Professor Dr. Peter Krebs Arbeitsgliederung UWG Unlauterkeit irreführender geschäftlicher Handlungen, § 5 UWG (Achtung: Markenrecht kann nach h.M Sperrwirkung entfalten) A Vorrangige Prüfung von § 3 Abs. 3 UWG iVm den Anhangsverboten: Die gesetzliche Regelung des Irreführungsverbots in §§ 3 Abs. 1, 5, 5 a wird seit der UWG-Novelle 2008 ergänzt durch eine „Schwarze Liste“ von im Anhang zu § 3 Abs. 3 UWG aufgeführten 30 Einzeltatbeständen, die stets – also ungeachtet einer Erheblichkeit und teilweise auch ungeachtet einer Irreführung im Einzelfall – als unlautere geschäftliche Handlungen gelten. 24 dieser Tatbestände betreffen eine irreführende geschäftliche Handlung und sind, falls einschlägig, zuerst zu prüfen, bevor sich die Frage stellt, ob das Verhalten unter § 5 UWG fällt. B. Geschäftliche Handlung (Legaldefinition § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG) Hinweis: Die Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken verwendet zur Beschreibung des relevanten Verhaltens den Begriff der „Geschäftspraktiken“ (Definition in Art. 2 lit. d). Der Begriff der geschäftlichen Handlung ist, soweit es Handlungen von Unternehmen gegenüber Verbrauchern angeht, im Lichte der Definition der Geschäftspraktiken in Art. 2 lit. d RL 2005/29/EG und der Beispielstatbestände der RL auszulegen. I. Verhalten einer Person: Der Begriff des Verhaltens ist weit zu fassen und erstreckt sich auf alle menschlichen Verhaltensweisen, auf positives Tun und Unterlassen, auf Äußerungen und rein tatsächliche Handlungen. Diese Auslegung entspricht den Vorgaben des Art. 2 lit. d RL 2005/29/EG, die unter Geschäftspraktiken „jede Handlung, Unterlassung, Verhaltensweise oder Erklärung, kommerzielle Mitteilung einschließlich Werbung und Marketing“ erfasst. Das Verhalten muss von einer natürlichen oder juristischen Person ausgehen. Bei juristischen Personen ist das Verhalten ihrer Organe maßgeblich (§ 31 BGB). II. Marktbezug des Verhaltens: Abgrenzung zu privatem, hoheitlichem oder betriebsinternem Verhalten III. Absatz und Bezug von Waren oder Dienstleistungen: 1. Maßnahmen sowohl des Absatzwettbewerbs als auch des Nachfragewettbewerbs. Seite 1 von 5 Arbeitsgliederung - UWG - § 5 Unlauterkeit irreführender geschäftlicher Handlungen -2- 2. Waren: alle Gegenstände, die auf einen anderen übertragen und ihm zur Verfügung gestellt werden können (bewegliche und unbewegliche Sachen). Als Waren gelten ausdrücklich auch Grundstücke. 3. Dienstleistungen: alle geldwerten unkörperlichen Leistungen. Als Dienstleistungen gelten ausdrücklich auch Rechte und Verpflichtungen. IV. Verhalten zugunsten des eigenen oder eines fremden Unternehmens: Bei Unternehmen besteht eine widerlegliche Vermutung, dass sie sich zugunsten des eigenen Unternehmens verhalten (Ausnahme bei Medienunternehmen: Die Medien (Presse, Rundfunk) haben die besondere Aufgabe, die Öffentlichkeit über Vorgänge von allgemeiner Bedeutung zu informieren und zur öffentlichen Meinungsbildung beizutragen. Das ist bei der Anwendung des Lauterkeitsrechts zu berücksichtigen. Denn die Meinungs- sowie Presse- und Rundfunkfreiheit gehören sowohl zu den deutschen (Art. 5 Abs. 1 GG), als auch zu den europäischen Grundrechten (Art. 10 EMRK)). V. Vor, während oder nach einem Geschäftsabschluss C. Irreführende Preiswerbung, § 5 Abs. 4 UWG I. Werbung mit der Preisherabsetzung 1. Begriff der Werbung