrakompartmentellen Tumors durch neoadjuvante Vorbehandlung. Der zuvor extrakompartmentell gewachsene Tumor der
ventralen Oberschenkelregion (a)
hat sein Kompartment nach lateral
und medial verlassen und infiltriert
die umgebenen Gefäû- und Nervenstrukturen. Nach neoadjuvanter Vorbehandlung verliert der Tumor deutlich an Volumenausdehnung (b) und
gibt Gefäû- und Nervenstrukturen
frei (groûe Pfeile). Er wird in sein
Ursprungskompartment, der medialen Femurregion, zurückgedrängt
(kleine Pfeile). An seinem Rand wird
die Ausbildung einer Tumorkapsel
induziert, innerhalb seines Zentrums
bilden sich Nekrosen.
b
rauswachsen. Der Gelenkknorpel hingegen ist eine sehr
gute Barriere gegen das permeative Tumorwachstum, da
er keine Gefäûperforation zulässt und wahrscheinlich eine
natürliche Resistenz gegenüber Tumorwachstum hat.
Auch die Wachstumsfugen sind relativ gute Barrieren, abhängig von der anatomischen Lage und dem Lebensalter.
Sie werden bekanntlich im frühen Kindesalter und später
kurz vorm Wachstumsabschluss durch Gefäûe perforiert.
Faszien, Aponeurosen, Sehnen und Sehnenscheiden
sind ebenfalls noch relevante Barrieren gegen das Tumorwachstum.
Relative Barrieren, obwohl von nur dünner Struktur,
stellen die nicht perforierte und reaktiv blutende Synovialmembran und das Epineurium gröûerer Nervenbahnen
dar.
Primär intrakompartmentell gewachsene Tumoren
können durch intraläsionale oder kontaminierende Voroperation, durch akzidentelle Eröffnung während der Operation oder durch ein Hämatom nach pathologischer Fraktur in ein extrakompartmentelles Stadium umgewandelt
werden, was die weitere Behandlung entscheidend erschwert. Nicht selten gelingt es aber auch, einen extrakompartmentell gewachsenen Tumor durch erfolgreiche
neoadjuvante Therapie auf seine ursprüngliche intrakompartmentelle Ausdehnung zurückzudrängen. Dieser Vorgang wird im angloamerikanischen Sprachraum als sog.
Down-Staging bezeichnet (Abb. 1.1.8 a u. b).
Dieses Phänomen lässt sich mit modernen bildgebenden Verfahren gut darstellen (Abb. 1.1.9 a u. b).
Tumorwachstum
Da das Wachstum eines Tumors immer zentripedal ist,
liegen die vitalen Tumoranteile in der Peripherie. Mit
dem Tumorwachstum wird das normale, umgebene Bindegewebe zusammengedrückt und formt eine Art Pseudokapsel aus reifem, fibrösem Bindegewebe (Abb. 1.1.10).
Wächst ein Knochentumor innerhalb eines Muskels
oder dehnt sich in ihm aus, erkennt man mikroskopisch
a
b
Abb. 1.1.9 a u. b Dargestellt sind MRT-Bilder eines Ewing-Sarkoms des proximalen Femurs rechts mit deutlicher Auftreibung,
die die knöchernen Strukturen des Femurs vollständig penetriert
und ins angrenzende Weichgewebe reicht (a). Die Wachstumsfuge des Femurkopfes bietet dem Tumor eine natürliche Barriere.
Die deutliche intramedulläre Ausdehnung und Weichteilreaktion
ist in (b) vollständig rückläufig. Der Tumor besitzt nur noch 1/10
seiner ursprünglichen Gröûe und ist allein intramedullär intratrochantär lokalisiert.
zwischen den Muskelbündeln eine dünne, bindegewebige
Kapsel. Diese besteht aus einer komprimierten Membran,
die 2 bis 5 Zellen dick ist. Eine echte Pseudokapsel entsteht erst, wenn der Tumor die Faszie erreicht hat. Wächst
der Tumor gegen die gebildete Kapsel, wird diese unterschiedlich stark ausgeweitet. So entstehen Septen, die den
Tumor in einzelne Läppchen unterteilen. Mit den septenartigen Ausbuchtungen des Tumors verlaufen auch die
Wirth/Zichner, Orthopädie und Orthopädische Chirurgie, Band Tumoren (Winkelmann), (ISBN 3131261811), ã 2005 Georg Thieme Verlag KG
11
12
1.1 Allgemeine Pathologie der Knochentumoren und tumorartigen Läsionen
Abb. 1.1.10 Pseudokapsel am Beispiel eines periostalen Chondroms.
