Grundlagenwissen 1 Patientenbroschüre Teil 1 Produktmonographie Was man über die Parkinson-Krankheit wissen sollte Mit freundlichen Empfehlungen überreicht von: Praxisstempel Was man über die Parkinson-Krankheit wissen sollte Grundlagenwissen Ein Service der ORION PHARMA GmbH Notkestraße 9 D-22607 Hamburg Alle Rechte vorbehalten, einschließlich der Übersetzung in fremde Sprachen. Kein Teil dieser Patientenbroschüre darf ohne schriftliche Genehmigung von ORION PHARMA in irgendeiner Form oder auf irgendeine Weise, auf elektronischem oder mechanischem Wege, einschließlich durch Fotokopie, Speicherungs- und Datenverarbeitungssysteme reproduziert bzw. wiedergegeben werden. Anmerkung des Herausgebers zum Inhalt: Obwohl große Sorgfalt bei der Zusammenstellung und Prüfung der in dieser Patientenbroschüre enthaltenen Angaben verwandt wurde, übernimmt der Herausgeber keinerlei Haftung für bleibende Aktualität der Informationen oder für irgendwelche Fehler, fehlende Angaben oder Ungenauigkeiten in der vorliegenden Patientenbroschüre. Stand der Information: 02.01.2004 1 Patientenbroschüre Teil 1 Inhalt Vorwort Liebe Patientin, lieber Patient, 1 1.1 1.2 1.3 1.4 die fortschrittliche Medizin hat erkannt, dass der Erfolg jeder Therapie in Ausmaß und Qualität ganz wesentlich von der Einstellung des Patienten zu seiner Krankheit abhängt. Je größer die Bereitschaft des Patienten, seine Krankheit anzunehmen und selbstverantwortlich, zusammen mit dem Arzt, gegen sie anzugehen, desto besser sind die Chancen für den Erfolg. Dies gilt vor allem dann, wenn es um eine langfristige Therapie geht, deren Ziel es ist, Ihre Lebensqualität zu erhalten. Diese Broschüre kann Ihnen helfen zu erkennen, wie und in welchem Ausmaß Ihr eigenes Engagement im Rahmen des sehr komplexen Therapieprogrammes aussehen sollte. Weil der Ansatz für die Therapie der ParkinsonKrankheit im Wissen um deren Ursache und Entstehung liegt, bietet Ihnen diese zum Thema Parkinson-Krankheit erschienene Broschüre nicht nur grundlegende Informationen über die Funktion des Nervensystems sowie über Diagnose- und Therapiemöglichkeiten, sondern erläutert auch eingehend Wirkung und mögliche Wirkungsveränderungen Ihrer ParkinsonMedikamente. 1.5 1.6 2 Die Broschüre enthält darüber hinaus praktische Ratschläge und Empfehlungen, die dazu beitragen können, trotz der Krankheit ein lebenswertes Leben zu führen. Dr. med. Gudrun Ulm Neurologin, Kassel Koordinatorin des Ärztlichen Beirates der Deutschen Parkinson Vereinigung. e.V. 3 4 Informationen über unseren Körper: Unser Nervensystem Der Aufbau des Nervensystems Das Gehirn Funktionen des Nervensystems Weiterleitung von Informationen innerhalb des Nervensystems Neurotransmitter - Botenstoffe Bei der Parkinson-Krankheit ist das Gleichgewicht bestimmter Neurotransmitter gestört 9 9 10 12 13 13 15 Parkinson-Krankheit - Ursache und Diagnose 17 2.1 2.2 2.3 2.4 2.4.1 2.5 2.5.1 2.5.2 2.5.3 2.5.4 2.5.5 2.5.6 2.6 2.7 2.7.1 2.7.2 Häufigkeit und Klassifikation der Krankheit Ursache der Parkinson-Krankheit Erkennen der Krankheit - je früher, desto besser Wie diagnostiziert man die Parkinson-Krankheit? Untersuchungsmethoden Wie macht sich die Krankheit bemerkbar? Akinese Rigor Tremor Gleichgewichtsstörungen Psychische Veränderungen Vegetative Symptome Wie beurteilt man den Schweregrad der Krankheit? Abgrenzung zu ähnlichen Krankheiten Was ist MSA? Was ist PSP? 18 19 20 21 22 24 25 25 26 26 26 27 27 28 29 30 Wie kann man die Parkinson-Krankheit behandeln? 31 3.1 Gewissenhaftigkeit bringt Therapieerfolg 3.2 Medikamentöse Therapie 3.2.1 L-Dopa 32 33 34 5 3.2.2 3.2.3 3.2.4 3.2.5 3.2.6 3.2.7 3.3 3.3.1 3.3.2 3.3.3 3.4 3.4.1 3.4.2 3.4.3 3.4.4 4 COMT-Hemmer L-Dopa und Entacapon in Monotherapie MAO-B-Hemmer Dopaminagonisten NMDA-Antagonisten Anticholinergika Medikamentenwirkung kann nachlassen Wechselnde Beweglichkeit Sicher, wirksam und verträglich? Was bringt die Zukunft? Nicht-medikamentöse Therapien Operationen Körperliche Aktivitäten Geistige Aktivitäten Hilfe bei psychischen Problemen 34 35 37 37 37 38 39 39 41 42 43 43 45 46 47 Wo finde ich weitere Hilfe? 48 4.1 4.2 48 48 Die Deutsche Parkinson Vereinigung (dPV) Fachkliniken für Parkinson-Patienten Fachbegriffe kurz erklärt Akinese: Unbeweglichkeit, die aus einer zunehmenden Bewegungsverarmung und Bewegungsverlangsamung hervorgeht und zu den Hauptsymptomen der Parkinson-Krankheit zählt. Anticholinergika: Medikamente zur Parkinson-Behandlung; dämpfen die Aktivität des Botenstoffs Acetylcholin. Basalganglien: Hierbei handelt es sich um spezielle Nervenzellansammlungen, die im Dienste der Kontrolle und Koordination von Bewegungsabläufen stehen. Bradykinese: Verlangsamung der Bewegungsabläufe Bradyphrenie: Verlangsamung der Denkabläufe COMT-Hemmer: Medikament zur Parkinson-Behandlung. COMT ist eine Abkürzung für Catechol-O-Methyltransferase und bezieht sich auf ein Enzym, das im Körper auch Dopamin und L-Dopa abbaut. Eine Hemmung des Enzyms hat zur Folge, dass verabreichtes L-Dopa dem Gehirn länger und gleichmäßiger zur Verfügung steht. Dopamin: Im Rahmen der Parkinson-Krankheit wichtigster Botenstoff, der Informationen zwischen Nervenzellen überträgt. Bei Parkinson-Kranken verarmt das Gehirn an Dopamin. Dieser Mangel muss von außen durch Medikamente, wie z. B. L-Dopa, ausgeglichen werden. Dopaminagonisten: Medikamente zur Parkinson-Behandlung; ahmen die Wirkung von Dopamin nach. Dyskinesien: Abnorme, unwillkürliche, mitunter schmerzhafte Bewegungen (Überbeweglichkeit), meist der Arme, Beine oder des Kopfes, die im Zusammenhang mit der Medikamenteneinnahme und -wirkung stehen. Dystonie: Länger anhaltende, unwillkürliche und oft schmerzhafte Muskelanspannung. Fluktuationen: Schwankungen der Beweglichkeit (Akinesen, Hyperkinesen, Dystonien), die beispielsweise nach längerer Einnahme von L-Dopa oder Dopaminagonisten auftreten können. Freezing: Plötzliche sekunden- bis minutenlange Bewegungshemmung (Einfrieren) vor oder während einer beabsichtigten Bewegung. Honeymoon: Anfangsphase der Krankheit, in der der Patient unter der Parkinson-Medikation nahezu beschwerdefrei lebt. Hyperkinese: Unwillkürliche, übermäßige Bewegungsaktivität einzelner Körperteile, z. B. der Arme, die im Verlauf der Parkinson-Krankheit an Häufigkeit zunimmt. Hypokinese: Verminderte Beweglichkeit 6 7 L-Dopa (= Levodopa): Symptomatisch wirksamstes Medikament zur ParkinsonBehandlung. Biologische Vorstufe des körpereigenen Botenstoffes Dopamin. 1 MAO-B-Hemmer: Medikament zur Parkinson-Behandlung. Durch den MAOB-Hemmer wird der Dopamin-Abbau im Gehirn gehemmt. Informationen über unseren Körper: Unser Nervensystem Liebe Leserin, lieber Leser, Muskeltonus: Spannungszustand der Muskulatur Sie wollen sich über die Parkinson-Krankheit (lateinisch: Morbus Parkinson) informieren, über ein Krankheitsbild, das mit unserem Nervensystem zu tun hat und zugegebenermaßen nicht ganz leicht zu verstehen ist. Es wird Ihnen helfen, wenn Sie sich zunächst mit einigen Basisinformationen über das Nervensystem befassen, wenn Sie wissen, welche Funktionen es innerhalb unseres Körpers hat, wie diese gesteuert werden und zu welchen Störungen es kommen kann. Dies ist der Grund, warum wir Sie, bevor wir zum Krankheitsbild Parkinson sowie zur Diagnose, Behandlung und weiterem Grundlagenwissen kommen, zunächst mit diesem System und seinem Aufbau vertraut machen wollen. Neuron (=Nervenzelle): Besteht aus dem Zellkörper mit Kern und allen für Funktionen und Energieversorgung erforderlichen Bestandteilen, den kurzen Empfängerfortsätzen (Dendrite) sowie dem langen Senderfortsatz (Axon). Neurotransmitter: Botenstoffe, die Impulse von einer Nervenzelle zur nächsten vermitteln, z. B. Acetylcholin, Dopamin sowie Glutamat. NMDA-Antagonisten: Medikamente zur Parkinson-Behandlung; dämpfen die Aktivität des Botenstoffes Glutamat. On-off-Phänomen: Beschreibt das wechselnde Bewegungsvermögen Parkinson-Kranker: im Off-Zustand erstarrt der Patient, im On-Zustand kann er sich bewegen. Rezeptor: Empfangseinrichtung einer Zelle für Botenstoffe aus anderen Zellen, um Impulse weiter zu vermitteln. Rigor: Erhöhung der Muskelspannung, die zu Steifigkeit führt; typisches Zeichen der Parkinson-Krankheit. Substantia nigra: Schwarze Substanz, im Mittelhirn gelegene paarige dunkle Region aus Nervenzellen. Bei der Parkinson-Krankheit kommt es zu einem fortschreitenden Untergang dieser Nervenzellen. Synapse: Kontaktstelle zwischen zwei Nervenzellen, die durch Botenstoffe überbrückt wird. Tremor: Zittern; der Tremor zählt zu den Hauptsymptomen der ParkinsonKrankheit. Wearing-off: Parkinson-Symptome, die bereits vor der nächsten regulären Medikamenten-Einnahme wieder auftreten oder stärker ausgeprägt sind. Hierbei handelt es sich nicht nur um motorische Symptome, wie Bewegungsverlangsamung, sondern auch um nicht-motorische Symptome wie Stimmungsschwankungen oder auch stärkeres Schwitzen. 