Die Konkretisierung des Begriffs Werbung ergibt sich aus Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie über irreführende und vergleichende Werbung (RL 84/450/EWG: „ jede Äußerung bei der Ausübung eines Handels, Gewerbes, Handwerks oder freien Berufs mit dem Ziel, den Absatz von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen, einschließlich unbeweglicher Sachen, Rechte und Verpflichtungen zu fördern“). a) Äußerung: Jede verbale oder nonverbale, öffentliche oder individuelle Aussage. Auch das zu Eigen machen der Äußerungen Dritter fällt unter Werbung. b) Erforderlichkeit eines funktionellen Zusammenhangs mit einer unternehmerischen (selbständigen, wirtschaftlichen) Tätigkeit. c) Zweck der Äußerung muss die Absatzförderung sein. Dieses Merkmal ist weit zu fassen, so dass auch reine Aufmerksamkeitswerbung sowie u. U. bloße Kritik hierunter fällt, da dies letztlich der Absatzförderung dient. Nicht erwähnt ist die Bezugswerbung, die aber wohl im Rahmen einer ergänzenden Auslegung auch darunter zu fassen ist. II. Alt-Preis nur für unangemessen kurze Zeit: Der maßgebliche ursprüngliche Preis ist im Regelfall derjenige unmittelbar vor der Preisherabsetzung. Ob der Zeitraum unangemessen kurz ist richtet sich nach der Situation im Einzelfall unter Berücksichtigung der Art der Leistung und der Marktsituation. III. Widerlegung der Vermutung: Der Werbende kann die Vermutung des Satzes 1 widerlegen, wenn er nachweisen kann, dass die Irreführung des Verkehrs im Einzelfall nicht eingetreten ist. Seite 2 von 5 Arbeitsgliederung - UWG - § 5 Unlauterkeit irreführender geschäftlicher Handlungen -3- D. Allgemeine Irreführung, § 5 Abs. 1 und Abs. 2 UWG I. Irreführung: Definition des Begriffs der Irreführung in § 5 Abs. 1 S. 2 UWG: Danach ist eine geschäftliche Handlung irreführend und damit unlauter, wenn sie unwahre Angaben oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben über bestimmte, in § 5 Abs. 1 S. 2 Nrn. 1 bis 7 UWG im Einzelnen benannte Umstände enthält. In Umsetzung von Art. 6 lit. a Richtlinie 2005/29/EG enthält § 5 Abs. 2 UWG eine Regelung für den Fall der Verwechslungsgefahr mit einem anderen Produkt. Danach ist eine geschäftliche Handlung irreführend, wenn sie im Zusammenhang mit der Vermarktung von Waren oder Dienstleistungen einschließlich vergleichender Werbung eine Verwechslungsgefahr mit einer anderen Ware oder Dienstleistung oder mit der Marke oder einem anderen Kennzeichen eines Mitbewerbers hervorruft. II. Angaben: Tatsachen die inhaltlich nachprüfbar sind und ein Mindestmaß an Informationen bieten. Nichts sagende Anpreisungen sowie nicht nachprüfbare Anpreisungen (sog. Waschmittelwerbung) sind wegen fehlendem Informationsgehalt bzw. fehlendem objektiven Inhalt keine Angaben. Die Ausdrucksform der Angabe ist gleichgültig (§ 5 Abs. 3 UWG). III. Bezugspunkte der Irreführung Der Katalog des § 5 Abs. 1 S. 2 UWG gliedert die Fälle irreführender geschäftlicher Handlungen in solche, – die das angebotene Produkt betreffen (Nr. 1), – die die Umstände und Bedingungen des Angebots betreffen (Nr. 2), – die das werbende Unternehmen betreffen (Nr. 3), – Aussagen oder Symbole, die im Zusammenhang mit direktem oder indirektem Sponsoring stehen oder sich auf eine Zulassung des Unternehmers oder der Waren oder Dienstleistungen (Nr. 4) beziehen; – die Notwendigkeit einer Leistung, eines Ersatzteils, eines