Diese verläuft zwischen der Zone
der Chondroblasten (CB) und dem
angrenzenden Muskelgewebe (M).
PC periostales Chondrom
CB Chondroblasten
P Pseudokapsel
M Muskulatur
Versorgungsgefäûe in den Tumor. Diese Gefäûe sind zunächst die ortständigen, die durch das Tumorwachstum
verlängert wurden.
Die in einem Knochen wachsenden Tumoren werden
auch von einer feinen, bindegewebige Kapsel umgeben,
die vom Knochenmark, dem Endost und dem Periost ausgeht. Der Tumor nimmt bei seinem Wachstum den Weg
des geringsten Widerstandes zwischen den Knochentrabekeln und den Havers-Kanälen und bleibt dabei von einer
dünnen, komprimierten Kapselgewebeschicht umschlossen. Die äuûere Schicht eines intraossären Tumors ist irregulär und unregelmäûig. Dies wird durch die ungleichmäûige Ausdehnung zwischen den Trabekeln bedingt.
Als Ergebnis der Pseudokapselbildung lässt sich der
Weichgewebsanteil knöcherner Läsionen unter kontinuierlicher Palpation entlang der extrakapsulären Grenze mit
wenig Widerstand herauspräparieren. Gelangt man nach
sub- oder intrakapsulär, ändert sich dieses Gewebegefühl,
da man hier auf Ausläufer des Tumors trifft. Ein intraossär
ausgedehnter Tumor wie z. B. der Riesenzelltumor ist
kaum entlang seiner intraossären Kapsel herauszuschälen,
denn der irreguläre Abdruck des Tumors an den angrenzenden Knochen lässt sich makroskopisch kaum verfolgen.
In solchen Fällen ist je nach Läsion die Kürettage oder
En-bloc-Resektion indiziert.
Um den Tumor herum kann sich eine reaktive Zone
bilden, die aus proliferierenden Mesenchymzellen, Gefäûneubildungen und Infiltrationen mit Entzündungszellen
besteht. Der Proliferationscharakter der Mesenchymzellen
ist unspezifisch. Der Stimulus kann physikalisch, biochemisch, chemotaktisch oder metabolisch sein. Der reaktive
Knochen um einen Tumor kann mikroskopisch nicht von
einer reaktiven bzw. reparativen Reaktion wie bei der Knochenentzündung oder einer Fraktur unterschieden werden. Die Differenzierung der reaktiven Zone ist meist abhängig von der Lokalisation der Läsion. Weichteiltumoren
stimulieren eine mehr fibröse Reaktion, intraossäre Tumoren mehr eine knöcherne. Die gleiche Läsion kann unterschiedliche mesenchymale Reaktionen generieren. Wächst
z. B. ein Knochentumor aus dem Knochen heraus in das
umgebene Weichgewebe, ist hier die mesenchymale Reaktion fibrösen Charakters. Dehnt sich die Veränderung intraossär aus, produziert sie reaktiven Knochen.
Die mesenchymale Reaktion kann je nach Belastung
unterschiedlich ausreifen: knorpelig, knöchern oder fibrös,
je nach Art des Stresses, dem sie ausgesetzt ist. Sie verhält
sich ähnlich, wie wir das von der Kallusbildung her kennen.
Da es sich um eine unspezifische Reaktion handelt, ist
es nicht möglich, anhand des Gewebes dieser reaktiven
Zone auf einen gutartigen oder bösartigen Tumor zu
schlieûen. Die Reifung der mesenchymalen Reaktion lässt
allerdings Rückschlüsse über die Dauer des bisherigen Tumorwachstums zu. Der Proliferationsprozess ähnelt im
Knochengewebe dem der Frakturheilung und im Weichgewebe dem der Narbenbildung.