1.1 Der Aufbau des Nervensystems Der menschliche Körper wird über ein System gesteuert, das aus vielen Milliarden Nervenzellen besteht. Dieses Nervensystem wird hinsichtlich seines unterschiedlichen Aufbaus in zwei Bereiche unterteilt: Zentrales Nervensystem: Gehirn und Rückenmark Peripheres Nervensystem: Nerven Beide Teile, also Gehirn und Rückenmark auf der einen und Nerven auf der anderen Seite, bestehen aus einer Vielzahl von ähnlichen Zellen, den so genannten Nervenzellen, auch Neuronen genannt. Eine Nervenzelle (siehe Abb.) hat mehrere, verschieden lange Fortsätze, über die sie mit anderen Nervenzellen verbunden ist. Jene Stellen, an denen solche zwei Fortsätze von zwei 8 9 verschiedenen Nervenzellen zusammentreffen, nennt man Synapsen. Stellen Sie sich eine Synapse jedoch nicht nur als eine Verbindungsstelle zwischen zwei Neuronen vor, an der ansonsten nichts geschieht. Ganz im Gegenteil: Synapsen sind Schaltstellen, etwa vergleichbar mit einer Verkehrsampel. In den Synapsen werden die Weichen für die Weiterleitung von Impulsen gestellt. Präsynapse te schwarz gefärbte Zellregion, die Substantia nigra. Diese ist bei der Parkinson-Krankheit geschädigt, wie später erläutert wird. Vom Kleinhirn wird in Kooperation mit dem Stammhirn, zu dem u. a. das Mittelhirn gezählt wird, ein Teil der unbewusst ablaufenden Bewegungen, also etwa die Gehbewegungen der Beine oder die Schwingbewegungen der Arme, gesteuert. Postsynapse Grafische Darstellung einer Synapse. Oben das präsynaptische Ende einer Nervenzelle, dazwischen der synaptische Spalt (er wird durch die Neurotransmitter überbrückt), unten das postsynaptische Ende einer anderen Nervenzelle. Durch die Verbindung der einzelnen Nervenzellen über die Synapsen entsteht ein Informationsnetz, dessen Zentrale das Gehirn ist. Dieses Netz überzieht als so genanntes Nervensystem unseren gesamten Körper. Auch Reflexe, also Bewegungsabläufe, die gewissermaßen ohne erst nachzudenken vollzogen werden, z. B. das Schließen der Augen bei Gefahr im Verzug, werden von dort gesteuert. Im Großhirn laufen alle bewussten Vorgänge ab, also alle Vorgänge, die an das Denken gekoppelt sind. Großhirn Nervenzellen - Neuronen - sind die Bauelemente von Gehirn, Rückenmark und Nerven. Synapsen sind die Verbindungsstellen zwischen zwei Nervenzellen. Kleinhirn 1.2 Das Gehirn Das menschliche Gehirn besteht aus verschiedenen Teilen mit unterschiedlichen Funktionen. Viele Hirnteile stehen untereinander in Verbindung. Damit ist die Steuerung bewusst als auch unbewusst ablaufender Vorgänge - Verdauung etc. - gewährleistet. Das Gehirn besteht aus zwei halbkugelförmigen Hälften, Hemisphären genannt. Der große, oben liegende Teil ist das Großhirn. Es umschließt das innen darunter liegende Zwischenhirn und das Mittelhirn. In diesem tief unter den beiden Großhirnhälften gelegenen Mittelhirn gibt es eine paarig angeleg- 10 Mittelhirn Zwischenhirn Innerhalb des Großhirns gibt es lokal definierte Bezirke, von denen ganz bestimmte, typische Aktionen gesteuert werden. So gibt es z. B. ein Sehzentrum und ein Hörzentrum, die Empfindung von Schmerz wird an einer anderen Stelle wahrgenommen als die von Kälte. Von Stamm- und Kleinhirn werden unbewusst ablaufende Vorgänge gesteuert, z. B. Gehbewegungen, Schwingen der Arme und Reflexe. Denkvorgänge werden im Großhirn verarbeitet. 11 1.3 Funktionen des Nervensystems 1.4 Das zentrale Nervensystem, also Gehirn und Rückenmark, ist, wie schon beschrieben, aus Nervenzellen aufgebaut und hat die Funktion eines Steuerzentrums. Kommt es im Gehirn zu irgendwelchen Ausfällen - z. B. durch zerstörte oder geschädigte Nervenzellen - sind damit auch jene Funktionen beeinträchtigt, für deren ordentliche Funktion dieser geschädigte Teil des Gehirns zuständig ist. Ein Beispiel - der Schlaganfall: Die Lokalisation einer Lähmung nach einem Schlaganfall hängt davon ab, welche Gehirnregion durch den Schlaganfall geschädigt wurde. Das Nervensystem nutzt zwei Möglichkeiten, um Informationen innerhalb unseres Körpers über das Geflecht der Nervenzellen weiterzuleiten: Weiterleitung durch elektrische Impulse Weiterleitung durch Botenstoffe Innerhalb einer Nervenzelle werden Informationen als elektrische Impulse weitergeleitet. Das periphere Nervensystem besteht aus den Nerven. Das sind strangartige Gebilde aus Neuronen, die unseren gesamten Körper durchziehen. Sie haben eine Leitungsfunktion: Entscheidungen, die im Gehirn getroffen wurden, werden von ihnen an die entsprechenden Körperzellen und an die Organe weitergeleitet. Umgekehrt leiten die Nerven Wahrnehmungen aus der Peripherie unseres Körpers zum Gehirn - z. B. Wärmeempfinden, Kälte, Licht und dergleichen. An der Übergangsstelle von einer Nervenzelle zur anderen Nervenzelle, also in der Synapse, übernehmen so genannte Botenstoffe diese Funktion. Solche Überträgersubstanzen bezeichnen wir als Neurotransmitter. Neurotransmitter sind also Botenstoffe, die Nachrichten - als Impulse von einer zur anderen Nervenzelle über den synaptischen Spalt hinüber leiten. Das Zusammenspiel, nämlich wahrgenommene Informationen von außen zum Gehirn zu transportieren, dort Entscheidungen zu treffen und diese in notwendige Maßnahmen umzusetzen, ist die Hauptaufgabe unseres Nervensystems. Das Nervensystem nutzt zwei Möglichkeiten zur Weiterleitung von Informationen. Innerhalb eines Neurons werden Informationen als elektrische Impulse weitergeleitet; in den Synapsen durch Botenstoffe, so genannte Neurotransmitter. Funktionell ist unser Nervensystem in zwei Bereiche aufgeteilt, in das somatische und das vegetative Nervensystem: Das somatische Nervensystem ist von unserem Willen beeinflussbar und bestimmt u. a. die Bewegungsabläufe. Das vegetative Nervensystem steuert und reguliert lebensnotwendige Abläufe in unserem Körper selbstständig. Es ist nicht von unserem Willen beeinflussbar. Das periphere Nervensystem besteht aus den Nervensträngen, diese wiederum aus Neuronen. In den Nerven werden Informationen vom Gehirn zu Organen, zu bestimmten Körperbereichen weitergeleitet oder von dort an das Gehirn weitergeleitet. 12 Weiterleitung von Informationen innerhalb des Nervensystems 1.5 Neurotransmitter - Botenstoffe Dass Informationen innerhalb des Nervensystems elektrisch weitergeleitet werden, wusste man schon sehr frühzeitig: Elektrische Ströme konnte man messen, Beispiele dafür sind das Elektrokardiogramm zur Messung von Herzströmen (EKG) und das Elektroenzephalogramm (EEG), mit dem Gehirnströme gemessen werden. 13 Etwas schwieriger war es, herauszufinden, wie die Weiterleitung von Nervenzelle zu Nervenzelle, also innerhalb der Synapsen, erfolgt. Deshalb sind unsere Erkenntnisse über die Funktion der Synapsen mit den darin agierenden Neurotransmittern auch noch nicht so alt und werden ständig durch neue Forschungsergebnisse ergänzt. Wir wissen heute, dass es eine ganze Reihe verschiedener Botenstoffe gibt, die jeweils klar definierte Aufgaben haben. Sie stehen untereinander in einem Gleichgewicht und garantieren so den normalen Ablauf der Körperfunktionen. Kommt es zu einer Verschiebung des Gleichgewichtes dieser Neurotransmitter innerhalb bestimmter Funktionskreise des Gehirns, kann dies weitreichende Konsequenzen haben. So wissen wir z. B., dass Krankheiten wie Epilepsie oder Depressionen durch eben eine solche Verschiebung des Gleichgewichtes innerhalb dieser Neurotransmittersysteme charakterisiert sind. Auch bei Menschen, die unter der Parkinson-Krankheit leiden, besteht ein solches Ungleichgewicht zwischen bestimmten Neurotransmittern, und zwar innerhalb des Funktionskreises, der von den Basalganglien gebildet wird. Die Behandlung der Krankheit ist demgemäß auf die Wiederherstellung eines Gleichgewichtes der einzelnen Neurotransmitter innerhalb der Basalganglien - hierbei handelt es sich um spezielle Nervenzellansammlungen, die im Dienste der Kontrolle und Koordination von Bewegungsabläufen stehen ausgerichtet und darum bemüht, dieses Gleichgewicht der Neurotransmitter möglichst lange zu erhalten. Neurotransmitter wirken innerhalb einer Synapse als Botenstoffe: Sie übertragen Informationen von einer Nervenzelle zur anderen. Verschiebungen des Gleichgewichtes der Neurotransmitter führen zu krankhaften Veränderungen, so auch zur Parkinson-Krankheit. Das Grundprinzip der Behandlung der Parkinson-Krankheit muss also darin bestehen, das betroffene Neurotransmittersystem im Gleichgewicht zu halten. 14 1.6 Bei der Parkinson-Krankheit ist das Gleichgewicht bestimmter Neurotransmitter gestört Es gibt unterschiedliche Neurotransmitter - diese haben verschiedene Funktionen. Wir kennen heute eine ganze Reihe solcher Botenstoffe, wie z. B. Acetylcholin, Serotonin, Dopamin, Noradrenalin, Adrenalin, Gamma-Aminobuttersäure (GABA) und Glutamat. Innerhalb der Basalganglien ermöglichen vor allem die Neurotransmitter Dopamin, Acetylcholin und Glutamat die zur Ausführung eines Bewegungsablaufes notwendige Informationsweiterleitung. Für eine normale Beweglichkeit müssen die Neurotransmitter in einem Gleichgewicht zueinander stehen. Der für die Parkinson-Krankheit charakteristische Mangel an Dopamin hat zur Folge, dass nun die Neurotransmitter Acetylcholin und Glutamat ein relatives Übergewicht erlangen. Aus dem Überschuss an Acetylcholin resultieren wahrscheinlich in erster Linie die Symptome des Zitterns (Tremor) und der erhöhten Muskelspannung (Rigor). Ursache der Bewegungsarmut (Akinese) ist vermutlich der Mangel an Dopamin, der letztendlich zu einer ungenügenden Aktivierung wichtiger motorischer Areale im Großhirn beiträgt. In allen Einzelheiten ist die Funktionsweise der Basalganglien und ihre Kooperation mit anderen Hirnbereichen noch nicht geklärt. Es ist anzunehmen, dass sich noch eine Reihe weiterer, uns noch nicht so gut bekannter Botenstoffe im Ungleichgewicht befindet. Glutamat, Acetylcholin Dopamin Dopamin (rechte Schale) und Acetylcholin und Glutamat (linke Schale) im Gleichgewicht Glutamat, Acetylcholin Dopamin zu wenig Dopamin führt zu einem Übergewicht von Acetylcholin und Glutamat 15 Aus dem Gesagten resultieren zwei Fragen: Warum kommt es zu einem Mangel an Dopamin? Welche Konsequenzen für die Behandlung ergeben sich daraus? Dopamin wird in einer bestimmten Region des Mittelhirns gebildet, in der so genannten Substantia nigra. Sie ist, wie der Name bereits sagt, schwarz gefärbt. Bei der Parkinson-Krankheit kommt es zu einem fortschreitenden Untergang dieser Nervenzellen und damit zu einer abnehmenden Bildung und Speicherfähigkeit von Dopamin. Damit ist auch die zweite Frage fast schon beantwortet: Die Therapie muss darauf ausgerichtet sein, das fehlende Dopamin in irgendeiner Form zu ersetzen. Warum die Substantia nigra zu Grunde geht, darüber wissen wir bis heute noch nichts Genaues. Dopamin wird in der Substantia nigra gebildet, einer Region aus Nervenzellen im Mittelhirn. Bei der Parkinson-Krankheit kommt es hier zu einer fortschreitenden Zerstörung und damit zu einem Mangel an Dopamin. Bei der Parkinson-Krankheit ist das Gleichgewicht zwischen Dopamin auf der einen Seite und Glutamat sowie Acetylcholin auf der anderen Seite gestört: Glutamat und Acetylcholin gewinnen einen größeren Einfluss. Der überschießende Acetylcholinanteil löst wahrscheinlich den Tremor und den Rigor aus. Der Dopaminmangel ist vermutlich die Ursache der Akinese. 