54 4 Berechnung von Stromkreisen bei Gleichstrom In diesem Kapitel werden stationäre Vorgänge beschrieben, die sich in elektrischen Stromkreisen ergeben. Stationär soll heißen, dass ein Zustand betrachtet wird, der sich ergibt, wenn man nach dem Einschalten so lange abwartet, bis alle evtl. auftretenden Ausgleichsvorgänge abgeklungen sind. Dies betrifft besonders Schaltungen, in denen Energiespeicher enthalten sind, also Kondensatoren oder Spulen. Die verwendeten Quellen liefern konstante Spannungen und Ströme. Viele Ergebnisse, die hier gewonnen werden, sind jedoch übertragbar auf dynamische Vorgänge und auf Schaltungen, die mit Wechselstrom betrieben werden. 4.1 Kirchhoff´sche Gesetze Häufig sind elektrische Netze verzweigt und vermascht (daher auch der Name Netze). Zur mathematischen Beschreibung sind daher das 1. und 2. Kirchhoff´sche Gesetz von fundamentaler Bedeutung. Als erstes lernen wir den Knotenpunkt-Satz oder das 1. Kirchhoff´sche Gesetz kennen. Dazu betrachten wir das folgende Bild. I2 I1 I3 I5 Bild 4.1: I4 Knotenpunkt Wie wir wissen, handelt es sich beim elektrischen Strom um den Transport von Ladungsträgern. Wenn in den obigen Knotenpunkt, der die Verbindungsstelle mehrerer elektrischer Leiter darstellt, von verschiedenen Stellen eine bestimmte Anzahl von Ladungsträgern pro Zeiteinheit hineinfließt und der Knotenpunkt selbst keine Speicherfähigkeit besitzt, muß die gleiche Anzahl von Ladungsträgern auf anderen Wegen wieder hinaus fließen. Für den Knotenpunkt muß gelten: I1 − I 2 + I 3 + I 4 − I5 = 0 oder allgemein n ∑I v =1 v =0 In einem Knotenpunkt ist die Summe aller Ströme Null. Wie man oben sieht, werden die in den Knoten hineinfließenden Ströme positiv gezählt und die herausfließenden negativ. Diese Gleichung gilt übrigens auch dann, wenn man die tatsächliche Stromrichtung in den einzelnen Leitern noch gar nicht kennt. Sie gilt nach willkürlicher 55 Festlegung einer Stromrichtung für jeden Leiter (Zählpfeil). Wenn sich durch Rechnung oder Messung herausstellt, dass die angenommene Stromrichtung verkehrt ist, ist in der obigen Gleichung einfach der betreffende Strom mit einem negativen Vorzeichen einzusetzen. Das 2. Kirchoff´sche Gesetz wird auch als Maschensatz bezeichnet. Eine Masche ist ein geschlossener Umlauf in einem elektrischen Netzwerk. Ein stark vermaschtes Netzwerk enthält möglicherweise viele immer wieder unterschiedliche geschlossene Umläufe. Wir betrachten aber zunächst nur eine einzige Masche. U2 - + R2 U1 Uq2 R1 R3 U3 Umlauf + Uq1 - I Bild 4.2: Maschenumlauf In dem abgebildeten Umlauf sind zwei Spannungsquellen und drei ohmsche Widerstände enthalten. Es fließt überall der gleiche Strom I. Die ohmschen Widerstände stellen Verbraucher dar. Sie nehmen Leistung auf. Diese Leistung muß von den beiden Quellen bereitgestellt werden. In diesem Beispiel ist leicht und ohne Rechnung zu bestimmen, welche Richtung der Strom nehmen wird. Die Spannungsabfälle an den einzelnen Widerständen weisen in die gleiche Richtung. Wenn die Zählpfeile für Spannung und Strom wie hier an Verbrauchern in die gleiche Richtung und an Quellen in unterschiedliche Richtung zeigen, sprechen wir von einem VerbraucherZählpfeilsystem. In diesem Umdruck wird nur das Verbraucher-Zählpfeilsystem benutzt. Wir machen nun einen Maschenumlauf und addieren die vorhandenen Spannungen in der Weise, dass wir Spannungen, die in Richtung des Umlaufs weisen, positiv und entgegen gerichtete Spannungszählpfeile negativ zählen. Die Summe aller Spannungen in der Masche muß Null sein. U 1 + U 2 − U q 2 + U 3 − U q1 = 0 oder allgemein n ∑U v =1 v =0 In einer Masche eines elektrischen Netzwerks ist die Summe aller Spannungen gleich Null. 56 Mit diesen beiden grundlegenden Gesetzen ist es möglich, auch komplizierte elektrische Netzwerke formelmäßig zu beschreiben. 4.2 Grundstromkreis, Kurzschluß, Leerlauf, Anpassung, Energie und Leistung, Wirkungsgrad Bisher sind wir davon ausgegangen, dass sich jede beliebige Spannung und jeder beliebige Strom durch ideale Spannungs- bzw. Stromquellen erzeugen lassen. In der technischen Realität gibt es jedoch selten ideale Quellen. Häufig entstehen schon in der Spannungs- oder Stromquelle Verluste, die sich in Form von Wärmentwicklung äußern. Daher wird bei der Beschreibung von realen Quellen in der Regel ein Innenwiderstand als diskretes Bauteil zusätzlich zu einer idealen Quelle verwendet. Durch diese Form der Beschreibung kann man das reale Verhalten technischer Spannungs- und Stromquellen sehr gut nachbilden. Den diskreten Innenwiderstand einer Quelle sucht man allerdings am realen Objekt vergebens. Der gesamte Innenwiderstand verteilt sich mehr oder weniger gleichmäßig über die stromführenden Teile des gesamten Gebildes. Wir betrachten zunächst nur ohmsche Lasten und unverzweigte Stromkreise. Der Grundstromkreis besteht also aus einer Spannungsquelle, deren Innenwiderstand und einem ohmschen Verbraucher. Er bildet eine Masche, auf die das 2. Kirchhoff´sche Gesetz angewendet werden kann. I Ui Ri Uq A A Ra U + - A Ri Uq Ra + - B B aktiver B passiver Zweipol a) Bild 4.3: b) Grundstromkreis (a) und seine Bestandteile (b) Die beiden Zweipole haben ihren Namen daher, dass sie jeweils zwei elektrische Anschlüsse besitzen. Schaltet man einen aktiven und einen passiven Zweipol zusammen, so bildet sich ein Stromkreis. Das gleiche gilt übrigens auch für die Zusammen-Schaltung zweier aktiver Zweipole. Der Strom I ergibt sich aus der im Kreis wirkenden Quellenspannung Uq und dem gesamten wirksamen Widerstand, in diesem Falle also aus der Summe von Ri und Ra. 57 Der Strom I ist leicht zu berechnen: I= Uq Rges = Uq Ri + Ra Die Spannung U an Ra wird in diesem Fall auch Klemmenspannung genannt, da sie zwischen den Klemmen A und B zu messen ist. U = I ⋅ Ra Diese Klemmenspannung ist um den Spannungsabfall an Ri kleiner als Uq. Ui + U − Uq = 0 U = Uq − Ui Dieser Zusammenhang führt zur Spannungsteiler-Regel. U q = U i + U = I ⋅ Ri + I ⋅ Ra = I ( Ri + Ra ) Ri Ra = I + I ⋅ Ri + Ra Ri + Ra Ri Ra + Uq Pq = I ⋅ U i + I ⋅ U = I ⋅ U q Ri + Ra Ri + Ra U = Uq = I ⋅Uq Ra Ri + Ra Die Spannungsabfälle an zwei in Reihe geschalteten Widerständen verteilen sich auf die Widerstände im Verhältnis der Widerstandswerte. Die von der Quelle abgegebene Leistung muß gleich der Summe der aufgenommenen Leistungen an den beiden Verbrauchern sein. Wir variieren nun einmal den Widerstand des Belastungs-Zweipols und ermitteln, wieviel Leistung bei gegebenem aktivem Zweipol an Ra entsteht. P = U ⋅ I = Uq 1. Kurzschluß: Uq Ra ⋅ Ri + Ra Ri + Ra Wenn man den Widerstand Ra zu Null macht, d.h. praktisch man ersetzt ihn durch ein gut leitendes kurzes und dickes Leiterstück (Kurzschlußbrücke), dann verschwindet der erste Bruch, also die Spannung U. Gleichzeitig fließt der größtmögliche Strom IK = Uq/Ri (Kurzschlußstrom). Die übertragene Leistung P wird allerdings wegen der fehlenden Spannung zu Null. 58 Achtung in diesem Falle: Der Kurzschlussstrom IK erzeugt am Innenwiderstand der Spannungsquelle eine hohe Leistung. Diese Leistung erhitzt die Spannungsquelle! P0 = 2. Leerlauf: U q2 Ri Wenn man den Widerstand Ra unendlich macht, d.h. praktisch, dass man den Stromkreis im Belastungszweipol unterbricht, dann wird der zweite Bruch zu Null, also der Strom I. Jetzt wird die Spannung an den Klemmen maximal U = Uq. Die Leistung P wird wieder zu Null, weil der Strom fehlt. Diesmal bleibt die Spannungsquelle kalt. Wir betrachten nun, was zwischen den beiden Extrema passiert. Offenbar gibt es irgendwo ein Maximum der Leistung. Wir leiten also die Leistung nach dem Widerstand Ra ab. P = U ⋅ I = U q2 Ra ( Ri + Ra ) 2 ( Ri + Ra ) 2 − Ra ⋅ 2( Ri + Ra ) dP 2 = Uq dRa ( Ri + Ra ) 4 ( Ri + Ra ) 2 − Ra ⋅ 2( Ri + Ra ) = 0 Ri2 + 2 Ri Ra + Ra2 − 2 Ri Ra − 2 Ra2 = 0 Ri2 − Ra2 = 0 Ri = Ra Wenn der Außenwiderstand Ra gleich dem Innenwiderstand Ri ist, wird die übertragene Leistung maximal! In diesem Fall sprechen wir von Anpassung des Verbrauchers an die reale Quelle. In der Anpassung ist die Leistung, die der Verbraucher aufnimmt, genau so groß wie die Leistung am Innenwiderstand der Spannungsquelle. Ist Ra kleiner als Ri, sprechen wir von Unterpassung, ist er größer von Überpassung. Wir formen jetzt den Ausdruck für die Leistung etwas um und stellen ihn dann graphisch dar. P = U ⋅ I = U q2 Ra ( Ri + Ra ) 2 Ra Ri = Ri R 2 1 + a Ri U q2 59 Die von der Quelle abgegebene Leistung ist Pq = P U q2 Ri + Ra = U q2 1 1 = P 0 R Ri 1 + Ra 1 + Ra Ri i P0 Pq P0 4 P Pi UP Bild 4.4: 1 AP 3 ÜP Ra Ri Leistungsaufnahme