Spezielle Relativität - BFH

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Relativität
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Spezielle Relativität
I. Grundlagen
I.1. Einführung: Koordinatentransformationen
Eines der Grundprobleme der Physik ist die Tatsache, dass Experimente an verschiedenen Orten
gemacht werden, die Ergebnisse aber überall vergleichbar sein sollen. Man hat sich also schon früh
mit der Frage auseinandergesetzt, wie sich eine Änderung des Koordinatensystems auf die
Beschreibung physikalischer Vorgänge auswirkt.
Sei S ein Koordinatensystem, in dem sich die Physik nach bekannten Gesetzen beschrei-ben lässt. In
diesem Koordinatensystem (KS) werde eine Messung ausgeführt. Sei S' ein zweites
Koordinatensystem, in dem dieselbe Messung beschrieben wird. Was ändert sich dabei? Im
einfachsten Fall ist S' einfach ortsverschoben, z.B. um den Vektor b .Dann gilt:
r' = r - b
v' = v
a' = a
Damit werden zwar die Ortskoordinaten verändert, für die physikalischen Gesetze hat das aber keinen
Einfluss, man kann immer noch F = ma schreiben, denn die Beschleunigungen sind in beiden
Systemen gleich. Das bleibt auch wahr, wenn S' sich gegenüber S mit konstanter Geschwindigkeit u
bewegt: die Beschleunigungen und damit die Kräfte bleiben gleich:
r' = r - u t
v' = v - u
*)
a' = a
Erst wenn S' gegenüber S beschleunigt ist, ändern sich die physikalischen Gesetze, es treten dort
neue Kräfte ("Trägheitskräfte") auf. Man sagt dann, S' sei kein "Inertialsystem" mehr.
Der mit *) bezeichnete Satz von Transformationen von einem KS in ein anderes heisst "GalileiTransformation" und entspricht unserer Erfahrung über die Addition von Geschwindigkeiten. Falls die
Relativgeschwindigkeit u in x-Richtung liegt, ergeben sich die folgenden Komponentengleichungen:
x' = x - u t
y' = y
Galilei-Transformation
z' = z
t' = t
vx' = vx - u
I.2. Das Michelson-Experiment
1881 begannen Michelson und Morley eine Serie von Versuchen, in denen sie die vektorielle
Geschwindigkeitsaddition auch für die Kombination von Lichtgeschwindigkeit und Erdgeschwindigkeit
nachweisen wollten. Sie benutzten dafür ein nach ihnen benanntes Interferometer, bei dem ein
Lichtstrahl in zwei
zueinander senkrechte Bahnen aufgespalten
und nach Reflexionen in beiden Armen wieder
vereinigt wird. Bei der Vereinigung entsteht ein
Interferenzmuster, das von den Laufzeitunterschieden des Lichts in den beiden Armen abhängt. Richtet man das Interferometer so aus,
dass ein Arm in Richtung der Erdbewegung zeigt,
so sollte dort das Licht eine um den Faktor
2 2
√1 - u /c längere Zeit brauchen als im
Arm senkrecht zur Erdbewegung.
Experimentell ergab sich aber, unabhängig von der
Ausrichtung des Geräts, keine Änderung des Interferenzmusters. Das liess nur einen Schluss übrig:
Die Lichtgeschwindigkeit c ist in zueinander gleichförmig bewegten KS gleich.
Stefan Stankowski
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I.3 Lorentztransformation
Die oben beschriebene vektorielle Addition der Geschwindigkeiten kann also für Licht (und damit für
jegliche elektromagnetische Strahlung) nicht zutreffen. Der niederländische Physiker Hendrik Lorentz
schlug die folgende, nach ihm benannte Transformation vor (hier gegeben für gleichförmige Bewegung
in x-Richtung mit der Geschwindigkeit u):
x' = (x - u t) γ
y' = y
z' = z
2
t' = (t - u x / c ) γ
2
2
γ = (1 - u /c )
- 1/2
Lorentz-Transformation
Um die Lichtgeschwindigkeit in allen Bezugsystemen konstant zu halten, ist es also nötig, je nach KS
verschiedene Zeiten einzuführen. Ein Beobachter, der hinter einem Lichtstrahl herfliegt, misst zwar
kürzere Abstände zu den Punkten, wo das Licht gerade vorbeiläuft, seine Uhr zeigt aber auch eine
8
kürzere Zeit an, sodass die Lichtgeschwindigkeit gerade wieder den Standardwert 2.99791 10 m/s
ergibt.