16 17 2 Parkinson-Krankheit Ursache und Diagnose Die Parkinson-Krankheit hat ihren Namen von dem englischen Arzt James Parkinson. Er hat seine Patienten auf der Straße beobachtet und bestimmte Symptome entdeckt, die bei verschiedenen Patienten unabhängig voneinander auftraten. Er nannte das Krankheitsbild damals Schüttellähmung und beschrieb es zum ersten Mal schon im Jahr 1817. Zugleich äußerte er als Erster den Verdacht, dass die unterschiedlichen Symptome eine gemeinsame Ursache haben könnten und dass sie auf gewisse Veränderungen im Gehirn zurückzuführen seien. Erst 1919 konnte bestätigt werden, was Parkinson 100 Jahre zuvor vermutet hatte. Bei Gehirnuntersuchungen stellte man nämlich fest, dass die Substantia nigra - normalerweise schwarz gefärbt - bei Parkinson-Patienten hell aussieht. Bei der Parkinson-Krankheit degenerieren die Nervenzellen der Substantia nigra; damit verbunden ist die Entfärbung dieser Region. Die Zerstörung der Substantia nigra ist ein langsam, jedoch ständig fortschreitender Prozess: Je mehr Zellen zerstört sind, desto geringer ist die Dopaminproduktion und desto ausgeprägter sind die für die Parkinson-Krankheit typischen Symptome. Obwohl also die Krankheit schon sehr früh erkannt wurde, begannen die ersten Therapieversuche erst 80 Jahre später. Man stellte fest, dass durch die Gabe von Atropin eine gewisse Beeinflussung der Krankheit möglich war. Atropin stammt aus der Wurzel der Tollkirsche, die den lateinischen Namen Atropa Belladonna hat. Es wirkt dem relativen Übergewicht des Neurotransmitters Acetylcholin entgegen. Mit der Möglichkeit, synthetische Arzneimittel herzustellen, wurden Mitte des letzten Jahrhunderts auch Substanzen entwickelt, die eine atropinähnliche Wirkung hatten. Diese Medikamente wurden zur Behandlung der ParkinsonKrankheit eingesetzt, allerdings mit nur mäßigem Erfolg. Der entscheidende Durchbruch gelang erst mit der Entwicklung von L-Dopa, einer Substanz, aus der unser Körper Dopamin herstellen kann, also jenen Neurotransmitter, dessen Mangel zur Parkinson-Krankheit führt. 16 17 Die Parkinson-Krankheit wurde nach ihrem Entdecker, einem englischen Arzt, benannt (1817). Ursache für das Entstehen der Parkinson-Krankheit ist die fortschreitende Zerstörung der Substantia nigra im Mittelhirn, die für die Produktion von Dopamin verantwortlich ist. Der entscheidende Durchbruch bei der Therapie gelang erst 1961 mit L-Dopa, der biologischen Vorstufe des körpereigenen Neurotransmitters Dopamin. 2.1 2.2 Ursache der Parkinson-Krankheit Bei der Darstellung der Funktionen unseres Nervensystems wurde ausgeführt, dass es Botenstoffe - Neurotransmitter - gibt, die für die Informationsweiterleitung von Nervenzelle zu Nervenzelle in den Synapsen zuständig sind. Dargestellt wurde des Weiteren, dass die unterschiedlichen Neurotransmitter innerhalb der Basalganglien in einem Gleichgewicht stehen und dass, wenn dieses Gleichgewicht gestört ist, auch die Bewegungsabläufe gestört sind. Häufigkeit und Klassifikation der Krankheit Die Parkinson-Krankheit gehört zu den häufigsten neurologischen Erkrankungen. Sie beginnt meist im mittleren Lebensalter und weist einen Gipfel in der sechsten Dekade des Lebens auf. Mit zunehmendem Alter nimmt die Erkrankung zu. In den westlichen Ländern sind etwa ein Prozent der über 60-jährigen betroffen, wobei Männer etwas häufiger erkranken als Frauen. Jüngere Menschen (juveniler Parkinson) sind relativ selten betroffen, jedoch scheint die Anzahl jüngerer Patienten in den letzten Jahren zuzunehmen. Der Grund dafür ist derzeit Gegenstand der Forschung. Insgesamt wird die Zahl der ParkinsonPatienten in Deutschland auf rund 250.000 geschätzt. Neben dem klassischen Bild der Parkinson-Krankheit - Mediziner nennen es primärer oder idiopathischer Parkinson bzw. Morbus Parkinson - gibt es ähnliche Krankheitsbilder, deren Ursachen heute weitgehend bekannt sind. Dies sind der so genannte sekundäre Parkinsonismus und die atypischen Parkinson-Syndrome. Sekundärer Parkinsonismus Dies ist ein Sammelbegriff für eine Parkinson-Symptomatik, die durch Medikamente, Gefäßerkrankungen, Infektionskrankheiten (insbesondere postenzephalitischer Parkinson), Gifte, Unfälle und Hirntumore hervorgerufen wird. Atypische Parkinson-Syndrome Patienten mit atypischem Parkinson-Syndrom leiden zusätzlich zu den Parkinson-Symptomen, auf die wir noch im einzelnen zu sprechen kommen, 18 unter weiteren neurologischen oder psychiatrischen Auffälligkeiten, sowie ausgeprägten vegetativen Beschwerden. Bei Parkinson-Patienten degeneriert die Substantia nigra, was letztendlich zu einem Dopaminmangel in den Synapsen führt. Daraus resultiert, dass die Neurotransmitter Glutamat und Acetylcholin ein relatives Übergewicht erlangen und so zu Tremor und Rigor führen. Dieser Vorgang entwickelt sich langsam - oft über Jahre - und erst, wenn etwa 60% der Dopamin-produzierenden Zellen nicht mehr funktionstüchtig sind, treten die ersten Anzeichen einer Parkinson-Krankheit auf. Dopamin, Glutamat und Acetylcholin stehen somit in einer besonderen Beziehung zueinander. Geht der Anteil an Dopamin zurück, kommt es zu einer Überfunktion von Acetylcholin und Glutamat. Zusammenfassend kann man sagen: Ursache der Parkinson-Krankheit ist die Zerstörung der Substantia nigra und der daraus resultierende Mangel an Dopamin in den Basalganglien. Wieso kommt es zur Zerstörung der Substantia nigra? Diese Frage ist trotz intensiver Forschung noch nicht geklärt. Möglicherweise sind hierfür mehrere Faktoren gleichzeitig verantwortlich, unter anderem: Stoffwechselprodukte Umweltgifte Störungen des Kalziumstoffwechsels im Gehirn der Mangel an bestimmten Wachstumsfaktoren, sogenannten neurotrophen Substanzen 19 Die nebenstehende Checkliste soll Ihnen helfen, die Krankheit früher zu erkennen. Wenn Sie mehr als vier Fragen mit ja beantwortet haben, kann das ein Hinweis auf erste Symptome von Parkinson sein. Sie sollten einen Arzt kontaktieren. Je früher ein Patient behandelt wird, desto größer ist die Chance, seine Lebensqualität trotz der Erkrankung zu erhalten. In der Substantia nigra wird der Neurotransmitter Dopamin gebildet. Der Untergang dieser Zellregion führt zu einem Mangel an Dopamin in den Synapsen. Damit kommt es zu einem vermehrtem Einfluss von Acetylcholin und Glutamat. 2.3 Die Ausprägung der Krankheitssymptome kann man heute, zumindest in den ersten Jahren, wesentlich beeinflussen. Je früher die Krankheit erkannt wird, desto früher kann man mit der Therapie beginnen und desto länger kann der Patient unbehindert leben und arbeiten. Während der ersten Krankheitsjahre lassen sich nahezu alle für die Krankheit typischen Symptome durch die heute zur Verfügung stehenden Arzneimittel erfolgreich behandeln. Check zur Früherkennung ja 1. Kommt es vor, dass Ihre Hand zittert, obwohl sie entspannt aufliegt? 2. Ist ein Arm angewinkelt und schlenkert beim Gehen nicht mit? 3. Haben Sie eine vornübergebeugte Körperhaltung? 4. Haben Sie einen leicht schlurfenden Gang oder ziehen Sie ein Bein nach? 5. Haben Sie einen kleinschrittigen Gang und kommt es vor, dass Sie stolpern oder stürzen? 6. Leiden Sie an Antriebs- oder Initiativemangel? 7. Haben Sie häufig Schmerzen im Nacken-Schultergürtel-Bereich? 8. Haben Sie bemerkt, dass Sie sich von Ihren Freunden und Angehörigen zurückziehen, dass Sie Kontakte meiden und zu nichts Lust haben? 9. Haben Sie Veränderungen in Ihrer Stimme bemerkt? Ist sie monotoner und leiser als früher oder hört sie sich heiser an? 10. Haben Sie eine Verkleinerung Ihrer Schrift bemerkt? 11. Leiden Sie an innerem Zittern oder innerer Unruhe? 12. Haben Sie Schlafstörungen? 