TiergesundheiT Rotaviren auf dem Vormarsch Rotaviren bereiten zurzeit vermehrt Probleme bei Saugferkeln. Wie man die Erkrankung von anderen Ferkeldurchfällen unterscheidet, erläutert Dr. Hendrik Nienhoff, Schweinegesundheitsdienst Niedersachsen. E s war wie verhext! Ferkelerzeuger Peter Wennig (Name geändert) hatte bereits alle Register gezogen, um die Saugferkeldurchfälle in seinem Bestand in den Griff zu bekommen. Die Abferkelbuchten wurden nach jedem Durchgang gründlich gereinigt und desinfi ziert, Wennig wusch die Sauen vor dem Einstallen und streute zwischendurch Trockendesinfektionsmittel auf die Liegefl ächen. Außerdem hatte er verschiedene Powerpasten ausprobiert, die den Darm der Ferkel stabilisieren sollten. Und seit einem halben Jahr impfte er die Sauen vorsorglich gegen Coli. Doch alle Bemühungen waren vergebens. Der erhoffte Erfolg wollte sich einfach nicht einstellen. In jedem vierten bis fünften Wurf bekamen die Ferkel ab dem zweiten oder dritten Lebenstag starken Durchfall. Besonders betroffen waren Jungsauenwürfe. Kotproben lieferten den entscheidenden Hinweis Der Durchfall sah aus wie geronnene Milch mit gelb-fl üssigen Beimengungen. Die Ferkel trockneten aus. Einige verendeten sogar. Der Rest berappelte sich zwar wieder nach einigen Tagen. Von dem Wachstums-Knick erholten sich die Tiere aber während der gesamten Säugephase nicht mehr richtig. Gemeinsam mit seinem Tierarzt zog Wennig deshalb bei einigen erkrankten Ferkeln per Tupfer Kotproben und schickte zusätzlich mehrere verendete Ferkel zur Untersuchung ein. Ergebnis: Die Ferkel litten nicht nur unter einer Coli-, sondern auch unter einer Rotaviren-Infektion. Unter dem Mikroskop war deutlich die typische Verkürzung der Darmzotten zu sehen. Auch der Erregernachweis per PCR gelang. Tatsache ist, dass Infektionen mit Rotaviren zurzeit wieder auf dem Übers. 1: Behandlung und Prophylaxe von Ferkeldurchfällen1) Durchfalltyp/ Erreger Rotavirus Coliruhr Nekrot. Enteritis Clostridien Kokzidiose Die Handelsvakzine gegen Clostridien durchläuft zurzeit noch das Zulassungsverfahren. Eignung: +++ = am besten; ++- = gut; +-- = weniger gut; --- = gar nicht H = Handelsvakzine, B = Bestandsvakzine; R = Impfstoff für Rinder (für Schweine umgewidmet) 1) 2) mütterlichen Antikörper nach, so dass die Ferkel wieder für das Virus empfänglich werden. Die Ferkel erholen sich allerdings meist nach einigen Tagen wieder. Dennoch verenden 5 bis 20 % der Tiere – meist wegen des Wasser- und Elektrolytverlustes. Als Sofortmaßnahme bot Peter Wennig den betroffenen Ferkeln daher auf Anraten seines Tierarztes eine selbst hergestellte Elektrolytlösung an. Dazu löste er in einem Liter Wasser einen halben Teelöffel Kochsalz (5 g) und sieben gehäufte Teelöffel (50 g) Traubenzucker (siehe Rezeptur unten). Leider gibt es darüber hinaus derzeit kaum Behandlungsmöglichkeiten. Eine antibiotische Behandlung macht nur dann Sinn, wenn wie im vorliegenden Fall neben den Rotaviren auch noch bakteri1 Liter Wasser elle Begleiterreger beteiligt sind wie Colibak1/2 Teelöffel Salz (5 g) terien oder Clostridien. Vormarsch sind. In erster Linie sind Jungsauenwürfe und neu aufgebaute Herden betroffen, bei denen die Herdenimmunität noch instabil ist. Denn das Kolostrum dieser Sauen enthält noch nicht genügend maternale Rotaviren-Antikörper, so dass es bei den neu geborenen Ferkeln innerhalb der ersten Lebenstage zu Durchfällen kommen kann. In älteren Herden trifft es dagegen häufi g erst Ferkel zwischen der zweiten und