10. Supraleitung

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10. Supraleitung
10.1 Phänomene
Unterhalb einer kritischen Temperatur TC tritt bei vielen Metallen Supraleitung auf. Zwei
Phänomene kennzeichnen die Supraleitung:
• Der Widerstand verschwindet schlagartig und wird R = 0 (exakt)
• Magnetfelder werden aus dem Inneren des Supraleiters verdrängt (Meißner-OchsenfeldEffekt)
Bei Typ-I Supraleitern kann ein Magnetfeld stets vollständig verdrängt werden, bis zu einem kritischen Feld HC , oberhalb davon bricht die Supraleitung zusammen. Bei Typ-IISupraleitern wird das Feld vollständig bis zu HC1 verdrängt, darüber tritt ein Misch-Zustand
auf, in dem sich normalleitende und supraleitende Bereiche abwechseln. Der Widerstand ist
hier weiterhin R = 0. Oberhalb von HC2 verschwindet auch hier die Supraleitung.
Technologisch wichtig sind vor allem die Typ-II-Supraleiter, da hier höhere kritische Felder
möglich sind: Herstellung von supraleitenden Magneten.
Nicht alle Metalle werden supraleitend, z.B. Gold, Silber, Kupfer und die Ferromagneten
bleiben normalleitend. Typische Sprungtemperaturen für Elementsupraleiter liegen bei einigen Kelvin (z.B. Aluminium 1.14 K, Niob 9.2 K), einige 10 Kelvin für wichtige metallische
Verbindungen (z.B. 18.05 K für Nb3 Sn) und bis zu 190 K für die keramischen Hochtemperatursupraleiter.
10.2 BCS-Theorie
Verständnis der Supraleitung (aber nicht der Hochtemperatursupraleiter!) mit der BCSTheorie (Bardeen, Cooper, Schriefer): Bei tiefen Temperaturen können zwei Elektronen einen
gebundenen Zustand bilden, das Cooper-Paar. Die Bindung wird über Phononen vermittelt.
Wichtig ist, daß alle Cooper-Paare in einen gemeinsamen Zustand kondensieren und alle
durch dieselbe Wellenfunktion beschrieben werden. Darum verschwindet der Widerstand,
weil Streumechanismen dann sämtliche Cooper-Paare auf einmal ablenken müßten.
Jedes Elektron senkt seine Energie um die Energielücke ∆ ab, zum Aufbrechen eines CooperPaares sind also 2∆ erforderlich. Ist die Temperatur T > TC = ∆(0)/(1.76kB ), so werden
alle Cooper-Paare aufgebrochen und die Supraleitung bricht zusammen.
Der supraleitende Zustand hält das Innere des Supraleiters magnetfeldfrei. Dies gelingt solange wie der Energiegewinn durch Bildung der Cooper-Paare größer ist, als der Aufwand,
ein magnetisches Gegenfeld aufzubauen.
10.3 Hochtemperatursupraleiter
Die Hochtemperatursupraleiter wurden in den 1980er Jahren entdeckt. Sie bestehen aus
Kupferoxid-basierter Keramik. Sprungtemperaturen bis 190 K wurden erreicht, d.h. Anwendungen sind möglich, bei denen mit billigem flüssigem Stickstoff gekühlt wird statt mit flüssigem Helium. Sie sind aber technologisch schwer zu handhaben, und theoretisch noch nicht
verstanden.
10.4 Anwendungen
Die wichtigste Anwendung sind leistungsfähige Elektromagneten mit Feldern bis zu 20 Tesla.
Sie werden in der Forschung eingesetzt und in der Medizintechnik für Magnetresonanztomographen.
10.5 Josephson-Effekt
Ein schöner Beweis, daß die Cooper-Paare durch eine makroskopische Wellenfunktion beschrieben werden, ist der Josephson-Effekt. Cooper-Paare können quantenmechanisch durch
eine dünne Barriere tunneln, ohne daß sie aufgebrochen werden. Das heißt, auch durch eine dünne isolierende Schicht kann ein Suprastrom fließen (also verlustfrei). Wird an einen
Josephson-Kontakt eine Spannung angelegt, so wird ein hochfrequenter Wechselstrom erzeugt.