20 Je früher die Parkinson-Krankheit erkannt und behandelt wird, desto länger kann der Patient unbehindert leben und arbeiten. Mit den heute zur Verfügung stehenden Medikamenten können die typischen Symptome des Krankheitsbildes für lange Zeit erfolgreich behandelt werden. Erkennen der Krankheit - je früher, desto besser nein 2.4 Wie diagnostiziert man die Parkinson-Krankheit? Ihr Arzt hat Ihnen diese Broschüre gegeben, weil er vermutet, dass sich bei Ihnen die Parkinson-Krankheit entwickelt. Wie kommt er zu dieser Annahme? Er hat Sie beobachtet, er hat Ihnen zugehört. Die Beobachtung des Patienten ist nach wie vor der beste Ansatz für eine Frühdiagnose. Wie schon erwähnt: Je früher die Krankheit erkannt wird, desto besser ist die Prognose für die Zukunft des Patienten. Wie kann nun der Arzt die Erkrankung überhaupt feststellen? Ganz im Vordergrund der Diagnostik stehen die typische Krankengeschichte und der charakteristische körperliche Untersuchungsbefund. Das Vorhandensein einer Symptomkombination aus Zittern, Bewegungsarmut und Gliedersteife mit Beginn auf einer Körperseite ist recht typisch für die Parkinson-Krankheit. Wichtig ist ebenso die Kenntnis der von Ihnen eingenommenen Medikamente. Denn es gibt auch medikamentös verursachte Parkinson-ähnliche Zustände, die alleine durch Absetzen dieser Medikation rasch wieder verschwinden. Die meisten Fälle der Parkinson-Krankheit lassen sich somit ohne zusätzliche apparative Untersuchungen klar diagnostizieren. In einigen atypischen Fällen bedarf es zur Diagnosestellung wichtiger Zusatzuntersuchungen. 21 2.4.1 Untersuchungsmethoden Bei der körperlichen Untersuchung dienen dem Arzt folgende Anzeichen (Symptome) als wichtige Hinweise zur Diagnose der Krankheit: Die Hauptsymptome (Kardinal-Symptome) Zittern (Tremor) Steifigkeit (Rigor) Bewegungsarmut (Akinese) Die möglichen Zusatz-Symptome Starre Mimik Veränderung der Handschrift und/oder Stimme Leiseres Sprechen Depressive Verstimmung Schweißausbrüche Probleme beim Wasserlassen Nachlassen der Sexualfunktion Magen-/Darmbeschwerden Vermehrte Talgabsonderung Vermehrter Speichelfluss Kreislaufstörungen Häufig benutzen Ärzte zur Diagnostik Untersuchung in einem Magnetresonanzauch den Apomorphin-Test oder Tomographen L-Dopa-Test. Sprechen Patienten, bei denen der Arzt eine Parkinson-Krankheit vermutet, auf diesen Test an, das heißt, wenn die Anzeichen der Krankheit verschwinden bzw. sich verringern, liegt mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Parkinson-Krankheit vor. Weitere Diagnose-Verfahren sind: Computertomographie (CT) Magnetresonanztomographie (MRT) Single-Photon-Emissions-Computer-Tomographie bzw. PositronenEmissions-Tomographie (SPECT bzw. PET) Elektroenzephalogramm (EEG) Blutuntersuchungen Ultraschall 22 Um Erkrankungen abzugrenzen, die sich mit ähnlichen Beschwerden wie die Parkinson-Krankheit zeigen, jedoch andere Ursachen, Verläufe und Therapien aufweisen, kommen Ultraschall, Computertomographie (CT), Elektroenzephalogramm (EEG), vor allem aber auch die Magnetresonanztomographie (MRT) zum Einsatz. Die MRT liefert hoch auflösende Bilder des Gehirns und erlaubt es somit, andere Ursachen Parkinson-ähnlicher Beschwerden wie z. B. mehrfache Schlaganfälle oder Störungen des Kupfer-Stoffwechsels abzugrenzen. Moderne bildgebende Methoden wie Single-Photon-Emissions-ComputerTomographie bzw. Positronen-Emissions-Tomographie (SPECT bzw. PET) sind teuer und nur in wenigen Zentren verfügbar. Sie beruhen im Wesentlichen darauf, dass bestimmte, radioaktiv markierte, Stoffe in das Blut der Betroffenen verabreicht werden und sich im Gehirn ansammeln. Aufgrund der Verteilungsmuster dieser Stoffe im Gehirn lassen sich Rückschlüsse über Art und Ausmaß der Schädigung ziehen. Diese sind insbesondere für die Diagnostik der atypischen Parkinson-Syndrome von großer Bedeutung. Die radioaktiven Stoffe werden dann rasch über den Harn wieder ausgeschieden. Richtige Behandlung durch sichere Abgrenzung Dank dieser Einblicke lassen sich andere Krankheiten, deren Symptome denen der Parkinson-Krankheit ähneln, eindeutig abgrenzen: Zum Beispiel die Multisystematrophie (MSA) oder auch der relativ häufige essentielle Tremor (auch erblicher Tremor genannt). Bei letzterem bleiben im Gegensatz zum Parkinson-bedingten Tremor die Dopamin-produzierenden Nervenzellen in der Substantia nigra unversehrt. Folgende Verfahren werden zur Diagnostik eingesetzt: Aufnahme der Krankengeschichte körperliche Untersuchung Einsatz der Verfahren MRT bzw. CT Einsatz der Verfahren SPECT bzw. PET Apomorphin-Test bzw. L-Dopa-Test Blutuntersuchungen Ultraschall 23 2.5 Wie macht sich die Krankheit bemerkbar? Eines der auffälligsten Symptome ist das Zittern, auch Tremor genannt. Sie müssen jedoch wissen, dass Zittern nicht unbedingt gleichzusetzen ist mit der Parkinson-Krankheit: Es gibt Parkinson-Patienten, bei denen Zittern überhaupt nicht auftritt, während umgekehrt Zittern noch lange nicht bedeuten muss, dass der Patient an der Parkinson-Krankheit erkrankt ist (z. B. beim bereits erwähnten essentiellen Tremor). Zittern kann auch altersbedingt sein. Die ersten Beschwerden des Patienten bei einer beginnenden ParkinsonKrankheit können im Nacken und im Lendenwirbelbereich auftreten. Diffuse Rückenbeschwerden werden beklagt. Beobachtet der Arzt den Patienten genau und beobachtet er vor allen Dingen seine Entwicklung über einen längeren Zeitraum, kann er häufig zwei Veränderungen feststellen, die für das Krankheitsbild Parkinson typisch sind: Die Schrift des Patienten wird kleiner, der Patient spricht leiser. Sie können dies möglicherweise auch selbst an sich beobachten. Unabhängig davon treten Schwierigkeiten beim Gehen auf; auch das beim Gehen normalerweise automatische Mitpendeln der Arme ist gestört. Oft sind es jedoch auch leichte Ermüdbarkeit und depressive Verstimmungen, die den körperlichen Symptomen vorausgehen und diese sogar überdecken können. Die voll ausgebildete Parkinson-Krankheit ist gekennzeichnet durch die Hauptsymptome: Bewegungsarmut (Akinese), erhöhte Muskelspannung (Rigor), Zittern (Tremor), sowie Gleichgewichtsstörungen im weiteren Verlauf. 24 2.5.1 Akinese Die Akinese stellt für Parkinson-Patienten persönlich oft die schwerste Behinderung dar. Unter dem Begriff Akinese (griechisch a = ohne, fehlend und kinesis = Bewegung) versteht man das völlige Fehlen willkürlicher und unwillkürlicher Bewegungen. Dieser Begriff wurde traditionell beibehalten, wenngleich er der Bewegungsstörung bei der Parkinson-Krankheit nur unvollständig gerecht wird. Zutreffender ist es, von Bradykinese (brady = langsam) oder Hypokinese (hypo = unter, darunter) zu sprechen, wenn Körperbewegungen verlangsamt oder vermindert sind. Als Betroffener spürt man das am ehesten bei feinen Tätigkeiten wie dem Zuknöpfen von Kleidungsstücken oder dem Anlegen der Armbanduhr, vielleicht auch bei handwerklichen Tätigkeiten oder beim Musizieren. Ebenso kann bei willkürlichen Handlungen - wie dem Aufstehen von einem Stuhl - der Bewegungsstart verzögert sein. Ähnliche Startstörungen können auch die ersten Schritte beim Gehen erschweren. Die Beine scheinen dann geradezu am Boden festzukleben. So genannte Engpassstörungen liegen vor, wenn es für den Betroffenen schwierig wird, zügig eine Tür oder einen schmalen Gang zu durchqueren. Dass auch unwillkürliche, also unbewusst ablaufende Bewegungen vermindert sind, bemerken oft Angehörige eher als der Betroffene selbst. Sie halten beispielsweise ihren Partner für teilnahmsloser als früher, weil sich Gefühlsregungen nicht mehr so deutlich in dessen Gesichtsausdruck (starr gewordene Mimik) widerspiegeln. 2.5.2 Rigor Mit Rigor (lateinisch = Steifigkeit) bezeichnet man einen anhaltend gesteigerten Spannungszustand der Muskulatur. Er kann als Taubheit oder Steifigkeit empfunden werden. Meist ist der Rigor auf einer Körperhälfte stärker ausgeprägt als auf der anderen. Dieses Symptom trägt zur typischen Haltung der Parkinson-Patienten bei: Arme und Beine sind leicht angebeugt, die Schultern nach vorn gezogen. Rumpf und Kopf sind vornüber geneigt, weichen vielleicht auch etwas zur Seite ab. 25 2.5.3 Tremor Neurotransmitter im Gehirn zurückzuführen. Zusätzlich führt die Krankheit selbst wieder - reaktiv - zu depressiven Verstimmungen. Der Tremor (lateinisch = Zittern) stellt das bekannteste Parkinson-Symptom dar. Bei 80% der Betroffenen ist er bereits zu Beginn oder aber im Verlauf der Erkrankung zu beobachten, oft verliert er sich dann wieder. Typischerweise besteht der Tremor bei ParkinsonBeispiel eines Ruhetremors in der linken Patienten als Ruhetremor. Das bedeutet, Hand, rechte Hand ohne Tremor er wird bei einer entspannten Haltung offensichtlich, beispielsweise an den im Schoß liegenden Händen eines sitzenden Patienten. Bewusst ausgeführte Zielbewegungen - wie etwa der Griff nach einem Apfel - bringen den Tremor aber schnell zum Abklingen. Alltagsverrichtungen bleiben daher für die meisten Betroffenen weiterhin ohne große Mühe durchführbar. Dennoch wird das Zittern von den Betroffenen oft als sehr störend empfunden, da es für deren Umgebung sichtbar ist und sich bei Gemütsregungen, sei es Freude oder Schreck, sogar noch verstärkt. Der Tremor ist meist ein- oder beidseitig an den Händen, seltener an den Beinen, am Kopf oder Unterkiefer lokalisiert. 2.5.4 Gleichgewichtsstörungen Vielen Betroffenen fällt es schwer, im Gedränge kleine Stöße an den Körper richtig abzufangen. Weil sie das Gleichgewicht schlechter halten können, stolpern und stürzen sie leicht; Ablenkung während des Gehens kann die Sturzgefahr zusätzlich erhöhen. So kann es problematisch werden, sich während des Spaziergangs mit dem Partner zu unterhalten und gleichzeitig ein Taschentuch aus der Jacke zu ziehen. Besser ist es, kurz anzuhalten, um konzentriert einen bestimmten Handgriff auszuführen. 