Bedeutung von HPV bei Analtumoren

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H. zur Hausen
Bedeutung von HPV bei Analtumoren/
Analkarzinom
Signification du HPV dans les tumeurs/le cancer de l‘anus
32. Schweizerische Koloproktologie-Tagung
Bern, 22.Januar 2011
Infektionen und Karzinome
•  Global werden geschätzt 20-21 % der Inzidenz von Karzinomen
auf Infektionen zurückgeführt:
–  Virale: EBV, HHV8, HBV, HCV High-risk HPV, Polyomavirus
–  Bakterielle: Helicobacter pylori
–  Parasitäre: Schistosoma haematobium, Opisthorchis viverenni,
Clonochoris sinensis)
•  Dominante Rolle von HPV mit 51 % dieser Karzinome
Dr. med. Stefan Esser
Universitätshautklinik Essen
•  Immunsuppression geht mit einer Aktivierung persistierender
onkogener Viren einher.
zur Hausen H. Biochemistry 2008
S. Esser Universitätshautklinik Essen
Humane Papillomviren (HPV)
S. Esser Universitätshautklinik Essen
Humane Papillomviren (HPV): Infektion
•  Überwiegend species-spezifisch, Epitheliotropismus:
–  HPV infizieren Epithelzellen der Haut und Schleimhäute.
–  Keine Zerstörung der Epithelzellen
•  Papillomaviridae sind DNA-Viren (dsDNA)
aus der Familie der Papovaviridae
•  Einteilung in 5 Gattungen (alpha, beta, gamma, mu, nu)
•  Mittlerweile mehr als 150 verschiedene Typen bekannt.
•  Doppelsträngiges zirkuläres DNA-Molekül aus ca.
8000 Basenpaaren eingeschlossen in Proteinkapsid
ohne Lipoproteinhülle (rel. umweltstabil gegenüber
Austrocknung und Detergentien)
S. Esser Universitätshautklinik Essen
Verlauf HPV-Infektion
•  Infektion durch direkten Kontakt meist über Mikroläsionen:
–  Genitoanal überwiegend durch Geschlechtsverkehr
–  Übertragung selbst über kontaminierte Oberflächen möglich
•  Etwa 40 Typen vorwiegend aus der Gattung alpha infizieren bevorzugt Haut
und Schleimhäute der Anogenitalregion
–  Keine Seltenheit: Infektionen mit verschiedenen HPV-Typen
•  Inkubationzeit: Wochen-Monate in Einzelfällen sogar Jahre
–  80 % der HPV-Infektionen heilen spontan innerhalb von 12 Monaten durch zelluläre
Immunantwort des Wirtes wieder aus
–  Vorraussetzung für eine persistierende HPV-Infektion ist die Infektion der
Basalzellen in tiefen Schichten des Plattenepithels über Abrasionen oder
Mikrotraumen
•  Immune Evasion:
–  Fehlen Ag-präsentierender Langerhans-Zellen
–  Keine systemische Virämie
S. Esser Universitätshautklinik Essen
High Risk / Low Risk HPV
•  Meistens harmlos, asymptomatisch, subklinisch
–  Erkrankung verschwindet oft von allein, auch ohne Therapie
•  Low Risk : HPV 6, 11
–  90 % aller Anogenitalwarzen (Feigwarzen) und low-grade lesions
•  Infizierte Zellen können zu Tumoren heranwachsen:
–  Meist gutartige Bildung von Warzen an den betroffenen Stellen:
Genitoanalbereich: Condylomata acuminata (Feigwarzen)
–  Die persistierende Infektion mit speziellen Hochrisiko-HPV-Typen kann
die Entwicklung von Karzinomen und ihren Vortsufen verursachen;
genitonanal insbesondere der Zervix, Anus, Vagina und Penis.
