Der Mittelstand als Garant von funktionsfähigen Märkten? Eine Einschätzung aus Sicht der Wettbewerbstheorie Fachtagung Mittelstandsmonitor 25. Juni 2009, Berlin (überarbeitet Fassung vom 3.7.09) Prof. Dr. C. Wey DIW Berlin und TU Berlin (Irina Suleymanova & Christian Wey, 2009, Market Entry, Credit Constraints, and Business Promotions, DIW Working Paper, forthcoming.) 1 Inhalte des Vortrags - Motivation - Wettbewerb, Marktstruktur und Preis - Wettbewerb, Wettbewerber und E¢ zienz - Der Mittelstand in der Wettbewerbspolitik - Mittelstandsförderung und Wettbewerb - Ergebnisse 2 Motivation Fokus: Preiswettbewerb Frage: Führt ein “Mehr an Wettbewerbern” zu besseren Marktergebnissen? Oder anders gewendet: - Kann eine Förderung von Wettbewerbern die Wettbewerbsergebnisse auf Produktmärkten verbessern? - Kann Mittelstandsförderung ine¢ zienten Produktmarktergebnissen entgegenwirken? 3 Wettbewerb, Marktstruktur und Preis Wettbewerbstheoretisches Grundmodell: 1) Bestimmung des relevanten Marktes - sachlich - räumlich - SSNIP-Test 2) Wettbewerbsanalyse 4 Wettbewerb, Marktstruktur und Preis Wettbewerbstheoretisches Grundmodell (Forts.): ...ad 2) Wettbewerbsanalyse Marktelemente: i = 1; :::; N Anzahl der Wettbewerber p Marktpreis Preiselastizität der Nachfrage M Ci marginale Kosten des Wettbewerbers i si Marktanteil des Wettbewerbs i PN HHI := i=1(si)2 10:000 (Konzentrationsmaß : Her…ndahl-Index) 5 Wettbewerb, Marktstruktur und Preis Wettbewerbstheoretisches Grundmodell (Forts.): Robuster Zusammenhang (Cournot-Oligopol; homogene Güter) N X p si |i=1 M Ci p {z } = HHI Industrieweiter Marktmacht-Index - die industrieweite Marktmacht sinkt monoton mit der Anzahl der aktiven Firmen im Markt - ein “Mehr an Wettbewerbern”senkt die Margen und erhöht die Verbraucherwohlfahrt 6 Wettbewerb, Marktstruktur und Preis Wettbewerbstheoretisches Grundmodell (Forts.): Standardergebnis: V R(p) Verbraucherrente SW (p) Soziale Wohlfahrt (= Es gilt: PN i=1 i (p) N ") p #; + V R(p)) #; V R "; SW " Kurz: Mehr Wettbewerber sind besser: freier Marktzutritt und auch die Förderung von Marktzutritten sind wünschenswert. 7 Wettbewerb, Marktstruktur und Preis Wettbewerbstheoretisches Grundmodell (Forts.): Zwei erste Einschränkungen: 1) Mehr Wettbewerber (insbesondere kleinere) gehen zu Lasten der Kostene¢ zienz, so dass die soziale Wohlfahrt mit einer Erhöhung der Wettbewerber sinken kann. 2) Mehr Wettbewerber führen nur dann zu besseren Marktergebnissen, wenn tatsächlich die Firmen im Wettbewerb stehen (i.e., der relevante Markt korrekt spezi…ziert ist). –> “Mehr Wettbewerber” ist nicht gleichbedeutend mit “mehr Wettbewerb” –> Implikationen für Wettbewerbspolitik 8 Wettbewerb, Wettbewerber und E¢ zienz Ein weiterer Einwand gegen das Standardergebnis Das Duplizierungsproblem (natürliche Monopole) F > 0 …xe Kosten und konstante Skalenerträge - erstbeste Lösung ist das perfekt regulierte Monopol (aber: Nirvana-Kritik) - in der zweitbesten Lösung sind Marktzutrittsbeschränkungen und intensiver Wettbewerb optimal - ein unbeschränkter Marktzutritt oder eine Förderung von Markteintritten senkt die soziale Wohlfahrt erhöht aber immer die Verbraucherwohlfahrt (wegen fallender Preise) 9 Wettbewerb, Wettbewerber und E¢ zienz Dynamische Argumente für “mehr Wettbewerber” - Innovationen - Wettbewerber als Optionen für die Zukunft - Vielfalt — > Einschätzung bleibt spekulativ...aber plausibel... 