sechsten Lebenswoche. Denn zu diesem Zeitpunkt lässt die Schutzwirkung der Fitness-Drink S 12 top agrar 6/2011 Antibiotika/ Impfungen2) Selbstheilung/ Chemotherapie Kotkontakt --R +++ +++ H/B +-++H +-++(H)/B +-+++ ----- 1000 für Durchfallferkel 7 Teelöffel Traubenzucker (50 g) ml Grafik: Driemer Die Elektrolytlösung für Durchfallferkel lässt sich problemlos selbst herstellen. Bei Mischinfektionen sind die Symptome oftmals nicht eindeutig. Hier verschafft erst eine labordiagnostische Untersuchung Klarheit. Um die Ferkel möglichst schon im Vorfeld zu schützen, entschied sich Wennig zusätzlich zu einer Rotavirus-Impfung. Da es allerdings derzeit für Schweine keine zugelassenen Impfstoffe gibt, widmete Wennigs Tierarzt einen Rinderimpfstoff gegen Rotaviren für die Sauenbehandlung um (siehe Übersicht 1). Die Impfstoffverordnung bietet dafür die rechtlichen Voraussetzungen. Zur Sicherheit holte sich Wennigs Tierarzt aber auch noch das O. K. der zuständigen Behörde. Coli: Vor der Behandlung Resistenzen prüfen Das Beispiel zeigt, wie wichtig es ist, die Durchfallursache vor Behandlungsbeginn exakt einzugrenzen. Denn es gibt viele mögliche Auslöser. Dazu gehören neben verschiedenen Viren auch Bakterien und Parasiten. Problematisch wird es immer dann, wenn wie im vorliegenden Fall mehrere Verursacher zusammentreffen und sich die Symptome nicht mehr eindeutig voneinander abgrenzen lassen. Dann führt kein Weg an einer labordiagnostischen Untersuchung vorbei. Der mit Abstand häufigste Auslöser für Saugferkeldurchfälle sind Coli-Bakterien. Von Escherichia coli (E.-coli) gibt es mehrere tausend Subtypen. Es sind zwar nicht alle krankmachend. Gerade die hämolysierenden E.-coli-Stämme können jedoch schwere Durchfälle auslösen, die so genante Coliruhr. Die Colikeime heften sich dabei mit ihren Haftfortsätzen im Darm an spezielle Rezeptoren an und setzen dadurch das Durchfall auslösende Gift (Enterotoxin) frei. Dieses Gift bewirkt einen vermehrten Flüssigkeitsstrom ins Darminnere, der durch den Dickdarm nicht reguliert werden kann. Die Ferkel trocknen aus, und ihre Haut wirkt waschbrettartig. Voraussetzung für das Anheften im Darm ist das Fehlen mütterlicher Antikörper im Kolostrum. Deshalb sind auch hier Ferkel von Jungsauen und Sauen mit MMA-Problemen besonders gefährdet. Bei Neugeborenen können die Colibedingten Verluste bis zu 100 % betragen. Die Ferkel leiden unter einem gelblichwässrigen Durchfall, ihr After ist häufig verschmiert und gerötet. Beim Drei-Wochen-Durchfall sind die Verluste wesentlich geringer und der Kot ist cremig-gelb. Akute Colidurchfälle behandelt man am besten antibiotisch, entweder mit einem Dosierspender über das Maul oder per Spritze. Gegen einige Antibiotika bestehen jedoch Resistenzen. Deshalb ist es wichtig, frisch erkrankte Ferkel im Labor untersuchen zu lassen, damit der Serotyp des Keims bestimmt und ein Resistenztest durchgeführt werden kann. Die Serotyp-Bestimmung ist auch wichtig, wenn zum Schutz der Neugebo- top agrar 6/2011 S 13 Tiergesundheit renen eine Sauenimpfung durchgeführt werden soll. Denn die Impfstoffe unterscheiden sich in ihren Angriffspunkten: Am Zellwandantigen, am Toxin und an den Fimbrien. Gute Impfstoffe setzen an allen drei Punkten an. Zusätzlich zur antibiotischen Behandlung sollte den Ferkeln eine Elektrolytlösung verabreicht werden, um das Austrocknen des Organismus zu verhindern. Fertige Elektrolytlösungen gibt es beim Tierarzt und beim Landhandel. Oder man stellt die Lösung wie auf Seite S 12 