1 Johannes Rohbeck: Didaktische Konzeptionen, Thelem, Dresden

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Johannes Rohbeck: Didaktische Konzeptionen, Thelem, Dresden 2013, ISBN: 9783942411691, 192 Seiten 19€
Eine Rezension von Lars Friedrich, Frank Plattfaut
Der von Johannes Rohbeck herausgegebene Sammelband „Didaktische Konzeptionen“ ist die
13. Ausgabe des „Jahrbuch[s] für Didaktik der Philosophie und Ethik“. Es basiert auf
Ergebnissen der Sektion „Didaktik der Philosophie“ auf dem XXII. Kongress der Deutschen
Gesellschaft für Philosophie vom 12. Bis 16. September 2011, ist 2013 im Thelem
Universitätsverlag erschienen und für 19 € im Buchhandel erhältlich.
Das vorliegende Buch ist in drei Abschnitte unterteilt. Unter der Überschrift „Konzeptionen
der Fachdidaktik“ befasst sich Teil eins in erster Linie mit grundsätzlichen Konzeptionen von
Philosophie- bzw. Ethikunterricht. Teil zwei thematisiert Ansätze im fachdidaktischen Diskurs
zur „Vermittlung von Kompetenzen“. Teil drei wiederum beinhaltet zwei Beiträge zur Debatte
um eine „Kanonbildung“ in den beiden Bezugsfächern.
Warum und wie soll Philosophie- und Ethikunterricht gestaltet werden? Diese Fragen sind in
normativer Perspektive das Thema von Teil 1 unter dem Titel „Konzeptionen der
Fachdidaktik.“ Die hierin zusammengeführten Aufsätze unterscheiden sich dabei nicht nur
hinsichtlich des jeweils primär behandelten Aspektes, sondern insbesondere im Hinblick auf
das Wie der angestrebten Form des Philosophierens innerhalb des Unterrichts.
So präsentiert Gisela Raupach-Strey, neben einer mit persönlichen Erfahrungen untermalten
Skizze der Entwicklung der Schulfächer Ethik und Philosophie, einen Überblick über
Argumente für die Notwendigkeit der Schulfächer Ethik und Philosophie. Im zweiten Kapitel
ihres Textes stellt Raupach-Strey die These von einer gleichzeitigen Entwicklung von Fach
und Fachdidaktik auf, innerhalb derer die Fachdidaktik zu einer „Wiederbelebung des
Philosophierens im Dialog“ (S. 21) geführt habe, wofür sie zwar eine schlüssige
Argumentation, aber kaum entsprechende Textbelege ins Feld führen kann. Im weiteren
Verlauf ihres Textes erläutert die Autorin die Notwendigkeit einer Fachdidaktik an der
Hochschule und die Aufgaben derselben sowie ferner Widersprüche zur und Ansprüche an die
Schulpraxis. Insgesamt bietet Raupach-Strey einen strukturierten Überblick über die
Legitimationsgrundlage und die Aufgabenbestimmung eines Schulfaches mit stark
philosophischem Bezug, welcher sich aufgrund immer wieder eingebrachter persönlicher
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Erfahrungen aber streckenweise wie Memoiren zur Rechtfertigung des eigenen Lebenswerkes
liest.
Die übrigen Beiträge zu Teil I „Konzeptionen der Fachdidaktik“ sind in der Summe durch
eine stärkere Fixierung auf die Frage, wie Philosophie bzw. Ethik unterrichtet werden soll,
gekennzeichnet. Grundsätzliche Begründungsmuster für die beiden Unterrichtsfächer finden
sich hier lediglich zur Rechtfertigung der eigenen Konzeption von Philosophie- und
Ethikunterricht.
Markus Tiedemanns Aufsatz „Problemorientierung: theoretische Begründung und praktische
Realisierung“ nimmt dabei eine eher klassische Position im Hinblick auf die Gestaltung von
Unterricht ein. Für die Begründung eines problemorientierten Unterrichts führt Tiedemann
sowohl die „philosophische Immanenz“, wonach „das Problem […] der Urgrund aller
wissenschaftlichen Forschung und seine sprachliche Gestalt […] die Frage“ ist (S. 35), als
auch eine historische Notwendigkeit von Problemorientierung innerhalb eines postmodernen
Kontextes ins Feld. In Kapitel vier setzt sich der Autor schließlich mit „Problemorientierung
als fachdidaktischer Konsequenz“ (S. 39-48) auseinander, wobei die Darstellung teilweise auf
der
Ebene
einer
Gegenüberstellung
der Argumente
von
Kanonorientierung
und
Problemorientierung verbleibt und die Betrachtung empirischer Elemente fast vollständig
vermissen lässt. Letzterer Punkt ist dabei charakteristisch für den gesamten ersten Teil des
Tagungsbandes. Positiv ist dagegen die beispielhafte Beschreibung der Methode des
sogenannten ‚Kaffeefiltermodells‘, welche konkrete Anregungen für eine problemorientierte
Unterrichtspraxis enthält.