10 Mittelstand in der Wettbewerbspolitik 1) Kartellverbot - Sonderregelungen beim Kartellverbot - Mittelstandsklausel; de minimis Regelung 2) Missbrauchsaufsicht - Schutz kleiner und mittelständischer Firmen gegen Marktmacht - horizontaler und vertikaler Schutz 3) Fusionskontrolle - Fokus auf Marktbeherrschung (Aufgreifkriterien) 4) Vergaberrecht - Mittelstandsklausel 11 Mittelstand in der Wettbewerbspolitik Aktuelle wettbewerbspolitische Debatte um den –> more economic approach struktureller Ansatz versus e¤ektorientierter Ansatz - tendenziell weniger Toleranz für Mittelstandsklauseln... (Abkehr von strukturellen Kriterien) 12 Mittelstandsförderung und Wettbewerb Archetypisches Problem des Markteintritts: N ist Anzahl der potentiellen Firmen in einem neuen Markt (“Kandidaten”) - symmetrische Markteintrittsbedingungen für alle Firmen - F > 0 Fixe Kosten des Markteintritts Es gilt die Standardlogik: - N " ! (p #) und # sowie V R " 13 Mittelstandsförderung und Wettbewerb Archetypisches Problem des Markteintritts (Forts.): Annahme: Der Firmengewinn, (N ), hängt negativ und linear von der Anzahl der Firmen ab. Dann gilt: E (N ) = (E(N )), wobei E der Erwartungswertoperator ist. Konkret: Der Firmengewinn nach Marktzutritt sei (N ) = X - mit N > 0 als Maßder Wettbewerbsintensität (oder der Produktdi¤erenzierung) - mit X als Maßfür die Größ e des Marktes; X > 14 + F (Eintritt ist pro…tabel) Mittelstandsförderung und Wettbewerb Markteintrittsspiel: Stufe 1: Firmen entscheiden über Markteintritt Stufe 2: Wettbewerb im Markt und Realiation der Gewinne 15 Mittelstandsförderung und Wettbewerb Analyse (symmetrische Gleichgewichte) (Fall 1: Alle Firmen, N , machen positive Gewinne) Fall 2: Nicht alle Firmen können positive Gewinne machen –> symmetrisches Gleichgewicht in gemischten Strategien –> unterstelle: N 1 Firmen betreten den Markt mit Wahrscheinlichkeit p –> Bestimmung des Gleichgewichts durch Indi¤erenzbedingung | (1 + p(N 1)) {z F } = erwarteter Gewinn bei Markteintritt oder X (1 + p(N 16 1)) 0 |{z} Reservationsnutzen F =0 Mittelstandsförderung und Wettbewerb Analyse (symmetrische Gleichgewichte) (Forts.) Durch Lösen nach p erhalten wir die Wahrscheinlichkeit des Markteintritts X F p= . (N 1) –> p sinkt in N (es wir mit zunehmender Anzahl der Kandidaten unattraktiver in den Markt einzutreten) 17 Mittelstandsförderung und Wettbewerb Analyse (symmetrische Gleichgewichte) (Forts.) –> erwartete Anzahl der Wettbewerber im Markt N = –> mit N X N 1 @N = @N X (N F F <0 2 1) Also: Mehr Kandidaten (etwa durch Lockerung der Kreditmarktschranke) senken (im Erwartungswert) den tatsächlichen Wettbewerb. –> negative Externalität der Markteintrittsförderung frustriert Wettbewerber (die eventuell e¢ zienter sind) 18 Mittelstandsförderung und Wettbewerb Analyse (symmetrische Gleichgewichte) (Forts.) Es folgt als (perverse) Möglichkeit der Mittelstandsförderung (N ") durch Senkung der Kreditmarktschranke: 1) Je mehr potentielle Wettbewerber, desto weniger Wettbewerb (weniger Marktzutritt). 2) Je mehr potentielle Wettbewerber, desto höher die Preise und geringer die Verbraucherente. 19 Ergebnisse - Mittelstandsförderung ist nicht notwendig (sozial) e¢ zient - ...und sie kann sogar Wettbewerb und Verbraucherrente schädigen Was heiß t das? - Aus wettbewerbstheoretischer Sicht ist eine Förderung des Mittelstands nur dann sinnvoll, wenn i) die Anzahl der Kandidaten sehr klein relativ zur Marktgröß e ist ii) die Kreditmarktbeschränkung extrem bindend ist - Ansonsten ist Mittelstandsförderung nicht förderlich für wettbewerbliche Produktmarkte¢ zienz 20 Ergebnisse Aber: Andere politische Gründe für Mittelstandsförderung... - ine¢ ziente Kreditmärkte - regionalpolitische Ziele - Förderung des Unternehmertums - sozial und arbeitsmarktpolitische Ziele 21