•  High Risk : HPV 16, 18
–  (HPV 16, 18, 31, 33, 35, 39, 45, 51, 52, 53, 56, 58, 59, 63, 66, 68, 73, 82 )
–  „High-risk-HPV-Typen“ verursachen genitoanale invasive Karzinome
•  der Zervix (sog. cervikale intraepitheliale Neoplasie, CIN): 70 %,
•  des äußeren Genitale (vulvär VIN, vaginal VAIN und des Penis PIN)
•  und anal (AIN): 70 – 97 %
–  70-99 % aller high grade lesions (Krebsvorstufen, CIN/AIN)
•  Alle können Läsionen und abnormale PAP- Teste und auffällige
zytologische Untersuchungen auslösen
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Lebenszyklus HPV in Wirtszellen
HPV-Typen:
• 
Initiale Infektion der Basalzellen und latente Infektion (heilt meistens aus)
–  Keine morphologischen Veränderungen; Nachweis ausschließlich molekularbiologisch
–  Mehrzahl abortiv; rein episomale HPV-DNA in Basalzellen
Lokalisation
und Klinik
• 
Permissive Infektion (häufig selbstlimitierend, klinisch gutartige Läsionen)
–  Kontrollierte Expression viraler Gene
–  Replikation des viralen Genoms in Abhängigkeit vom Epithel-Differenzierungsgrad:
•  Basalzellschicht: Begrenzte Expression viraler Gene
•  Intermediärzellschicht: Verstärkte HPV-Genexpression und Replikation
•  Superfizialzellschicht: Frühe Gene abgeschaltet, späte Gene angeschaltet
HPV Typ 6 und 11 („low risk“)
Condylomata acuminata/plana,
Buschke-Löwenstein-Tumor
HPV Typ 16, 18, 31, 33 und 45(„high risk“)
Genitoanale Intraepitheliale Neoplasien (IN)
HPV Typ 16 („high risk“)
Bowenoide Papulose, IN, Erythroplasie Querat
HPV Typ 13 und 32 („low risk“)
Morbus Heck (Mundschleimhaut)
HPV Typ 1, 2, 3 und 4
Verruca vulgaris
HPV Typ 1, 2, und 4
Verruca plantaris
HPV Typ 3 und 10
Verruca plana juvenilis
HPV Typ 7
Fleischerwarze
HPV Typ 5 und 8 („intermediate risk“),
sowie gelegentlich auch die anderen Typen
der EV-Gruppe: 5, 8, 9, 12, 14, 15, 17, 19,
20, 21 und 47
Epidermodysplasia verruciformis
–  Freisetzung infektiöser Partikel mit Zerfall infizierter Keratinozyten
–  Synthese viraler Antigene überwiegend in Zellen, die kaum noch Ag-präsentierende Fähigkeiten
haben: Akute Infektion bleibt häufig vom Immunsystem unbemerkt
• 
Transformierende Infektion bei High Risk HPV-Infektion (ungünstige Prognose)
–  Ausfall endogener Restriktionsmechanismen
–  Verstärkte, unkontrollierte Expression viraler Onkogene
–  Chromosomale Instabilität und epitheliale neoplastische Transformation
von Knebel Doeberitz M et Al. Hautarzt. 2010
S. Esser Universitätshautklinik Essen
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HPV Infektionen verursachen benigne und
maligne Tumore im Epithel des Analtrakts
Humane Papillomviren (HPV): Struktur
•  HPV-Genom besteht aus 8 Genen:
Produktive
Infektion
–  Regulation über Promotor „long control region“ (LCR)
–  6 Frühe Gene „Early Genes“ (E1, E2, E4, E5, E6, E7)
•  E1 und E2 vermitteln virale Transkription und Replikation
•  E1-E4 und „late genes“ an der Freisetzung neuer HPV aus abgestoßenen
Epithelzellen beteiligt
•  E4 kann intrazelluläre Filamente im Keratinozytennetzwerk zerstören.
•  Virale Onkogene E6 und E7 steuern Zellyklus
Keratinozytendifferenzierung
Stratum granulosum
E6 und E7 Produktion
Stratum basale
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Up to 5 Years
Continuing
Infection
AIN
2/3
Persistierende
Infektion
Verhornendes Plattenepithel
Natürlicher Verlauf der HPV Infektion
Within 1 Year
Virale DNA im Nukleus
von infizierten Basalzellen;
Stratum spinosum
•  Kodieren Untereinheiten des Viruskapsids
•  Einteilung nach Sequenzvariationen im L1-Gen
•  Nachweis von HPV L1-Protein = infektiöse HPV-Partikel
Handisurya A. et al JDDG 2009, Soltar K Pathologe 2008,
L1 Produktion
E6 und E7 abgeschaltet
Virus zusammengefügt
Stratum corneum
–  E6 vermittelte Blockade der p53-induzierten Apoptose
–  E6 vermittelte Blockade der p16INK4 Kontrolle viraler Onkoproteine