eines Verbrauchers an einer realen Spannungsquelle abhängig vom Verhältnis Ra/Ri Nun ist noch interessant zu wissen, wieviel der von der Quelle abgegebenen Leistung eigentlich beim Verbraucher ankommt. Dazu ermitteln wir den Wirkungsgrad Ra P 1 Ri η= = = R Pq 1 + a 1 + Ri Ra Ri 60 η 1 0,5 AP 1 Bild 4.5: 3 Ra Ri Wirkungsgrad im Grundstromkreis In den verschiedenen Arbeitsgebieten der Elektrotechnik werden unterschiedliche Forderungen an die Leistungsübertragung gestellt und unterschiedliche Schwerpunkte gesetzt: In der Nachrichtentechnik ist oft die Quellenleistung gegeben (z.B. Empfangsleistung einer Antenne) und die Forderung lautet, möglichst viel dieser Leistung an die weiterverarbeitende Elektronik zu übertragen. Dann arbeitet man in der Anpassung und nimmt in Kauf, dass die Hälfte der Leistung verloren geht. In der Energietechnik und Energieverteilung ist die Verbraucher-Leistung gegeben und die Übertragung bestimmt die notwendige Quellen-Leistung. Dort kann man es sich nicht leisten, einen Großteil der erzeugten elektrischen Leistung im Kraftwerk oder auf den Übertragungsleitungen in Wärme zu verwandeln. Man achtet sehr auf den Wirkungsgrad und arbeitet deshalb in der Überpassung. Das setzt allerdings voraus, dass man in der Lage ist, den Strom abzuschalten, wenn einmal ein Kurzschluß entsteht. Für sehr hohe Ströme und Spannungen sind dazu die sogenannten Lasttrenner entwickelt worden. 4.3 Nichtlineare Widerstände, graphische Arbeitspunktermittlung Die Bestimmung von Strom und Spannung in einem Grundstromkreis ist auch graphisch möglich. In der graphischen Darstellung ist es relativ einfach möglich, auch Schaltungskomponenten mit nichtlinearen Kennlinien zu berücksichtigen. Daher schauen wir uns nun die graphische Methode der Arbeitspunktermittlung an. 61 Für den aktiven und den passiven Zweipol, aus denen der Grundstromkreis besteht, kann jeweils eine Kennlinie gezeichnet werden, wobei jeweils die an den Klemmen meßbare Spannung über dem dazugehörigen Klemmenstrom aufgetragen wird. Im zweiten Schritt zeichnen wir die beiden Kennlinien in ein gemeinsames Diagramm: U Uq U Ik a) I I b) U Uq Uq steigend Ra steigend U Ri steigend c) Bild 4.6: I Ik I Arbeitspunkt-Entstehung im Grundstromkreis a) aktiver Zweipol b) passiver Zweipol c) Grundstromkreis Die Klemmenspannung des aktiven Zweipols geht mit stärker werdendem Strom immer mehr zurück. Das ist durch den Innenwiderstand des Zweipols bedingt. Am Innenwiderstand des Zweipols fällt bei stärker werdendem Strom immer mehr Spannung ab. Dieser Spannungsabfall fehlt an den Klemmen. Schließt man die Klemmen kurz, dann ist zwischen den Klemmen keine Spannung mehr zu messen. Es fließt der maximal mögliche Strom, der Kurzschlußstrom. Dieser Effekt ist uns bekannt z.B. vom Auto. Wenn der Anlasser betätigt wird, fließt ein sehr großer Strom. Die Batterie ist ein aktiver Zweipol, der aus Spannungsquelle und Innenwiderstand besteht. Die Klemmenspannung geht während des Anlaßvorganges sichtbar zurück. Die evtl. eingeschaltete Beleuchtung wird deutlich dunkler. Am passiven Zweipol wächst der Spannungsabfall nach dem ohmschen Gesetz linear mit der Spannung. In der gemeinsamen Darstellung entsteht ein Schnittpunkt. Dieser Schnittpunkt wird als Arbeitspunkt bezeichnet. Er kennzeichnet die Spannungs- und Stromwerte, die sich einstellen, 62 wenn man die beiden Zweipole zusammen schaltet. Die Koordinaten des Arbeitspunktes sind der Strom und die Spannung an den gemeinsamen Klemmen. Ist z.B. der passive Zweipol kein ohmscher Widerstand, sondern ist der Widerstand spannungsbzw. stromabhängig und der Zusammenhang zwischen Spannung und Strom möglicherweise schwer analytisch zu beschreiben, so ist die graphische Arbeitspunktermittlung häufig einfacher als eine rechnerische Vorgehensweise. Wir betrachten einen passiven Zweipol, der aus einem nichtlinearen Widerstand besteht: U U0 ∆U ∆I I I0 Bild 4.7: Nichtlinearer Widerstand Der nichtlineare Widerstand ist dadurch gekennzeichnet, dass nicht an allen Orten der Kennlinie der Quotient U/I (absoluter Widerstand) und die Ableitung dU/dI (differentieller Widerstand) identisch sind. Betreibt man diesen Widerstand zusammen mit dem aktiven Zweipol aus den obigen Beispielen, dann ist der Arbeitspunkt schnell gefunden. Rechnerisch wäre das möglichweise schwieriger. U Uq Ik Bild 4.8: I Arbeitspunktermittlung mit einem nichtlinearen Verbraucher 63 Besonders bei Halbleiter-Bauelementen treten häufig Nichtlinearitäten auf. Dort ist die graphische Arbeitspunktermittlung sehr verbreitet. 4.4 Widerstandsnetzwerke Wenn mehrere Widerstände in Reihe geschaltet sind, fließt durch alle Widerstände der selbe Strom. Er erzeugt an jedem Widerstand einen Spannungsabfall. Die Spannungsabfälle verhalten sich zueinander wie die Widerstandswerte. Daraus ergab sich die schon früher abgeleitete Spannungsteiler-Regel. Wir betrachten nun genauer, was passiert, wenn man Widerstände parallel schaltet. U1 I1 R1 U2 I2 Iges R2 U Bild 4.9: Parallelschaltung von Widerständen An den Klemmen der Anordnung fließt der Strom Iges. An beiden Widerständen liegt die Klemmenspannung U. Für beide Widerstände muß jeweils das ohmsche Gesetz gelten. U = U 1 = U 2 = I 1 ⋅ R1 = I 2 ⋅ R2 Das erste Kirchhoff´sche Gesetz liefert: I ges = I 1 + I 2 Übrigens liefern in dieser einfachen Anordnung beide Knoten das gleiche Ergebnis. Der Strom Iges teilt sich offenbar auf die beiden Parallelzweige auf. Er tut dies nach der Stromteiler-Regel. 64 I ges = I 1 + I 2 = U ( R1 + R2 ) U U + = R1 R2 R1 ⋅ R2 Rges = R1 ⋅ R2 R1 + R2 U = I 1 ⋅ R1 = I 2 ⋅ R2 I 1 ⋅ R1 = ( I ges − I 1 ) ⋅ R2 = I ges ⋅ R2 − I 1 ⋅ R2 I 1 ⋅ ( R1 + R2 ) = I ges ⋅ R2 I1 = R2 I R1 + R2 ges ; I2 = R1 I R1 + R2 ges Die Ströme in zwei parallel geschalteten Widerständen verteilen sich auf die Widerstände im Verhältnis der Leitwerte, also im umgekehrten Verhältnis der Widerstandswerte. Natürlich kommen auch Kombinationen von Reihen- und Parallelschaltung vor. Als Beispiel werden wir die Ausgangsspannung eines belasteten Potentiometers berechnen. Hier ist die Parallelschaltung zweier Widerstände mit einem weiteren Widerstand in Reihe geschaltet. Das Potentiometer ist übrigens ein Beispiel für einen Vierpol. Es gibt zwei Eingangs- und zwei Ausgangsklemmen. R U0 l x Bild 4.10: UT Ra Belastetes Potentiometer Das Potentiometer besteht aus einer Bahn aus leitfähigem Material, das einer Spannung U0 einen Widerstand R entgegensetzt. Auf der Bahn beweglich angebracht ist ein Schleifkontakt, der von Hand oder motorisch bewegt werden kann. Zwischen dem einen Ende des Widerstandes und dem Schleifkontakt kann eine Spannung UT gemessen werden. Wir nehmen an, dass der Widerstand auf der Länge der Bahn gleichmäßig verteilt ist. Ist das Potentiometer nicht belastet, also Ra !", so haben wir es bei der Berechnung von UT nur mit der Reihenschaltung zweier Widerstände zu tun und es ist nur die Spannungsteiler-Regel anzuwenden. 65 Wenn der Widerstand Ra endlich ist, fließt auch über ihn ein Strom. Der untere Teil des Potentiometers bildet dann mit Ra eine Parallelschaltung. l− x ⋅R+ U 0 = (U 0 − U T ) + U T = I l x ⋅ R⋅ R a l x ⋅ R + R a l Spannungsteiler-Regel: x ⋅ R⋅ R a l x⋅R+ R a UT l = x U0 ⋅ R ⋅ Ra l− x ⋅R+ l x⋅R+ R l a l Nach einigen Umformungen erhält man: UT 1 = U 0 ( l − 1)( x ⋅ R + 1) + 1 x l R a Diese Formel enthält als Spezialfall den Fall des unendlich großen Belastungswiderstandes: UT x = U0 l UT U0 1 Ra→∞ R=Ra R>Ra 1 Bild 4.11: x l Ausgangsspannung des belasteten Potentiometers Bekannte Ausführungsformen des Potentiometers sind das Drehpotentiometer am HiFi-Gerät oder das Schiebepotentiometer auf dem Mischpult. 66 Zur Analyse von komplizierteren Schaltungen ist es oft nützlich, (auf dem Papier) eine sogenannten Dreieckschaltung in eine äquivalente sogenannte Sternschaltung umzuwandeln oder umgekehrt. Ein passives Netzwerk, bei dem diese Methode zur Vereinfachung führt, ist im folgenden Bild dargestellt. Rac a d Rbc Rab Bild 4.12: Rcd c b Rbd Gebrückte Schaltung Durch die Existenz von Rbc (dem Brückenwiderstand) wird die Schaltung mit den bisher kennengelernten Methoden unberechenbar. Wäre Rbc nicht vorhanden, hätten wir es mit der Parallelschaltung zweier Reihenschaltungen zu tun und die Berechnung der Ströme fiele nicht schwer. Zunächst einmal wird die Schaltung nur anders dargestellt. Dadurch wird deutlich, dass es eine Dreieckschaltung als Teil des Gesamtnetzwerkes gibt. Die Anschlüsse dieses Dreiecks haben die Nummern a, b und c. Rcd c Rac d Rbc a Rab Bild 4.13: b Rbd Erster Schritt: Identifikation eines Dreiecks in der gebrückten Schaltung Wir suchen nun die Komponenten eines Ersatznetzwerkes für die Dreieckschaltung. Dieses Ersatznetzwerk besteht auch aus drei Widerständen, die aber untereinander anders verschaltet sind, nämlich im Stern. 