beschrieben selbst her. Clostridien-Druck nimmt zu Durchfälle stehen noch immer auf Platz eins der Saugferkelerkrankungen. Die zweithäufigste Durchfallursache bei neugeborenen Ferkeln sind Infektionen mit Clostridien. Tatsache ist, dass der Clostridien-Druck in den Betrieben in Fotos: Heil, letzter Zeit eher zunimmt, besonders bei Jacob Clostridium perfringens Typ A. Zum Verständnis: Man unterscheidet zwischen den beiden Clostridienstämmen Typ A und C. Typ C ist der klassische Auslöser der nekrotisierenden Enteritis. Das Krankheitsbild, das der Typ A verursacht, ist ähnlich, der Verlauf ist allerdings wesentlich milder. entsprechenden kommerziellen Impfstoff letzten Jahren zunehmend an Bedeutung. Isospora suis-bedingte Durchfälle treDie Erreger werden von den Ferkeln entwickelt. Im Rahmen des Zulassungsbereits kurz nach der Geburt aus dem Kot verfahrens kann die Vakzine bereits mit ten im Alter von fünf- bis fünfzehn Tagen der Sauen oder vom verunreinigten Ge- Ausnahmegenehmigung (§17c Tierseu- auf. Der Kot der erkrankten Ferkel ist säuge aufgenommen. Im Darm produzie- chengesetz) in ausgewählten Betrieben dünnflüssig und gelb-braun gefärbt. Die ren sie dann ein starkes Gift, das die eingesetzt werden. Todesrate ist gering. Die Verluste können Darmschleimhaut absterben lässt. sich jedoch erhöhen, wenn andere DurchDer Kot der erkrankten Ferkel ist Kokzidien sind ein fallerreger hinzukommen. Zumal Kokzidiwässrig, braun-rot und kann beim Typ C en von einigen Experten als Wegbereiter Hygieneproblem Blutbeimengungen enthalten. Bei chronifür andere Infektionen gesehen werden. schem Verlauf ist der Durchfallkot eher Neben Colikeimen, Clostridien und Häufig kümmern die Ferkel, nachdem schaumig, von grau-gelber Farbe und Rotaviren sind Kokzidien die vierthäu- sie die Infektion überstanden haben. Älriecht sehr unangenehm. Die Krankheits- figste Ursache für Durchfallerkrankun- tere Schweine sind häufig Träger der symptome können bereits am ersten Tag gen bei Saugferkeln. Kokzidien sind ein- Kokzidien und daher Ausgangspunkt der auftreten, mitunter aber auch erst in der zellige Parasiten, die die Darmschleim- Infektion, ohne Selbst zu erkranken. ersten und zweiten Lebenswoche. Bei haut infizieren können. Beim Schwein Der Nachweis ist schwierig. Eine frühe akuten Infektionen mit dem Typ C kann gewinnt der Erreger Isospora suis in den Diagnose ist unter dem Mikroskop möges zudem zu plötzlichen lich. Bei einem Befall lassen sich Todesfällen kommen. die verschiedenen EntwicklungsDie beste Vorsorge biestadien des Erregers in GewebeÜbersicht 2 : Begleitende Maßnahtet eine Mutterschutzimpproben der Darmschleimhaut men bei Durchfällen fung der Sauen im Warnachweisen. Dafür eignet sich jetestall, über die die Ferkel doch nur Gewebematerial, das von Hygienemaßnahmen weitere Maßnahmen passiv immunisiert werden. frisch getöteten bzw. verendeten • Abteilweises Abferkeln mit • Elektrolytgaben/orale Für Clostridium perfrinFerkeln stammt. vorheriger Reinigung und Elektrolytlösung für gens Typ C stehen verschieDarüber hinaus ist es möglich, Desinfektion ­Saugferkel dene kommerzielle ImpfKotproben untersuchen zu lassen. • Sauen vor dem Aufstallen • MMA-Behandlung Sauen stoffe zur Verfügung – oft Der Nachweis von Oozysten, eiduschen als Kombi-Impfstoff, der nem bestimmten Entwicklungssta• Desinfektion des Gesäuges • MMA-Prophylaxe über gleichzeitig gegen Clostridium, ist jedoch schwierig. Für ei(z. B. mit Euter-Dippmittel) pH-Wert senkendes Futter dien und Colibakterien ne Bestandsdiagnose sollten bei wirkt. 