Parallel mit der mesenchymalen Reaktion kommt es
zu einer Gefäûneubildung als zweitem Bestandteil der
reaktiven Zone. Auch sie ist unspezifisch und kann demzufolge in der Unterscheidung zwischen gutartigen und
bösartigen Tumoren keinen Aufschluss geben. Sie besteht
einerseits aus einer Elongation bereits vorhandener, regionaler Gefäûe, andererseits aus neuer Gefäûproliferation, um dem erhöhten Ernährungsbedarf des Tumors gerecht zu werden. Die Gefäûe selbst haben einen normalen
Aufbau, verlaufen innerhalb der Kapsel entlang der Septen und verteilen sich als Kapillaren innerhalb des Tumors. Die Anzahl der Gefäûneubildung variiert jedoch
zwischen den verschiedenen Entitäten. Dies hängt mit
ihrer metabolischen Aktivität zusammen. Eine stark
wachsende Läsion weist auch eine sehr hohe Neovaskularität auf. Heutzutage wird den Tumor-Angiogenese-Faktoren in der Differenzierung der Entitäten groûe Bedeutung beigemessen, da diese von den Tumoren selbst produziert werden.
Der dritte Bestandteil der reaktiven Zone beinhaltet
eine Entzündungsreaktion bestehend aus Entzündungszellen, Ödem und Fibrin. ¾hnlich wie bei der Gefäûneu-
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1.1 Allgemeine Pathologie der Knochentumoren und tumorartigen Läsionen
bildung erscheint diese Reaktion zum einen von der Art
des Tumors abhängig zu sein, zum anderen ist sie wieder
unspezifisch. Der tumorunspezifische Anteil besteht
hauptsächlich aus Lymphozyten, Plasmazellen und Makrophagen, Ödem und Fibrin. Es sind die gleichen Bestandteile, die man bei der Wundheilung beobachtet. Der Anteil
dieser unspezifischen Entzündungsreaktion variiert. Er ist
z. B. bei einer Exostose besonders niedrig und in Fällen
höhergradiger Malignität besonders groû. Hier spielt die
Reaktion des Gewebes auf Einblutung und nekrotische Anteile bei aggressiveren Läsionen eine Rolle. Der zweite Anteil der Entzündungsreaktion in der reaktiven Zone ist die
zelluläre, immunologische Antwort auf bestimmte tumorassoziierte Antigene. Ihre Zellbestandteile setzten sich aus
unreifen, immunkompetenten B- und T-Lymphozyten und
Plasmazellen zusammen. Sie sammeln sich als perivaskuläre Knoten um die kleinen Blutgefäûe und können diese
thrombosieren. Je aggressiver die Läsion sich verhält,
desto intensiver sind diese Zellcluster in der reaktiven
Zone angesammelt. Ihre Ausprägung ist auch bei Patienten
gleicher Grunderkrankung individuell unterschiedlich
stark.
Die gewebeproliferative Kraft der reaktiven Zone kann
auf der anderen Seite aber auch eine Penetration des Tumors von einem Kompartment in das andere induzieren.
Erreicht der Tumor mit seiner Pseudokapsel bzw. der reaktiven Zone eine natürliche Barriere, z. B. Faszie, Kortikalis oder eine Sehnenscheide, entsteht auf der anderen Seite
dieser Strukturen ebenfalls eine Gewebereaktion. Neue
Gefäûe aus der reaktiven Zone können, stimuliert durch
Tumor-Angiogenese-Faktoren, die natürliche Barriere penetrieren. Dadurch entstehen Kanäle, durch die der Tumor
unter Umständen hindurchwachsen kann. Ein Knochentumor ist z. B. dann als extrakompartmentell wachsend zu
bezeichnen, wenn er an seiner Periostoberfläche reaktive
Knochenneubildung zeigt und mittels Kernspintomographie-Untersuchungen Gefäûneubildungen in diesem Bereich nachzuweisen sind.
In der reaktiven Zone können auch mikroskopisch kleine Tumorausdehnungen, so genannte Satelliten oder Mikrometastasen, vorhanden sein. Das sind kleine Absiedlungen aus der zentralen Hauptläsion. Dies ist besonders
bei hochgradig bösartigen Tumoren von Bedeutung. Eine
Erhaltung von durch die reaktive Zone verlaufenden, groûen Gliedmaûengefäûen und -nerven kann aufgrund eines
aus onkologischer Sicht ungenügend weiten Resektionsrandes problematisch sein.
Mit den modernen Bildgebungsverfahren, insbesondere
der Kernspintomographie mit ihren unterschiedlichen
Aufnahmesequenzen, kann man heute sehr effizient den
Tumor selbst und seine reaktive Zone darstellen. Hierbei
ist es jedoch häufig nicht möglich, in der reaktiven Zone
zwischen unspezifischer Reaktion und infiltrativem Tumorwachstum bzw. Mikrometastasierung zu unterscheiden.
