Allgemeine Pädagogik

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Inhalt
Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9
1
Einführung in die Pädagogik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11
1.1
1.2
1.3
1.4
Definition: Was ist Pädagogik? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Menschenbild der Pädagogischen Anthropologie . . . . . . Wissenschaftstheorien der Pädagogik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die vier Säulen der Pädagogik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2
Sozialisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20
2.1
2.2
2.3
2.4
2.5
Definition: Was ist Sozialisation? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die wichtigsten Sozialisationsinstanzen:
Familie, Schule und Beruf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Anlage-Umwelt-Diskurs in der Wissenschaft . . . . . . . . . . Theorien der Sozialisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sozialisation vor dem Hintergrund postmoderner
Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3
Erziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38
3.1
3.2
3.3
Definition: Was ist Erziehung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Geschichte der Kindheit und Erziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.1 Repressive Erziehung und Gegenströmungen . . . . . . 3.2.2 Wandel der Erziehungsziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erziehung und ihr Zusammenhang mit der Entwicklung
von Kindern und Jugendlichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.1 Erziehungsziel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.2 Erziehungsmittel und Disziplinierungsarten . . . . . . 11
13
15
17
20
22
22
27
31
38
41
42
52
55
55
57
5
6
Inhalt
4
Bildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62
4.1 Definition: Was ist Bildung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2 Geschichte von Bildung und Schule . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.1 Wandel der Bildung von der Antike bis heute . . . . . 4.2.2 Möglichkeiten und Grenzen einer Schule
der Zukunft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3 Schule und ihre Auswirkungen auf Kompetenzerwerb
und soziale Entwicklung von Kindern und Jugendlichen . . 4.3.1 Schule als Bildungsinstitution:
Vermittlung von Kompetenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.2 Schule als Erziehungsinstitution:
Vermittlung von sozialen Werten . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.3 Der „heimliche Lehrplan“ der Schule: Ein Überblick
über die Schul- und Klassenklimaforschung . . . . . . . 62
64
65
67
69
71
74
80
5
Lernen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84
5.1
5.2
5.3
5.4
5.5
5.6
Definition: Was ist Lernen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Theorien des Lernens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.1 Klassische Konditionierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.2 Instrumentelle Konditionierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.3 Soziales Lernen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.4 Kognitivismus und Konstruktivismus . . . . . . . . . . . . Lernstrategien und Lernplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Attribuierung, Motivation und Emotionen
bei Lernprozessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Didaktik und Curriculum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Leistungsfeststellung und Leistungsmessung . . . . . . . . . . . . . 6
Kinder und Jugendliche als Adressaten von Erziehung und Bildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111
84
88
88
90
93
97
100
101
105
108
6.1 Strukturell-gesellschaftliche Bedingungen der Kindheit und
Jugend in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111
Inhalt
6.2
6.3
Ein Überblick über die Entwicklung von Kindern und
Jugendlichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2.1 Entwicklung der kognitiven Vorstellungswelt . . . . . 6.2.2 Entwicklung von Bindung und Sozialverhalten . . . . 6.2.3 Entwicklung der Identität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2.4 Entwicklung von Moral und Wertorientierung . . . . Die Vorstellungswelt von Kindern und Jugendlichen:
Ein Überblick über Studien zu Einstellungen und
Perspektiven junger Menschen in Deutschland . . . . . . . . . . . 7
Pädagogik für alle Lebensalter: Von der Elementarpädagogik bis zur Geragogik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137
8
Wie kommt die Pädagogik zu ihren Erkenntnissen? Eine Einführung in die wichtigsten Forschungsmethoden . . . . 151
8.1
8.2
8.3
8.4
Gütekriterien pädagogischer wissenschaftlicher Forschung Geisteswissenschaftliche Forschungsmethoden . . . . . . . . . . Quantitative empirische Forschungsmethoden . . . . . . . . . . . Qualitative empirische Forschungsmethoden . . . . . . . . . . . . 113
113
117
120
124
126
151
154
155
158
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162
Glossar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167
Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170
Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171
7
20
2 | Sozialisation
Überblick
In Kapitel 2 rückt die Sozialisation als Überbegriff von Erziehung, Bil­
dung und Lernprozessen ins Zentrum der Diskussion. Familie gilt als
primäre, Schule als sekundäre, sowie Arbeitswelt und Universität als
tertiäre Sozialisationsinstanz. Diese drei Hauptsozialisationsinstan­
zen üben Einfluss auf das Individuum aus. Es wird erläutert, wie sich
dieser Einfluss gestaltet. Hinzu kommen Theorien der Sozialisation,
welche deren Wirkmechanismen aufzeigen, etwa der Strukturfunkti­
onalismus, der Symbolische Interaktionismus und die ökologische
Systemtheorie, die in ihren Grundzügen umrissen werden. Abschlie­
ßend beschäftigen uns aktuelle gesellschaftliche Entwicklungen, die
mit Schlagworten wie Risikogesellschaft, postmoderne Gesellschaft,
Globalisierungsprozesse und soziale Polarisierungs­tendenzen be­
schrieben werden. Ihnen wird ein enormer Einfluss auf die Sozialisa­
tion eines jeden Menschen zugeschrieben – im schlimmsten Fall so­
gar eine Gefährdung der individuellen Identitätsbildung sowie der
gesellschaftlich geteilten, gemeinsamen Handlungspraxis.