2.5.5 2.5.6 Vegetative Symptome Einzelne vegetative Symptome können auftreten, bisweilen sind sie nur gering ausgeprägt. Sie können sich als Schweißausbrüche, Kreislaufstörungen, Schwierigkeiten beim Wasserlassen, Nachlassen der Sexualfunktion, Verstopfung oder auch als vermehrte Talgabsonderungen auf der Haut äußern. 2.6 Wie beurteilt man den Schweregrad der Krankheit? Bewertungs- oder Beurteilungsskalen sollen dem Arzt eine Hilfestellung im klinischen Alltag geben. Sie werden in der ärztlichen Praxis und in der Klinik eingesetzt, um messbare Befunde der Parkinson-Krankheit zu dokumentieren und zu veranschaulichen. Sie können hilfreich sein, die funktionelle Behinderung besser zu bewerten und einzuschätzen. Sie sollen als Leitfaden und Checkliste dienen, um Symptome und Zeichen in einer Befunddokumentation vollständig festzuhalten, damit diese z. B. in einen Arztbrief mit einfließen können. Schließlich können solche Beurteilungsskalen eine bessere Einschätzung der Therapie erlauben und als Dokumentation des Krankheitsverlaufs dienen. Psychische Veränderungen Wie bereits erwähnt, treten als erstes Zeichen der Parkinson-Krankheit häufig nur depressive Verstimmungen auf, die auch während der Krankheit weiter existieren können. Sie sind vermutlich auf das gestörte Gleichgewicht der 26 Die Intelligenz wird durch die Parkinson-Krankheit nicht beeinträchtigt. Bei manchen Patienten kann bei fortschreitender Erkrankung jedoch eine Verlangsamung der Gedankengänge und eine verminderte Konzentrationsfähigkeit beobachtet werden. Wenn bei Parkinson-Patienten Verwirrtheitszustände oder Trugbilder (Halluzinationen) auftreten, so steht dies häufig in Zusammenhang mit der Einnahme von Medikamenten gegen die Parkinson-Symptomatik oder in Zusammenhang mit dem Auftreten einer zusätzlichen Erkrankung. Für die Parkinson-Krankeit gibt es eine Reihe solcher Skalen. Die bekanntesten sind die UPDRS-Skala (UPDRS = Unified Parkinson´s Disease Rating Scale), die Hoehn- und Yahr-Skala sowie die Webster-Skala (Webster war der Erfinder der Skala). 27 Mit der umfangreichen UPDRS-Skala (hier als Zusammenfassung dargestellt) werden motorische und nicht-motorische Parkinson-Symptome bewertet. Auch die Webster-Skala (ebenfalls hier in einer Zusammenfassung dargestellt) wird zur Beurteilung des Schweregrades der Parkinson-Krankheit verwendet. UPDRS-Skala I Kognitive Funktionen, Verhalten und Stimmung II Aktivitäten des täglichen Lebens (ADL) III Motorische Leistungsfähigkeit, getrennt nach Körperregionen IV Komplikationen bei der Behandlung V Stadieneinteilung nach der Hoehn- und Yahr-Skala VI Modifizierte Schwab und England-Skala Webster-Skala 1. Bradykinesie der Hände 2. Rigidität 3. Haltung 4. Mitschwingen der Arme 5. Gang 6. Tremor Einteilung in 7. Facies verschiedene 8. Seborrhoe Schweregrade 9. Sprache (0, 1, 2, 3 Punkte) 10. Selbständigkeit Gesamtpunktzahl: 1 bis 10 Punkte: Leichtes Parkinson-Syndrom 11 bis 20 Punkte: Mittelschweres Parkinson-Syndrom 21 bis 30 Punkte: Schweres Parkinson-Syndrom So ist z. B. bei(m): essentiellen Tremor (ET) weder prä- noch postsynaptisch eine Schädigung zu finden, der Multisystematrophie (MSA) sowohl eine prä- als auch eine postsynaptische Schädigung zu erkennen, der Parkinson-Krankheit durch den Untergang der Nervenzellen in der Substantia nigra vor allem eine präsynaptische Schädigung nachweisbar. Zeigen die verschiedenen Krankheitsbilder ähnliche Symptome, dann ist auch bei sorgfältiger neurologischer Untersuchung eine sichere Differentialdiagnose (Unterscheidungs-Diagnose) nicht immer möglich. Eine sichere Diagnosestellung ist jedoch erforderlich, damit der Arzt die am besten angepasste Therapie auswählen kann. Gerade an dieser Stelle kann eine Bildgebung mit nuklearmedizinischen Methoden (siehe Kapitel 2.4.1) häufig bei der Eingrenzung der zu Grunde liegenden Erkrankung helfen. Der eigentlichen Parkinson-Krankheit am verwandtesten sind die Multisystematrophie (MSA) und die progressive supranukleäre Blickparese (PSP). 2.7 Abgrenzung zu ähnlichen Krankheiten 2.7.1 Wie bereits erläutert, gehen bei der Parkinson-Krankheit Nervenzellen in der Substantia nigra im Mittelhirn zu Grunde. Beim Gesunden senden diese Zellen Nervenfasern zum Streifenkörper (Corpus striatum oder kurz Striatum). Dort übertragen sie ihre Informationen mittels des Neurotransmitters Dopamin von der präsynaptischen Seite über einen mikroskopisch kleinen Spalt (Synapse, siehe Kapitel 1.1) auf die postsynaptische Seite, die zur nächsten Nervenzelle in den zentralen Hirnstrukturen des Striatum gehört. Eine Vielzahl von Basalganglienerkrankungen zeigen ähnliche Symptome wie die Parkinson-Krankheit. Hierunter fallen z. B. die Multisystematrophie (MSA), die progressive supranukleäre Blickparese (PSP), der essentielle Tremor (ET) und andere. Andererseits ist bekannt, dass bei den verschiedenen Erkrankungen unterschiedliche Anteile der oben genannten Signalübertragung betroffen sind. 28 Was ist MSA? Die Multisystematrophie (MSA) gehört zur Gruppe der so genannten Atypischen Parkinson-Syndrome. Klinisch ist sie einerseits durch das Auftreten typischer Parkinson-Symptome gekennzeichnet (Akinese, Rigor, seltener Tremor). Andererseits liegen zusätzlich Störungen in weiteren neuronalen Systemen vor, die das klinische Erscheinungsbild vielfältiger machen. So können Gleichgewichtsstörungen und Störungen der Bewegungskoordination Leitsymptome sein. Häufig lassen sich auch vegetative Störungen, vor allem ein ausgeprägter und therapeutisch schwer zu beeinflussender niedriger Blutdruck und Störungen beim Wasserlassen beobachten. Die Abgrenzung einer MSA von der Parkinson-Krankeit kann initial schwierig sein. Insgesamt schreitet der Verlauf der MSA aber schneller voran. 29 2.7.2 Was ist PSP? Die progressive supranukleäre Blickparese (PSP) gehört ebenfalls in die Gruppe der Atypischen Parkinson-Syndrome. Leitsymptom ist die vertikale Blicklähmung. Die PSP beginnt in der Regel nicht vor dem 50. Lebensjahr. Männer sind häufiger betroffen als Frauen. Die klinische Symptomatik ist von Rigor und Akinese geprägt, Tremor findet man praktisch nicht. Die Symptome sind symmetrisch ausgebildet, also anders als bei der einseitig betonten Parkinson-Krankheit. Gang- und Standunsicherheit mit Neigung zu Stürzen sind erheblich. Die Seh- und Lesestörungen sind durch die Blickparese (Parese = Lähmung, Erschlaffung) zu erklären. Das Krankheitsbild ist schnell fortschreitend und wie die MSA therapeutisch schwer zu behandeln. 30 31 Wir wissen heute, dass bei vielen Erkrankungen die Einstellung des Patienten eine wesentliche Rolle spielt: Hilfe zur Selbsthilfe sollte auch für Sie eine wichtige Botschaft sein. Sprechen Sie mit Ihrem Arzt über die vielfältigen Möglichkeiten, ergreifen Sie selbst die Initiative. Sie werden es erleben: Ihre eigene Initiative gibt Ihnen Selbstvertrauen und - dies ist heute unbestritten wird Ihnen eine wertvolle Hilfe sein, mit der Krankheit richtig umzugehen! Bewegung, Lockerung der Muskulatur, geistige Regsamkeit, Förderung der Denkfähigkeit und der Gedächtnisschulung heißt die Losung - übrigens nicht nur für Parkinson-Kranke! Operative Maßnahmen: Nach jahrelanger Zurückhaltung wegen mangelnder Erfolge beurteilt man solche Möglichkeiten heute positiver. Bis jetzt sind operative Maßnahmen jedoch nur in Ausnahmefällen angezeigt. Zum Beispiel, wenn in einem weit fortgeschrittenen Stadium Tremor und Rigor einem Patienten unerträglich erscheinen und medikamentös nicht beherrscht werden können. Auf die operativen Maßnahmen kommen wir später noch zu sprechen. 3.1 Selbst wenn die Erkrankung durch die Medikamente noch nicht hinsichtlich der Auslösefaktoren beeinflussbar ist, lassen sich doch die Krankheitssymptome lange Zeit gut beherrschen. 3.2 Medikamentöse Therapie Biochemisch ist die Parkinson-Krankheit dadurch gekennzeichnet, dass Dopamin nicht mehr in ausreichendem Maße gebildet wird. Die Folge ist eine Störung im Gleichgewicht der Neurotransmitter Dopamin, Glutamat und Acetylcholin. Die mit den bisher verfügbaren Medikamenten möglichen Behandlungsstrategien zielen alle darauf ab, dieses Ungleichgewicht aufzuheben. Dafür gibt es folgende Möglichkeiten, die häufig kombiniert eingesetzt werden: Erhöhung der Aktivität der dopaminabhängigen Nervenzellen Hemmung der erhöhten Glutamataktivität Hemmung der erhöhten Acetylcholinaktivität Gewissenhaftigkeit bringt Therapieerfolg Mit der medikamentösen Therapie soll in erster Linie erreicht werden, dass das für die Symptomverbesserung der Parkinson-Krankheit notwendige Dopamin in Ihrem Körper, genauer gesagt im Gehirn, in ausreichendem Maße zur Verfügung steht. Weiterhin soll das relative Übergewicht der anderen Neurotransmitter wieder in die Balance gebracht werden. Dafür gibt es unterschiedliche Medikamententypen. Und: Es kann durchaus sein, dass Ihr Arzt sich dazu entschließt, Ihnen zwei oder gar drei verschiedene Medikamente zu verordnen. 