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Die MRT in ihrer Anwendung beim diabetischen Fuß
Von Klaus M. Friedrich
Hintergrund
In Österreich gibt es ca. 390.000 Patienten mit Diabetes (Statistik Austria 2007) mit bekannt hoher
Morbidität und Mortalität. Diese leiden unter mikro- und makrovaskulären Erkrankungen sowie
sensomotorischen und autonomen Neuropathien und konsekutiven Deformierungen und veränderte
Belastungsmustern; letztere wiederum führen zu Osteoarthropathien, Kallusbildungen, Ulzerationen
und Infektionen. Oft endet diese Kaskade in einer Amputation, sodass der diabetische Fuß mit Ulcus
oder Gangrän die häufigste Ursache für Amputationen der unteren Extremitäten ist.
Die wichtigste Aufgabe der Radiologie beim „diabetischen Fuß“ ist der Ausschluss oder die
Bestätigung einer klinisch suspizierten Osteomyelitis und die Bestimmung des exakten Ausmaßes
einer eventuell vorliegenden Infektion, um im Falle einer Operation möglichst wenig resezieren bzw.
amputieren zu müssen.
Investigation
Laut der aktuellen Ausgabe (2011) der „Orientierungshilfe Radiologie“, der etablierten Anleitung zum
optimalen Einsatz der klinischen Radiologie in Österreich, sind beim diabetischen Fuß
Projektionsradiographie und Magnetresonanztomographie (MRT) als Primäruntersuchungen gelistet;
dabei wird angemerkt, dass die MRT vor allem zur Differenzierung von Neuroarthropathie und
Osteomyelitis sowie zur Darstellung von Fisteln und Abszessen primär einzusetzen ist. Neben einer
Sensitivität von 90% hebt sich die MRT vor allem durch ihre hohe Spezifität (83%) in der Detektion
einer Osteomyelitis am Fuß von den übrigen bildgebenden Verfahren ab.
Das MR-Protokoll zur Untersuchung eines diabetischen Fußes sollte zumindest Schichten in zwei
Ebenen vorsehen. Flüssigkeitssensitive fettunterdrückte Sequenzen eignen sich aufgrund Ihrer hohen
Sensitivität in der Detektion von Weichteil- und Knochenmarködemen als primäre Suchsequenzen.
T1-gewichtete Sequenzen (ohne Fettunterdrückung) wiederum haben die höchste Spezifität
hinsichtlich der Detektion einer Osteomyelitis und sind daher wichtiger Bestandteil des
Untersuchungsprotokolls. Field-of-view und Orientierung der Schichten sollten individuell an klinische
Fragestellung und Patienten angepasst werden. Von Untersuchungen des gesamten Fußes wird
abgeraten; es ist sinnvoller je nach Fragestellung entweder Vorfuß oder Fußwurzel zu untersuchen,
um ein entsprechend kleineres Field-of-view bzw. eine bessere Auflösung zu erreichen und so die
diagnostische Genauigkeit zu erhöhen. Kontrastmittelserien sind empfehlenswert, da sich diese bei
der Beurteilung von Ulzera, Abszessen und Nekrosearealen hilfreich sind. Aufgrund des langsamen
Blutflusses kann es allerdings bei Patienten mit diabetischem Fuß zu falsch negativen Befunden
kommen, weshalb einige Arbeitsgruppen verzögerte Kontrastmittelserien verwenden.
Interpretation
Osteomyelitis:
Bei der Frage nach dem Vorliegen einer Osteomyelitis sollte man zunächst nach einem Ulcus suchen
und feststellen, ob sich dieses bis zum Knochen hin in die Tiefe verfolgen lässt („fistelartige
Konfiguration“). Ist dies der Fall, sollte als nächster Schritt das Knochenmarksignal in diesem Bereich
evaluiert werden; ist dieses deutlich hypointens auf der T1-gewichteten (nicht fettunterdrückten)
Sequenz vor Kontrastmittelapplikation, so gilt dies ein primäres MR-tomographisches Zeichen für das
Vorliegen einer Osteomyelitis (Abb. 1). Zeigt sich eine Linie niedriger Signalintensität, die durch eine
zarte flüssigkeitsisointense Lamelle vom Knochen getrennt ist, spricht dies für das Vorliegen einer
Periostreaktion, die als sekundäres Zeichen für das Vorliegen einer Osteomyelitis gewertet werden
kann. Neben den bereits erwähnten Ulzera sollte man auch beim Vorliegen von Weichteilabszessen,
Entzündungen des lockeren Unterhautzellgewebes (Cellulitis) oder Fremdkörpern bei Patienten mit
Diabetes vermehrt mit dem Vorliegen einer Osteomyelitis rechnen. Wichtig ist, zwischen reaktiver
Osteitis und Osteomyelitis zu unterscheiden; erstere ist eine reaktive Veränderung des Knochenmarks
bei angrenzenden Infektionen der Weichteile oder der Kortikalis und stellt sich MR-tomographisch T2
ähnlich der Osteomyelitis hyperintens aber im Gegensatz zur Osteomyelitis T1 typischerweise nicht
hypointens dar.