67 c a Rcd Rc0 Ra0 d 0 Rb0 Rbd b Bild 4.14: Zweiter Schritt: Festlegung einer neuen Schaltungstopologie Die Sternschaltung darf die Dreieckschaltung nur ersetzen, wenn sie sich nach außen identisch verhält. Der Widerstand zwischen den Punkten a und b ist für beide Schaltungen leicht bestimmbar. Er muß für beide gleich sein. Ra 0 + Rb 0 = Rab ( Rbc + Rac ) Rab + Rbc + Rac Ebenso gilt Rac ( Rab + Rbc ) Rab + Rbc + Rac R (R + R ) = Rbc + Rab + Rac ab bc ac Ra 0 + Rc 0 = Rb 0 + Rc0 Damit liegen drei Gleichungen für drei Unbekannte vor. Die Auflösung nach diesen Unbekannten liefert: Rab ⋅ R ac Rab + Rbc + Rac Rab ⋅ Rbc = Rab + Rbc + Rac Rac ⋅ Rbc = Rab + Rbc + Rac Ra 0 = Rb 0 Rc 0 Durch die Umwandlung ist die Schaltung zu einer Reihenschaltung eines einzelnen Widerstandes Ra0 mit einer Parallelschaltung geworden. Nun ist mit den bekannten Regeln der Gesamtwiderstand und der Strom in Rcd und Rbd berechenbar. 68 Nach ähnlichen Regeln findet die Umwandlung von einer Stern- in eine Dreieckschaltung statt. Wenn die Schaltung nach Bild 4.14 gegeben ist und man will den Stern in ein Dreieck verwandeln, erhält man für die gesuchten Widerstände: Rab = 1 (R ⋅ R + Rb0 ⋅ Rc0 + Ra 0 ⋅ Rc0 ) Rc0 a 0 b 0 1 (R ⋅ R + Rb0 ⋅ Rc0 + Ra 0 ⋅ Rc0 ) Rb 0 a 0 b 0 1 Rbc = (R ⋅ R + Rb0 ⋅ Rc0 + Ra 0 ⋅ Rc0 ) Ra 0 a 0 b 0 Rac = 4.5 Vermaschte Netzwerke Ist ein Netzwerk sehr vermascht und befinden sich mehr als eine Spannungsquelle an unterschiedlichen Orten im System, so ist eine ganzheitliche Berechnungsmethode notwendig, um Spannungen und Ströme an allen Netzwerkselementen zu bestimmen. Die Zusammenfassung von parallel oder in Reihe geschalteten Widerständen und die Stern-/Dreieck-Transformation reichen dann oftmals nicht aus. Zur Bestimmung aller unbekannten Spannungen und Ströme kommen die Gesetze von Kirchhoff zur Anwendung. Die Vorgehensweise wird am besten anhand eines Beispiels deutlich. R1 - R2 + Uq1 I1 R3 I3 + Bild 4.15: R4 Uq3 Uq2 I2 Vermaschtes Netzwerk In einem solchen Netzwerk besteht meistens das Problem, dass man auf Anhieb nicht vorhersagen kann, in welcher Richtung an den verschiedenen Stellen der Strom fließt. Das kommt erst am Ende der Rechnung heraus. Daher legt man willkürlich Stromrichtungen für die verschiedenen Zweige fest (Als Zweig wird jede Verbindung benachbarter Knoten bezeichnet). Man trägt also sogenannte Zählpfeile ein. Wenn man für jeden Zweig die Stromrichtung definiert hat, liegen damit auch die Richtungen für die Spannungsabfälle an den passiven Netzwerkselementen fest. Wenn am Ende für einen Strom ein negativer Wert herauskommt, bedeutet das, dass die angenommene Stromrichtung verkehrt war. Das ist aber nicht weiter tragisch. 69 In dem oben dargestellten Netzwerk sind zwei Maschen sofort sichtbar. Eine dritte Masche erhält man, wenn man außen umläuft. Außerdem sind zwei Knoten zu erkennen. Es können nun Maschen- und Knotengleichungen nach Kirchhoff aufgestellt werden. Wenn man jedoch alle Gleichungen für alle Knoten und alle Maschen aufstellt, bekommt man für die gesuchten unbekannten Ströme zu viele Bestimmungsgleichungen. Es gelten folgende Regeln: ! Unabhängige Knotengleichungen Für ein Netzwerk mit k Knoten können k-1 unabhängige Knotengleichungen aufgestellt werden. Die k-te Knotengleichung ist eine Linearkombination der unabhängigen Knotengleichungen. ! Unabhängige Maschengleichungen Für ein Netzwerk mit z Zweigen können z-k+1 unabhängige Maschengleichungen aufgestellt werden. Alle übrigen möglichen Maschengleichungen können als Linearkombinationen aus den unabhängigen Maschengleichungen hergeleitet werden. Wenden wir uns nun wieder dem Beispiel zu. Es ist hier k = 2 und z = 3. Also brauchen wir eine Knotengleichung und 2 Maschengleichungen. Wir legen nun den Umlaufsinn für unsere Maschen fest. R1 - R2 + Uq1 I1 R3 I3 I + Bild 4.16: II Uq3 Uq2 Definition des Umlaufsinns für die zwei benötigten Maschen Danach wenden wir Kirchhoff an: I1 + I 2 − I 3 = 0 − U q1 − U q 3 − I 1 R1 − I 3 R3 = 0 − U q 2 + U q 3 + I 2 ( R2 + R4 ) + I 3 R3 = 0 R4 I2 70 Das entspricht folgender Matrizen-Darstellung: U = R⋅ I 1 −1 0 1 − R3 U q1 + U q 3 = − R1 0 U q 2 − U q 3 0 R2 + R4 R3 I1 ⋅ I2 I 3 Wir bilden nun die Determinante D der Koeffizientenmatrix 1 D = − R1 1 1 − R3 = R1 ( R2 + R4 ) + R3 ( R2 + R4 ) + R1 R3 0 0 R2 + R4 R3 Nach der Kramer´schen Regel ist I1 = = − R3 (U q 2 DI 1 0 1 −1 U q1 + U q 3 0 − R3 U q 2 −U q 3 R2 + R4 R3 = D D − U q 3 ) − (U q1 + U q 3 )( R2 + R4 ) − R3 (U q1 + U q 3 ) R1 ( R2 + R4 ) + R3 ( R2 + R4 ) + R1 R3 − R3 (U q1 + U q 2 ) − (U q1 + U q 3 )( R2 + R4 ) I1 = R1 ( R2 + R3 + R4 ) + R3 ( R2 + R4 ) Für den Strom I2 erhalten wir: −1 1 0 − R1 U q1 + U q 3 − R3 I2 = = DI 2 = 0 U q2 − U q3 R3 D D R3 (U q1 + U q 3 ) + R1 (U q 2 − U q 3 ) + R3 (U q 2 − U q 3 ) R1 ( R2 + R4 ) + R3 ( R2 + R4 ) + R1 R3 R3 (U q1 + U q 2 ) + R1 (U q 2 − U q 3 ) I2 = R1 ( R2 + R3 + R4 ) + R3 ( R2 + R4 ) Der dritte Strom kann nun mit Hilfe der Knotengleichung ermittelt werden. I3 = I 3 = I1 + I 2 − (U q1 + U q 3 )( R2 + R4 ) + R1 (U q 2 − U q 3 ) R1 ( R2 + R3 + R4 ) + R3 ( R2 + R4 ) 71 Wir setzen jetzt einmal konkrete Zahlen ein, um heraus zu finden, ob die angenommenen Stromrichtungen richtig waren. Mit U q1 = 4,5V ; U q 2 = 6V ; U q 3 = 7,5V ; R1 = 3Ω ; R2 = 5Ω ; R3 = 4Ω ; R4 = 1Ω erhalten wir − 10,5V ⋅ 4Ω − 12V ⋅ 6Ω 54Ω 2 114 I1 = − A = − 2,111 A 54 10,5V ⋅ 4Ω − 1,5V ⋅ 3Ω I2 = 54Ω 2 42 − 4,5 I2 = A = 0,694 A 54 − 12V ⋅ 6Ω − 1,5V ⋅ 3Ω I3 = 54Ω 2 − 72 − 4,5 I3 = A = − 1,417 A 54 Es stellt sich heraus, dass wir zwei Stromrichtungen verkehrt herum angenommen haben. Die Richtung von I2 stimmt. I1 = Betrachten wir nun einmal die Leistungsbilanz dieses Netzwerks. An den ohmschen Widerständen wird elektrische Leistung in Wärme umgewandelt. Es ist P1 = I 12 ⋅ R1 = 13,37W P2 = I 22 ⋅ R2 = 2,41W P3 = I 32 ⋅ R3 = 8,03W P4 = I 22 ⋅ R4 = 0,48W Die Summe aller Verluste ist damit ΣPv = P1 + P2 + P3 + P4 = 24,29W Die Summe aller aufgenommenen und abgegebenen Leistungen muß Null sein. Wir betrachten nun die Quellen. ΣPq = U q1 ⋅ I 1 − U q 2 ⋅ I 2 + U q 3 ⋅ I 3 = 4,5⋅ ( − 2,111)W − 6 ⋅ 0,694W + 7,5 ⋅ ( − 1,417)W = − 9,5W − 4,164W − 10,628W = − 24,29W Die Leistung an allen Quellen ist in diesem Falle negativ. Das bedeutet in dem hier angewandten Verbraucher-Zählpfeilsystem, dass alle Quellen Leistung abgeben. Das muß nicht immer so sein! Hätten wir andere Zahlenwerte gewählt, könnte die Leistung an einer oder zwei Quellen auch positiv sein. Dann wären auch diese Quellen Verbraucher und nähmen Leistung auf, die von den Quellen mit negativer Leistung bereit gestellt werden müßte. 72 Eine andere Berechnungsmethode für vermaschte Netzwerke ist die Superposition der Ströme. Diese Methode kann nur angewandt werden, wenn sich alle beteiligen Netzwerkselemente linear verhalten, d.h. dass in dem obigen Beispiel weder die Quellenspannungen noch die Widerstände ihren Wert abhängig von Strom ändern. Wenn diese Bedingung erfüllt ist, kann man folgendermaßen vorgehen: Man beläßt jeweils nur eine Spannungsquelle im System und ersetzt die anderen durch einen Kurzschluß. Dann erhält man für jeden Zweig den Teilstrom, der von der verbliebenen Spannungsquelle hervorgerufen wird. Wenn dies mit allen Quellen durchgeführt wurde, addiert man für jeden Zweig die gewonnenen Teilströme und erhält damit den tatsächlichen Strom. Wir verwenden das Beispiel von oben und ermitteln den Strom I2 nun durch Superposition. Als erstes wird der von Uq1 herrührende Strom bestimmt. Bild 4.17: Ermittlung des Teilstromes I2(Q1) Von der Spannungsquelle Q1 aus gesehen kann das Belastungsnetzwerk folgendermaßen beschrieben werden: Rges = R1 + ( R2 + R4 ) ⋅ R3 R2 + R3 + R4 Der Teilstrom I2(Q1) ergibt sich nach der Stromteiler-Regel: I 2 (Q1) = = U q1 Rges ⋅ R3 R2 + R3 + R4 U q1 ⋅ R3 R1 ( R2 + R3 + R4 ) + R3 ( R2 + R4 ) = 4,5 ⋅ 4 A = 0,333 A 30 + 24 73 R1 R2 R3 R4 I2(Q2) Uq2 Bild 4.18: Ermittlung des Teilstromes I2(Q2) Aus Sicht der Spannungsquelle Q2 ergibt sich folgende Gesamtlast: Rges = R2 + R4 + I 2 ( Q2 ) = U q2 Rges = U q 2 ⋅ ( R1 + R3 ) ( R1 + R3 )( R2 + R4 ) + R1 ⋅ R3 = R1 ⋅ R3 R1 + R3 = U q 2 ⋅ ( R1 + R3 ) R1 ( R2 + R3 + R4 ) + R3 ( R2 + R4 ) 6⋅ 7 A = 0,778 A 54 R1 R2 R3 R4 + Bild 4.19: Uq3 Ermittlung des Teilstromes I2(Q3) I2(Q3) 74 Es kommt wieder die Stromteiler-Regel zum Einsatz: Rges = R3 + I 2 (Q3) = − =− =− ( R2 + R4 ) ⋅ R1 R1 + R2 + R4 U q3 Rges ⋅ R1 R1 + R2 + R4 U q 3 ⋅ R1 R3 ( R1 + R2 + R4 ) + ( R2 + R4 ) ⋅ R1 U q 3 ⋅ R1 R1 ( R2 + R3 + R4 ) + R3 ⋅ ( R2 + R4 ) I 2 (Q3) = − 7,5 ⋅ 3 22,5 =− = − 0,417 A 54 54 Dieser letzte Teilstrom ist negativ. Das bedeutet, dass er die ersten beiden teilweise kompensiert. Nun muß noch die Summe gebildet werden. I 2 = I 2 (Q1) + I 2 (Q2) + I 2 (Q3) = 0,333 A + 0,778 A − 0,417 A = 0,694 A Dieses Ergebnis hatten wir auch mit Hilfe der Matrizenrechnung erhalten. Wichtiger Hinweis: Die Superposition gilt nur für die Ströme! Bei den Leistungen versagt das Prinzip, da die Leistung quadratisch vom Strom abhängt! 