Austauschs oder einer Reparatur (Nr. 5); – die Einhaltung eines Verhaltenskodexes, auf den sich der Unternehmer verbindlich verpflichtet hat, wenn er auf diese Bindung hinweist (Nr. 6) oder – Rechte des Verbrauchers, insbesondere solche auf Grund von Garantieversprechen oder Gewährleistungsrechte bei Leistungsstörungen (Nr. 7). - Zu den Bezugspunkten der Irreführung gehört auch die Bestimmung des § 5 Abs. 2 UWG, die die Irreführung im Falle von Nachahmungen und Kennzeichenrechtsverletzungen betrifft. Seite 3 von 5 Arbeitsgliederung - UWG - § 5 Unlauterkeit irreführender geschäftlicher Handlungen -4- IV. Eignung zur Irreführung: Bei der Prüfung, ob eine Angabe über geschäftliche Verhältnisse geeignet ist, den Verkehr irrezuführen, kommt es auf die Auffassung der Verkehrskreise an, an die sich die Werbung richtet (BGH GRUR 2004, 244, 245 – Marktführerschaft). Ob eine Angabe geeignet ist irrezuführen, lässt sich daher nur feststellen, wenn man zuvor ihren Sinn ermittelt hat, den sie nach der Auffassung der umworbenen Verkehrskreise hat. 1. Angesprochene Verkehrskreise a) Diejenigen, die der Werbende gezielt ansprechen will. b) Diejenigen, die zwar nicht unmittelbar Adressat der Werbung sind, diese aber zur Kenntnis nehmen und potentielle Abnehmer der beworbenen Leistungen sind. 2. Verständnis dieser Verkehrskreise a) Verbraucherleitbild: Durchschnittsverbraucher, der angemessen gut unterrichtet und angemessen aufmerksam und kritisch ist, unter Berücksichtigung sozialer, kultureller und sprachlicher Faktoren (vgl. Erwägungsgrund 18 RL 2005/29/EG). b) Gesamteindruck: Die Irreführung ist aufgrund des Gesamteindruckes der Werbung zu beurteilen. Einzelne Elemente dürfen nicht aus dem Zusammenhang herausgenommen betrachtet werden. c) Aufmerksamkeitsgrad: Das konkrete Verständnis hängt von der Intensität ab, mit der sich der angesprochene Verkehrskreis mit der Werbung auseinander setzt. Die Aufmerksamkeit ist wiederum abhängig von den konkreten Umständen wie z.B. Art der beworbenen Leistungen oder der Situation der Werbeaufnahme. 3. Abweichung Verkehrsverständnis - Realität Eine Irreführung ist dann gegeben, wenn das ermittelte Verständnis der angesprochenen Verkehrskreise von der tatsächlichen Lage abweicht. Zu unterscheiden ist, in welchen Umfang die Werbung zu einer Fehlvorstellung führt und in welchem Umfang die Marktentscheidung davon beeinflusst wird. Letzteres ist der für die Irreführung maßgebliche Wert (Irreführungsquote). Ein fester Prozentsatz ist jedoch nicht auszumachen. 4. Relevanz Die Werbung muss geeignet sein, die Entscheidung der Marktteilnehmer in wettbewerblich relevanter Weise zu beeinflussen (z.B. nicht gegeben bei Werbung mit Merkmalen, die für den Werbenden nachteilig sind). Dies ist der Fall, wenn die Irreführung den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung veranlasst, die er andernfalls nicht getroffen hätte, § 5 Abs. 1 S. 1 UWG. Seite 4 von 5 Arbeitsgliederung - UWG - § 5 Unlauterkeit irreführender geschäftlicher Handlungen -5- 5. Interessenabwägung im Einzelfall Eine Interessenabwägung spiegelt bereits die nötige Irreführungsquote wieder, die entsprechend hoch oder niedrig anzusetzen ist. U.U. kann eine Unlauterkeit jedoch trotz einer Quote von 100 % entfallen (Bsp. Ostfriesentee). Seite 5 von 5 Arbeitsgliederung - UWG - § 5 Unlauterkeit irreführender geschäftlicher Handlungen