a
b
Abbildung 1: 44-jähriger Patient mit Diabetes, St.p. Amputation der Phalanx III. Sagittale STIR (a) und sagittale T1 TSE (b)
des Vorfußes. Es zeigt sich ein plantares Ulcus (*); das Köpfchen des Os metatarsale III ist nach plantar in das Ulcus verlagert.
Auf der STIR zeigt sich ein ausgeprägtes Knochenmarködem des Os metatarsale III (Pfeil) sowie ein kräftiges umgebendes
Weichteilödem; auf der T1 TSE Sequenz zeigt sich hier deutlich hypointenses Knochenmarksignal des Os metatarsale III (Pfeil)
als primäres Zeichen einer Osteomyelitis.
Kallus und Ulcus:
Durch veränderte Biomechanik und Druckstellen infolge unpassenden Schuhwerks kann es bei
Diabetikern zu Kallusformationen am Fuß kommen. Diese kommen als fokale auf T1-gewichteten
Bildern hypointense und auf T2-gewichteten Bildern hypo- bis isointense Signalalterationen in der
Subkutis zur Darstellung und treten an typischen (druckaufnehmenden) Lokalisationen auf (z.B.
plantar der Köpfchen der Metatarsalia I und V, plantar des Os cuboideum, Ferse). An eben diesen
typischen Lokalisationen können sich auch adventitielle Bursitiden entwickeln, welche
flüssigkeitsisointenses Signalverhalten aufweisen. Sowohl bei Kallusformationen, als auch bei
Bursitiden ist das angrenzende Fettgewebe nicht signalalteriert bzw. Kontrastmittel-imbibiert, was in
der Abgrenzung zu Abszessformationen hilfreich ist.
Die Prädilektionsstellen für die Entwicklung von Kallusformationen überschneiden sich mit jenen für
die Entwicklung von Ulzera; letztere zeigen sich als fokale Unterbrechungen der Hautoberfläche mit
etwas erhöhtem Rand und zentralem Weichteildefekt, sind auf T2-gewichteten Sequenzen stark
hyperintens und nehmen peripher kräftig Kontrastmittel auf (Abb. 2).
Cellulitis, Phlegmone und Abszesse:
Das klinische Erscheinungsbild einer Cellulitis ähnelt dem akuten/frühen Stadium der neuropathischen
Erkrankung. Da eine Osteomyelitis bei Weichteilschwellung ohne Hautulcus selten ist, liegt hier die
Bedeutung der MRT einerseits in der Abgrenzung zu Veränderungen im Rahmen einer
neuropathischen Erkrankung, andererseits im Bestimmen des Ausmaßes der Weichteilinfektionen.
Beiden gemeinsam sind die Weichteilödeme und die Verdickung der Haut; anhand der
kontrastmittelverstärkten Sequenzen erkennt man allerdings bei der Cellulitis ein Enhancement,
welches bei neuropathischen Erkrankungen oder diabethes-assoziierten Ödemen fehlt. Bei einer
Phlegmone ist das subkutane Fettgewebe durch T1 hypointenses, T2 iso- bis hyperintenses
Weichteilgewebe mit diffusem Kontrastmittel Enhancement ersetzt. Im Unterschied dazu zeigt sich bei
Abszessen ein klares randständiges Enhancement; pedale Abszesse sind bei Diabetikers selten,
meist klein und am besten nach Kontrastmittelapplikation zu erkennen. Im Falle des Vorliegens eines
Abszesses ist ein rein konservatives Therapieschema meist nicht ausreichend, letztes bleibt Fällen
unkomplizierter Osteomyelitis vorbehalten.
Fremdkörper und Gangräne:
Bei Diabetikern mit pedaler Weichteilinfektion jedoch ohne Ulcus sollte sorgfältig nach Fremdkörpern
gesucht werden; letztere sind oft plantar der Köpfchen der Metatarsalia gelegen, meist signalarm auf
T1- und T2-gewichteten Bildern und durch Artefaktbildungen auf Gradientenechosequenzen oft etwas
besser erkennbar.
Aufgrund von Ischämien kann es zur Ausbildung von Gangränen kommen, welche primär klinisch
diagnostiziert werden; mittels MRT können allerdings nicht Kontrastmittel aufnehmende Areale als
devitales Gewebe identifiziert und von vitalem Gewebe klar abgegrenzt werden. Beim feuchten
(=superinfizierten) Gangrän findet man typischer Weise Gasansammlungen in den Weichteilen,
welche in der MRT ähnlich wie Fremdkörper oft mittels Gradientenechosequenzen besser erkennbar
sind.