32 Es ist wichtig, dass Sie die vom Arzt verordneten Medikamente, sowohl was die Dosis betrifft, als auch was die Einnahmezeiten angeht, regelmäßig und wie verordnet einnehmen. Denn nur bei gewissenhafter Einnahme der Medikamente kann sich auch ein Therapieerfolg einstellen. Heutzutage stehen für die Therapie der Parkinson-Krankheit sechs Wirkstoffgruppen mit mehr als 100 Einzel-Medikamenten zur Verfügung (s. Tabelle auf Seite 36): Die sechs Wirkstoffgruppen: Anticholinergika COMT-Hemmer Dopaminagonisten L-Dopa MAO-B-Hemmer NMDA-Antagonisten 33 3.2.1 L-Dopa Um das bei der Parkinson-Krankheit fehlende Dopamin zu ersetzen, wird den Patienten L-Dopa verabreicht. Diese Substanz stellt eine biologische Vorstufe des körpereigenen Neurotransmitters Dopamin dar und kann - im Gegensatz zu Dopamin - die Barriere zwischen Blutgefäßen und Hirngewebe, die BlutHirn-Schranke, überwinden. Im Gehirn wird L-Dopa dann in Dopamin umgewandelt. Damit L-Dopa nicht schon vorzeitig im Blut zu Dopamin umgewandelt wird, wird heutzutage immer ein Dopa-Decarboxylasehemmer (Benserazid oder Carbidopa) zugesetzt. Dieser ermöglicht, sowohl die L-DopaMenge pro Tablette als auch die Nebenwirkungen deutlich zu reduzieren. Das mit einem Dopa-Decarboxylasehemmer kombinierte L-Dopa bessert meist schon innerhalb weniger Tage deutlich die Parkinson-Symptome - und hier insbesondere die Akinese und den Rigor. Von den Patienten wird L-Dopa in der Regel gut vertragen. Nur gelegentlich kommt es zu leichter Benommenheit und Übelkeit, die bei Reduzierung der Dosis fast immer abklingt. L-Dopa wird zu Beginn der Therapie vor allem bei älteren Patienten sowie bei Patienten mit zahlreichen Begleiterkrankungen eingesetzt. Bei jüngeren Patienten wird in der Anfangs-Therapie heutzutage versucht, zunächst mit einem Dopaminagonisten zu beginnen; meist ist jedoch nach zwei bis drei Jahren die zusätzliche L-Dopa-Gabe unumgänglich. Nach wie vor gilt L-Dopa als der Goldstandard in der Behandlung der Parkinson-Krankheit. Die früher im Vergleich zum Durchschnitt der Bevölkerung verkürzte Lebenserwartung der Parkinson-Patienten konnte seit Einführung der L-Dopa-Therapie nahezu normalisiert werden. 3.2.2 COMT-Hemmer COMT-Hemmer hemmen das Enzym Catechol-O-Methyltransferase (COMT), wodurch der zweitwichtigste Abbauweg von L-Dopa blockiert wird. In Deutschland steht der periphere, also außerhalb des Gehirns aktive, COMTHemmer Entacapon zur Verfügung. Durch die COMT-Hemmung wird die Wirkdauer des verabreichten L-Dopa verlängert. Dies ermöglicht einen gleichmäßigeren Zustrom von L-Dopa in das 34 Gehirn. Hieraus resultiert eine bessere und länger anhaltende Beweglichkeit. Entacapon wird von den meisten Patienten gut vertragen. Die Eigenfarbe der Substanz kann zu einer harmlosen Orangefärbung des Urins führen. Entacapon wird eingesetzt, wenn mit anderen Parkinson-Medikamenten keine zufriedenstellende Beweglichkeit gewährleistet werden kann. Medizinisch ausgedrückt heißt das, dass es durch Entacapon zu einer deutlichen Verlängerung der On-Zeit, also der Phasen guter Beweglichkeit kommt. Entacapon muss immer gemeinsam mit L-Dopa verabreicht werden. Hemmung des peripheren Abbaus von L-Dopa Einsatz eines COMT-Hemmers reduziert den Abbau von L-Dopa zu 3-OMD in der Peripherie L-Dopa/DDC-Hemmer L-Dopa/DDC-Hemmer/COMT-Hemmer 3-OMD 3-OMD 3-OMD COMT L-Dopa DDC Dopamin COMT L-Dopa DDC BHS Dopamin Peripherie Gehirn Abkürzungen: DDC = Dopa-Decarboxylase 3.2.3 3-OMD COMT L-Dopa DDC Dopamin COMT L-Dopa DDC Dopamin Peripherie BHS = Blut-Hirn-Schranke BHS Gehirn 3-OMD = 3-O-Methyldopa L-Dopa und Entacapon in Monotherapie Die derzeit neueste Entwicklung auf dem Gebiet der Parkinson-Therapie stellt die Kombination der drei Wirkstoffe L-Dopa, Carbidopa und Entacapon dar. Die Kombination vereinfacht das duale Einnahmeregime von L-Dopa/Carbidopa und Entacapon quasi zu einer Monotherapie - denn eine Tablette enthält alle drei Wirkstoffe. Von der Kombination dürften alle Patienten mit frühen Wearing-off-Symptomen profitieren (s. Seite 39), bei denen erste Zeichen einer nachlassenden L-Dopa-Wirkung zu beobachten sind. Die neue Tablette garantiert nicht nur die korrekte Einnahme der drei Wirkstoffe, es wird auch die Anzahl der pro Tag einzunehmenden Tabletten deutlich reduziert - spürbare Vorteile für Arzt und Patienten, die sich in besserer Beweglichkeit und mehr Lebensqualität niederschlagen. 35 3.2.4 Parkinson-Medikamente* Anticholinergika Biperiden Akineton Biperiden ratiopharm Metixen Tremarit Trihexyphenidyl Artane COMT-Hemmer Entacapon Comtess Dopaminagonisten Bromocriptin Kirim Pravidel Lisurid Dopergin Alpha-Dihydroergocryptin Almirid Cabergolin Cabaseril Ropinirol ReQuip Pramipexol Sifrol Pergolid Parkotil L-Dopa-Präparate L-Dopa/Benserazid Madopar Madopar-LT Madopar Depot L-Dopa/Carbidopa Isicom Nacom Nacom retard MAO-B-Hemmer (alphabetisch, nicht nach Bedeutung, gelistet) L-Dopa/Carbidopa/ Entacapon (Kombinationstablette) Stalevo 50 Stalevo 100 Stalevo 150 MAO-B-Hemmer Selegilin Movergan Selegam Selegilin hemmt die Monoaminoxidase-B (MAO-B); ein dopaminabbauendes Enzym. Es bewirkt eine Anreicherung von Dopamin im Gehirn. Wenngleich insgesamt milder, ist Selegilin in Wirkung und Nebenwirkungen dem L-Dopa ähnlich. Selegilin wird von den meisten Patienten gut vertragen, es sollte jedoch nicht nachts eingenommen werden, da es zu Unruhezuständen sowie Schlafstörungen kommen kann. Als alleiniges Parkinson-Medikament kann die Substanz bei leichten Symptomen die Behandlung einleiten, muss allerdings meist bald mit L-Dopa ergänzt werden. Diskutiert wird in Fachkreisen, ob Selegilin das Fortschreiten der Parkinson-Erkrankung verlangsamen kann. 3.2.5 Dopaminagonisten Bei den Dopaminagonisten handelt es sich um Medikamente, welche die Wirkung von Dopamin imitieren, indem sie direkt an den Empfangseinrichtungen einer Nervenzelle ansetzen, an denen normalerweise die Impulse durch Dopamin übertragen werden. In ihrer Wirksamkeit sind die Dopaminagonisten jedoch L-Dopa deutlich unterlegen. Die Einstellung auf diese Präparate erfordert Geduld, da die Besserung der Parkinson-Symptome, verglichen mit L-Dopa, langsamer eintritt und auch häufiger mit Nebenwirkungen zu rechnen ist. Übelkeit oder Blutdruckabfall erfordern bei vielen Patienten vorübergehend oder langfristig eine Zusatzmedikation. Bei älteren Patienten können - insbesondere bei hohen Dosierungen - auch Trugbilder und Verwirrtheitszustände auftreten. Als Vorteil der Dopaminagonisten hat sich erwiesen, dass durch ihren frühzeitigen Einsatz die häufig nach langjähriger Behandlung mit L-Dopa zu beobachtenden Überbewegungen weniger ausgeprägt in Erscheinung treten. NMDA-Antagonisten Amantadinhydrochlorid Adekin Amanta Amantadinsulfat PK-Merz Tregor * Diese Liste ist nicht vollständig. 36 Amantadinsulfat-lnfusion PK-Merz Inf. Budipin Parkinsan 3.2.6 NMDA-Antagonisten Amantadin Die Wirkweise dieser Substanz konnte bis heute noch nicht vollständig geklärt werden. Es wird angenommen, dass Amantadin die erhöhte Glutamat37 Wirkung im Gehirn abmildert und so dazu beiträgt, das Ungleichgewicht zwischen den einzelnen Neurotransmittern auszubalancieren. Amantadin ist gegen alle Hauptsymptome der Parkinson-Krankheit wirksam, wenngleich die Wirkung aber deutlich schwächer als die von L-Dopa oder Dopaminagonisten ist. Ein günstiger Effekt auf unerwünschte Überbewegungen ist beschrieben. Amantadin wird von den meisten Patienten gut vertragen, selten können aber auch hier Verwirrtheitszustände beobachtet werden. Bei Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion kann es zu vermehrten Nebenwirkungen kommen. Eine besondere Bedeutung hat Amantadin als Infusionslösung beim Auftreten von akinetischen Krisen. Als Infusionslösung kann Amantadin ferner verabreicht werden, wenn die Tabletteneinnahme ein Problem darstellt, beispielsweise im Zusammenhang mit Narkosen oder Schluckstörungen. Budipin Bei Budipin handelt es sich um eine Substanz, die unterschiedliche Neurotransmitter beeinflusst, vornehmlich jedoch die erhöhte Glutamatwirkung dämpft. Budipin wird vorwiegend bei schwer behandelbarem Tremor eingesetzt. Die QT-Zeit-Verlängerung (QT = gesamte elektrische Aktion der Herzkammer in der EKG-Messung) als Nebenwirkung beinhaltet jedoch die Gefahr lebensgefährlicher Herzrhythmusstörungen und erfordert engmaschig dokumentierte kardiologische Kontrollen. 3.2.7 Anticholinergika Anticholinergika sind die am längsten bekannten Medikamente in der Behandlung der Parkinson-Krankheit. Sie wirken dem relativen Übergewicht des Neurotransmitters Acetylcholin entgegen, der aus dem Dopaminmangel resultiert. Anticholinergika beeinflussen den Rigor positiv, vor allem aber den Tremor. Relativ häufig treten Nebenwirkungen auf, beispielsweise Mundtrockenheit, Verstopfung und Harnverhalt. Meist werden Anticholinergika deswegen nur noch ergänzend zu anderen Parkinson-Medikamenten eingesetzt. 38 3.3 Medikamentenwirkung kann nachlassen Möglicherweise bemerken Sie nach mehreren stabilen Jahren der Krankheit - die so genannte Honeymoon-Phase - ungewohnte, neuartige Symptome an sich. Vielleicht haben Sie das Gefühl, dass Ihre bisherigen Medikamente, die Ihnen Ihr Arzt verordnet hat, nicht mehr so zuverlässig wirken oder dass Sie diese nicht mehr so gut vertragen. Informieren Sie Ihren Arzt über diese Veränderungen. Er wird mit Ihnen gemeinsam dann die Medikamente überprüfen. Nun ist die medikamentöse Therapie mit L-Dopa, so wichtig sie für die meisten Patienten auch ist, im Langzeitverlauf mit einigen Nachteilen verbunden. Nach etwa drei bis fünf Jahren - der Zeitraum ist von Patient zu Patient unterschiedlich - spüren Sie möglicherweise, dass die Wirkung im Tagesverlauf schon vorzeitig abklingt und die Parkinson-Symptome bereits vor der nächsten regulären L-Dopa-Einnahme wieder einsetzen. Zu Grunde liegen diesem scheinbaren Wirkungsverlust in erster Linie Veränderungen im Gehirn selbst: die Zahl funktionstüchtiger dopaminherstellender und -speichernder Nervenzellen hat mit der Zeit weiter abgenommen. Dies führt dazu, dass die Konzentration von Dopamin im Gehirn stark schwankt, und dass sich die Wirkdauer von L-Dopa verkürzt. Man nennt dieses Phänomen Wearingoff bzw. End-of-dose-Akinese. Durch die nachlassende Beweglichkeit oder beispielsweise stärkeres Zittern signalisiert der Körper, dass es Zeit ist, die nächsten Medikamente einzunehmen. Weitere wichtige Informationen hierzu entnehmen Sie bitte der Patientenbroschüre Teil 2 „Mit Parkinson länger besser leben - Wissenswertes im fortgeschrittenen Stadium“. In dieser befindet sich auch ein Fragebogen zum besseren Erkennen der Wearing-off-Beschwerden. 