Noch problematischer ist die Situation im Hinblick auf
die Einschätzung der ursprünglichen Tumorgrenzen, besonders wenn der Tumor auf eine neoadjuvante Therapie,
z. B. der Polychemotherapie, gut angesprochen hat. Insbesondere beim Ewing-Sarkom verschieben sich die Grenzen derart, dass der ehemals aus dem Knochen gewachsene, extrakompartmentelle Tumoranteil als Weichteilkomponente vollständig verschwindet (s. Abb. 1.1.9 a u.
b). Auch histologisch erkennt man dann in dem der Tumorkapsel anliegenden Gewebe keine vitalen Tumorformationen sondern evtl. nur noch geringe reaktive Veränderungen. Dies hat entscheidende Bedeutung für die
Qualitätsbeurteilung der chirurgischen Ränder im Rahmen der Tumorresektion. Auf die genaue Definition der
chirurgischen Resektionsränder wird im Kapitel 1.5 eingegangen.
Allgemeine Stadieneinteilung
Knochen- und Weichteiltumoren werden in erster Linie
nach ihrem histologischen Bild klassifiziert. Der gleiche
Tumor kann aber bei verschiedenen Patienten in einem
unterschiedlichen Stadium diagnostiziert werden. Es ist
deshalb notwendig, sich an einem System zu orientieren,
das die Tumoren in Gruppen mit ähnlichem Stadium und
demnach ähnlicher Prognose einteilt. Dazu wird das TNMSystem benutzt (Fletcher u. Mitarb. 2002). Mit T wird die
Gröûe des Tumors bezeichnet (T0 ±T3), mit N das Vorliegen regionaler Lymphknotenmetastasen (N0 ±N1) und mit
M das Vorhandensein von Metastasen (M0 ±M1).
Von Enneking u. Mitarb. (1980) und Enneking (1983,
1986) wurde das ¹Musculoskeletal Tumour Society Staging-Systemª eingeführt, das mittlerweile vorwiegend
verwendet wird. Das System beruht auf drei Parametern:
I G: Malignitätsgrad des Tumors,
I T: anatomische Ausdehnung des Tumors,
I M: Grad der Metastasierung.
Tumorgrad (G)
Generell wird histogenetisch zwischen niedrigmalignen
und hochmalignen Tumoren unterschieden. Im Vergleich
zum TNM-System unterscheidet Enneking bei bösartigen
Tumoren nur 2 Malignitätsgrade (G1 und G2), während
beim TNM-System teils 2, 3 bzw. 4 Grade zur weiteren
Tumorcharakterisierung beschrieben werden. Zur Vergleichbarkeit der Systeme informiert Tabelle 1.1.2.
Mit dem histologischen Grading wird versucht, das biologische Verhalten des Tumors zu beschreiben. Enneking
u. Mitarb. (1980) klassifizieren zwischen G0, G1 und G2
wie folgt:
I G0 beschreibt einen gutartigen Tumor, der gut differenziert ist und eine deutliche Kapsel ohne Tumorsatelliten, Skip-Läsionen oder Metastasen zeigt.
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13
14
1.1 Allgemeine Pathologie der Knochentumoren und tumorartigen Läsionen
_____
Tab. 1.1.2
Histopathologisches Grading
Enneking
TNM zwei
Grade
TNM drei
Grade
TNM vier
Grade
Niedrigmaligne
(G1)
Low-grade
Grad 1
Grad 1
Grad 2
Hochmaligne
(G2)
Tab. 1.1.3
_____
High-grade
Grad 2
Grad 3
Grad 3
Grad 4
Klassifikation der anatomische Tumorausdehnung
(T1 ± 2) in Relation zum Kompartmentbegriff nach
Enneking (1983)
Intrakompartmentell
(T1)
Extrakompartmentell (T2)
Intraossär
Kortikalispenetration mit Weichteilreaktion
Intraartikulär
extraartikuläre Ausdehnung
Haut: epifaszial
Haut: subfaszial
paraossal
intraossäre oder Weichgewebepenetration
Per Definition intrakompartmentell:
Strahlen der Hand
Strahlen des Fuûes
Wade
per Definition extrakompartmentell:
Mittelhand
Mittel- und Rückfuû
Poplitealregion
Oberschenkel
Ventrolateral
Ventral
Medial
Dorsal
Kniegelenk
Leistendreieck
Region um Foramen obturatorium
Region um Foramen ischiadicum
Unterarm
Volar
Dorsal
Ventral
Dorsal
Ellenbeuge
Ellenbogengelenk
Achselhöhle
Deltoidregion
periklavikulär
Skapularegion
paraspinal, Hals, Kopf
I G1 bedeutet niedriggradig bösartig und trifft auf Tumoren zu, die sich meist schmerzlos, überwiegend langsam vergröûern, moderate Zelldedifferenzierung aufweisen und extrakapsuläre Satelliten aufweisen können.