Exemplarisch für einen der im Buch zu findenden Innovationsversuche lässt sich der von
Markus Bohlmann in seinem Beitrag präferierte „dritte[r] Weg zwischen argumentativdiskursiven und präsentativen Formen im Unterricht“ werten.
Ausgehend von der
Auffassung, dass Philosophie weder allein durch Sprache noch allein durch Akte der
Präsentation ihren Weg in den Philosophieunterricht finde, sei
Philosophie als
Gegenstandswissenschaft zu begreifen und folglich im Unterricht die neue Form eines
„Philosophierens mit Gegenständen“ einzuführen. Bohlmann versucht seine Position durch
exemplarische Thematisierung der Rolle von Gegenständen in der Philosophie des
„Deutsche[n] Materialismus Mitte des 19. Jahrhunderts“ (S. 74), wie etwa der Bedeutung der
Blüte bei Hegel, zu untermauern. Ferner führt er auch einige Beispiele für eine Didaktik der
philosophischen Gegenstände im Unterricht an, welche dann jeweils einen fließenden
Übergang zu argumentativ-diskursiven und präsentativen Formen ermöglichen sollen.
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Bohlmanns Beitrag enthält durchaus interessante Anregungen zur Reflexion gängiger
Unterrichtskonzeptionen. In seinen konkret offerierten Unterrichtsbeispielen gelingt es ihm
jedoch kaum zu zeigen, inwieweit sein Konzept des Philosophierens mit Gegenständen über
einen originellen Unterrichtseinstieg zur Initiierung der von ihm kritisierten argumentativdiskursiven und präsentativen Formen des Unterrichts hinausgeht.
Das zweite Kapitel des von Johannes Rohbeck herausgegebenen Sammelbands „Didaktische
Konzeptionen“ beschäftigt sich mit der Vermittlung von Kompetenzen. Die Autoren stellen
dabei Ideen und Ansätze vor, welche dem mit der Kompetenzdebatte verbundenen Wechsel
von der „Input-“ hin zur „Output-Orientierung“ in sehr unterschiedlichem Maße Beachtung
schenken.
Der Text „Autobiografische Narrationskompetenz“ von Volker Haase geht davon aus, dass
Ethikunterricht den Heranwachsenden die Gelegenheit geben kann, potentiell geeignete
Strategien für eine sinnhafte Orientierung, Krisenintervention und Kontingenzbewältigung zu
finden. Dabei soll die autobiografische Narrationskompetenz diesen Prozess simulieren, um
auf den lohnenswerten Perspektiven für authentischere Selbstreflexionen der Lernenden
aufzubauen. Dabei stellt Volker Haase die funktionalen Vorteile von schriftlichen und
mündlichen Äußerungen zur Generierung eines geschützten Raumes dar, innerhalb dessen
dann in narrativer Form eigene Erinnerungen reflektiert, Zukunftsvorstellungen thematisiert,
Empathievermögen entwickelt und Perspektivwechsel vollzogen werden können. Mit Hilfe
der autobiografischen Narrationskompetenz können Überzeugungen, Einstellungen und
Wertehaltungen durch schülernahe Dilemmata überprüft, ggf. gewechselt oder neu begründet
werden.
Speziell durch den „erhöhten gesellschaftlichen Anforderungsdruck“ fordert Haase eine
Rückbesinnung auf das eigene Sein, um über die eigene Biographie Kompetenzen zu
entwickeln, die jeden einzelnen persönlich dazu bewegen, Identitätskrisen vorzubeugen. Ob
dabei die autobiografischen Narrationen sinnstiftende, reorganisierende, emotionale, ethische,
identifizierende, orientierende oder soziale Funktionen haben, kommt auf die Biographie des
Einzelnen
an.
Haases
Ansatz
scheint
geeignet,
um
bei
den
Schülern
durch
Kompetenzvermittlung anhand von Einzelbiographien und über die Vermittlung von
Bewältigungsstrategien Sicherheit und Orientierung geben zu können.