Die Zeittransformationen hat weitreichende Folgen: sie räumt mit der Vorstellung einer universalen Zeit
auf. Insbesondere wird der Begriff "gleichzeitig" problematisch.
Aus den Koordinatentransformationen lassen sich durch Ableiten (nach t im System S, nach t' im
System S') Geschwindigkeit und Beschleunigung herleiten. Für die Geschwindigkeiten gilt:
vx - u
vx' = ----------------2
1 - u vx / c
vy / γ
vy' = ----------------2
1 - u vx / c
vz / γ
vz' = ----------------2
1 - u vx / c
Beachten Sie, dass auch vy' und vz' von vy und vz abweichen, obwohl y' = y und z' = z gilt.
Dies liegt an den unterschiedlichen Zeiten in den beiden Koordinatensystemen.
Auch die Beschleunigungen werden nun in beiden Systemen verschieden, ganz im Unterschied zu den
Galilei-Transformationen! Was dies für die physikalischen Grund-gleichungen bedeutet, wird weiter
unten (Abschnitt III) beschrieben.
I.4. Einsteins Interpretation
Interessanterweise sind die Maxwellgleichungen, also die grundlegende Beschreibung aller
elektromagnetischen Phänomene, nicht invariant bezüglich der Galilei-Transformation, sondern
invariant bezüglich der Lorentztransformation (d.h. wenn man die Lorentztransformation verwendet,
um zwei KS miteinander zu vergleichen, so ergeben sich in beiden Systemen dieselben
Maxwellgleichungen). Hier gibt es also eine tiefere Übereinstimmung zwischen Theorie und
Michelsons Experiment.
Die allgemeine Meinung der Physiker am Ende des 19. Jahrhunderts war, dass man zwei
verschiedene Arten von physikalischen Gesetzen brauche: galilei-invariante mechanische Gesetze
und, davon verschieden, lorentz-invariante Gesetze für die elektromagnetischen Phänomene.
Einsteins Durchbruch zu Beginn des 20. Jahrhunderts bestand in der Hypothese: die Physik ist
einheitlich, auch die Mechanik ist lorentz-invariant.
Dieser Ansatz, die "Spezielle Relativitätstheorie", revolutionierte mit einem Schlag die ganze längst
vertraute Physik. Allerdings waren die praktischen Konsequenzen minim, denn die Unterschiede
zwischen den beiden Transformationsgesetzen wirken sich erst bei extrem hohen Geschwindigkeiten
aus, wie sie bei alltäglichen Vorgängen so gut wie nie auftreten. Tatsächlich bleiben die Newtonschen
Gesetze in hervorragender Näherung gültig, solange die Geschwindigkeit massiver Körper kleiner als
etwa c / 10 bleiben.
Seitdem die Beobachtung hochenergetischer Teilchen möglich geworden ist, hat sich aber die
universelle Gültigkeit der "Speziellen Relativitätstheorie" immer wieder bestätigt.
Stefan Stankowski
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II. Kinematische Konsequenzen
(Kinematik = Beschreibung bewegter Objekte)
II.1. Längenkontraktion
(Kontraktion = Schrumpfung)
Der Faktor γ bewirkt merkwürdige Beobachtungen an Objekten, die mit genügend hoher
Geschwindigkeit (nahe Lichtgeschwindigkeit) an einem ruhenden Beobachter vorbeifliegen. So
erscheinen die Längen des Objekts in Flugrichtung geschrumpft (Längenkontraktion).
