1.15 VEKTORANALYSIS 1.15.1 Kurven Definition: Ein Weg ist eine stetige Abbildung aus einem Intervall I = [a; b] ∈ R in den R๐ : f : I → R๐ • f ist in dem Fall ein Weg in R๐ . • Das Bild f(t) des Weges wird als Kurve in R๐ bezeichnet. • f(a) ist Anfangspunkt und f(b) der Endpunkt der Kurve. • Eine geschlossene Kurve liegt vor für f(a) = f(b). (Anmerkung: Wir beschränken uns auf Wege innerhalb des R๐ .) . 1 1.15 VEKTORANALYSIS 1.15.1 Kurven Parameterdarstellung der Kurve: ๐ฅ1 (๐ก) ๐ฅ2 (๐ก) Eine stetige Funktion ๐ฅ(t) = des Parameters t ∈ I und โฎ ๐ฅ๐ (๐ก) I ∈ R wird als Parameterdarstellung der Kurve f(t) bezeichnet. 2 Beispiele: a) Parabel: R2 R→ ๐โถ t → (t, at 2 ) Dieser Parametergleichung entspricht den beiden Gleichungen: x=t y = at² ๏ณy = ax² b) Ellipse: → R2 [ 0, 2π ] ๐ฑโถ → (a cos t, b sin t ) t x = a cos t y = b sin t ๏ ๐ฅ2 ๐2 + ๐ฆ2 ๐2 = 1(Ellipsengleichung) Für a = b erhält man die Parameterdarstellung eines Kreises mit dem Radius r = a. 3 Eine Kurve kann verschiedene Parameterdarstellungen (Wege) haben: Zwei Parameterdarstellungen ๐ฑ ๐ |I1 → R๐ und ๐ฑ ๐ |I2 → R๐ beschreiben die selbe Kurve, wenn es eine stetige, monoton steigende Funktion g gibt mit ๐ฑ ๐ (t) = ๐ฑ ๐ (g(t)) Beispiel: R2 R→ ๐ฑ ๐ (t) = t → (t, at 2 ) R2 R → ๐ฑ ๐ (t) = 3 t → (t 3 , at 6 ) g(t) = t³ 4 Die Parameterdarstellung einer Kurve wird auch als Vektordarstellung bezeichnet: ๐ฅ1 (t) ๐ (t) = ๐ฅ1 (t) ๐๐ฅ + ๐ฅ2 (t) ๐๐ฆ + ๐ฅ3 (t) ๐๐ง = ๐ฅ2 (t) . ๐ฅ3 (t) Hierbei sind ๐๐ฅ , ๐๐ฆ und ๐๐ง die Einheitsvektoren eines kartesischen Koordinatensystems: 1 ๐x = 0 , 0 0 ๐y = 1 , 0 0 ๐z = 0 . 1 5 Eigenschaften einer Kurve: Es sei I ⊂ R ein Intervall und ๐ (t) = ๐ฅ1 (t) ๐ฅ2 (t) โฎ ๐ฅ๐ (t) für alle t ∈ I eine Parameterdarstellung einer Kurve. 1. Die Kurve ๐ (t) ist genau dann stetig, wenn alle ๐ฅ1 (t) stetig sind. 2. Die Kurve ๐ (t) ist auf dem Intervall I differenzierbar, wenn alle ๐ฅ1 (t) auf I differenzierbar sind. ๐ฅ1 ´t) ๐ฅ2 ´(t) 3. Die erste Ableitung ๐´(t) ist gegeben zu ๐´(t) = . โฎ ๐ฅ๐ ´(t) 6 4. Analog heißt eine Kurve n-fach differenzierbar, wenn alle ๐ฅ๐ (t) auf I n-fach differenzierbar sind. 5. Die n-te Ableitung ist gegeben zu ๐ฅ (๐) (t) = ๐ฅ1 ๐ ๐ก ๐ฅ2 ๐ ๐ก โฎ ๐ฅ๐ ๐ ๐ก . 7 1.15.1.1 Parameterdarstellung von Geraden und Ebenen Parameterdarstellung einer Geraden g(t) durch den Punkt ๐ฅ0 ๐0 (๐ฅ0 , ๐ฆ0 , ๐ง0 ) : g(t) = ๐ฆ0 + t ๐ ๐ง0 ๐ ist Vektor, der parallel zu g(t) ist. Beispiel: Die Parameterdarstellung der Tangente g(s) an die Kurve ๐ฅ(t) für t = ๐ก0 lautet: g(s) = ๐ฅ(๐ก0 ) + s ๐ฅ0 (๐ก0 ) 8 1.15.1.1 Parameterdarstellung von Geraden und Ebenen Parameterdarstellung einer Ebene: Für die Parameterdarstellung einer Fläche im R³ werden 2 Parameter benötigt. Das einfachstes Beispiel hierfür ist eine Ebene. Eine Ebene im R³ wird von zwei linear unabhängigen Vektoren ๐ und ๐ aufgespannt. Parameterdarstellung einer Ebene h(r,s), die den Punkt ๐ฅ0 ๐0 (๐ฅ0 , ๐ฆ0 , ๐ง0 ) enthält, h(r,s) = ๐ฆ0 + r ๐ + s ๐ ๐ง0 9 Tangentialebene: Eine Fläche im R³, die durch die Funktion f(x,y) = z beschrieben wird, kann am Punkt P0 (x0 , y0 , z0 ) durch die Tangentialebene approximiert werden (vgl. Mathe I). Parameterdarstellung der Tangentialebene durch ๐๐ (๐ฑ๐ , ๐ฒ๐ , ๐ณ๐ ) ๐ฅ0 0 1 h(r,s) = ๐ฆ0 + r 0 + s 1 ๐ง0 ๐๐ฆ ๐๐ฅ Herleitung: Das totale Differential dz lautet: dz = ๐๐ฅ dx + ๐๐ฆ dy ๏ญ ๐๐ฅ dx beschreibt die Änderung von z in x-Richtung, ๏ญ ๐๐ฆ dy beschreibt die Änderung von z in y-Richtung. 10 Normalenvektor Ebenen werden gerne durch einen Normalenvektor ๐ beschrieben. ๐ steht senkrecht zu allen Vektoren innerhalb der Ebene. Vorteil: Die Orientierung der Ebene im Raum kann durch einen Vektor beschrieben werden. Für eine Tangentialebene gilt: 0 1 ๐= 0 x 1 ๐๐ฆ ๐๐ฅ −๐๐ฆ => ๐ = −๐๐ฅ 1 . 11 4.1.2 Ableitung von Vektoren: ๐ฅ1 (t) und ๐ฅ2 (t) seien differenzierbare Parameterdarstellungen einer Kurve und f(t) eine differenzierbare Funktion. Für die Ableitungen gilt: 1. Ableitung einer Summe von Vektoren: ๐ (๐ฅ1 (t) + ๐ฅ2 (t) ) = ๐ฅ1 (t)´ + ๐ฅ2 (t)´ ๐๐ก 2. Ableitung des Skalarproduktes: ๐ (๐ฅ1 (t) • ๐ฅ2 (t) ) = ๐ฅ1 (t)´ • ๐ฅ2 (t) + ๐ฅ1 (t) • ๐ฅ2 (t)´ ๐๐ก 3. Ableitung bei Skalarmultiplikation: ๐ ๐ ๐ ( f(t) • ๐ฅ(t) ) = f(t) • ๐ฅ(t) + f(t) ๐ฅ(t) ๐๐ก ๐๐ก ๐๐ก 4. Für den R³ gilt (Kreuzprodukt): ๐ (๐ฅ1 (t) ๐ ๐ฅ2 (t) ) = ๐ฅ1 (t)´ ๐ ๐ฅ2 (t) + ๐ฅ1 (t) ๐ ๐ฅ2 (t)´ ๐๐ก 12 4.2 Skalarfelder Ein Skalarfeld ist eine Abbildung, die jedem Punkt im Raum einen Skalar zuordnet. Definition Es sei m ≥ 2 und A ⊂ R๐ . Eine Abbildung U | A → R wird als Skalarfeld bzw. skalares Feld bezeichnet. Beispiele: • Temperatur • Potential einer Ladung • Dichte • Luftdruck Mathematisch gesehen entspricht ein Skalarfeld einer Funktion von m Variablen: U = U(๐ฅ1 , ๐ฅ2 , … , ๐ฅ๐ ). 13 Wichtige Skalarfelder: 1. Ebenes Feld: U(x, y, z) = ๐0 = constant 2. Zentralsymmetrisches Feld: U(x,y,z) = V( ๐ฅ² + ๐ฆ² + ๐ง²) =V(r) Beispiel: Potential einer Punktladung mit ๐ 1 U(x,y,z) = 4๐๐0 ๐ 3. Axialsymmetrisches Feld: U(x,y,z) = V( ๐ฅ² + ๐ฆ²) =V(r) 14 Niveauflächen: Als Niveauflächen eines Skalarfeldes U(x,y,z) bezeichnet man die Flächen, auf denen der Wert von U konstant ist. Entsprechend spricht man von Niveaulinien für U(x,y). Stationäre Skalarfelder: In der Realität ist es durchaus nicht selten, dass U von der Zeit abhängt: U = U(x(t),y(t),z(t)). Beispiel: Änderung der Temperatur in der Umgebung einer Herdplatte, die gerade eingeschaltet worden ist. Bei einem Skalarfeld beschränkt man sich auf zeitunabhängige (stationäre) Phänomene. 