75 5 Berechnung von Stromkreisen bei Wechselstrom Der Wechselstrom ist in der Elektrotechnik sehr weit verbreitet. Am bekanntesten ist der NetzWechselstrom zur Energieversorgung. Die Spannung wird in den Kraftwerken erzeugt und über mehrere Spannungsebenen (Hochspannungsebene, Mittelspannungsebene, Niederspannungsebene) bis zum Verbraucher in Haushalt, Industrie usw. gebracht. Die Spannung und der Strom sind hier relativ niederfrequent. Es wird mit 50 Schwingungen pro Sekunde, also 50 Hertz gearbeitet. In der Bahnstromversorgung sind es 16 2/3 Hz. Ein anderes Anwendungsgebiet ist die Audiotechnik. Das menschliche Ohr hört in einem maximalen Frequenzbereich von 20 - 16000 Hz. Die Schwingungen der Lautsprechermembran entstehen aus elektrischen Schwingungen. Zur Übertragung von Radio- und Fernsehsignalen wird ein Frequenzbereich benutzt, der von einigen hundert Kilohertz bis einige hundert Megahertz geht. Beim Satelliten-Funk befinden wir uns im Gigahertz-Bereich. Wechselspannungen können nicht mit Hilfe von Batterien oder Akkus erzeugt werden. Diese Spannungsquellen sind immer Gleichspannungsquellen. Wechselspannungen erzeugt man mit rotierenden elektrischen Maschinen oder indem man aus einer Gleichspannung elektronisch eine Wechselspannung macht. Wir werden uns zunächst die Erzeugung von Wechselspannung mit Hilfe einer elektrischen Maschine anschauen. 5.1 Erzeugung von Wechselspannung mit einer elektrischen Maschine Das Bild 5.1 zeigt die prinzipielle Anordnung. Es wird eine Leiterschleife in ein homogenes magnetisches Feld gebracht. Das Feld erzeugt man mit Hilfe von Magneten (Permanentmagneten oder Elektromagneten). Es ist zeitlich konstant. Die Leiterschleife ist drehbar gelagert. Die Drehachse zeigt in Richtung des Betrachters. Die drehbare Spule kann aus einer oder mehreren Windungen bestehen. Ihre Enden führt man auf sogenannte Schleifringe. Auf diese Ringe setzt man ruhende Kohlebürsten auf und stellt damit den Kontakt zwischen ruhendem und beweglichem Teil her. 76 N N ω ω b c a B B a S b α = 0; α = 0 Bild 5.1: c S α = 90° = π 2 Wechselstromgenerator Wird die Leiterschleife in Rotation versetzt, so ist der von der Schleife umfaßte Fluss Φ zeitlich nicht konstant. Wenn die Feldlinien senkrecht auf der aufgespannten Fläche stehen (a), die Flächennormale also entgegen den Feldlinien zeigt, ist der Fluss maximal, jedoch negativ zu zählen. Liegt die Fläche parallel zu den Feldlinien (c) (die Flächennormale zeigt jetzt nach links), wird der umfaßte Fluss zu Null. Dreht man nun weiter, so kehrt sich aus Sicht der Spule die Richtung der Feldlinien um. Nun ist der Fluss positiv zu zählen. Bei der weiteren Betrachtung wird angenommen, dass die Drehzahl n der Spule konstant ist. Für die Spule gilt das Induktionsgesetz u= N dΦ d ! ! d = N ( B ⋅ A) = N ( − B ⋅ A ⋅ cosα ) dt dt dt Mit α = ωt u = NΦ maxω sin ω t Mit einem beliebigen Anfangswinkel α0 kann man schreiben u(t ) = u" ⋅ sin(ω t + α 0 ) Die Winkelgeschwindigkeit ω der Leiterschleife bestimmt die Periodendauer und Frequenz der elektrischen Schwingung ω 1 2π ;f = ;T = T ω 2π Will man einen Wechselstrom der Frequenz f = 50 Hertz mit obiger Anordnung erzeugen, so benötigt man folgende Winkelgeschwindigkeit: f = ω = 2π n = 100π s −1 77 Die dazu gehörige Drehzahl ist n = 3000 min-1. Mit dieser Drehzahl drehen die sog. Turboläufer der Generatoren in den Großkraftwerken. Wie wir später sehen werden, kann man mit anderen Anordnungen im Generator die gleiche elektrische Frequenz auch mit niedrigeren Drehzahlen erzeugen (z.B. bei Wasserkraftwerken). Da die Winkelgeschwindigkeit des Generators für die Nutzung der Wechselspannung nicht von Interesse ist, bekommt das ω der Schwingung in der Elektrotechnik eine andere Bezeichnung, nämlich Kreisfrequenz. Die Frequenz und die Kreisfrequenz haben eigentlich die gleiche Einheit. Um beide immer gut auseinander halten zu können, vereinbaren wir, dass die Frequenz immer in Hertz (Hz) angegeben wird, die Kreisfrequenz jedoch in s-1. 5.2 Zeitlicher Mittelwert, Effektivwert, Zählpfeile Der zeitliche Mittelwert einer Größe ist das Integral der Größe bezogen auf den Beobachtungszeitraum. Hier bietet es sich an, als Beobachtungszeitraum eine Periodendauer T der Schwingung zu wählen. T u" 1 u = ∫ u" ⋅ sin(ω t + α 0 ) = (cosα 0 − cos(2π + α 0 )) = 0 T0 2π Der zeitliche Mittelwert einer reinen Wechselspannung ist Null. In elektronischen Schaltungen der Analogtechnik werden jedoch oft auch reine Wechselspannungen mit Gleichspannungen überlagert (addiert). Der Mittelwert solcher Spannungsverläufe ist dann nicht mehr Null. Es kommt nun bei der Analyse der sog. Gleichanteil heraus. Zunächst nehmen wir an, dass unsere Spannungen und Ströme keinen Gleichanteil aufweisen. Wir ermitteln nun den zeitlichen Mittelwert der Leistung, die an einem ohmschen Verbraucher entsteht, wenn er an einer Wechselspannung liegt. Am ohmschen Widerstand ist der Strom zu jedem Zeitpunkt durch das ohmsche Gesetz gegeben. Bei einer sinusförmigen Spannung erhalten wir i (t ) = u(t ) u" = sin ω t = i" sin ω t R R 78 i(t) R u(t) ∼ Bild 5.2: Belastung einer Wechselspannungsquelle mit einem ohmschen Widerstand Der Momentanwert der Leistung ist das Produkt der Momentanwerte von Spannung und Strom. p(t ) = u(t ) ⋅ i (t ) = u" ⋅ i" ⋅ sin 2 ω t = p u i 1 u" ⋅ i" (1 − cos 2ω t ) 2 p, i, u = f (t) p p i ωt u Bild 5.3: Spannung, Strom und Leistung am ohmschen Widerstand Die Leistung pulsiert mit der doppelten Frequenz. Sie wird niemals negativ, denn ein ohmscher Widerstand kann zu keinem Zeitpunkt Leistung abgeben. Die Leistung besitzt einen zeitlichen Mittelwert, der verschieden von Null ist. u" "" "" "" 2 ui ui ui u" 1 − ω = − ω = = = p= tdt t t 1 cos 2 [ sin 2 ] T ∫0 T R 2ω 2 2R 0 T 2 T 2 2 2 Diesen Zusammenhang kann man folgendermaßen interpretieren: Die mittlere an einem ohmschen Widerstand in Wärme umgewandelte Leistung ist an Wechselspannung mit dem Scheitelwert u^ genau so groß wie an einer konstanten Gleichspannung mit dem Wert u^/"2. In beiden Fällen wird der Widerstand gleich warm. Damit ist der Effektivwert der Wechselspannung definiert: 79 u" U = 2 Den Mittelwert der Leistung kann man auch mit dem Strom ausdrücken: 2 i" p = ⋅R = I2 ⋅R 2 Den Effektivwert des Stromes erhält man wie bei der Spannung, indem man den Scheitelwert durch "2 dividiert. Es hat sich eingebürgert, bei Wechselspannungen und -strömen nicht den Scheitelwert, sondern den Effektivwert anzugeben. So ist die Nennspannung im Wechselstromnetz 230 V. Dies ist ein Effektivwert. Der Scheitelwert ist 325 V. Wenn wir einen Spannungsverlauf haben, der zwar periodisch, aber nicht rein sinusförmig, sondern beliebig ist, muß der Effektivwert mit einer allgemeinen Formel definiert werden. Wir suchen wieder die Gleichspannung, die die gleiche mittlere Leistung hervorruft. U 2 1 u 2 (t ) p= = dt R T ∫0 R T T 1 2 U= u (t )dt T ∫0 Beispiel: Gegeben ist der folgende Spannungsverlauf. Gesucht ist der Effektivwert. 1 3 2 4 5 u(t) V u(t) 30 u 20 10 0 -10 Bild 5.4: T 6 T 3 T 2 2T 3 5T 6 T Periodischer, nicht sinusförmiger, Spannungsverlauf t 80 Die Effektivwertformel liefert: 2 6 6 3 6 1 6 60V 120V 2 60v 2 2 2 + + − + − + − + t dt V dt V t dt V dt V t ) dt 30 30 10 10 ( ) ( ) ( ) ( ∫0 ∫0 ∫0 ∫0 T ∫0 T T T T U= T = T T T 1 50T 650T 100T 50T + 150T + + + V T 9 9 3 9 = 5,56 + 150 + 72,22 + 33,33 + 5,56 V = 266,67V = 16,33V Jeder Abschnitt, auch wenn die Spannung negativ ist, geht additiv ein und vergrößert den Effektivwert. Wie man sieht, geht der zweite Abschnitt von T/6 bis T/3 besonders stark in das Ergebnis ein. In Bild 5.2 haben wir wie aus der Gleichstromtechnik gewohnt Pfeile für Spannung und Strom eingezeichnet. Da es sich um Wechselstrom handelt, kehrt sich pro Periode zweimal die Richtung von u und i um. Während der Hälfte der betrachteten Zeit ist also die Strom- bzw. Spannungsrichtung wie eingezeichnet, während der anderen Hälfte genau umgekehrt. Es gilt wieder das, was auch schon in der Gleichstromtechnik galt: Die eingezeichneten Pfeile sind lediglich Zählpfeile. Sie legen fest, in welcher Richtung Spannung und Strom positiv gezählt werden. Am ohmschen Widerstand und an allen anderen passiven Schaltkreiselementen geben wir den Zählpfeilen von Spannung und Strom die gleiche Richtung. Dadurch wird aufgenommene Leistung positiv gezählt. Wir befinden uns im Verbraucher-Zählpfeilsystem. 