3.3.1 Wechselnde Beweglichkeit Nach noch längerer Krankheitsdauer können die Phasen guter und schlechter Beweglichkeit unvorhersehbar und abrupt wechseln. Diese Erscheinung nennt man den On-off-Effekt (englisch: on-off = ein-aus). In Phasen guter, aber auch schlechter Beweglichkeit, kann es zu so genannten Überbewegun39 gen kommen. Diese Überbewegungen bezeichnen Ärzte als Dyskinesien. Dyskinesien äußern sich durch unbeabsichtigte, willentlich nicht unterdrückbare Bewegungen von Armen und Beinen, weniger des Rumpfes. Peak-doseDyskinesien (englisch: peak-dose = Dosisspitze) zeigen sich, wenn der Zeitpunkt der höchsten L-Dopa-Konzentration im Blut eintritt. Biphasische Dyskinesien (= zu zwei Zeiten) treten in der An- und Abflutphase der Medikamente auf, werden also jeweils eingeleitet und abgelöst von schlechten Bewegungsphasen. Bei leichter Ausprägung sind die Überbewegungen harmlos, obgleich sie insbesondere von der Umwelt häufig als störend empfunden werden. In schweren Fällen können die Gliedmaßen allerdings so stark schleudern, dass sich der Patient auch selbst verletzen bzw. stürzen kann. Die Dyskinesien können von Dystonien begleitet sein. Dies sind oft schmerzhafte Erhöhungen des natürlichen Spannungszustandes der Muskulatur mit Verkrampfungsgefühl. Dystonien können auch für sich alleine auftreten. Bei nicht wenigen Patienten kommt es im längeren Krankheitsverlauf (gelegentlich auch zu Beginn der Erkrankung) zu plötzlichen, unvorhersehbaren Blockierungen der Bewegung. Die Patienten kleben am Boden fest. Das Phänomen Freezing (englisch: einfrieren) tritt spontan auf, z. B. in engen Räumen oder Türdurchgängen, oder wird durch emotionellen Stress verursacht. Informieren Sie Ihren Arzt, wenn Sie an sich beobachten, dass die Medikamentenwirkung nachlässt. 3.3.2 Sicher, wirksam und verträglich? Bestimmt fragen Sie sich, wie sicher, wirksam und verträglich die Medikamente eigentlich sind, die Ihnen Ihr Arzt verordnet. Bis ein Medikament in Deutschland zugelassen wird, können bis zu zehn Jahre vergehen. Voraussetzung für eine Zulassung durch die deutschen oder europäischen Zulassungsbehörden sind klinische Studien während der so genannten drei Phasen. Vor allem in der letzten Phase, der Phase III, werden Untersuchungen mit der entsprechenden Substanz parallel in mehreren Kliniken durchgeführt (multizentrische Studien). Klinische Studien werden anhand ihrer Fragestellung, bzw. ihrer Informationsausbeute, in Phasen eingeteilt. Jede neue Phase hängt von der vorangehenden Phase ab und baut auf deren Erfahrungen auf. Die Auswahlkriterien für die Studienteilnahme von Patienten in bestimmten Phasen hängen von verschiedenen Faktoren ab, unter anderem vom Allgemeinzustand des einzelnen Patienten, vom Krankheitsstadium, von der vorhergehenden Behandlung usw. In Phase-I-Studien sucht man nach neuen Therapieansätzen. Diese sind bis zum jetzigen Zeitpunkt im Labor und im Tierversuch getestet worden. Die zentrale Forschungsfrage lautet dabei: Welches ist die beste Art und die optimale Dosis, um die neue Behandlung sicher zu gestalten. Jede noch so belanglose Nebenwirkung wird dabei genau registriert und überwacht. In Phase-II-Studien wird die Wirkung der neuen Behandlung auf die entsprechende Krankheit erforscht. Wenn eine Behandlung in Phase II wirksam ist, wird sie in einer Phase-III-Studie weiterverfolgt. In Phase-III-Studien wird die neue Behandlung mit den herkömmlichen Methoden - so genannten Standardmethoden - verglichen, um herauszufinden, ob sie Vorteile hat (z. B. besseres Ansprechen oder geringere Nebenwirkungen). In Phase-IV-Studien (die nicht mehr Teil des Zulassungsverfahrens sind, aber noch zu Änderungen der Zulassung führen können) wird die neue 40 41 Behandlung Teil der Standardtherapien und dementsprechend im Alltag eingesetzt und untersucht. Jetzt auftretende und bisher nicht bekannte Nebenwirkungen müssen den Zulassungsbehörden mitgeteilt werden. Forschung mit Wachstumsfaktoren Anfang des Jahres 2003 wurde bekannt, dass einige Parkinson-Patienten erstmalig mit einer kontinuierlichen Infusion des Wachstumsfaktors GDNF (Glial cell derived nerve growth factor) in das Putamen (Nervenzellgebiet im Großhirn) behandelt wurden. Möglicherweise führt diese Behandlung zum Wiederaussprossen der noch vorhandenen dopaminergen Nervenendigungen. Soweit diese experimentelle Therapie derzeit beurteilbar ist, nimmt die Schwere der Parkinson-Symptomatik ab und Dyskinesien werden abgeschwächt. In den nächsten Jahren werden hier sicherlich weitere klinische Studien folgen. Die Durchführung einer klinischen Studie ist streng geregelt. Die Ziele der klinischen Studie müssen sorgfältig definiert werden, das Vorgehen während der Studie ist in einem Studienprotokoll genau festgehalten. Diese Sicherheitsmaßnahmen werden von den Behörden gefordert und genau kontrolliert. 3.3.3 Was bringt die Zukunft? Erforschung neuer Medikamente Bei der Entwicklung neuer Medikamente zur Behandlung der ParkinsonKrankheit ist man heute nicht nur bestrebt, die Symptome zu lindern, sondern man sucht auch nach Möglichkeiten, das Absterben der Nervenzellen im Gehirn zu verhindern oder zu verzögern. Dadurch soll die Verschlimmerung der Krankheit verlangsamt oder gar aufgehalten werden. Man spricht dabei von Neuroprotektion oder neuroprotektiven Präparaten. Andere Ansätze zielen darauf ab, die Wirkung des wenigen Dopamins, das die Gehirnzellen der Patienten noch produzieren, zu verlängern. Daneben wird auch nach neurorestaurativen Behandlungsmöglichkeiten gesucht, also nach Medikamenten, welche die untergegangenen Nervenzellen im Gehirn wiederherstellen oder ersetzen. Insgesamt macht die Erforschung der Parkinson-Krankheit derzeit große Fortschritte. Viele Kliniken, Universitäten, die pharmazeutische Industrie oder das Kompetenznetzwerk Parkinson sind in diesem Bereich stark engagiert. Auch die Deutsche Parkinson Vereinigung (s. Seite 48), mit ihren derzeit rund 25.000 Mitgliedern, finanziert über eigene Mittel und die ihr angeschlossene Hans Tauber-Stiftung weiterführende Forschungsvorhaben. Transplantationsforschung Die Transplantation embryonaler Zellen oder von Stammzellen wird derzeit in der Publikumspresse als ein Hoffnungsträger zukünftiger Therapien dargestellt. Tatsächlich ist im Fall der Parkinson-Erkrankung der grundsätzliche Beweis bereits gelungen, dass eine solche Transplantation klinisch wirksam sein kann. Zwei Studien in den USA haben aber zuletzt ergeben, dass das Ausmaß der Wirksamkeit nur sehr gering ist und außerdem neue Probleme mit bis dato unbekannten Dyskinesieformen entstehen. Dies hat dazu geführt, dass die Transplantation in Fachkreisen mit relativer Skepsis betrachtet wird. Es besteht weitgehend Einigkeit darüber, dass weitere Laboruntersuchungen und besonders die Erforschung der Stammzelltherapie erforderlich sind. 42 3.4 Nicht-medikamentöse Therapien 3.4.1 Operationen Thermokoagulation In eng begrenzten, besonders stark ausgeprägten Fällen des Tremors, kann dieser stereotaktische Eingriff Linderung bringen. Bei diesem in den letzten Jahren verfeinerten Operationsverfahren werden im Gehirn bestimmte 43 Nervenzellen dauerhaft zerstört. Der Eingriff erfolgt meist einseitig und wirkt auf die gegenseitigen Extremitäten. Hierdurch kann in der Regel das Zittern dieser Extremitäten beseitigt werden. Ein dauerhafter Erfolg ist jedoch nicht sicherzustellen. Tiefenhirnstimulation Die Tiefenhirnstimulation bildet heutzutage eine vielversprechende Alternative zu der Zerstörung von Nervengewebe. Sie ist eine ergänzende Behandlung bei Patienten, die nach einem langjährigen Krankheitsverlauf unter nicht mehr ausreichender Medikamentenwirkung oder unter schweren Nebenwirkungen der Behandlung leiden. Mit Hilfe operativ platzierter Elektroden ist es möglich, Nervenzellengebiete im Gehirn per Schrittmacher von außen zu blockieren, deren Aktivität im Rahmen der Parkinson-Krankheit verändert ist. Der Hauptzielpunkt ist der so genannte Nucleus subthalamicus, dessen Stimulation auf alle drei Kardinalsymptome der Parkinson-Krankheit, also Tremor, Akinese und Rigor eine symptomverbessernde Wirkung erzielt. Nach der Operation kann man die Medikamentendosis meist deutlich reduzieren, aber nur selten ganz auf Medikamente verzichten. Mögliche Nebenwirkungen der Therapie können Sprach- und Sehstörungen, aber auch Bewegungsstörungen sein. Die Auswahl der Patienten, die überhaupt für eine Tiefenhirnstimulation in Frage kommen, geschieht in einem umfangreichen Testverfahren. Die Erkrankung kann in ihrem Verlauf durch die Operation nicht aufgehalten werden. Die Tiefenhirnstimulation wird nur von einigen Universitätskliniken und spezialisierten neurologischen Kliniken angeboten. 