struktur - Ruhr-Universität Bochum

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Zusammenfassung
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Zusammenfassung
Das Gehirn ist ein komplexes Organ, dessen Zellen durch spezialisierte Strukturen - die
Neuriten und Synapsen - hochorganisierte Netzwerke ausbilden. Diese komplexen
Strukturen des Nervensystems und die vielfältigen Interaktionen seiner Zellen
untereinander machen das Gehirn zu einem besonders empfindlichen Zielorgan für die
schädigenden Wirkungen von Toxinen. Das Neurotoxin Acrylamid (ACR) findet sich in
Nahrungsmitteln und wird in vielen Berufsfeldern als Arbeitsstoff eingesetzt. ACR führt
zu peripheren und zentralen Neuropathien, denen eine Degeneration von Neuriten
zugrunde liegt. Die Frage, auf welchen Mechanismen diese ACR-Wirkung basiert, ist
bisher ungeklärt. Eine Neuritendegeneration geht unter anderem einher mit einer
Erhöhung des intrazellulären Kalziumniveaus, was die Vermutung nahe legt, dass
kalziumsensitive Proteasen wie Calpain an der Neuritendegeneration durch ACR
beteiligt sind. Um diese Hypothese zu prüfen, wurde in der vorliegenden Arbeit eine
neue Methode zur Neuritenquantifizierung - der Network Formation Assay (NFA) etabliert. Die Quantifizierung von Neuriten ist ein sensitiver in vitro-Endpunkt, um
Neurotoxine zu identifizieren. Gängige Methoden hierfür sind sehr zeitintensiv oder
erfordern die Fixierung der neuronalen Kulturen. Mittels Mikrokontaktdruck werden im
NFA Strukturen geschaffen, in denen die neuronalen Zellen und deren Neuriten
räumlich standardisiert angeordnet sind. Dies ermöglicht eine schnellere Quantifizierung
der
Neuriten
und
eine
fortlaufende
Beobachtung
der
hoch
dynamischen
Neuritennetzwerkbildung, ohne eine Fixierung der Zellen zu erfordern. Zusätzlich
spiegelt die dreidimensionale Anordnung der Neurone die tatsächliche Struktur des
Nervensystems besser wider als die herkömmlichen zweidimensionalen Zellkulturen.
Eine Anwendung des NFA gelang sowohl mit der humanen Neuroblastomzelllinie
SH-SY5Y als auch mit primären kortikalen Neuronen der Maus (pCNs), wobei letztere oft
schwer in solchen Strukturen zu kultivieren sind. Mit Hilfe des NFA konnte bei pCNs eine
ACR-induzierte Abnahme der Neuritenzahl nach 48 h sowohl im etablierten als auch im
sich entwickelnden Netzwerk beobachtet werden. Durch die Inhibierung der CysteinProtease Calpain konnte der degenerative und inhibierende Effekt von ACR verringert
werden. Diese Ergebnisse zeigen erstmals die Beteiligung von Calpain an initialen
Prozessen sowohl der Neuritendegeneration als auch der Neuriteninhibierung durch das
Neurotoxin ACR auf.
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Zusammenfassung
Neben der Neuritendegeneration führt ACR in vivo auch zu einer Störung der
neuronalen Reizweiterleitung, die auf einer Beeinträchtigung der Neurotransmitter(NT-)vermittelten Reizübertragung basieren könnte. Um diese Hypothese zu überprüfen,
sollten Stammzellen der CGR8-Linie zu Neuronen (ESCNs) differenziert und anschließend
der Effekt von ACR auf die durch NT induzierten Antworten dieser Neurone getestet
werden. Die Charakterisierung der ESCNs zeigt erstmals, dass diese Zellen Neurone in
einem terminalen Differenzierungsstadium darstellen: Sie weisen Axone und Dendriten
sowie eine mit den pCNs vergleichbare Expression neuronentypischer Proteine auf. Die
Charakterisierung der ESCNs im Kalzium-Imaging konnte ein vielfältiges NT RezeptorRepertoire funktional nachweisen, wobei alle Neurone Glutamat-responsiv waren. Eine
Exposition der ESCNs mit ACR über 24 h zeigte eine Beeinträchtigung des Glutamat-,
Acetylcholin- und GABA-induzierten Antwortverhaltens dieser Zellen auf. Die Ergebnisse
einer gleichzeitigen Inhibierung der Rho-assoziierten Coil Kinase (ROCK) während der
ACR-Inkubation ließen auf eine Störung der Endozytose von Glutamat-Rezeptoren
schließen, die durch eine ROCK-induzierte Depolymerisation von Aktin vermittelt war.
Die vorliegende Arbeit ist eine der wenigen Studien, die im Sinne der biologischen
Toxikologie Teile des Wirkmechanismus eines Neurotoxins aufklärt. Außerdem konnte
eine Schädigung der neuronalen Funktion (NT-vermittelte Reizübertragung) bei
kurzzeitiger und der neuronalen Struktur (Neuritennetzwerkbildung) bei längerfristiger
ACR-Exposition gezeigt werden, was beides die neuronale Zell-Zell-Interaktion
beeinträchtigen kann. Diese Ergebnisse können zu einer besseren Abschätzung des
Gefahrenpotentials von ACR beitragen, dessen Aufklärung seit der Entdeckung von ACR
in Nahrungsmitteln immer wieder gefordert wird.
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