Anwendungen:
Das SQUID (superconducting quantum interference device) besteht aus zwei JosephsonKontakten in einer ringförmigen Geometrie. Der Phasenunterschied zwischen den beiden
Kontakten kann über den Magnetfluß eingestellt werden. Verwendung als hochempfindlicher
Magnetfelddetektor.
ac-Josephson-Effekt: Die Frequenz des Wechselstromes in einem Josephson-Kontakt hängt
nur über Naturkonstanten von der angelegten Spannung ab: ω = 2eV /~. Darum werden
Josephson-Kontakte als hochpräzise Spannungsnormale eingesetzt (weil die Frequenz von
Mikrowellen über Vergleich mit einer Atomuhr extrem genau möglich ist).
11. Magnetismus
Es gilt:
M
µ0
V
Dabei ist M die Magnetisierung eines Materials. Die Suszeptibilität χ pro Volumen gibt an,
wie stark ein Material magnetisiert wird, wenn ein externes Feld H angelegt wird. Es gilt:
B = µr µ0 H = µ0 H +
χ = µr − 1
11.1 Dia- und Paramagnetismus
Dia- und Paramagnetismus sind schwache Effekte (|χ| ¿ 1), bei denen Atome bzw. vorhandene magnetische Momente (z.B. freie Elektronenspins) auf ein externes Feld reagieren.
Es findet keine Wechselwirkung untereinander statt, jedes Atom oder Elektron reagiert “für
sich”.
Diamagnetismus: Die Magnetisierung ist dem externen Feld entgegengerichtet (χ < 0).
Getreu der Lenzschen Regel werden Magnetfelder abgeschirmt, wenn ein Kreisstrom fließen
kann. Das ist in der Atomhülle der Fall, d.h. jedes Material reagiert diamagnetisch. Außer
in Supraleitern (perfekter Diamagnet) ist der Effekt aber so schwach, daß alle anderen Formen des Magnetismus ihn überdecken. In extrem starken, inhomohenen Feldern kann der
Diamagnetismus aber so stark sein, daß man damit Objekte zum Schweben bringen kann.
Paramagnetismus: Hier werden bereits vorhandene magnetische Momente im Feld ausgerichtet, das Feld verstärkt sich (χ > 0). Zu den vorhandenen magnetischen Momente
können zählen: Der Gesamtdrehimpuls von Atomen mit nicht abgeschlossenen Schalen, einzelne Elektronenspins, die Elektronenspins im Leitungsband von Metallen. Da chemische Bindungen danach streben, Elektronenschalen abzuschließen, sind kovalent gebundene Moleküle
bzw Festkörper i. Allg. nicht paramagnetisch. Ausnahme: Atome mit unvollständig gefüllten
inneren Schalen, z.B. Seltenerdelemente. Der Paramagnetismus von Leitungselektronen ist
schwach, und nicht temperaturabhängig, weil nur die Elektronen an der Fermikante beteiligt
sind. Isolierte Spins zeigen eine Temperaturabhängigkeit der Form χ ∝ 1/T (Curie-Gesetz),
weil sowohl spin-up wie spin-down-Niveaus thermisch besetzt werden.
11.2 Magnetische Ordnung
Wenn benachbarte Spins miteinander koppeln, d.h. wenn es einen Energieunterschied gibt, je
nachdem, ob die Spins parallel oder antiparallel orientiert sind, kann magnetische Ordnung
auftreten. Wichtigstes Beispiel: Ferromagnetismus. Hier sind alle magnetischen Momente in
einem großen Bereich der Probe parallel ausgerichtet, die Magnetisierung kann sehr groß werden. Es gibt aber auch Antiferromagneten, bei denen benachbarte Spins jeweils antiparallel
ausgerichtet sind. Hier beobachtet man keine makroskopische Magnetisierung, aber die Spins
sind trotzdem geordnet, wie man z.B. mit Neutronenstreuung nachweisen kann.