2.1
Definition: Was ist Sozialisation?
2.2
Die wichtigsten Sozialisationsinstanzen: Familie,
Schule und Beruf
2.3
Der Anlage-Umwelt-Diskurs in der Wissenschaft
2.4
Theorien der Sozialisation
2.5
Sozialisation vor dem Hintergrund postmoderner Gesellschaft
2.1 | Definition: Was ist Sozialisation?
Begriff Sozialisation
Der Begriff Sozialisation leitet sich etymologisch vom lateinischen Begriff sociare, das heißt „verbinden“, ab. Bildlich gesprochen stiftet die
Sozialisation das verbindende Band zwischen dem einzelnen Menschen und der Gesellschaft.
Definition: Was ist Sozialisation?
21
Die Sozialisation umfasst alle Prozesse der Persönlichkeitswerdung Persönlichkeitswerdung
des Menschen in Auseinandersetzung mit der materialen, sozialen und des Menschen
institutionellen Umwelt. Ziel der Sozialisation ist die vollständig entwickelte Persönlichkeit (= Identität) des EinMerksatz
zelnen, wobei Sozialisation ein lebenslanger
Prozess ist. Wie der Begriff der „AuseinanderSozialisation ist ein lebenslanger, bidirektio­
naler Prozess, der die Persönlichkeitswer­
setzung“ nahe legt, geschieht die Entwickdung des Menschen in produktiver Auseinan­
lung der Persönlichkeit nicht durch eine direkte Übernahme von z. B. gesellschaftlichen
dersetzung mit seiner Umwelt und die Rück­
Normen, Rollen und Kulturanschauungen.
wirkungen des Menschen auf seine Umwelt
Vielmehr findet eine Wechselwirkung zwibeinhaltet. Das Ziel ist die vollständig ent­
wickelte Identität des Einzelnen und die Ent­
schen dem Individuum und seiner Umwelt
wicklung einer gemeinsamen Handlungs­
statt, ein sog. „bidirektionaler Prozess“. Zum
einen verarbeitet jeder Mensch die Erfahrunpraxis.
gen in seiner Umwelt auf produktive, individuelle Weise. Zum anderen werden gesellschaftliche Normen, Rollen
und Kulturanschauungen nicht kritiklos übernommen. Jedes Individuum wirkt auf seine Umwelt zurück und übt dadurch Einfluss auf seine
Umgebung aus. Am Ende steht folglich nicht die übernommene Identität, sondern die selbsterarbeitete Persönlichkeit (Y Kap. 6.2.3).
Neben der Persönlichkeitsentwicklung des Menschen in Auseinan- Entwicklung einer
dersetzung mit seiner Umwelt umfasst Sozialisation auch die Ent- gemeinsamen
wicklung einer gemeinsamen Handlungspraxis in einer Gesellschaft, also ­Handlungspraxis
das Herausbilden von Werten, Normen, Kommunikationsstrukturen
und Rollenmustern (Hurrelmann / Ulich 1999).
Beispiel
Als Beispiel für einen Prozess der Sozialisation kann die Herausbildung
einer eigenständigen Wertorientierung sowie die Entwicklung einer ge­
sellschaftlich geteilten Werte- und Normenbasis genannt werden. Die
Werteentwicklung ist niemals abgeschlossen. Werte werden von jüngeren Menschen nicht passiv von der älteren Generation übernommen,
sondern Kinder und Jugendliche wirken ebenfalls auf die Einstellung ih­
rer Eltern und die gesamte Gesellschaft zurück (Begriff „Wertewandel“).