Herleitung: Der mitbewegte Beobachter (S' ) sieht das Objekt in Ruhe und misst die Positionen der
Endpunkte x'1 und x'2 . Er betrachtet als Länge des Objekts L' = x'2 - x'1.
Der ruhende Beobachter (S) misst die Punkte x1 und x2 (beides zur Zeit t), sodass
x'1 = (x1 - u t) γ
x'2 = (x2 - u t) γ
und damit:
L' = L γ
Da γ > 1 folgt L' > L , das heisst, der ruhende Beobachter sieht einen in x-Richtung (= Bewegungsrichtung) liegenden Stab kürzer als der mitbewegte Beobachter (dem der Stab ruhend erscheint).
II.2. Zeitdilatation
(Dilatation = Ausdehnung)
In gleicher Weise ergibt sich, dass es dem ruhenden Beobachter (S) erscheint, als laufe die Zeit in
einem bewegten System (S' ) langsamer ab (Zeitdilatation)
Herleitung: Der bewegte Beobachter (S' ) betrachte am festen Ort x' zwei Ereignisse, die zu den
Zeiten t'1 und t'2 registriert werden. Der ruhende Beobachter (S) misst:
2
t1 = (t'1 + ux' / c ) γ
2
t2 = (t'2 + ux' / c ) γ
und damit:
t2 - t1 = (t'2 - t'1) γ
Der ruhende Beobachter misst also im Vergleich zum mitbewegten Beobachter eine längere Zeit.
Wichtig:
• Beachten Sie, dass Längenkontraktion und Zeitdilatation reziproke Phänomene sind. Wenn zwei
Beobachter auf ultraschnellen Raketen aneinander vorbeiflitzen, so haben beide den Eindruck, die
Längen in der anderen Rakete seien verkürzt und die Zeiten verlängert!
Welcher der beiden Beobachter als ruhend und welcher als bewegt betrachtet wird, ist nämlich völlig
willkürlich. Man kann also nicht sagen, Längen seien "wirklich" geschrumpft oder Zeiten "wirklich"
länger geworden, sie erscheinen nur einem nicht mitbewegten Beobachter so.
Das Phänomen ist in gewisser Weise mit der perspektivischen Verkleinerung zu vergleichen: Wenn
Person A sich von Person B entfernt, so erscheint sie dem Beobachter B immer kleiner. Umgekehrt
erscheint auch B dem Beobachter A immer kleiner. Keiner von beiden ist "wirklich" kleiner geworden
(wobei die "Wirklichkeit" durch den jeweils mitbewegten Beobachter definiert wird).
• Beachten Sie, dass die Spezielle Relativitätstheorie sich auf Situationen beschränkt, wo ein
Koordinatensystem sich im Vergleich zu einem anderen mit gleichförmiger (konstanter)
Geschwindigkleit u bewegt. Es werden keine Aussagen über beschleunigte Vorgänge gemacht. So ist
auch eine Lösung des berühmten Zwillingsparadox im Rahmen der Speziellen Relativität strikt nicht
möglich.
Das Zwillingsparadox: Ein Zwilling bleibt auf der Erde, während der andere sich mit nahezu
Lichtgeschwindigkeit mit einer Rakete wegbewegt. Bei der Rückkehr auf die Erde müsste dieser
"Raketenzwilling" viel jünger sein (da seine Zeit dem auf der Erde verbliebenen Zwilling viel lang-samer
zu laufen scheint). Umgekehrt kann auch der "Raketenzwilling" als ruhend betrachtet werden, dann
bewegt sich die Erde mit nahezu Lichtgeschwindigkeit von ihm fort und der "Erdzwilling" sollte jünger
bleiben. Der entscheidende Punkt bei dieser Betrachtung: Die beiden Zwillinge werden sich im
Rahmen der Speziellen Relativität niemals wieder begegnen (insbesondere kann die Rakete nie zur
Erde zurückkehren), denn Bewegung mit konstanter Geschwindigkeit schliesst eine Bewegungsumkehr aus. Die Behandlung beschleunigter Bewegungen erfolgt im Rahmen der Allgemeinen
Relativitätstheorie. Dort ergeben sich allerdings "wirkliche" Zeitunterschiede.