15 4.3 Vektorfeld Ein Vektorfeld ist eine Abbildung, die jeden Punkt eines Raumes einen Vektor zuordnet. Definition: Es sei m ≥ 2 und A ⊂ R๐ . Eine Abbildung V| A → R๐ wird als Vektorfeld bezeichnet. Beispiel: Ein Vektorfeld im R³ ๐1 (x,y,z) ๐ (x,y,z) = ๐2 (x,y,z) ๐3 (x,y,z) 16 Beispiele: • • โฎ Elektrische Feld Geschwindigkeit der Teilchen einer strömenden Flüssigkeit Darstellungen eines Vektorfeldes: • • โฎ Feldlinien Vektorschar 17 Elektrische Feld In der Chemie befasst man sich mit Elektronen im Feld von Atomkernen. Im weiteren werden wir daher das elektrische Feld näher betrachten: • Eine positive Punktladung ๐1 führt in ihrer Umgebung zu einem elektrischen Feld. ๐1 sei im Ursprung des Koordinatensystems. • Auf eine negative Punktladung ๐2 wirkt eine zum Ursprung gerichtete Kraft. • Nach dem Coulomb-Gesetz gilt: ๐น=๐0 r ๐๐ ๐1 |๐2 | 1 4๐๐0 ๐ 2 ๐๐ Konstante, Abstand zwischen ๐1 und ๐2 Einheitsvektor, der von ๐1 nach ๐2 zeigt 18 Wenn ๐2 die Koordinaten x, y, z hat, gilt: F hängt vom Ort x, y, z (Abstand r) und der Ladung ๐2 ab. Die Ladung ๐2 ist in der Regel konstant. Wir betrachten den Fall ๐2 = -1 (z.B. für ein Elektron). => Über das Coulomb-Gesetz wird jedem Punkt im Raum ein Vektor F zugeordnet. Es liegt ein Vektorfeld vor: Elektrische Feld E = - ๐1 1 4๐๐0 ๐ 2 ๐๐ . Die Niveauflächen von dem elektrische Feld E sind Kugelschalen mit dem Radius ๐0 = | ๐ |. 19 Elektrisches Feld und Skalarfeld: Dem elektrische Feld ๐ธ(๐) kann ein Skalarfeld zugeordnet werden, wenn man die Arbeit betrachtet, die benötigt wird um eine Ladung ๐2 im Raum zu bewegen. • Da lim ๐ธ(๐) = 0, wird r = ∞ als Bezugspunkt (Nullpunkt) ๐→∞ • • • • • gewählt. Betrachtet wird per Definition eine positive Elementarladung: ๐2 = 1. Zentralsymmetrische Potential: Es wird nur der Abstand r betrachtet. W(r) ist die Arbeit, die erforderlich ist, um die Punktladung ๐2 von ๐1 = ∞ nach r zu bringen. W(r) ist unabhängig vom Weg. Jedem Punkt im Raum wird ein Skalar zugeordnet. 