Austauschkopplung
Naiv würde man annehmen, daß benachbarte Spins deswegen gekoppelt sind, weil sie über ihr
jeweiliges Magnetfeld wechselwirken. Dieser Beitrag ist aber viel zu klein, um Ferromagnetismus zu erklären. Vielmehr ist die Austauschkopplung eine Folge des Pauli-Prinzipes. Da
Elektronen Fermionen sind, muß die Wellenfunktion von zwei Elektronen antisymmetrisch
sein. Das heißt, vertauscht man die Koordinaten der beiden Elektronen, muß die Wellenfunktion das Vorzeichen umkehren. Die Wellenfunktion ist ein Produkt aus Orts- und Spinfunktion. Parallelstellung der Spins bedeutet eine symmetrische Spinfunktion, daraus folgt
automatisch eine antisymmetrische Ortsfunktion, und umgekehrt. Die Anordnung der Spins
entscheidet also, welche Wellenfunktion im Ortsraum die Elektronen einnehmen können. Das
führt zu unterschiedlichen Energien in vorhandenen elektrostatischen Feldern, z.B. CoulombAbstoßung der Elektronen oder das elektrische Feld der Atomrümpfe eines Festkörpers. Die
Austauschkopplung ist also eine elektrostatische Energie, die über verschiedene Spinorientierungen umgeschaltet wird.
Auftreten ferromagnetischer Ordnung
Unterhalb der Curie-Temperatur TC (materialabhängig) sind manche Festkörper ferromagnetisch, z.B. die Elemente Eisen, Kobalt, Nickel und viele Legierungen dieser Metalle. Oberhalb
1
dieser Temperatur sind sie paramagnetisch, mit χ ∝ T −T
.
C
11.3 Domänen
Nach der Diskussion im vorigen Abschnitt würde man erwarten, daß Ferromagneten über die
gesamte Probe hinweg in einer Richtung magnetisiert sind. Das ist im Allgemeinen nicht der
Fall, da so sehr starke Streufelder auftreten, die Energie kosten. Vielmehr teilt sich die Probe
auf in Gebiete verschiedener Magnetisierung (Domänen), über die gesamte Probe gemittelt ist
die Magnetisierung nahezu Null, die Streufelder verschwinden weitgehend. Domänenwände
kosten Energie, weil die Spins dort nicht mehr streng parallel orientiert sind, und die Austauschkopplung nicht mehr voll genutzt werden kann. Bringt man solch einen Ferromagneten
in ein Magnetfeld, wachsen die richtig orientierten Domänen auf Kosten der falsch orientierten, bzw ganze Domänen klappen um, um dem externen Feld zu folgen. Beispiel: ein
Stück Eisen wird von einem Permanentmagneten angezogen. Domänen kann man mit vielen
Techniken sichtbar machen, z.B. Aufstreuen von Eisenspänen, spinpolarisierte Elektronenmikroskopie, magnetische Rasterkraftmikroskopie.
11.4 Energiebeiträge im Ferromagneten
Folgende Energiebeiträge bestimmen die Bildung einer magnetischen Ordnung, die Anzahl
und Größe der Domänen und die bevorzugte Ausrichtung der Magnetisierung:
1. Austausch-Energie: Sie sorgt für die magnetische Ordnung im (Anti-)Ferromagneten,
und ist, wie weiter oben besprochen, eine Folge der elektrostatischen Energie, die über
die Spinorientierung ausgesucht wird.
2. Zeeman-Energie: Die Magnetisierung versucht sich im externen Feld parallel auszurichten, um die Energie zu minimieren:
Z
~ (~r) · H
~ ext d3 r
EZ = −
M
V
3. Entmagnetisierungsenergie: Energie des Ferromagneten in seinem eigenen Streufeld:
Z
~ (~r) · H
~ self d3 r
Edemag = −
M
V
Der Ferromagnet versucht, das Streufeld zu minimieren, indem Abschlußdomänen gebildet werden. Außerdem wird die Magnetisierung bevorzugt in der Ebene dünner magnetischer Schichten liegen bzw in Achsenrichtung von dünnen, langen Nadeln (Formanisotropie).
4. Kristallanisotropie. In kristallinen Ferromagneten kann die Austauschkopplung auch
von der Kristallrichtung abhängen. In verschiedenen Richtungen ergeben sich dann
verschieden hohe Koerzitivfelder und Remanenzen.
Hysterese
Die Magnetisierung eines Ferromagneten hängt von seiner Vorgeschichte ab, der Ferromagnet
hat ein “Gedächtnis”. Mit einem starken, externen Magnetfeld kann man die Magnetisierung
in eine Richtung sättigen. Schaltet man das Feld dann auf Bext = 0 ab, so bleibt eine Restmagnetisierung im Ferromagneten erhalten, die Remanenz. Erst wenn man ein Gegenfeld in
Höhe der Koerzitivfeldstärke anlegt, klappt die Magnetisierung in die Gegenrichtung um.