Stefan Stankowski
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II.3. Die Lebensdauer der Myonen
Einer der ersten und klarsten Beweise für die Zeitdilatation ergab sich aus Messungen der
Myonenhäufigkeit in der oberen Atmosphäre und an der Erdoberfläche. Myonen sind
Elementarteilchen, etwa 207 mal schwerer als Elektronen, die in der oberen Atmosphäre, etwa 60 km
über der Erdoberfläche, durch kosmische Strahlung erzeugt werden. Die Stossimpulse sind so gross,
dass die Myonen mit nahezu Lichtgeschwindigkeit nach allen Richtungen, u.a. auch in Richtuing auf
die Erdoberfläche, fliegen. Myonen sind instabile Teilchen. Man kann sie durch Beschleuniger im
Labor erzeugen und sie zerfallen dann mit einer Halbwertszeit von 1.5 Mikrosekunden in andere
Teilchen. (D.h. nach 1.5 µs ist noch die Hälfte der ursprünglichen Myonen vorhanden, nach 3 µs ¼
etc.).
Zum Durchfliegen von 60 km mit nahezu Lichtgeschwindigkeit brauchen die Myonen
-4
> 2 10 s , das sind ca. 133 Halbwertszeiten, entsprechend sollten von der ursprünglichen Zahl von
133
- 40
Myonen noch < ( ½ ) < 10
vorhanden sein. Tatsächlich findet man erheblich mehr Myonen.
Die Erklärung ergibt sich aus der speziellen Relativität: Die Myonen bewegen sich mit ca. 0.999 c,
damit wird der Faktor 1 / γ = 0.045 und die Flugzeit t' erscheint dem mitbewegten Beobachter um
diesen Faktor verkürzt:
t' = 2 ⋅10
-4
s ⋅ 0.045 = 9 µs = 6 Lebensdauern
Folglich ist zu erwarten, dass die Zahl der Myonen an der Erdoberfläche lediglich um ( ½ )
reduziert ist, was dem Experiment entspricht.
6
=
1
/64
II.4 Gleichzeitigkeit
Mit der Zeitdilatation und Längenkontraktion verknüpft ist ebenfalls die Tatsache, dass es keine
universelle Gleichzeitigkeit mehr gibt. Wenn der ruhende Beobachter sieht, dass bestimmte Ereignisse
(z.B. die Entstehung von Lichtblitzen) an zwei auseinander liegenden Orten A und B gleichzeitig
stattfinden, so wird der (in der Achse A-B) bewegte Beobachter diese Ereignisse nach einander
eintreten sehen.
Betrachten wir z.B. ein Raumschiff mit der Ruhelänge L = 200 m, das an einer Plattform der
Ruhelänge 100 m mit v = 0.866 c vorbeifliegt. Dann ist β = 0.5, also sieht der Beobachter auf der
Plattform eine Rakete von der kontrahierten Länge L’ = 100 m, genauso lang wie seine Plattform. Es
wird einen Augenblick geben, wo die Spitze der Rakete am einen Ende der Plattform vorbeifliegt,
während gleichzeitig das Heck der Rakete am anderen der Plattform vorbeifliegt.
Für den Beobachter in der Rakete fliegt die Plattform mit v = 0.866 c vorbei, β = 0.5, also scheint die
Plattform auf 50 m verkürzt, während die Rakete 200 m lang ist. Es ist also gar nicht möglich, dass
Spitze und Heck der Rakete gleichzeitig an den beiden Enden der Plattform vorbeifliegen, sondern
dies wird nacheinander geschehen.