20 1.16 Gradient Am Beispiel des elektrischen Feldes haben wir gesehen, dass ein enger Zusammenhang zwischen Skalarfelder und Vektorfeldern besteht. In diesem Abschnitt wird eine Funktion vorgestellt, die einem partiell differenzierbaren Skalarfeld U(x, y, z) ein Vektorfeld ๐ (x, y, z) zuordnet. Das Vektorfeld soll die Änderung von U bei einer Bewegung vom Ort ๐ = (x, y, z) zum Ort ๐ + d ๐ beschreiben. Voraussetzung hierzu ist, dass U(x, y, z) partiell differenzierbar ist. 21 1. Wie ändert sich der U(x, y, z) bei einer kleinen Bewegung im Raum? โ๐ฅ Betrachtet wird zunächst eine kleine Bewegung um โ ๐ = โ๐ฆ โ๐ง Es gilt: U(x + โx, y + โy, z + โz) = U(x, y, z) + โU โU = U(x+โx, y+โy, z+โz) - U(x, y, z) 2. U(x+โx,y+โy,z+โz) kann durch eine Taylorentwicklung approximiert werden ๐๐ ๐๐ ๐๐ U(x + โx, y + โy, z + โz) ≈ U(x, y, z) + โx + โy + โz โU ≈ ๐๐ โx ๐๐ฅ ๐๐ฅ + ๐๐ โy ๐๐ฆ ๐๐ฆ + ๐๐ โz ๐๐ง ๐๐ง 22 3. Beim Übergang von einer kleinen Änderung โ๐ zu einer ๐๐ฅ beliebig kleinen (infinitesimalen) Änderung d๐ = ๐๐ฆ gilt: ๐๐ง ๐๐ ๐๐ ๐๐ ๐U ≈ ๐x + ๐y + ๐z ๐U ๐๐ฅ ๐๐ฆ ๐๐ง ≈ ๐๐ฅ ๐x +๐๐ฆ ๐y + ๐๐ง ๐z Die gleichen Überlegungen führten in Mathe I bei der Herleitung des totalen Differentials zum selben Ergebnis. dU ist das totale Differential der Funktion U(x,y,z). An dieser Stelle soll das totale Differential im Rahmen der Vektoranalysis behandelt werden. 23 ๐๐ฅ d๐ = ๐๐ฆ sei der Vektor, der eine beliebig kleine Änderung im ๐๐ง R³ beschreibt. Für die Änderung dU eines partiell differenzierbaren Skalarfeldes U(x,y,z) bei einer Bewegung in Richtung d๐ gilt: dU = ๐๐ ๐๐ฅ ๐๐ ๐๐ฆ ๐๐ ๐๐ง • ๐๐ฅ ๐๐ฆ . ๐๐ง Das totale Differential entspricht dem Skalarprodukt von d๐ mit einem Vektor, der die 1. partiellen Ableitungen von U nach x, y bzw. z enthält. 24 dU = ๐๐ ๐๐ฅ ๐๐ ๐๐ฆ ๐๐ ๐๐ง • ๐๐ฅ ๐๐ฆ . ๐๐ง Dieser Vektor wird als Gradient von U bezeichnet. Schreibweise: grad U grad U = ๐๐ ๐๐ฅ ๐๐ ๐๐ฆ ๐๐ ๐๐ง = ๐๐ฅ ๐๐ฆ . ๐๐ง 25 Verallgemeinerung auf den ๐น๐ Gegeben sei ein skalares Feld U(๐ฅ1 , ๐ฅ2 , … , ๐ฅ๐ ), dessen partielle Ableitungen ๐๐ฅ๐ für alle ๐ฅ๐ existieren. Der Gradient grad U von U ist ein Vektor des Rn , der gegeben ist zu: ๐๐ฅ1 ๐๐ฅ2 grad U = = ๐๐ฅ1 ๐๐ฅ1 +๐๐ฅ2 ๐๐ฅ2 + …. + ๐๐ฅ๐ ๐๐ฅ๐ โฎ ๐๐ฅ๐ Das totale Differential dU ist das Skalarprodukt von grad U mit d๐: ๐๐ฅ1 ๐๐ฅ1 ๐๐ฅ2 ๐๐ฅ2 dU = • = grad U • d๐ โฎ โฎ ๐๐ฅ๐ ๐๐ฅ๐ Die Menge der Gradienten von U bilden ein Vektorfeld. 26 Nabla-Operator: Für die Beschreibung des Gradienten wird gerne der sogenannten Nabla-Operator verwendet. Der Nabla-Operator ist ein vektorartiger Operator des Rn ๐ Komponenten sind die partiellen Ableitungsoperatoren ๐๐ฅ๐ Als Symbol verwendet man ๐ป oder ๐ป ๐ป= ๐ ๐๐ฅ ๐ ๐๐ฆ ๐ ๐๐ง im R3 bzw. ๐ป = ๐ ๐๐ฅ1 ๐ ๐๐ฅ2 โฎ im Rn ๐ ๐๐ฅ๐ 27 In Kugelkoordinaten lautet der Nabla-Operator: ๐ป= ๐ ๐r ๐๐ + ๐ ๐ ๐ ๐๐ ๐๐ + ๐ ๐ ๐๐๐๐ ๐ ๐๐ ๐๐ Die Vektoren ๐r, ๐๐ und ๐๐ sind die Einheitsvektoren in Kugelkoordinaten. Die Anwendung des Nabla-Operator auf ein Skalarfeld ergibt das Vektorfeld der Gradienten: ๐ตU = gradU 28