5.3 Spannung und Strom an Kapazität und Induktivität Für den Kondensator hatten wir in Kap. 2 den Zusammenhang zwischen Spannung und Strom gefunden. i=C du dt Dieser Zusammenhang gilt immer, also auch dann, wenn die Spannung sinusförmig ist. i (t ) = C du(t ) d = C ⋅ u" sin ω t = ω C ⋅ u" cos ω t = dt dt π u" sin(ω t + ) 1 2 ωC u" U 1 "i = I = X C = ω C Es sind zunächst zwei Dinge bemerkenswert: - Der Strom i ist gegenüber der Spannung u um 90° phasenverschoben. Wenn die Spannung am steilsten verläuft (t = 0, nπ) ist der Betrag des Stromes maximal. - 81 Es läßt sich ein Proportionalitätsfaktor zwischen U und I angeben. Er wird kapazitiver Blindwiderstand XC genannt. Dieser Blindwiderstand ist frequenzabhängig. Er wird mit steigender Frequenz kleiner. C i(t) u, i u i u(t) ωt ∼ Bild 5.5: Spannung und Strom am Kondensator Die Leistung am Kondensator verhält sich aufgrund der Phasenverschiebung anders als am ohmschen Widerstand. π u" 2 u" 2 p( t ) = u( t ) ⋅ i ( t ) = sin(ω t ) ⋅ sin(ω t + ) = sin 2ω t XC 2 2XC T 1 p = ∫ p( t ) = 0 T0 Es gibt innerhalb einer Periode der Netzspannung Phasen, in denen der Kondensator Leistung aufnimmt, und andere, in denen er Leistung abgibt. In einer Periode nimmt er zweimal Leistung auf und gibt zweimal Leistung ab. Im Mittel über eine Periode gibt er genau so viel Leistung ab, wie er aufnimmt. Für die Induktivität haben wir in Kap. 3 folgenden Zusammenhang gefunden: di dt oder u= L i= 1 udt + i0 L∫ Wir schalten nun eine Cosinus-förmige Spannung auf. Der Anfangsstrom sei i0 = 0. i (t ) = π u" u" u" cosω tdt = sin ω t = cos(ω t − ) ∫ ωL ωL L 2 u" U = = X L = ωL i" I 82 Wieder sind zwei Dinge bemerkenswert: - Der Strom i ist gegenüber der Spannung u um 90° phasenverschoben, allerdings eilt er jetzt der Spannung nach. Wenn der Strom am steilsten verläuft (t = 0 , nπ) ist der Betrag der Spannung maximal. - Der Proportionalitätsfaktor zwischen U und I, der induktive Blindwiderstand XL, ist ebenfalls frequenzabhängig. Bei steigender Frequenz wird der Blindwiderstand XL immer größer. i(t) L u, i u i u(t) ωt ∼ Bild 5.6: Spannung und Strom an der Induktivität Die von der Spule aufgenommene Leistung ist wegen der Phasenverschiebung von 90° wie beim Kondensator im Mittel über eine Periode gleich Null. Für das Vorzeichen der Phasenverschiebung soll folgende Definition gelten. Es wird vom Strom ausgegangen und die Phasenlage der Spannung betrachtet. i = i" ⋅ sin(ω t ) ; u = u" ⋅ sin(ω t + ϕ ) Dann gilt: An der Induktivität ist die Phasenverschiebung +90°, an der Kapazität beträgt sie -90°. Die Phasenverschiebung erhält das Formelzeichen !. Sie muß nicht immer +/- 90° oder Null betragen. Das zeigt sich bei gemischten Lasten. 5.4 Reihenschaltungen bei Wechselstrom Wir betrachten zunächst die Reihenschaltung eines ohmschen Widerstandes und einer Induktivität. 83 uR uL R XL i uq ~ Bild 5.7: Gemischt ohmsch/induktive Last an Wechselspannung In der Reihenschaltung fließt überall der gleiche Strom. Zu jedem Zeitpunkt muß der Maschensatz gelten. di = Ri" ⋅ sin ω t + ω Li" ⋅ cosω t dt = i"( R sin ω t + X L cosω t ) uq = u R + u L = R ⋅ i + L = i" R 2 + X L2 ⋅ sin(ω t + ϕ ) = i" ⋅ Z ⋅ sin(ω t + ϕ ) = u" sin(ω t + ϕ ) mit tan ϕ = XL R Nun müssen wir einige Begriffe einführen. Den Blindwiderstand X haben wir schon kennengelernt. Er zeichnet sich dadurch aus, dass er das Verhältnis aus den Effektivwerten von Spannung und Strom an einer Induktivität oder einem Kondensator angibt. Im Gegensatz zum ohmschen Widerstand nimmt er aber keine Leistung auf. Daher erhält der ohmsche Widerstand nun auch den Namen Wirkwiderstand. In gemischten Schaltungen wie oben tritt eine Kombination von beiden auf. Bildet man hier das Verhältnis aus Klemmenspannung und Strom, so erhält man den sog. Scheinwiderstand Z. Der Scheinwiderstand wird wie im rechtwinkligen Dreieck nach Pythagoras bestimmt. Z XL ϕ R Bild 5.8: Wirkwiderstand, induktiver Blindwiderstand und resultierender Scheinwiderstand 84 Wir erweitern nun die obige Schaltung um einen in Reihe geschalteten Kondensator. uR uL uC R XL XC i uq ~ Bild 5.9: Jetzt gilt: Reihenschaltung von R, L und C di 1 + idt dt C ∫ 1 " = R ⋅ i" sin ω t + ω L ⋅ i" ⋅ cos ω t − i ⋅ cos ω t ωC 1 = i"( R sin ω t + ω L − cos ω t ) ωC = u" sin(ω t + ϕ ) u" = Z ⋅ i" uq = u R + u L + uC = R ⋅ i + L mit Z= 1 R + ωL − ωC 2 2 und tan ϕ = 1 ωC ωL − R Auffällig ist, dass sich der induktive und der kapazitive Blindwiderstand zumindest zum Teil kompensieren. Wer überwiegt, ist von der Bauteildimensionierung und von der Frequenz abhängig. XL R -ϕ Z Bild 5.10: XC Xges Scheinwiderstand bei Reihenschaltung von R, L und C 85 Wir könnten nun so fortfahren und für jeden Wechselstromkreis die Differentialgleichung aufstellen und diese dann anschließend lösen. Es gibt jedoch einen einfacheren Weg. 5.5 Zeigerdiagramme Ein sinusförmiger Zeitverlauf einer Größe kann erzeugt werden, indem man einen Zeiger, der die Länge des Scheitelwertes der Schwingung hat, mit konstanter Winkelgeschwindigkeit ω um eine Achse (Koordinatenursprung) rotieren läßt und den Zeiger auf eine Achse projiziert. ω math. pos. Richtung π Bild 5.11: Im ϕ 1 t u, i 1 ω 0 0 t (ϕ ) 1 1 π 2π ωt Zeiger- und Liniendiagramm Im obigen Bild wird auf die senkrechte Achse des Zeigerdiagramms projiziert. Zum Zeitpunkt t = 0 ist die Projektion gleich Null, weil der Zeiger sich in diesem Beispiel bei t = 0 gerade in der waagerechten Lage befindet. Zum Zeitpunkt t1 spannt der Zeiger mit der waagerechten Achse gerade den Winkel !1 auf. Die Projektion liefert z(t 1 ) = z" ⋅ sin ϕ 1 = z" ⋅ sin ω t1 Wenn nun zwei sinusförmige Schwingungen gegeneinander phasenverschoben sind, läßt sich das im Zeigerdiagramm recht leicht darstellen. Es wird für jede Größe ein Zeiger dargestellt. Beide schließen einen Winkel ! ein. Beide drehen mit der gleichen Winkelgeschwindigkeit ω. Dadurch ist der eingeschlossene Winkel immer der selbe. Der Zeiger, der weiter links liegt, erzeugt ein Liniendiagramm, bei dem die Maxima und Minima früher erreicht werden, als es bei dem zweiten Zeiger der Fall ist. Es wurde schon früher erwähnt, dass es üblich ist, statt der Scheitelwerte sinusförmiger Spannungen und Ströme deren Effektivwerte anzugeben. Dies hat sich auch in der Zeigerdarstellung eingebürgert. 86 Achtung: Verwendet man Effektivwertzeiger, so ist die Projektion der Zeiger auf eine Achse um den Faktor !2 zu kurz, wenn man den Zeitverlauf aus dem Zeigerdiagramm erzeugen will. Effektivwertzeiger werden mit unterstrichenen Großbuchstaben dargestellt: U , I u" i" U =U = I = I= 2 2 Im folgenden Bild sind ein Spannungszeiger und ein Stromzeiger dargestellt. Die Darstellung zeigt die Situation zu einem beliebigen Zeitpunkt t. U ϕ ϕu Bild 5.12: I ϕ i Phasenbezugsachse Spannungs- und Stromzeiger in einem gemeinsamen Zeigerdiagramm Hier ist die Spannung voreilend. Das daraus folgende Liniendiagramm zeigt die Zeitverläufe von Spannung und Strom, wie sie sich bei einer gemischt ohmsch/induktiven Last einstellen. Der Phasenwinkel ! ist in einem solchen Fall positiv (X > 0). Das Verhältnis u^ / ^i ist gleich dem Scheinwiderstand Z. Man sieht, dass sich sinusförmige Größen und deren Beziehung untereinander sowohl durch die Zeitverläufe ( die Liniendiagramme) als auch durch ein Zeigerdiagramm vollständig beschreiben lassen. Die Darstellung im Zeigerdiagramm ist jedoch viel einfacher. Weiterhin ist es bei sinusförmigen Verläufen eigentlich gleichgültig, zu welchem Zeitpunkt man mit der Betrachtung beginnt, da sich die Vorgänge jeweils nach einer Periodendauer T wiederholen. Damit hat man die Freiheit, zumindest einem der Zeiger im Zeigerdiagramm eine beliebige Winkellage zu geben. Der oder die anderen Zeiger allerdings müssen dann im richtigen Winkel zum Bezugszeiger eingetragen werden. 