22
Sozialisation
2.2 | Die wichtigsten Sozialisationsinstanzen: Familie, Schule und Beruf
Soziale Gruppen
Persönlichkeit und Handlungspraxis bilden sich in Auseinandersetzung mit der materialen, geistigen und sozialen Umwelt des Einzelnen heraus. Insbesondere sozialen Gruppen und Institutionen kommt
im Sozialisationsprozess herausgehobene Bedeutung zu, da diese in
Interaktion und Kommunikation mit dem Einzelnen gesellschaftliche
Wirklichkeit vermitteln und in die Diskussion über gesellschaftliche
Normen, Erwartungen und Rollen eintreten.
Beispiel
Beispielsweise erlebt das Kind das abstrakte gesellschaftliche Prinzip
der Gleichheit aller Menschen darüber, dass alle Geschwister in einer
Familie und alle Schülerinnen und Schüler in einer Klasse von den Eltern beziehungsweise Lehrkräften möglichst gleichberechtigt behandelt werden sollten ohne Bevorzugung einzelner.
Im Allgemeinen werden, gemäß dem Lebensalter des Individuums und
deren Bedeutung im Lebenslauf, Instanzen der primären, sekundären
und tertiären Sozialisation unterschieden. Daneben wird den Medien
oft die Rolle einer „heimlichen Sozialisationsinstanz“ zugeschrieben
(Hurrelmann / Bründel 2003). Heimliche Sozialisationsinstanzen treten
nicht in einen direkten persönlichen Kontakt mit der Person, wie z. B.
Merksatz
die Sozialisationsinstanzen FamilienmitIm Sozialisationsprozess treten soziale Grup­
glieder oder Arbeitskollegen, sondern spiepen und Institutionen mit dem Individuum in
geln auf indirektem Wege gesellschaft­liche
Wechselwirkung, die als Sozialisationsins­
Werte oder mögliche Handlungsweisen in
tanzen bezeichnet werden. Familie und Peer­
bestimmten Situationen wider. Hierbei wir­
group gelten als primäre, Schule als sekun-
ken Medien stark normierend. Über Medien
däre sowie Arbeitswelt und Universität als werden insbesondere Strömungen des sogetertiäre So­zialisationsinstanz.
nannten Zeitgeistes transportiert.
­Sozialisationsinstanzen
2.3 | Der Anlage-Umwelt-Diskurs in der Wissenschaft
Anlage-Umwelt-Debatte
Eine der wichtigsten Fragestellungen der Sozialisation bezieht sich auf
die Frage, ob die individuelle und eigenständige Persönlichkeit jedes
Menschen primär durch seine genetischen Anlagen determiniert ist,
oder ob der Einzelne hinsichtlich seiner Persönlichkeit in erster Linie
23
Der Anlage -Umwelt-Diskurs in der Wissenschaft
| Tab. 3
Die Instanzen der Sozialisation
Instanz der
­Sozialisation
Aufgabe im
­Sozialisations-
prozess
Instanz der primären Sozialisation:
Familie
Instanz der sekundären
­Sozialisation:
Schule
Prozess der
­Soziabilisierung
Prozess der Enkulturation
Einführung in die basalen
Grundfertigkeiten einer
Gesellschaft (Sprache etc.)
(Ur)vertrauensentwicklung
etwa in Abhängigkeit der
Qualität der Eltern-KindBeziehung
Erlernen grundlegender
Werte
Erlernen grundlegender
Kulturtechniken (Schrift,
Mathematik etc.)
Erlernen von Normen,
Regeln, Konventionen
sowohl durch die Institution Schule selbst (Klassensprecherwahl etc.) als auch
durch den inoffiziellen
Umgang mit einer Gruppe
Gleichaltriger/„Peers“.
Instanz der tertiären
­Sozialisation:
Arbeitswelt und Universität
Prozess der Individuation
Lebenslanger Prozess der
Menschwerdung, das
heißt Herausbildung einer
eigenständigen, indivi­
duellen Überzeugung
po­litischer, gesellschaft­
licher Art
durch die Umwelt geprägt ist. Diese Fragestellung wird auch als Anlage­Umwelt-Debatte bezeichnet.