Man unterscheidet hartmagnetische und weichmagnetische Materialien: Hartmagneten haben
eine hohe Remanenz und ein hohes Koerzitivfeld, sowie eine möglichst rechteckige Hysteresekurve. Beispiel: Permanentmagneten, magnetische Datenspeicher (Festplatten). Weichmagneten haben eine möglichst geringe Hysterese, um Energieverluste durch Ummagnetisieren
zu verhindern. Beispiel: Trafokerne aus Permalloy.
11.5 Anwendungen
Die wichtigste Anwendung von Ferromagneten sind magnetische Datenspeicher, z.B. Festplatten. Durch Fortschritte in der Materialentwicklung gelang es, die Speicherdichte immer
weiter zu erhöhen. Fundamentale Grenze ist der Superparamagnetismus. Er tritt auf, wenn
die magnetischen Teilchen so klein sind, daß sie ihre Magnetisierung nicht mehr behalten
können. Außerdem wurde die Auslesetechnik immer empfindlicher gemacht, durch Einsatz
von GMR (giant magnetoresistance) bzw TMR (tunnel magnetoresistance)-Leseköpfen.
11.6 Anwendung von Antiferromagneten
Antiferromagneten können in einer Schichtfolge dazu dienen, die Magnetisierungsrichtung
einer ferromagnetischen Schicht festzuhalten. Beispiel: GMR-Sensor, bei dem eine ferromagnetische Schicht immer in eine Richtung zeigt, die andere kann durch ein externes Feld
ummagnetisiert werden.
12 Nanoelektronik und Spintronik
12.1 Dünne Schichten
Durch Aufdampfen in Ultrahochvakuum können extrem dünne Schichten von Metallen und
Halbleitern hergestellt werden. Die Dicke läßt sich dabei im Angström-Bereich kontrollieren. Unter geeigneten Bedingungen wachsen die Schichten im gleichen Kristallgitter wie das
Substrat auf (Epitaxie).
Anwendungen: Quantentöpfe: Man kann maßgeschneiderte Potentiallandschaften erzeugen,
Quantenmechanik als Festkörperexperiment wird möglich. Heterostrukturen werden für LEDs
und Laser eingesetzt und für hochbewegliche Elektronengase. Hierzu verwendet man die Modulationsdotierung, die schon im Kapitel Halbleiter diskutiert wurde. Auch der QuantenHall-Effekt wurde dort behandelt.
12.2 Nanostrukturen
Nicht nur in der Wachstumsrichtung einer Schicht lassen sich Strukturen im Nanometerbereich erzeugen. Mit Hilfe von Elektronenstrahllithographe sind auch laterale Strukturen
mit Abmessungen bis zu 10 nm möglich. Damit lassen sich Bauelemente mit extrem kleinen
Abmessungen herstellen sowie fundamentale physikalische Effekte im Festkörper überprüfen.
12.3 Spintronik und GMR
In der Spintronik versucht man, auch den Elektronenspin (und nicht nur die Ladung) zur
Speicherung, Transport und Verarbeitung von Information zu nutzen. In rein metallischen
Systemen gibt es schon Anwendungen, z.B. Festplattenleseköpfe auf GMR-Basis. Man versucht aber auch, Halbleiterbauelemente herzustellen, die den Spin der Elektronen nutzen
können.
GMR-Effekt
Der GMR-Effekt (giant magnetoresistance) tritt auf, wenn zwei ferromagnetische Schichten
durch eine sehr dünne, nichtmagnetische Schicht getrennt sind. Diese Zwischenschicht kann
ein nichtmagnetisches Metall, ein Halbleiter oder eine Tunnelbarriere sein (dann: TMR, tunnel
magnetoresistance). Wenn beide Ferromagneten in der gleichen Richtung magnetisiert sind,
ist der Widerstand niedriger als in der antiparallelen Stellung. Man kann z.B. eine Schicht
durch Kopplung an einen Antiferromagneten festhalten, die andere Schicht dreht sich dann
in einem Magnetfeld und der Widerstand ändert sich. Da der Effekt sehr groß ist, sind solche
Sensoren sehr empfindlich und z.B. geeignet, um die winzigen Magneten in einer Festplatte
auszulesen.
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