I G2 klassifiziert hochgradig bösartige Tumoren, die
durch schlechte Differenzierung, Zellaplasien und
schnelles Wachstum charakterisiert sind. Sie neigen
zur frühen regionalen und systemischen Metastasierung.
Anatomische Lokalisation
zum Kompartment (T)
Die Lagebeziehung des Tumors in seinem Kompartment
zu seiner Pseudokapsel und reaktiven Zone spiegelt die
Aggressivität der Läsion wider. Dieses Verhältnis kann
das Verhalten des Tumors voraussagen. Deshalb ist es
wichtig, dies möglichst vor einer chirurgischen Behandlung zu analysieren. Intrakapsuläres Wachstum wird
nach dem Staging-System von Enneking mit T0, intrakompartmentelles Wachstum mit T1 und extrakompartmentelles Wachstum mit T2 bezeichnet.
Enneking hat dazu eine Klassifikation der anatomischen Tumorausdehnung vorgenommen, die in Tabelle
1.1.3 wiedergegeben wird. Durch Kortikalisperforation
wird ein Tumor z. B. als extrakompartmentell definiert. Es
werden auch bestimmte anatomische Abschnitte wie z. B.
die langen Fingerstrahlen der Hand oder die Wade als
intrakompartmenteller Raum beschrieben, während eine
Tumorlokalisation in der Fossa poplitea als extrakompartmentell gilt.
Metastasen (M)
Man unterscheidet im System nach Enneking u. Mitarb.
(1980) die Stadien M0 = keine Metastasen und M1 = Vorhandensein von Metastasen.
Mit der nun vorhandenen Definition nimmt Enneking
eine Stadieneinteilung in gutartige und bösartige Knochentumoren vor, an der sich der onkologische Chirurg
orientieren kann (s. Kap. 1.5).
Stadieneinteilung gutartiger Tumoren
Gutartige Tumoren (G0) des Knochens werden entsprechend ihres Wachstumscharakters in 3 gesonderte Stadien
eingeteilt:
I Stadium 1 (latente Läsionen): Dies sind gutartige, intrakapsuläre Tumoren, die während der Kindheit oder
Adoleszenz wachsen und sich anschlieûend statisch
verhalten oder von selbst ausheilen (Abb. 1.1.11 a).
I Stadium 2 (aktive Läsionen): Es handelt sich hierbei
um Tumoren, deren natürliches Wachstumsverhalten
nicht selbstlimitierend ist. Das progressive Wachstum
dehnt sich aus und induziert in der Randumgebung des
Tumors eine unregelmäûige, irreguläre Reaktion zwischen Läsion und Pseudokapsel, ohne diese jedoch zu
durchdringen (Abb. 1.1.11 b).
I Stadium 3 (aggressiv wachsende Läsionen): Bei den
aggressiven, gutartigen Läsionen führt das invasive
Wachstumsverhalten zu einer Penetration der Pseudokapsel, die teilweise nicht mehr abgegrenzt werden
kann, in benachbarten Knochen oder Faszie. Der
Tumor wächst extrakapsulär (T1) oder sogar extrakompartmentell (T2). Das Risiko, in der reaktiven Zone Tumorsatelliten anzutreffen, ist hoch (Abb. 1.1.11 c).
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1.1 Allgemeine Pathologie der Knochentumoren und tumorartigen Läsionen
a
b
c
1
2
3
Abb. 1.1.11 a ± c Stadieneinteilung der gutartigen Knochentumoren nach Enneking (1980).
a Stadium 1: gutartiger, latenter Tumor.
b Stadium 2: gutartiger, aktiver Tumor, der sich mit seinem
Wachstumsverhalten mehr ausdehnt, aber allseits von Kortikalis bedeckt ist und diese nicht penetriert.
c Stadium 3: gutartiger, aggressiv wachsender Tumor, der teilweise aufgrund seiner Aggressivität extrakompartmentelles
Wachstum zeigt (Linien).