87 u, i u ϕ=0 U I i a) Bild 5.13: ωt b) Zeigerdiagramm (a) und Liniendiagramm (b) für Spannung und Strom am ohmschen Widerstand Im oben dargestellten Zeigerdiagramm wurden Spannung und Strom senkrecht und parallel zueinander dargestellt. Die gleiche Information würde eine waagerechte Lage liefern. Wichtig ist die Parallelität und die Länge der Zeiger. Das Verhältnis aus U und I liefert den Widerstand R, die parallele Lage besagt, dass keine Phasenverschiebung auftritt. An der Induktivität entsteht eine Phasenverschiebung von 90°. Die Spannung eilt dem Strom vor. u u, i ϕ= U π 2 i I a) Bild 5.14: ωt b) Zeigerdiagramm (a) und Liniendiagramm (b) für Spannung und Strom an der idealen Induktivität (Wicklungswiderstand R = 0) Der Quotient aus UL und I liefert hier UL = Z = X L = ωL I Betrachten wir nun die Kapazität. Am Kondensator eilt die Spannung dem Strom nach. Der Phasenverschiebungswinkel ist ! = -90°. 88 u, i I ϕ=- u π 2 i ωt U a) Bild 5.15: b) Zeigerdiagramm (a) und Liniendiagramm (b) für Spannung und Strom am Kondensator Nun ist UC 1 = Z = XC = I ωC Wir betrachten nun noch einmal die Reihenschaltung von R, L und C. uR uL uC R XL XC i uq ~ Bild 5.16: Reihenschaltung von R, L und C Bei einer Reihenschaltung ist die Größe, die allen gemeinsam ist, der Strom. Daher bietet es sich an, den Strom als Bezugszeiger zu verwenden. Wir legen den Strom in die waagerechte Achse. UL I UR -ϕ UC Uq Bild 5.17: Zeigerdiagramm des Stroms I, der Spannungen an R, L, und C und der Spannung Uq 89 Es sei noch einmal darauf hingewiesen, dass bei dieser Anordnung der Phasenverschiebungswinkel nicht negativ werden muß ! Ob er positiv, negativ oder vielleicht sogar zu Null wird ist davon abhängig, wie groß XL und XC sind! Dividiert man alle Spannungszeiger durch den Betrag des Stromzeigers, erhält man wieder ein Zeigerdiagramm. Es ist das des Scheinwiderstandes ( der Impedanz) und sieht aus wie Bild 5.10. XL -ϕ R XC Z Bild 5.18: Zeigerdiagramm der Wechselstromwiderstände Die Wechselstromwiderstände kann man also auch als Zeiger darstellen! Hinweis zur praktischen Vorgehensweise: Gegeben sind oben Uq, R, XL und XC. Der Strom ist die Unbekannte. Trotzdem können wir ihn als Bezugszeiger verwenden, wenn wir ihm zunächst einmal eine beliebige Länge geben, ohne ihn zu bemaßen. Das Zeigerdiagramm der Wirk- und Blindwiderstände liefert dann die Phasenverschiebung ! und den Scheinwiderstand Z. Jetzt kann aus Uq der Strom berechnet werden. 5.6 Parallelschaltungen bei Wechselstrom Bisher haben wir immer Reihenschaltungen betrachtet. Nun werden wir uns mit der Parallelschaltung von unterschiedlichen Wechselstromwiderständen befassen und ihr Verhalten mit Hilfe von Zeigern beschreiben. Zunächst betrachten wir eine Parallelschaltung von R und L. iR iL R XL i ~ Bild 5.19: uq Parallelschaltung eines Widerstandes mit einer Induktivität 90 Beiden parallel geschalteten Elementen gemeinsam ist die Spannung uq. Der Spannung entsprechend bilden sich die Ströme iR und iL aus. Der Gesamtstrom i ist die Summe der beiden Einzelströme. Im Zeigerdiagramm wählen wir als Bezug den Effektivwertzeiger der Spannung Uq. Dann kennen wir die Richtungen der Einzelströme. Deren Effektivwerte IR und IL ergeben sich aus dem Wirkwiderstand R bzw. dem Blindwiderstand XL. Anschließend werden die Einzelströme unter Berücksichtigung der Phasenwinkel addiert, um den Zeiger des Gesamtstroms I zu ermitteln. IL Uq IR I ϕ Bild 5.20: Zeigerdiagramm der Ströme bei Parallelschaltung von R und Wenn wir die Stromzeiger durch den Effektivwert der Spannung Uq dividieren, erhalten wir das Zeigerbild der Leitwerte. BL G Y ϕ Bild 5.21: Zeigerdiagramm der Wechselstromleitwerte von R und L Für den Scheinleitwert ( die Admittanz) der Parallelschaltung von R und L ergibt sich: 2 1 1 Y= G +B = + R ωL 2 2 2 L ϕ = arctan BL R = arctan ωL G mit dem ohmschen Leitwert G und dem induktiven Blindleitwert BL. 91 Nun schalten wir noch einen Kondensator parallel. iL iR iC i ~ Bild 5.22: XL uq R XC Parallelschaltung von R, L und C Der Strom IL eilt der Spannung um 90° nach. Der Strom IC eilt der Spannung um 90° vor. Im Zeigerdiagramm der Ströme ergibt sich folgendes Bild: IL IC IR I Uq ϕ Bild 5.23: Zeigerdiagramm der Ströme bei Parallelschaltung von R, L und C Der durch den Wirkwiderstand R fließende Strom IR wir auch als Wirkstrom IW bezeichnet. Die Differenz der Ströme IL und IC wird als Blindstrom IB bezeichnet. Es gilt I = I W2 + I B2 BL BC G Y ϕ Bild 5.24: Zeigerdiagramm von Wirk-, Blind- und Scheinleitwert bei Parallelschaltung von R, L und C 92 Für den Betrag der Admittanz und die Phasenlage zwischen Spannung Uq und Gesamtstrom I gilt: Y = G + ( B L − BC ) 2 2 2 1 1 = + − ω C R ωL 2 1 ϕ = arctan R − ω C ωL 5.7 Komplexe Zeiger in der Wechselstromtechnik Die Zeigerdarstellung von Spannung, Strom, Widerstand und Leitwert hat sich als sehr nützlich und einfach herausgestellt. Man gewinnt sehr schnell einen Überblick über die Verhältnisse im betrachteten Netzwerk. Ein wenig störend ist jedoch, dass man immer zwei Ergebnisse bekommt, nämlich eins zur Länge der Zeiger und eins zur Phasenlage. Eine mathematische Darstellung, in der beide Informationen parallel und gemeinsam verarbeitet werden, erhält man, wenn man sich mit den Zeigern in die Gauß´sche Zahlenebene begibt. Dann sind die Zeiger die graphische Darstellung von komplexen Zahlen. Sie besitzen einen Real- und einen Imaginärteil. im A A2 α A1 Bild 5.25: re Komplexer Zeiger In der Mathematik wird als komplexe Einheit in der Regel das i verwendet. Bei der Anwendung in der Elektrotechnik würde das jedoch zu ständigen Verwechslungen mit dem Formelzeichen für den Strom führen. Daher wird hier das j verwendet. Es gibt drei äquivalente Darstellungsformen für den komplexen Zeiger: 1. Die kartesische Form A = A1 + A 2 = A1 + jA2 93 Der Zeiger A ist hier dargestellt als die Summe zweier Zeiger A1 und A2. Der Zeiger A1 weist in Richtung der reellen Achse. Aufgrund der Tatsache, dass er per Definition immer reell ist, kann auf die Unterstreichung verzichtet werden. A1 wird als Realteil bezeichnet. Der Zeiger jA2 weist immer in Richtung der imaginären Achse. Die Größe A2 ist reell und wird als Imaginärteil bezeichnet. 2. Die trigonometrische Form A = A(cos α + j sin α ) mit A2 A1 Diese Darstellung hat den Vorteil, dass Betrag und Phasenwinkel sofort abgelesen werden können. A= 3. A12 + A22 ; α = arctan Die Exponentialform Mit der Eulerschen Gleichung erhält man cosα + j sin α = e jα A = A ⋅ e jα Auch hier wird der Zeiger mit Betrag und Phase ausgedrückt. Alle drei Darstellungsformen sind ineinander überführbar. Je nach Anwendung kann einmal die eine und einmal die andere besser geeignet sein. Kurze Wiederholung der wichtigsten Rechenregeln für komplexe Zahlen ! Die imaginäre Einheit j mit sich selbst multipliziert ergibt j#j = -1. ! Eine Multiplikation eines Zeigers mit der imaginären Einheit j bewirkt eine Drehung des ursprünglichen Zeigers um 90° im mathematisch positiven Sinne. Die Länge (der Betrag) des Zeigers bleibt unverändert. B = j A = jA(cosα + j sin α ) = A( − sin α + j cosα ) = A(cos(α + ! π π ) + j sin(α + )) 2 2 Die Multiplikation eines Zeigers mit -j ergibt eine Drehung des Zeigers um 90° entgegen der mathematisch positiven Richtung bzw. um 270° im mathematisch positiven Sinne. j ⋅ j ⋅ j = ( − 1) ⋅ j = − j ! 94 Die Division eines Zeigers durch j ist äquivalent mit der Multiplikation mit -j. j j 1 = = =−j j j⋅ j −1 ! Zwei Zeiger werden addiert, indem Realteile und Imaginärteile getrennt addiert werden. C = A + B = ( A1 + jA2 ) + ( B1 + jB2 ) = ( A1 + B1 ) + j ( A2 + B2 ) = C1 + jC2 ! Die Multiplikation eines Zeigers mit dem konjugiert komplexen Zeiger liefert ein reelles Ergebnis A ⋅ A* = ( A1 + jA2 ) ⋅ ( A1 − jA2 ) = A12 + A22 ! Die zeitliche Ableitung eines Zeigers liefert nach der Produktregel dA jα d d dα jα e e + A⋅ j Ae jα = A= dt dt dt dt Wenn die Rotationsgeschwindigkeit und der Betrag wie in unserer Anwendung konstant sind, heißt das d d Ae jωt = jω Ae jωt = jω A A= dt dt Das ist eine Drehung um 90° und eine Streckung um ω. ! Die Integration eines Zeigers, der mit konstantem ω rotiert und dessen Betrag konstant ist, über der Zeit liefert ∫ Adt = ∫ ( Ae jωt )dt = 1 Ae jωt = 1 A jω jω Das ist eine Drehung um -90° und eine Streckung mit 1/ω. 5.8 Die komplexe Darstellung von Widerständen und Leitwerten bei Wechselstrom 1. Der ohmsche Widerstand U = R⋅ I I U R= ; G= U I Der ohmsche Widerstand R ist eine reelle Größe. Zwischen U und I entsteht eine Streckung mit dem ohmschen Widerstand bzw. dem ohmschen Leitwert. 