III. Relativistische Dynamik
Wir hatten gesehen, dass die Beschleunigung nicht lorentzinvariant ist. In der Form F = ma kann das
Grundgesetz der Physik also nicht gleich sein in allen Bezugssystemen, die sich mit konstanter
Geschwindigkeit gegeneinander bewegen. Diese Form ist aber ohnehin nur im Spezielfall konstanter
Masse gültig. Allgemeiner formuliert lautet das Grundgesetz der Physik (2. Newtonsches Gesetz):
_
_
_
_
F = dp / dt
p = m v = Impuls
III. 1. Relativistischer Impuls
Die Lorentzinvarianz dieses Gesetzes kann man erzwingen, obwohl dv/dt nicht invariant ist. Man muss
dafür fordern, dass die Masse eines Teilchens, m, sich mit der Geschwindigkeit ändert:
2
2 -½
m = m0 (1- v /c )
(m0 = Ruhemasse)
Mit diesem Ansatz folgt tatsächlich, dass d(m v) / dt = d(m v') / dt' und die Kräfte also in gleichförmig
zueinander bewegten Bezugssystemen identisch sind.
Ebenso folgt mit dieser Regel: es gilt Impulserhaltungssatz
Kräften ändert sich der Gesamtimpuls eines Systems nicht).
Stefan Stankowski
(d.h. bei verschwindenden äusseren
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Achtung: In der obigen Formel ist v die Geschwindigkeit des Teilchens im betrachteten
Koordinatensystem, nicht die Relativgeschwindigkeit zwischen zwei Koordinatensystemen!
2
2 -½
(1- v /c )
Der Einfachheit halber wird in der Folge trotzdem
= γ geschrieben.
Epstein gibt in seinem Buch über die Relativitätstheorie die folgende anschauliche Erklärung für die
relativistische Dynamik:
Nehmen wir an, zwei Freunde fahren mit sehr schnellen (nahezu Lichtgeschwindigkeit) Zügen in
entgegengesetzter Richtung. Als die Züge sich kreuzen, wollen beide für einen freundschaftlichen
Stoss mit den Fäusten gegeneinander schlagen. Jeder sieht aber die Bewegung der Faust des
anderen scheinbar verzögert (Zeitdilatation) und erwartet deshalb einen schwachen Stoss. Tatsächlich
ist der Stoss aber heftig. Das lässt sich nur erklären, wenn jeder Freund annimmt, die Masse der Faust
des anderen habe zugenommen, denn wo sollte sonst bei verlangsamter Geschwindigkeit der nötige
Stossimpuls herkommen.
Die Interpretation von m = m0 γ als "relativistischer Masse" ist allerdings nicht völlig widerspruchsfrei;
man kann einfach sagen, dass sich der Impuls in der RT schreibt p = m0 γ v .
III.2. Relativistische Energie
Die kinetische Energie ist definiert als gespeicherte Beschleunigungsarbeit. Bei einer Verschiebung um
dr = v dt ergibt sich
d Ekin
=
F dr =
=
c dm
d (m0 v γ)
---------------dt
v dt
=
m0 v d (v γ)
2
(die letzte Gleichung ergibt sich durch Ausrechnen von d (v γ)
und d m = d (m0 γ) ).
Da die kinetische Energie eines ruhenden Teilchens null ist und seine Ruhemasse m0 beträgt, folgt
durch Integration und Einsetzen der entsprechenden Integrationskonstanten:
2
2
Ekin = m c - m0 c
Diese Gleichung bedeutet, dass jedem Energiezuwachs ein Massezuwachs entspricht. Einstein
2
entschloss sich zur naheliegenden Verallgemeinerung, die Ruhe-Energie = Massenenergie m0 c mit
einzubeziehen. Man definiert demnach als Gesamtenergie:
2
E=mc
( = Ruhemasse-Energie + kinetische Energie)
Die Masse-Energie-Beziehungen ist in der Kernphysik (Massendefekt) und in der Elementarteilchenphysik (Erzeugung von Masse durch kinetische Energie, Vernichtung von Masse unter
gleichzeitiger Erzeugung von Energie) glänzend experimentell bestätigt worden.