Stadieneinteilung bösartiger Tumoren
Tab. 1.1.4
Bösartige Knochentumoren (G1+2) werden ebenfalls in 3
Stadien eingeteilt, die durch römische Kennziffern bezeichnet werden. Jedes dieser Stadien wird noch in A und
B unterteilt, abhängig davon, ob ein Tumor innerhalb des
Kompartments (A) oder extrakompartmentell (B) gewachsen ist:
I Stadium I: niedriggradige Bösartigkeit (G1) mit intrakompartmenteller (A) oder extrakompartmenteller (B)
Tumorausdehnung ohne Metastasen.
I Stadium II: hochgradige Bösartigkeit (G2) mit intrakompartmenteller (A) oder extrakompartmenteller (B)
Tumorausdehnung ohne Metastasen.
I Stadium III: Metastasierung des Tumors mit gleichzeitig vorliegender intrakompartmenteller (A) oder extrakompartmenteller (B) Tumorausdehnung.
Eine Übersicht über die unterschiedlichen Stadien bösartiger Knochentumoren enthält Tabelle 1.1.4.
Die Abbildung 1.1.12 a zeigt einen intraossären, niedrig
malignen Tumor im Stadium IA, der intrakompartmentell
gewachsen ist. Abbildung 1.1.12 b stellt den permeativen
Wachstumscharakter einer Stadium IB-Läsion dar, die das
Kompartment des Oberschenkelknochens in einigen Arealen bereits verlassen hat.
Die Abbildung 1.1.13 a zeigt eine hochmaligne Läsion
im Stadium IIA, die bereits noch im intrakompartmentellen Stadium in ihrer reaktiven Zone einige Tumorsatelliten
demonstriert. Der Tumor wächst weiter nach extrakom-
_____
Stadiensystem maligner Knochentumoren nach
Enneking (1983)
Stadium
Grad
Lokalisation
Metastasen
IA
niedrigmaligne
(G1)
intrakompartmentell (T1)
keine (M0)
IB
niedrigmaligne
(G1)
extrakompartmentell (T2)
keine (M0)
IIA
hochmaligne
(G2)
intrakompartmentell (T1)
keine (M0)
IIB
hochmaligne
(G2)
extrakompartmentell (T2)
keine (M0)
IIIA
(G1 + G2)
intrakompartmentell (T1)
vorhanden (M1)
IIIB
(G1 + G2)
extrakompartmentell (T2)
vorhanden (M1)
partmentell in ein Stadium IIB (Abb. 1.1.13 b) und penetriert die natürlichen Grenzschichten des angrenzenden
Gewebes. Auch hier sind massiv Tumorsatelliten in der
reaktiven Zone und im Kapselgewebe zu erkennen.
Die Abbildung 1.1.14 zeigt den ehemalig hochmalignen
Tumor, der vom Stadium IIB in ein Stadium IIA überführt
wurde.
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1.1 Allgemeine Pathologie der Knochentumoren und tumorartigen Läsionen
a
Abb. 1.1.12 a u. b Knochentumoren im Stadium IA und IB.
a Intraossärer, niedrig maligner
Tumor im Stadium IA, der intrakompartmentell gewachsen ist.
b Permeativer Wachstumscharakter
einer Stadium-IB-Läsion, die das
Kompartment des Oberschenkelknochens in einigen Arealen bereits verlassen hat (Linien).
b
a
b
S
S
Abb. 1.1.13 a u. b Hochmaligne
Läsion im Stadium IIA (a), die bereits
im intrakompartmentellen Stadium
in ihrer reaktiven Zone einige Tumorsatelliten (S) zeigt. Die Läsion
wächst nach extrakompartmentell
in ein Stadium IIB und penetriert die
natürlichen Grenzschichten des angrenzenden Gewebes (Linien) In der
reaktiven Zone und im Kapselgewebe sind massiv Tumorsatelliten zu
erkennen (b).
S
Abb. 1.1.14 Hochmaligner Tumor mit Down-Staging: Diese Abbildung zeigt den ehemalig hochmalignen Tumor, der zentral
Einblutungen und Nekrosen statt vitalem Tumorgewebe aufweist
sowie eine deutliche Verdickung seiner Pseudokapsel mit nekrotisierten, ehemaligen Tumorsatelliten (eS). Die Linienkonturen
stellen die ehemalige Gröûenausdehnung des Tumors dar, der
nun vollständig in sein Ursprungskompartment zurückgedrängt
und somit vom Stadium IIB in ein Stadium IIA überführt wurde.
eS
eS
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