5 bis 10 % aller Würfe Sammelkot• Tägliche Kotbeseitigung aus • Geburtsvorbereitungsfutter Für die Schutzimpfung proben von jeweils vier bis fünf der Abferkelbucht (z. B. Calci-Cap) gegen Clostridium perfrinFerkeln gezogen und zur Untersu• Gegebenenfalls wöchentli• Eingliederungsstall für gens Typ A mussten bisher chung eingeschickt werden. che Zwischendesinfektion Jungsauen stallspezifische Vakzinen Eine vorbeugende Impfung ge• Regelmäßiges Reinigen der • Eventuell Bestands­ hergestellt werden. Jetzt gen Kokzidien ist bisher nicht Tränkeschalen behandlung hat ein Hersteller einen möglich. Die betroffenen bzw. ge- S 14 top agrar 6/2011 fährdeten Würfe können jedoch mit Toltazuril behandelt werden. Der Wirkstoff wird am 1. bis 3. Lebenstag mit einem Dosierer direkt ins Maul der Ferkel gegeben. Auf diese Weise wird die Vermehrung der von den Ferkeln aufgenommenen Oozysten frühzeitig unterbunden. Wie neuere Untersuchungen belegen, hat eine frühe Toltazuril-Behandlung zusätzlich auch einen Einfluss auf die Häufigkeit von Durchfällen, die vom Clostrien-Typ A hervorgerufen werden. Warum das so ist, konnte allerdings wissenschaftlich bislang nicht geklärt werden. Wie bei allen Parasiten spielt die Hygiene bei der Übertragung der Kokzidiose eine besonders wichtige Rolle. In Betrieben mit mangelhaftem Hygienemanagement haben die Erreger besonders leichtes Spiel. Deshalb sollten die Grundlagen des Hygienemanagements, die in Übersicht 2 noch einmal aufgelistet sind, hier besonders beachtet werden. Auch die Reinigung und Desinfektion verlangt besondere Sorgfalt. Achten Sie bei der Auswahl des Desinfektionsmittels darauf, dass das Präparat kokzidienwirksam und DVG-gelistet ist! Geeignet sind z.B. Kresole und Phenolverbindungen. Wir fassen zusammen ■■ In letzter Zeit treten wieder vermehrt Rotavirusdurchfälle bei Saugferkeln auf. Die Symptome sind oftmals nicht eindeutig – gerade, wenn es sich um Mischinfektionen handelt. Deshalb ist in jedem Fall eine labordiagnostische Abklärung zu empfehlen. ■■ Rotavirus-Infektionen bereiten vor allem in Jungsauenwürfen und in neu aufgebauten Herden Probleme, weil hier die Herdenimmunität noch instabil ist. Dadurch kann es bei den Ferkeln innerhalb der ersten Lebenstage zu Durchfällen kommen. Um vorzubeugen, sollten Jungsauen frühzeitig und gezielt Kontakt mit dem Kot von Altsauen bekommen. Speziell für Schweine zugelassene Impfstoffe gegen Rotaviren gibt es bislang noch nicht. Der Tierarzt kann jedoch eine Rindervakzine umwidmen. ■■ Bei Colidurchfällen ist eine schnelle antibiotische Behandlung über das Maul zu empfehlen. Zuvor sollte man frisch erkrankte Ferkel in einem Labor untersuchen lassen, um den Serotyp des Keims bestimmen und einen Resistenztest durchführen zu lassen. Vorbeugend können die Sauen im Wartestall geimpft werden. ■■ Auch gegen Clostridiendurchfälle kann man vorbeugend impfen. Impfstoffe gegen Clostridium perfringens Typ C sind praxisbewährt. Seit kurzem bietet ein Impfstoffhersteller auch eine Handelsvakzine gegen den Clostridium perfringens Typ A an, der zurzeit das Zulassungsvefahren durchläuft, per Ausnahmegenehmigung nach § 17c des Tierseuchengesetzes aber bereits eingesetzt werden darf. ■■ Bei Kokzidienproblemen muss die Hygiene im Bestand optimiert werden. Wichtig ist zudem der Einsatz kokzidienwirksamer Desinfektionsmittel. Die betroffenen bzw. gefährdeten Würfe können mit Toltazuril über das Maul wirkungsvoll behandelt werden. top agrar 6/2011 S 15