2
Beachten Sie, dass der Ausdruck für die kinetische Energie für v << c gegen ½ m v strebt!
III.3 Energie-Impuls-Beziehung
Durch Umformen der oben genannten Gleichungen lässt sich direkt die folgende Beziehung zwischen
Energie und Impuls herleiten:
E
2
2
4
2
= m0 c + p c
Stefan Stankowski
2
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IV. Minkowski-Metrik
Die Lorentz-Transfoemation ist so konstruiert, dass die Lichtgeschwindigkeit in verschiedenen
Koordinatensystemen KS (hier werden nur gleichförmig gegeneinander bewegte KS betrachtet) gleich
2
2
2
2 2
ist, d.h. x + y + z = c t oder
2
2 2
2
2
2
s = c t -x -y -z = 0
Untersucht man die Lorentz-Transformation genauer, so zeigt sich, dass der Ausdruck
2
2 2
2
2
2
2
s = c t - x - y - z in allen KS gleich ist, auch wenn er nicht null wird. Das Mass s ist also für alle
Objekte, nicht nur für Licht, eine Invariante der Lorentz-Transformation und eignet sich besonders für
Rechnungen.
Eine besonders elegante Beschreibung der relativistischen Welt ist in einem vierdimensionalen Raum,
dem Minkowski-Raum möglich:
Da Zeit und Raum nicht voneinander getrennt werden können, definiert man Vierervektoren (ct, x, y, z)
und eine "Metrik" (Mass)
2
2 2
2
2
2
s = c t - x -y -z
2
2
2
analog zum euklidischen Längenmass x + y + z , aber mit einem Minuszeichen für die räumlichen
Komponenten (manche Autoren benutzen auch das Minuszeichen für die erste und das Pluszeichen
für die räumlichen Komponenten. Dann kann die erste Komponente auch als imaginäre Zahl jct
geschrieben und die normale euklidische Metrik benutzt werden, das Minuszeichen ergibt sich dann
2
mit j = -1).
Setzen wir zur Vereinfachung y = z = 0.
Trägt man dann ct auf der vertikalen und x auf der horizontalen Achse auf, dann ergeben
2
o
Geraden im Winkel von 45
s =0
2
s =0
Hyperbeln
2
Dabei entspricht s > 0 einem Bereich, dessen Punkte
durch physikalisch realisierbare Bewegungen verbunden
werden können (Geschwindigkeit kleiner als c); er wird
als "zeitartig" bezeichnet.
2
Dagegen entspricht s < 0 einem Bereich, dessen Punkte
nicht durch physikalische Signale verbunden werden können (deren Geschwindigkeit wäre > c); dies ist der
"raumartige" Bereich. Punkte in diesem Bereich werden
gelegentlich als "gleichzeitig" bezeichnet.
Ebenso wie Zeit und Ort lassen sich auch Energie und
Impuls zu einem Vierervektor zusammenfassen:
(E/c, px, py, pz)
Energie-Impuls-Vierervektor
der in der Minkowski-Metrik ebenfalls ein invariantes Mass hat :
2
2
2
2
2
2
E / c - px - py - pz = m0 c
2
Da schon erwähnt wurde, dass die Maxwell-Gleichungen lorentz-invariant sind, erstaunt es nicht, dass
sich diese Gleichungen in relativistischer Formulierung besonders einfach darstellen lassen.
Elektrisches und magnetisches Feld werden dabei zu einem 4x4 - Tensor (Matrix) zusammengefasst.
Stefan Stankowski
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V. Epsteins anschauliche Darstellung
Epstein hat eine andere, besonders anschauliche Darstellung gefunden (L.C. Epstein,
Relativitätstheorie anschaulich dargestellt, Birkhäuser-Verlag, Basel 1988).