–  E7 vermittelte Inhibition des Retinoblastoma-Protein (pRb)-induzierten
Zellzyklusarrests
–  2 Späte Gene „Late Genes“ (L1, L2)
Abschuppung Virusbeladener Zellen
Anale Oberfläche
Up to 20 Years
#Palefsky
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HPV-related Dysplasia and Neoplasia
SIL (Zytolpathologische Einteilung nach Dyplasiegrad):
Squamous intraepithelial lesion: Low- (L) oder High- (H) grade
IN (Einteilung in Abhängigkeit vom histpathologischen Grad der Dyplasie): 1-3
Intraepitheliale Neoplasie + anatomische Lokalisation (z. B. C = Cervix; A = anal)
anal
Cancer
Condylomata
acuminata
Initial
HPV
Infection
Bowenoide
Papulose
Koilozyten:
HPV replizierende,
differenzierte
Epithelzellen
Morbus
Bowen
AIN 1
AIN/
AIN/
Analkarzinom
Cleared HPV Infection
#MSD
AIN/
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#Palefsky
#Palefsky
S. Esser Universitätshautklinik
Essen
Universitätshautklinik
Essen
Anale Transformationszone:
Häufigster Entstehungsort für Analkarzinome
Epidemiologie genitoanaler HPV-Infektionen
•  Häufigste sexuell übertragbare Virusinfektion
•  HISTOLOGIE
•  Geschätzte Prävalenz bei 15 – 49 -jährigen Männern und Frauen
•  75% Plattenepithel
– 
prox. L. dentata: Übergangsepithel (Kloacogen)
•  Andere
– 
– 
– 
Adeno - Karzinom (Drüsen , Fisteln)
kleinzellig (neuroendokrin)
Melanom (1%, 5 JÜR 8 - 12%)
•  Analrand:
– 
•  Die Durchseuchung ist extrem hoch: 75% der Bevölkerung
haben eine akute oder latente HPV-Infektion
Plattenepithel, Basalzell, Kaposi u.a.
•  Patientenzahl in Deutschland: ca. 0,4 – 0,8 Mio.
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Epidemiologie und Risikofaktoren:
Condylomata acuminata = Feigwarzen,
Analkarzinom und Zervixkarzinom
Prävalenz von HPV-Infektionen
Inzidenz analer und perianaler Karzinome
–  Frauen (3 Jahre nach Beginn sexueller Aktivitäten)
–  Männer (2 Jahre nach Beginn sexueller Aktivitäten)
•  Risikofaktoren:
•  Alle Männer
•  Men having sex with Men (MSM)
•  HIV-infizierte MSM
–  Promiskuität und Partnerpromiskuität
•  Rezeptiver Analverkehr
– AC 6 x häufiger bei jungen männl. Singles
46 %
62 %
73 %
>90 %
•  60-90% aller analen und perianalen Karzinome sind HPV-positiv
–  Genitoanale Begleitinfektionen
–  Chronische Erkrankungen (50%)
Fissuren / Fisteln, frühere Radiatio
•  Inzidenz analer und perianaler Karzinome:
–  Zigarettenrauchen (x2)
–  Schwangerschaft
–  Immunsuppression
–  Allgemeinbevölkerung: Relativ niedrig:
–  MSM: Erheblich erhöht:
–  HIV-infizierte MSM: Dramatisch erhöht:
•  100x > nach Nierentransplantation
0,1-2,8 Fälle/100.000
35 Fälle/100.000
70 Fälle/100.000
•  In Ballungsgebieten wie San Francisco (2000): 224 Fälle/100.000
–  HIV-Infektion
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Verlauf der HPV Infektion bei
Immunsuppremierten und HIV-Positiven
Within 1 ? Year
S. Esser Universitätshautklinik Essen
•  Prävalenz von genitoanalen HPV-Infektionen:
•  Junge Erwachsene am häufigsten betroffen
• 
Koutsky, Am J Med 1997
Up to 5 ? Years
Kreuter A et al. JDDG 2008, Handisurya A et al. JDDG 2009, zur Hausen H. Virology 2009 S. Esser Universitätshautklinik Essen
Tumor-Risiko und Immunsuppression:
Transplantierte vs HIV-Infizierte
HPV-assoziierte Tumoren
Up to 20 ? Years
Continuing
Infection
Initial
HPV
Infection
AIN
2/3
AIN 1
anal
Cancer
HPV infections in HIV patients
–  Risk for persistent HPV
infections and clinical symptoms
Uncommonly
Cleared HPV Infection
Universitätshautklinik Essen
•  7x higher
•  Correlates inversely with CD4 T
cell count
–  Faster malignant degeneration
–  Higher risk for development of
HPV-associated cancer
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#15 F. Bonnett et al. (Aquitane-Kohorte) - CROI, 3.-6. Feb. 2008, Boston
Grulich et al, Lancet 2007
S. Esser Universitätshautklinik Essen
HAART führt bei HIV-Infizierten zur
Immunrekonstitution und zum Rückgang von KS!