95 2. Die Induktivität d I = jω L ⋅ I dt U I 1 1 XL = = jω L ; B L = = =−j ωL I U jω L U= L Der komplexe Blindwiderstand der Induktivität ist rein imaginär. Die Spannung U entsteht aus dem Strom I durch Drehung im mathematisch positiven Sinne und Streckung mit ωL. 3. Die Kapazität d U = jω C ⋅ U dt U I 1 1 = = =−j = jω C ; BC = ωC I jω C U I=C XC Der komplexe Blindwiderstand des Kondensators ist ebenfalls rein imaginär. Die Spannung U entsteht aus dem Strom I durch Drehung entgegen der mathematisch positiven Richtung und Streckung mit 1/ωC. Beispiel zur Berechnung eines komplexen Scheinwiderstandes (der Reaktanz) A ~ u Bild 5.26: R C Parallelschaltung von R und C Zahlenwerte: U = 230 V ; f = 50 Hz ; R = 500 Ω ; C = 10 µF R⋅ 1 R⋅ XC R 500Ω 500Ω jω C = = = = Z= R+ XC R+ 1 1 + jω RC 1 + j100π s −1 ⋅ 500 V ⋅ 10 −5 As 1 + j π jω C A V 2 Wir machen nun den Nenner reell, indem wir mit dem konjugiert komplexen Nenner erweitern. π 500Ω (1 − j ) 2 = Z= 144,2Ω − j ⋅ 226,39Ω = 268,41Ω ⋅ e j ( −57 ,5°) 2 π 1 + 2 96 im 144,2 Ω re - 57,5° - j 226,4 Ω Z Bild 5.27: Zeigerbild des Scheinwiderstands Es ist wieder sinnvoll, die Größe, die beiden Schaltungselementen gemeinsam ist, als Bezugsgröße zu wählen, also die Spannung U. Man nimmt die Spannung als rein reelle Größe an. U = 230V ⋅ e j 0 U 230V = = 0,857 A ⋅ e j 57 ,5° I= Z 268,41Ω ⋅ e j ( −57 ,5°) Der Strom eilt der Spannung vor. Das muss bei einer gemischt ohmsch/kapazitiven Last auch so sein. im | I | = 0,857 A I j 0,72 A 57,5° 0,46 A Bild 5.28: re Zeigerbild der Ströme Wenn wir uns das Ergebnis für Z einmal genauer anschauen, stellen wir fest, dass dieses Ergebnis auch mit einer ganz anderen Bauteil-Kombination erreicht werden kann. Wenn man einen Widerstand und einen Kondensator in Reihe schaltet, erhält man auch einen Realteil und einen negativen Imaginärteil. 97 Z = R− j 1 = 144,2Ω − j 226,39Ω ωC R = 144,2Ω − j ⋅ 226,39Ω = − j C= 1 V 100π ⋅ 226,39 As 1 ωC = 14,06µ F Die Parallelschaltung von oben verhält sich nach außen genau wie die Reihenschaltung mit den soeben gefundenen neuen Bauteilwerten. 500 Ω 10 µF 144,2 Ω 14,06 µF Bild 5.29: Parallelschaltung und äquivalente Reihenschaltung Kontrolle mit Hilfe der Wirkleistung Wenn die beiden Schaltungen wirklich äquivalent sind, muss an den ohmschen Widerständen in beiden Fällen die gleiche Leistung in Wärme umgesetzt werden. Bei der Parallelschaltung liegt die Klemmenspannung U an R. Also ist die Wirkleistung: U 2 230 2 V 2 = = 105,9W P= R 500Ω Bei der Reihenschaltung ist UR zunächst nicht bekannt. Man kann die Leistung aber über den Strom errechnen. P = I 2 ⋅ R = 0,857 2 A 2 ⋅ 144,2Ω = 105,9W 98 5.9 Wirk-, Blind und Scheinleistung Wir haben gerade die sog. Wirkleistung P berechnet und festgestellt, dass sie in beiden Schaltungen gleich groß ist. Die Wirkleistung wird am ohmschen Widerstand in thermische Leistung umgewandelt. Multipliziert man die Effektivwerte von Klemmenspannung und Klemmenstrom der beiden obigen passiven Zweipole miteinander, erhält man die sogenannte Scheinleistung S. Bei gemischten Schaltungen ist sie immer größer als die Wirkleistung. Hier beträgt sie S = U ⋅ I = 230V ⋅ 0,857 A = 197,11VA An der Einheit VA ist zu sehen, dass es sich um eine Scheinleistung handelt. Man schreibt bewusst nicht Watt. Die Einheit Watt ist der Wirkleistung vorbehalten. Die Scheinleistung kann man auch als Zeiger darstellen. Die Definition für die komplexe Leistung lautet S =U⋅I* Der Zeiger der Spannung wird mit dem konjugiert komplexen Strom multipliziert. In unserem Beispiel von oben ergibt das folgende komplexe Scheinleistung: S = 230V ⋅ 0,857 A ⋅ e j ( −57,5°) = 197,11VA(cos( − 57,5° ) + j sin( − 57,5° )) = 105,9W − j166,2Var = P + jQ Der Realteil der komplexen Scheinleistung ist die Wirkleistung P. Der Imaginärteil der komplexen Scheinleistung wird als Blindleistung bezeichnet und erhält das Formelzeichen Q und die Einheit Var (Das r kommt aus dem englischen und steht für reactive power). In unserem Beispiel ist die Blindleistung negativ. Immer wenn der kapazitive Anteil des Blindwiderstandes überwiegt, ist das so. Überwiegt der induktive Anteil, ist die Blindleistung positiv. Den Betrag der Blindleistung erhält man auch, wenn man die Effektivwerte von Spannung und Strom am Blindwiderstand miteinander multipliziert. Für die erste Schaltung (Parallelschaltung) erhalten wir U2 = ω CU 2 = 100π ⋅ 10µ F ⋅ 230 2 V 2 = 166,2Var Q = UC ⋅ IC = XC In der zweiten Schaltung (Reihenschaltung) ist die Blindleistung I2 0,857 2 A 2 = = 166,2Var Q = UC ⋅ IC = I ⋅ X C = ω C 100π ⋅ 14,06µ F 2 Auch die Blindleistungen in den beiden Schaltungen sind gleich. Sie sind also auch in dieser Hinsicht äquivalent. 99 Die drei Leistungsarten stehen auf folgende Art miteinander in Beziehung: S= P2 + Q2 P = S ⋅ cosϕ Q = S ⋅ sin ϕ im S jQ ϕ P Bild 5.30: 5.10 re Wirk-, Blind- und Scheinleistung Ortskurven der Impedanz und der Admittanz Der Blindwiderstand von Spulen und Kondensatoren ist frequenzabhängig. Der ohmsche Widerstand ist nicht frequenzabhängig. So ergibt sich bei gegebenen Bauteilwerten für R, L und C ein frequenzabhängiger komplexer Scheinwiderstand. Wir betrachten zunächst einmal die Reihenschaltung von R und L. Z = R + jω L = R(1 + jω L ) = R(1 + jωτ ) R Der Quotient L/R wird auch als Zeitkonstante der Schaltung bezeichnet. Die Zeitkonstante erhält das Formelzeichen τ. Wenn man die Frequenz variiert und den komplexen Scheinwiderstand aufträgt, erhält man die sogenannte Ortskurve von Z. 100 ω im R Z L ω=0 ϕ R Bild 5.31: re Ortskurve der Impedanz bei Reihenschaltung von R und L ω = 0 bedeutet übrigens nichts anderes, als dass die Schaltung mit Gleichspannung und Gleichstrom betrieben wird. Der komplexe Leitwert dieser Reihenschaltung ist: L I 1 1 1 1 1 1 − jω R 1 1 − jωτ = = = ⋅ = Y= 2 = R 1 + (ωτ ) 2 U Z R + jω L R 1 + jω L R L ω + 1 R R ( ) im 0,5 ⋅ 1 R 1 R ω= 0 re Y R ω L 1 -0,5 ⋅ R Bild 5.32: ω= 1 τ Ortskurve der Admittanz bei Reihenschaltung von R und L 101 5.11 Reihen- und Parallelschwingkreise Eine Reihenschaltung, die aus R, L und C besteht, bezeichnet man als gedämpften Reihenschwingkreis. Die Impedanz Z dieser Anordnung ist Z = R + j (ω L − 1 ) ωC Man sieht, dass es eine Kreisfrequenz geben muß, bei der der Imaginärteil zu Null wird. ω0 L − 1 =0 ω 0C ω0 = 1 L⋅C Diese Kreisfrequenz hat den Namen Resonanz-Kreisfrequenz. Betreibt man die Schaltung mit dieser Frequenz, bleibt von der Impedanz nur noch der ohmsche Widerstand übrig. Nur bei Resonanz wird die Impedanz reell. Weicht man von der Resonanz-Kreisfrequenz ab, bekommt Z einen Imaginärteil und der Betrag von Z vergrößert sich. Kennt man die Resonanz-Kreisfrequenz, kennt man auch die Resonanz-Frequenz: f0 = 1 2π L ⋅ C Um zu einer allgemeinen Darstellung zu kommen, normieren wir die Kreisfrequenz L ω Z = R + j ⋅ − C ω0 Den Ausdruck Z0 = L ω0 ⋅ C ω L nennen wir Kenn-Kreiswiderstand. Damit erhalten wir C Z ω ω0 − Z = R 1 + j 0 R ω0 ω Der Quotient Z0/R heißt Güte. Er ist dimensionslos. Z Q= 0 = R L C R 102 ω im Z R ω = ω0 R re L C Bild 5.33: Impedanz des gedämpften Reihenschwingkreises Bei kleinen Frequenzen verhält sich die Schaltung kapazitiv. Bei der Frequenz Null ist die Impedanz unendlich. Wir erinnern uns: Frequenz Null heißt Gleichspannung und Gleichstrom. Der Kondensator lädt sich auf die Quellenspannung auf und es fließt kein Strom. Geht die Frequenz gegen Unendlich, wird der kapazitive Widerstand zu Null, der induktive aber unendlich. Es fließt ebenfalls kein Strom. Den Zustand der Resonanz schauen wir uns nun einmal genauer an. Resonanz bedeutet, dass die Beträge der Blindwiderstände von L und C gleich groß sind. Daher heben sie sich von außen betrachtet auf. Ohne die Allgemeinheit einzuschränken, nehmen wir den Strom als reell an. Für die Spannungen an R, L und C gilt U q= U R + j (U L − U C ) = I ⋅ Z = I ⋅ R(1 + jQ(1 − 1)) UR ist gleich der Klemmenspannung Uq. UL und UC sind bei Resonanz gleich groß. Wie groß sie sind, hängt von der Güte ab. Ist die Güte größer als 1, wird die Spannung an den Blindwiderständen größer als die Klemmenspannung. Das muß man wissen, wenn man die Spannungsfestigkeit der Bauteile dimensioniert! Der Strom wird bei Resonanz nur durch den ohmschen Widerstand bestimmt. 