Septische Arthritis und Tendovaginitis:
Septische Arthritiden und Tendovaginitiden entwickeln sich beim diabetischen Fuß meist dort, wo das
Gelenk oder die Sehnenscheide einen Nahebezug zu einer Kallusbildung oder einem Ulcus aufweist.
Komplexe Gelenksergüsse, verdickte Synovialis, verstärktes synoviales Enhancement und
perisynoviales Ödem gehören zu den klassischen Merkmalen einer septischen Arthritis in der MRT.
Abbildung 2: 53-jähriger Patient mit Diabetes. Axiale T1 TSE des Vorfußes mit Fettunterdrückung nach
Kontrastmittelapplikation. Es zeigt sich eine fokale Unterbrechung der Hautoberfläche mit etwas erhöhtem Rand und kräftigem
peripherem Kontrastmittelenhancement medial/plantar der Basis der Grundphalanx I (Pfeil), welche einem typischen Ulcus
entspricht.
Neuroarthropathie versus Osteomyelitis:
Circa ein Drittel der Diabetespatienten mit peripherer Neuropathie entwickeln eine Neuroarthropathie.
Das Frühstadium der Neuroarthropathie äußert sich in der MRT mit Knochenmarksveränderungen,
Weichteilödemen, Flüssigkeitsansammlungen in den Weichteilen, Gelenksergüssen und abnormer
Kontrastmittelaufnahme des Knochenmarks und der periartikulären Weichteile. Das subakute Stadium
der Neuroarthropathie ist durch zusätzliche ossäre Resorptionen gekennzeichnet. Im chronischen
Stadium liegen Deformierungen des Fußes, ossäre Fragmentationen, Gelenksergüsse und geringe
Knochenmarkveränderungen vor, ausgedehnte Weichteilödeme oder ossäre Resorptionen sind dann
nicht mehr abgrenzbar.
Bei sonst ähnlichem klinischen Erscheinungsbild zur Osteomyelitis ist das chronische Stadium klinisch
stumm und dadurch eindeutig von einer Osteomyelitis zu unterscheiden. Sobald ein klinisches
Zeichen auf eine Infektion hinweist oder sich eine Infektion von einem Hautulcus aus bis hin zum
Knochen ausbreitet, spricht dies für das Vorliegen einer Osteomyelitis; die Neuroarthropathie ist im
Gegensatz dazu primär vom Gelenk ausgehend. Während die Osteomyelitis bevorzugt distal der
Tarsometatarsalgelenke, im Calcaneus und an den Malleoli auftritt, ist ein Befall der
Tarsometatarsalgelenke und der Metatarsophalangealgelenke für die Neuroarthropathie typisch. Im
Bereich der distalen Reihe der Fußwurzelknochen sind beide Krankheitsbilder anzutreffen.
Schwierigkeiten bereitet die Diagnose einer Superinfektion bei bestehender Neuroarthropathie. In
diesem Fall liegt die Aufgabe der MRT vor allem in der exakten Beschreibung des Ausmaßes der
Weichteilbeteiligung. Signalalterationen des angrenzenden subkutanten Fettgewebes, ausgedehnte
Flüssigkeitsansammlungen in den Weichteilen, fistelartige Kommunikation zwischen Hautoberfläche
und Knochen sowie diffuse Signalalterationen des Knochenmarks ohne Bevorzugung der
Subchondralregionen können Hinweise auf eine Superinfektion sein.
Ausblick
Die MRT hat heute einen hohen Stellenwert in der Bildgebung des diabetischen Fußes und ist meist in
der Lage die wichtigsten klinischen Fragestellungen zu beantworten. Es gilt abzuwarten, in wie weit
Hybridverfahren zwischen funktioneller und morphologischer Bildgebung, wie PET-CT oder PET-MRT,
in Zukunft zu einer weiteren Verbesserung der diagnostischen Leistung und zu einer Senkung der
Amputationsraten auf diesem Sektor führen können.
Literatur
1. MR imaging of the diabetic foot. Russell JM, Peterson JJ, Bancroft LW. Magn Reson Imaging Clin N
Am. 2008 Feb; 16(1): 59-70.
2. Current concepts in imaging diabetic pedal osteomyelitis. Donovan A, Schweitzer ME. Radiol Clin
North Am. 2008 Nov; 46(6): 1105-24.
Autor
Dr. Klaus M. Friedrich
Medizinische Universität Wien
Universitätsklinik für Radiodiagnostik
Währinger Gürtel 18-20
1090 Wien
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