Pre-HAART
Trotz HAART steigt
bei HIV-Infizierten
die Inzidenz des Analkarzinoms!
Wie aussagefähig ist die
Anal-Zytologie?
Post-HAART
Abnahme Immundefizienz
= Rückgang KS
PreHAART
Die Zytologie gibt nur
Hinweise auf die Dignität,
reicht aber nicht für die Diagnose
(schlechte Reproduzierbarkeit).
Post-HAART
*Includes ASCUS
Sensitivität* Spezifität*
HIV+
81 %
63 %
HIV-
50 %
92 %
Palefsky et al, J AIDS Hum Retrovir 1997, 14:415-22
Hoch aktive antiretrovirale Therapie hat keinen positiven Effekt auf AIN!
Montreal,
Canada
Patel et al. Ann Intern Med 2008, 148, 728-732; A. Grulich, 16th CROI 8-11. Febr. 2009,
S. Esser
Universitätshautklinik
Essen
Der Abgleich zwischen klinischem palpatorischen und
inspektorischen Befund, Zytologie und gezielt entnommener
Probebiopsie bietet die größte diagnostische Sicherheit für die
Entscheidung über das weitere therapeutische Vorgehen!
S. Esser Universitätshautklinik Essen
Möglichkeiten für differenzierende Diagnostik:
Interferenz E7-Protein mit pRB-E2F-Komplex führt
zur massiven Überexpression des zelleigenen
Cyclin-abhängigen Kinaseinhibitors p16INK4a (braun)
als Marker für proliferierende
dys/neoplastische Epithelzellen
Gemeinsame Darstellung p16INK4a (braun)
mit Proliferationsmarker Ki67 (rot)
von Knebel Doeberitz M, Reuschenbach M. Hautarzt. 2010 Jan;61(1):13-20.
Universitätshautklinik
Essen
S. Esser Universitätshautklinik
Essen
Zusammenfassung HPV/Analkarzinom
•  HPV gehört zu den häufigsten sexuell übertragenen Infektionen
•  Etwa 40 HPV-Typen infizieren Epithelzellen der Genitoanalregion
–  Infektionen mit verschiedenen HPV-Typen sind häufig
•  Promiske, MSM und Immunsuppremierte von der HPV-Infektion betroffen.
von Knebel Doeberitz et al.
Hautarzt. 2010 Jan;61(1):13-20.
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Zusammenfassung HPV/Analkarzinom
•  Jede HPV-assoziierte klinische Veränderung sollte zwecks Reduktion des
Übertragungs- und Entartungsrisikos rechtzeitig diagnostiziert und umgehend und
konsequent therapiert (CAVE: Häufg Rezidive) werden.
–  Reproduzierbarkeit, Spezifität und Sensitivität der zytologischen Diagnostik sind bei
analen squamösen intraepithelialen Läsionen bisher unbefriedigend.
–  Goldstandard ist die histopathologische Begutachtung einer nach Essigsäure und
Lyol`scher Färbung gezielt unter Auflichtmikroskopie entnommenen Probebiopsie
•  HPV-Infektionen verlaufen überwiegend symptomlos und selbstlimitierend.
•  Auch wenn die Radiochemotherapie von Analkarzinomen inzwischen Erfolge
erzielt, ist die wiederholte rechtzeitige vollständige operative Entfernung der
Vorstufen die entscheidende Therapie zur Besserung der Prognose.
•  Persistierende HPV-Infektionen werden vor allem bei Immunsuppremierten
beobachtet und führen oft zur Entstehung von Tumoren:
•  Trotz operativem Eingriff persistiert die HPV-Infektion meist. HPV kann teilweise
durch immunmodulierende Behandlungen (IFN, Immiquimod) „eradiziert“ werden.
–  Low-risk HPV können Condylomata acuminata (Feigwarzen) verursachen
–  High-risk HPV tragen zur malignen Transformation und Entwicklung von
Plattenepithelkarzinomen bei.
•  Analkarzinome entwickeln sich meistens im Übergangsepithel der
Transformationszone zwischen Linea dentata und Anorectallinie.
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•  Kondome schützen nur begrenzt vor Übertragungen genitoanaler HPV-Infektionen.
•  Verschiedene effektive Impfungen gegen HPV 16 und 18 sowie 6 und 11 stehen als
Prävention zur Verfügung.
–  Die Kostenübernahme erfolgt in Deutschland nur für Mädchen und junge Frauen.
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