44 3.4.2 Körperliche Aktivitäten Unter diesem Begriff fasst man heute mehrere Maßnahmen zusammen, die einzeln oder in ihrer Gesamtheit eine sehr wertvolle Unterstützung des Patienten bedeuten, z. B.: Krankengymnastik therapeutisches Schwimmen Logopädie Ergotherapie Wenn wir unseren Körper bewegen, die Muskulatur arbeiten lassen, wirkt sich dies grundsätzlich - ob bei Kranken oder bei Gesunden - positiv auf Herz-Kreislauf, auf die Funktion unserer Nieren und auf die Verdauung aus. Gerade dann, wenn möglicherweise die ersten Anzeichen einer Bewegungseinschränkung, beispielsweise Beschwerden im Rücken auftreten, ist es an der Zeit, selbst aktiv zu werden. Krankengymnastik Wer sich mit einer möglichen eingeschränkten Bewegungsfähigkeit abfindet, ist auf dem falschen Weg. Leichte depressive Verstimmung fördert diese Entschlusslosigkeit. Trotzdem oder gerade deshalb sollten Sie aus der Erfahrung anderer profitieren, Krankengymnastik selbst auszuprobieren. Eigene Aktivitäten wirken sich nicht nur positiv auf unseren Körper, sondern auch positiv stimulierend auf unser Gemüt aus. Sinnvolle, Ihrem körperlichen Zustand angepasste Gymnastik können Sie schon nach kurzer fachkundiger Anleitung allein zu Hause oder mit spezieller Gymnastik in den Regionalgruppen der dPV, der Deutschen Parkinson Vereinigung, (s. Seite 48) absolvieren. Logopädie Sehr häufig ist bei der Parkinson-Krankheit die Muskulatur betroffen, die für das Sprechen zuständig ist, also die Zungen- und Kehlkopfmuskulatur sowie auch die Gesichtsmuskulatur. Dabei verändert sich die Stimme langsam, sie 45 wird leiser und undeutlicher. Schon sehr früh sollte mit der Logopädie, der Stimm- und Sprachtherapie, begonnen werden. Bei dieser Therapie werden nicht nur die Stimme und Aussprache sowie Sprechgeschwindigkeit bei Parkinson-Kranken trainiert, sondern auch die Mundbeweglichkeit und Mimik geschult sowie die Atmung verbessert. Die Betroffenen sollen dabei lernen, ihre verbliebenen Sprechfunktionen möglichst effektiv in der alltäglichen Kommunikation einzusetzen. Ergotherapie Durch ergotherapeutische Übungen und Hilfsmittel soll für die Betroffenen die größtmögliche Selbständigkeit im Alltag erhalten werden. Dabei ist es wichtig, die ergotherapeutischen Maßnahmen ganz auf die Beeinträchtigungen der jeweiligen Person abzustimmen. Trotz allem sollen sie den Betroffenen auch Freude bereiten und nicht eine Überforderung darstellen. Bezugspersonen sollten bei den Betrachtungen mit einbezogen werden. 3.4.4 Hilfe bei psychischen Problemen Häufig gehen der Parkinson-Krankheit depressive Störungen voraus. Sie können aber auch eine Reaktion auf die Auswirkungen der ParkinsonKrankheit selbst sein. Das Erleben krankheitsbedingter Beeinträchtigungen, das Erfahren von Abhängigkeiten und der Verlust von Erfolgserlebnissen und Bestätigungen im beruflichen Umfeld lassen deutlich werden, dass eine chronische, fortschreitende Erkrankung trotz aller bereits erreichten Behandlungserfolge einen tiefen Lebenseinschnitt für viele Patienten darstellen kann. Bei der Bewältigung der vielfältigen, potenziellen Komplikationen im psychosozialen Bereich bedarf es professioneller Hilfen unter Einbeziehung auch psychotherapeutischer Verfahren oder auch spezieller Medikamente bzw. einer Umstellung der bisherigen Parkinson-Medikation. Die Übungen umfassen vor allen Dingen die alltäglichen Lebensaktivitäten wie Körperpflege und Ankleiden, Haushaltsversorgung inklusive selbständigem Essen. 3.4.3 Geistige Aktivitäten Wichtig ist es, eigene Initiativen zu ergreifen, um unser Gedächtnis zu trainieren und unsere Denkfähigkeit zu fördern. Hierzu zählen: Lesen anspruchsvoller Texte: Bücher, adäquate Tageszeitungen. Spielen: Skat, Schafskopf, Schach, Bridge oder Memory. Lösen von Rätseln, Denksportaufgaben. Dies ist deshalb ausdrücklich zu empfehlen, weil es bei Vorliegen einer Parkinson-Krankheit im fortgeschrittenen Stadium durchaus zu einer Verlangsamung beim Denken kommen kann. Ihr Denkvermögen wird nicht beeinträchtigt, nur die Denkgeschwindigkeit kann reduziert sein. Damit Sie trotzdem geistig beweglich bleiben: Tun Sie etwas dafür, werden Sie aktiv und Sie werden feststellen, dass all dies auch viel Freude bereiten kann! 46 47 4 4.1 Wo finde ich weitere Hilfe? Die Deutsche Parkinson Vereinigung (dPV) Seit 1981 gibt es in Deutschland einen Selbsthilfeverband für ParkinsonPatienten: Die Deutsche Parkinson Vereinigung (dPV). Mit rund 400 aktiven Regionalgruppen und Kontaktstellen und fast 25.000 Mitgliedern ist sie mittlerweile quer durch Deutschland vertreten. Ihr Bundesverband sitzt in Neuss/Nordrhein-Westfalen. Der dPV-Bundesverband bietet Beratung und gibt Hilfestellung in rechtlichen und sozialen Fragen. Ihm zur Seite stehen ärztliche und psychologische Beiräte. Der Bundesverband verfügt über vielfältiges Parkinson-Informationsmaterial, gibt mit den dPV-Nachrichten vierteljährlich eine eigene Mitgliederzeitschrift heraus und betreibt selbst sowie über die Hans Tauber-Stiftung eine Förderung der Parkinson-Forschung. In den Regionalgruppen treffen sich die Patienten zum gemeinsamen Erfahrungsaustausch, betreiben spezielle Krankengymnastik, organisieren Weiterbildung und Informationsveranstaltungen und unternehmen Ausflüge und Reisen. Den Kontakt erhalten Sie über folgende Anschrift: Deutsche Parkinson Vereinigung – Bundesverband – e.V. Moselstraße 31, 41464 Neuss Telefon: 02131-410 16/17, Fax: 02131-45 445, e-mail: [email protected] Klinik Ambrock, Klinik für Neurologie, Universität Witten/Herdecke Ambrocker Weg 60, 58091 Hagen, Telefon: 02331/974-0, Fax: 02331/974-112 Fachklinik Feldberg GmbH, Zentrum für Neurologie, Kardiologie und Psychosomatik Buchenallee 1, 17258 Feldberg, Telefon: 039831/520, Fax: 039831/52404 HUMAINE-Klinik Maximilian Kötzting, Neurorehabilitation Weißenregener Straße 5, 93444 Kötzting, Telefon: 09941/98-0, Fax: 09941/98-3099 Landesfachkrankenhaus Stadtroda, Abt. Neurologie mit Fachbereich für Parkinson-Patienten Bahnhofstr. 1a, 07646 Stadtroda, Telefon: 036428/56-0, Fax: 036428/56-279 Medical Park Bad Rodach, Fachklinik für Neurologie Kurring 16, 96476 Bad Rodach, Telefon: 09564/93-0, Fax: 09564/93-1119 Paracelsus Elena Klinik Klinikstr. 16, 34128 Kassel, Telefon: 0561/6009-0, Fax: 0561/6009125 Paracelsus Nordseeklinik Helgoland Invasorenpfad, 27498 Helgoland, Telefon: 04725/8030, Fax: 04725/803127, Parkinson Klinik Bad Nauheim, Fachklinik für Neurologische Rehabilitation Franz-Groedel-Str. 6, 61231 Bad Nauheim, Telefon: 06032/7810, Fax: 06032/781100 Parkinson-Klinik Wolfach, Neurologisches Krankenhaus Kreuzbergstraße 12-16, 77709 Wolfach/Schwarzwald, Telefon: 07834/9710, Fax: 07834/4930 4.2 Fachkliniken für Parkinson-Patienten* Neben der ambulanten Behandlung besteht auch die Möglichkeit, sich in neurologischen Kliniken oder folgenden Fachkliniken behandeln zu lassen: Beelitz Heilstätten, Neurologisches Fachkrankenhaus für Bewegungsstörungen/Parkinson Paracelsusring 6 a, 14547 Beelitz-Heilstätten, Telefon: 033204/22781, Fax: 033204/22782 Gertrudis-Klinik Biskirchen Karl-Ferdinand-Broll-Straße 2-4, 35638 Leun-Biskirchen (b. Wetzlar), Telefon: 06473/305-0, Fax: 06473/305-57 Schlossberg Klinik Wittgenstein, Klinik für Parkinson und Multiple Sklerose Schloßstraße 40, 57334 Bad Laasphe, Telefon: 02752/101-0, Fax: 02752/101-349 Waldklinik Bernburg, Neurologische Klinik - Behandlungszentrum für Parkinson-Kranke Keßlerstraße 8, 06406 Bernburg, Telefon: 03471/3650, Fax: 03471/365200 Fachklinik Ichenhausen, Neurologische Abteilung mit Fachbereich Morbus Parkinson Krumbacher Str. 45, 89335 Ichenhausen, Telefon: 08223/99-1034, Fax: 08223/993036 * Stand: Januar 2004 48 49 Nachwort Trotz Krankheit ein lebenswertes Leben zu führen, ist das Ziel jeder Art der Parkinson-Behandlung. Wie Sie den vorausgehenden Kapiteln entnehmen konnten, gibt es mittlerweile vielfältige Möglichkeiten, der Krankheit entgegen zu treten und die Symptome zu lindern bzw. ihr Auftreten zu verzögern. Trotz allem müssen Sie sich darüber im Klaren sein, dass eine Behandlung der Parkinson-Krankheit eine lebenslange Therapie zur Folge hat. In den ersten Jahren der Krankheit werden Sie unter dieser Therapie relativ beschwerdefrei sein und können möglicherweise noch gut Ihrem Beruf nachgehen oder problemlos all‘ Ihre privaten Hobbies betreiben. Leider ist eine der unangenehmen Eigenschaften der Krankheit, dass sie progredient ist, das heißt, dass sie fortschreitend ist. Nach einer Reihe von Jahren werden neue und für Sie ungewohnte Symptome Einfluss auf Ihre Lebensqualität und Ihr Krankheitsempfinden haben. In erster Linie sind dies Tagesschwankungen Ihrer Beweglichkeit und unwillkürliche Bewegungen sowie gelegentlich auch Störungen des vegetativen Nervensystems. Möglicherweise werden auch neuartige Nebenwirkungen der Therapie auftreten, die eine mehrmalige Umstellung Ihrer Medikamente nach sich ziehen kann. Im Teil zwei unserer Patientenbroschüren mit dem Titel „Mit Parkinson länger besser leben - Wissenswertes im fortgeschrittenen Stadium“ werden wir Ihnen zeigen, was sich im Krankheitsverlauf ändern kann, in welcher Form die medikamentöse Therapie angepasst werden muss und wie Sie sich selbst und auch Ihre Angehörigen auf die veränderten Lebensumstände einstellen können. Bei allem ist jedoch die positive Einstellung zu Ihrer Krankheit wichtig. Oder wie es der parkinsonkranke Boxer Muhammad Ali einmal sagte: „Ich habe die Parkinson-Krankeit - und damit lebe ich jetzt“. 50