Theorien, welche davon ausgehen, dass der Mensch in erster Linie
Entwicklung über die Entfaltung seiner Veranlagungen oder seiner gene­
tischen Grundausstattung erfährt, basieren auf der Anlage-Annahme.
Theorien, welche davon ausgehen, dass das Verhalten in erster Linie
durch die Umwelt determiniert wird, basieren auf der Umwelt-Annahme. Der Umwelteinfluss bezieht sich nicht nur auf die aktuellen Reize
und Einflussgrößen, die in der gegenwärtigen Situation wirken, sondern auch auf die Einflussgrößen, die im Laufe der Erziehungs- und
Lerngeschichte den Einzelnen prägen und geprägt haben.
Extrempunkte in der Theoriebildung hinsichtlich der Anlage-Umwelt-Debatte stellen die Verhaltensbiologie (Anlage-Annahme) und der
Behaviorismus (Umwelt-Annahme) dar.
Die Verhaltensbiologie geht davon aus, dass die Entwicklung der
Per­sönlichkeit auch als Reifungsprozess dargestellt werden kann. Dies
bedeutet, dass wie sich der Mensch entwickelt, völlig durch seine
Erban­lagen determiniert ist, auf welche die Umwelt wenig Einfluss
hat. Die Reifung soll sich dabei in erster Linie in sogenannten kritischen oder sensiblen Phasen vollziehen. Hierunter wird ein Zeitfenster
gefasst, in welchem sich bestimmte Erbanlagen optimal entfalten können. Die Verhaltensbiologie stützt sich in ihrer Argumentation häufig
auf Tierbe­obachtungen oder ethnologische Beobachtungen. Ähnlich
Anlage-Annahme
24
Sozialisation
geartetes tie­risches wie menschliches Verhalten, etwa bei Imponieroder Drohgebärden, wurde als Beleg für die Dominanz der genetischen
Struktur gewertet. Auch ethnologische Studien belegen, dass bestimmte Entwicklungsschritte über alle Völker hinweg nach relativ einheit­
lichem Muster ablaufen (vgl. etwa Eibl-Eibesfeldt 1991).
Beispiel
In seinen Tierstudien sowie ethnologischen Studien führt ­Eibl-Eibesfeldt
die Drohgebärden des Menschenaffen an sowie die über alle Kulturen
hinweg vorherrschende Sitte der männlichen Mitglieder, die Imposanz
ihres Erscheinungsbildes über die Betonung der Schultern zu erhöhen:
„Der Haarstrich des heutigen Menschen verläuft so, dass wir beim
Haare­sträuben vor allem den Schulterumriss vergrößern würden, hätten wir noch einen Pelz. […] Auch nach dem Abbau des Haarkleides
blieb beim Menschenmann die Neigung erhalten, seine Schultern zu
betonen. In den verschiedensten Kulturen neigt der Menschenmann
dazu, seine Schultern modisch zu betonen.“ (Eibl-Eibesfeldt 1991, 28f).
Umwelt-Annahme
Den anderen Extrempunkt in der Theoriebildung hinsichtlich der An­
lage-Umwelt-Debatte stellt der Behaviorismus in seiner extremsten
Ausprägung dar: Der Mensch ist nach dieser Schule auf die Umwelt
und ihre verhaltensformenden Reize bezogen (Y Kap. 5.2.1 und 5.2.2). Unabhängig von der Genstruktur wirkt nur die Umwelt sowohl determinierend hinsichtlich der Ausprägung der Persönlichkeit, als auch hinsichtlich des Verhaltens, das in einer bestimmten Situation gezeigt
wird. Persönlichkeit wird im klassischen Behaviorismus somit nur als
gelernte Verbindung zwischen Reizen und Reaktionen definiert, also
als Grundmuster an gelernten Verhaltensweisen, die in bestimmten
Situationen auf Auslösereize hin gezeigt werden. Auch im Behaviorismus werden die Lerngesetze, die in Tierexperimenten gewonnen wurden, auf den Menschen übertragen.
Der Mensch zeigt das Verhalten, das durch Auslösereize hervorgerufen wird und das belohnt wird, und unterlässt ein Verhalten, das
nicht belohnt oder sogar bestraft wird.
Beispiel
Paradigmatisch für diese Schule steht die Aussage Watsons, der von
der völligen Determiniertheit des Menschen von der erlebten Erziehungs- und Erfahrungsumwelt ausgeht und verkündete, dass er ein
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