Dabei wird die mit c multiplizierte Eigenzeit eines Objekts auf der vertikalen, die Position x in einem
gegebenen KS {ct , x} auf der horizontalen Achse aufgetragen. Alle Ereignisse, die zur Zeit t
stattfinden, liegen dann auf einem Kreis im Abstand ct vom Ursprung.
Dies erlaubt folgende Interpretation:
Alle Objekte bewegen sich in der Raumzeit mit der Geschwindigkeit c, wobei die Bewegung entweder
mehr im Reaum oder mehr in der Zeit stattfinden kann.
Objekte, die im Raum am festen Ort x bleiben, bewegen sich nur durch die Zeit. Ihre Eigenzeit stimmt
mit der Koordinatenzeit t überein, ihre "Bahn" verläuft längs der vertikalen Achse.
Licht bewegt sich entlang der horizontalen Achse im Raum, seine Eigenzeit steht still.
Mit geringerer Geschwindigkeit als c bewegte Objekte haben in dieser Darstellung als "Bahn" eine
schrägliegende Gerade. Projiziert man die Punkte dieser Gerade auf die Achsen, so ergeben sich die
(im KS {ct , x} ) gemessene Position x und die (im mit dem Objekt mitbewegten KS gemessene)
Eigenzeit.
Längenkontraktion und verlangsamter Ablauf der Eigenzeit sind sofort ablesbar.
Das Diagramm erlaubt auch die korrekte Interpretation von
nicht-geradlinigen Bahnen (was schon über die spezielle
Relativität hinausgeht, da Geschwindigkeitsänderungen,
also Beschleunigungen auftreten). Man sieht, dass "Ausflüge in den Raum" die Eigenzeit verkürzen.
Stefan Stankowski
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ALLGEMEINE RELATIVITÄTSTHEORIE
= Formulierung der physikalischen Gesetze mit Gravitation
(beschleunigte Bezugssysteme)
Problem:
2
E = mc : da alle Energie Masse erzeugt, muss sie der Schwerkraft unterworfen sein (inklusive Licht).
Lichtstrahlen sollten sich im Schwerefeld krümmen.
Wie verträgt sich das mit der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit?
Lösungsidee:
Im Schwerefeld wird die Zeit verlangsamt, der Lichtstrahl bewegt sich dadurch weniger schnell. Da
auch die Zeit des Beobachters verlangsamt wird, misst er aber im Schwerefeld trotzdem c.
Lösungsverfahren (Prinzip):
-12
experimentell nachgewiesen):
beruht auf Äquivalenz von schwerer und träger Masse (auf 10
Schwerkraft lässt sich aufheben durch Trägheitskraft ma,
z.B. fallender Fahrstuhl, Satellitenlabor.
Im Satellitenlabor gelten die Gleichungen der speziellen Relativität. Transformation zum
beschleunigten Koordinatensystem ergibt die Gleichungen mit Gravitation.
Beachte: Die Transformation ins beschleunigte System ist nur lokal möglich;
dies genügt aber zum Aufstellen der (differentiellen) physikalischen Gesetze.
Gravitation und Geometrie:
Bei der Umrechnung auf beschleunigte (bzw. gravitative) Systeme tauchen mathematische Ausdrücke
aus („metrischer Tensor“), die den Mathematikern bekannt sind aus der Analyse gekrümmter Räume
(Riemannsche Geometrie). Dies führt Einstein zur Erkenntnis: Der Einfluss der Gravitation ist nicht zu
unterscheiden vom Einfluss einer Raumkrümmung:
Gravitation kann man sich vorstellen als eine Krümmung des Raums aufgrund der Anwesenheit von
Massen. Dies ergibt dann von selbst die nötige Verlangsamung der Zeit und die Erklärung
relativistischer Effekte (z.B. warum langsame Teilchen beim Durchgang durch ein Schwerefeld
schneller werden, Licht aber langsamer).