103 Wir verstimmen nun die Frequenz so weit, bis die Phasenverschiebung ± 45° beträgt. Die Differenz zwischen den beiden Kreisfrequenzen, bei denen diese Phasenverschiebung auftritt, bezeichnen wir als Bandbreite. ∆ ω = ω go − ω gu Die obere Grenzfrequenz ist ω go ω 0 = 1 Q − ω 0 ω go ω go2 − ω 02 ω goω 0 ω go2 − ω goω 0 Q = 1 Q − ω 02 = 0 2 ω go ω0 ω0 = + + ω 02 2Q 2Q Die untere Grenzfrequenz ist ω gu ω 0 = − 1 Q − ω 0 ω gu ω gu2 + ω guω 0 Q − ω 02 = 0 2 ω gu ω0 ω0 =− + + ω 02 2Q 2Q 104 ω im ωgo Z ω = ω0 45° 45° ∆ω R re ωgu Bild 5.34: Bandbreite des Reihenschwingkreises Das positive Vorzeichen vor der Wurzel ergibt sich in beiden Fällen dadurch, dass die Frequenz nicht negativ werden kann. Die Bandbreite ist also ∆ω = ω0 Q Betrachten wir nun den gedämpften Parallelschwingkreis. Er besteht aus der Parallelschaltung von R, L und C. iL iR iC i ~ Bild 5.35: uq R XL Parallelschaltung von R, L und C XC 105 Seine Admittanz ist Y= 1 1 1 1 + + jω C = + j ω C − ωL R jω L R Bei Resonanz verschwindet auch hier der Imaginärteil. Es bleibt nur der ohmsche Leitwert übrig. Die Parallelschaltung von L und C benimmt sich, als sei sie gar nicht vorhanden. Sie wird unendlich hochohmig. Das ist folgendermaßen zu erklären: Sowohl in XL als auch in XC muß Strom fließen. Der Strom in XL eilt der Spannung um 90° nach, der in XC eilt der Spannung um 90° vor. Beide sind also gegeneinander um 180° phasenverschoben und sind gleich groß. Ist der Augenblickswert des Stromes in XL positiv, ist der in XC negativ und umgekehrt. Beide versorgen sich gegenseitig mit Strom und brauchen keinen Strom von außen. Wir ermitteln nun den komplexen Scheinwiderstand dieser Parallelschaltung. Z= 1 1 = = Y 1 1 1 + j 1 + j ωC − Z0 R R ωL R 1 = ω ω0 1 ω ω0 1+ j − − Q ω0 ω ω0 ω im C Z ω=0 ω→∞ 0,5 R L R R ω = ω0 re ω Bild 5.36: 5.12 Ortskurve der Impedanz des gedämpften Parallelschwingkreises Der Frequenzgang passiver Netzwerke, Bode-Diagramm Will man das Verhalten einer Schaltung bei veränderlicher Frequenz darstellen, ist die Frequenzgangdarstellung genau so gebräuchlich wie die Zeigerdarstellung. Hier werden Betragsund Phasengang getrennt dargestellt. Die Frequenz wird logarithmisch aufgetragen, ebenso der Betrag. Der Phasenverlauf bekommt eine lineare Achseinteilung. Wenn man logarithmisch aufträgt, braucht man Bezugswerte. Bei der Kreisfrequenz kann das z.B. die Zeitkonstante oder die Resonanzkreisfrequenz sein. Beim Betrag kann irgendein 106 markanter Wert als Bezugswert gewählt werden. Als erstes Beispiel betrachten wir die Reihenschaltung von R und C. Es soll der Frequenzgang der Spannung an C bezogen auf die Spannung Uein dargestellt werden. R uein Bild 5.37: uaus C Vierpol aus R und C , Tiefpaßvariante Für den Betrag der Spannung am Kondensator erhalten wir U aus I ⋅ X C XC = = = U ein U ein Z Für 1 ωC R 2 + ( 1 2 ) ωC = 1 1 + (ω RC) 2 ωτ << 1 ist die Übertragungsfunktion gleich 1. Für = 1 1 + (ωτ ) 2 ωτ >> 1 ergibt sich 1 . Den Bereich ωτ dazwischen muß man sich genauer ansehen. Der Phasengang ist tan ϕ = −ωτ Beim Betrag der bezogenen Spannung geben wir den Wert in Dezibel (dB) an. Dazu verwendet man den Logarithmus zur Basis 10 und multipliziert ihn mit 20. Die gemeinsame Darstellung von Amplituden- und Phasengang wird als Bode-Diagramm bezeichnet. 107 uaus 20 ⋅ log u ein 0 -20dB / Dekade -20 -40 0,01 ϕ /° 0,1 10 1 100 ωτ ωτ -45 -90 Bild 5.38: Bode-Diagramm des Tiefpasses Bei kleinen Frequenzen ist die Spannung an C gleich der Eingangsspannung. Beide liegen in Phase. Bei der Grenzfrequenz ist die Amplitude auf - 3 dB abgesunken. Die Spannung Uaus eilt hier der Spannung Uein um 45° nach. Bei hohen Frequenzen wird die Amplitude immer kleiner. Sie fällt mit -20 dB/ Dekade. Die Phase geht gegen -90°. Vertauscht man nun R und C, erhält man einen Hochpass. C uein Bild 5.39: uaus R Vierpol aus R und C, Hochpaßvariante Die Spannung am Widerstand R ist U aus I ⋅ R R = = = U ein U ein Z R R2 + ( 1 2 ) ωC 1 = 1+ ( 1 2 ) ω RC Für den Phasengang erhalten wir tan ϕ = 1 ωτ ; ϕ= π − arctan ωτ 2 = ωτ 1 + (ωτ ) 2 108 uaus 20 ⋅ log u ein 0 -20 -40 ϕ /° 0,01 0,1 1 10 100 0,01 0,1 1 10 100 ωτ 90 45 Bild 5.40: ωτ Bode-Diagramm des Hochpasses Bei kleinen Frequenzen ist die Ausgangsspannung voreilend, aber sehr klein. Bei der Grenzfrequenz ist die Phase gleich +45°, die Amplitude gleich -3 dB. Weit oberhalb der Grenzfrequenz ist die Ausgangsspannung nach Betrag und Phase gleich der Eingangsspannung. Anwendung: Der Tiefpass findet Verwendung, um Signale, die unterschiedliche Frequenzanteile besitzen, zu glätten. Man entfernt die hohen Frequenzanteile. Man spricht in diesem Zusammenhang auch oft davon, dass man einen Glättungskondensator einbaut. Der Hochpass wird angewendet, um die tiefen Frequenzen in einem Signal zu unterdrücken, speziell den Gleichspannungsanteil. 109 5.13 Blindleistungs-Kompensation Wir wenden uns jetzt wieder der Energietechnik und damit der festen Frequenz f = 50 Hz zu. Im Wechselstromnetz besteht häufig das Problem, dass die Verbraucher nicht rein ohmsch sind, sondern meistens ohmsch/induktiv. Es entsteht also beim Betrieb dieser Verbraucher induktive Blindleistung. Das Ziel der Energieversorgung ist jedoch, Wirkleistung zum Verbraucher zu bringen. Die Blindleistung ist eigentlich unerwünscht und führt dazu, dass in den Zuleitungen zwischen Energie-Erzeuger und -Verbraucher mehr Strom fließt als eigentlich notwendig. Dieser erhöhte Strom erzeugt im Generator und an den Leitungen Stromwärmeverluste. Da man die Verbraucher oft nicht ändern kann, muss man sich etwas anderes einfallen lassen. Die Lösung ist, einen Kondensator in der Nähe des Verbrauchers zu installieren. Der Kondensator erzeugt kapazitive Blindleistung. Diese kapazitive Blindleistung kompensiert die induktive ganz oder teilweise. Über die Kapazität des Kondensators kann man einstellen, wie viel Blindleistung das Netz nun noch zur Verfügung stellen muss. Theoretisch kann man den Kondensator sowohl in Reihe zum Verbraucher als auch parallel schalten. Wenn man ihn in Reihe schalten würde, wäre die Klemmenspannung der Last nicht mehr die Netzspannung sondern irgendeine andere. Das ist nicht gewollt. Also wählt man die Parallelkompensation. In der Regel ist es auch noch so, dass die Verbraucher sich zu unterschiedlichen Zeiten unterschiedlich verhalten. Sie werden z.B. gelegentlich abgeschaltet. Um in solchen Situationen nicht das Gegenteil von dem, was man eigentlich wollte, zu erreichen, kompensiert man die induktive Blindleistung häufig nur zum Teil. Es könnte sonst im Netz die kapazitive Blindleistung überwiegen und die Probleme wären die gleichen wie zuvor. Wenn Verbraucher auch Blindleistung aufnehmen, ist es üblich, auf dem Typenschild den Leistungsfaktor anzugeben. Er ist folgendermaßen definiert: P = cosϕ S IV I U Bild 5.41: IC IL IR C L R Ohmsch/induktiver Verbraucher mit Kompensations-Kondensator 110 An den Klemmen des Verbrauchers ist ein ohmsch/induktiver Scheinstrom IV zu messen. Er eilt der Spannung U nach. Der Zeiger der Scheinleistung ist bei reeller Spannung S V = U ⋅ I V* = U ( U U + j ) = U ⋅ I W − jU ⋅ I B = P + jQV R ωL Die Scheinleistung hat einen positiven Imaginärteil, weil der Blindstrom einen negativen Imaginärteil hat! Ohne Kondensator ist diese Scheinleistung vom Netz aufzubringen. Mit Kondensator fließt in diesem ein kapazitiver Blindstrom I C = U ⋅ jω C Dieser Strom eilt der Spannung um +90° vor. Die kapazitive Blindleistung ist negativ. jQC = U ⋅ I *C = − jω U 2 ⋅ C QC = − ω U 2 ⋅ C Will man eine sogenannte Totalkompensation vornehmen, ist das Problem einfach zu lösen. Man wählt den Wert der Kapazität so, dass Resonanz eintritt. C= 1 ω2L U2 − ω CU 2 = 0 Q = QL + QC = ωL Vom Netz ist dann nur noch der Wirkstrom IW = IR zu liefern. Die vom Netz aufgenommene Scheinleistung wird reell und ist gleich der Wirkleistung, die an R umgesetzt wird. Die vom Verbraucher aufgenommene Scheinleistung SV ändert sich durch diese Maßnahme übrigens nicht! Die Quelle für die aufgenommene Blindleistung ist aber nicht mehr das Netz, sondern der Kondensator. Die benötigte Blindleistung wird sozusagen „vor Ort“ erzeugt. Ist es das Ziel, nur einen Teil der induktiven Blindleistung zu kompensieren, hilft das Zeigerdiagramm der Leistung. 111 jQ1 = jQL S1 jQC S2 ϕ1 jQ2 ϕ2 P Bild 5.42: Wirk-, Blind- und Scheinleistung vor (Index 1) und nach ( Index 2) der Kompensation Den Wert des notwendigen Kondensators erhält man wieder über QC = − ωU 2 C QC C=− ωU 2 Wenn man kompensiert, versucht man einen resultierenden Leistungsfaktor von mindestens 0,9 zu erreichen. Das entspricht einen Winkel ! von höchstens 26°. Für große Abnehmer elektrischer Leistung ist die Kompensation eine wichtige Maßnahme zur Einsparung finanzieller Mittel. Großbetriebe zahlen für die von Netz bezogene Blindarbeit genau wie für die bezogene Wirkarbeit. Für die Blindarbeit allerdings etwas weniger. In Privathaushalten ist die Kompensation nicht üblich. Sie wird wenn nötig vom Energieversorger an zentralen Punkten vorgenommen.