Die Feldgleichungen:
Die Berechnung der Kräfte und der daraus folgenden Teilchenbewegungen in einem vorgegebenen
Gravitationsfeld lässt sich mit diesen Annahmen vergleichsweise direkt herleiten. Eine besondere
Bedeutung hat die Form der Gleichungen für eine kugel-symmetrische Massenverteilung (nach dem
russischen Physiker Schwarzschild benannt; der „Schwarzschildradius“ gibt den Abstand ausserhalb
einer solchen Massenverteilung an, für den kein Objekt mehr dem Einfluss der Gravitation entfliehen
kann – wichtig bei der Diskussion „Schwarzer Löcher“).
Sehr schwierig wird aber die Aufstellung der Gleichungen für die Wechselwirkung zwischen einer
Massenverteilung und der daraus entstehenden Raumkrümmung (die „Feldgleichun-gen“, analog zu
den Maxwell-Gleichungen für eine Ladungsverteilung). Die Schwierigkeit kommt daher, dass die
Massen eine Raumkrümmung bewirken, die gleichzeitig wieder auf die Massen zurückwirkt.
Die einfachste Form dieser Feldgleichungen sagte ein sich ausdehnendes Universum voraus. Da das
damals „undenkbar“ war, wählte Einstein eine Korrektur (die „kosmische Konstante Λ“), die diesen
Effekt ausglich. Mehr über die kosmische Konstante im Kapitel über Kosmologie.
Die Feldgleichungen sagen auch die Existenz von Gravitationswellen voraus (analog zu
elektromagnetischen Wellen).
Stefan Stankowski
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Beweise zur ART:
1. Gravitations-Rotverschiebung
ruhende Quelle im statischen Gravitationspotential: kein Dopplereffekt!
Photon von A nach oben im Schwerefeld zu Punkt B: (fA - fB) / fA = - g h/ c
2
Sonnenlicht: ∆f (exper.) / ∆f (theor) = 1.01 + 0.06
Probleme:
57
Mössbauereffekt ( Fe), 22.6 m Höhe
Relativegeschwindigkeit Erde - Sonne
thermische Bewegung emittierender Atome
Konvektion solarer Gase
∆f (exper.) / ∆f (theor) =1.00 + 0.01
2. Satellitenuhr
geht schneller, da Schwere geringer ist
geht langsamer, da gegen Erde bewegt
der erste Effekt überwiegt für erdferne Satelliten, der zweite für erdnahe Satelliten
Test der Zeitänderung in aufsteigender Rakete mit Wasserstoff-Maser: Übereinstimmung mit Theorie
-5
auf 7⋅ 10 !
3. Nordtvedt-Effekt
Falls träge und schwere Masse nicht identisch wären, würden Mond und Erde sich bezüglich der
Sonne etwas verschieden bewegen als nach der gewohnten Theorie. Die Abweichungen wären von
der Ordnung Meter.
Die Mondbahn kann mit dem Lunar Laser Ranging-System (Reflektorpanels auf dem Mond) auf 10 cm
-4
genau vermessen werden: Bestätigung auf 10 .
4. Lichtstrahlkrümmung im Gravitationsfeld
Sonne: Bestätigung ART auf 0.9 + 0.2
Quasare:
1.008 + 0.005 ‘Gravitationslinsen’
5. Periheldrehung des Merkur
beträgt 43’’ in 100 Jahren,
Bestätigung ART auf 0.99 + 0.02
6. Kreiselpräzession
System Erde-Mond im Schwerefeld der Sonne: Bestätigung auf 1%
Präzisionskreisel auf Erdumlaufbahn: in Vorbereitung
7. Radarechoverzögerung
Vergleich von Radarsignalen zur Venus, einmal abseits der Sonne, einmal die Sonne streifend. Test
für kosmologischen Parameter γ (nach Einstein-Gleichungen γ = 1):
Ergebnis: γ = 1.000 + 0.001
8. Gravitationswellen
Allmähliche Bahnverzögerung im Doppelsternsystem PSR 1913+16
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