Der Aufsatz „Die siebente Stufe“ von Marie-Luise Raters befasst sich mit einem
moralphilosophischen Vorschlag zu einer Erweiterung der Dilemma-Methode nach Lawrence
Kohlberg. Die Autorin beschreibt zunächst, dass jeder Mensch nach Kohlberg sechs Stufen
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des Moralbewusstseins durchläuft. Kohlberg versucht durch Dilemmata verschiedene Stufen
einer Entwicklung der kognitiven Prozesse, durch die moralische Konflikte und Fragen
beantwortet werden, dazulegen, wobei diese Entwicklung eng an die Empathiefähigkeit
gebunden ist. Für jeden moralischen Konflikt gibt es dabei eine eindeutige Lösung. Die
Ermittlung von moralischen Urteilen bildet sich in der Entwicklung an Hand von sechs
Stufen, bei der kognitive Prozesse im Vordergrund stehen. Eine Person soll z. B. die
abschließende sechste Stufe erreicht haben, sobald sie einen moralischen Konflikt aufgrund
von universalen ethischen Prinzipien wie dem Kategorischen Imperativ, der Goldenen Regel,
dem Gerechtigkeitsprinzip und dem Prinzip der allgemeinen Menschenwürde eindeutig
auflösen kann. Marie-Luise Raters geht in diesem Aufsatz einem Gedankengang Kohlbergs
nach, wonach moralische Urteile auf einer „siebten“ Stufe transzendental begründet werden.
Anders als Kohlberg selbst sieht Raters die Moralentwicklung mit Abschluss der Pubertät
nicht als abgeschlossen und damit keinen Rückschritt im Sinne Kohlbergs, sondern vielmehr
eine Weiterentwicklung auf die siebte Stufe hin und erläutert diese mit dem situativ bedingten
Prinzipienverstoß. Dieser besagt im „wesentlichen Kern […], dass man gegen ein etabliertes
Moralprinzip verstoßen oder einem etablierten moralischen Verbot zuwiderhandeln sollte,
wenn man unter Berücksichtigung der berechtigen Interessen aller Beteiligten und der
Entscheidung Betroffenen aufrichtig wollen kann, dass ausnahmslos alle vernünftigen Wesen
unter gleichen Umständen so handeln würden, wie man in der vorliegenden Situation meint,
handeln zu sollen.“ In einer Unterrichtseinheit möchte die Autorin dabei mit Hilfe von
unauflösbaren
moralischen
Dilemmata
aufzeigen,
dass
dieser
Prinzipienverstoß
handlungsunsicher macht. Dabei merkt Raters in ihrem Fazit an, dass die Schüler und
Schülerinnen die sechste Stufe erreicht haben müssen und es daher fraglich ist, ob die Schule
diese Aufgabe leisten könne. Weiterhin kann man der Autorin zustimmen, dass ihre erweiterte
Dilemma-Methode gegenüber der konventionellen Dilemma-Methode eine „Anhebung des
Niveaus der Urteilsbildung“ hervorrufen kann, da situativ bedingt moralphilosophische
Prinzipien modifiziert und der Umgang dieser „mit der Möglichkeit unauflösbarer
moralischer Dilemmata“ gelernt werden kann.
Teil drei des untersuchten Werkes befasst sich mit Fragen der Kanonbildung. Andreas Groch
unterbreitet hier einen konkreten Vorschlag für einen Kanon philosophischer Werke im
Unterricht der Oberstufe; von grundlegenderer Bedeutung zur Einordnung der Debatte
erscheint jedoch der Beitrag von Vanessa Albus.
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Albus gibt dabei in ihrem Beitrag „(K)ein Kanon philosophischer Bildung?“ auf Basis
historischer Untersuchungen in Form von acht Thesen einen Überblick über mögliche
Kanonformen des Philosophieunterrichts. Albus Beitrag erweist sich dabei als sehr hilfreiche
Systematisierung
des
Kanondiskurses,
welche
die
Einordnung
auch
aktueller
Debattenbeiträge und Positionen in grundsätzliche Spannungsfelder erlaubt. Historische
Hoch- und Niedrigkonjunktur von Philosophieunterricht wird von Albus stark auf die
jeweilige Konzeption des unterrichteten Kanons zurückgeführt. Auf dieser Basis spricht sie
sich unter den Bedingungen einer pluralistischen und demokratischen Gesellschaft für die
Notwendigkeit eines Kanons aus, der Philosophie als ‚Kulturtechnik‘ begreifen soll. Kritisch
zu hinterfragen ist allerdings Albus teilweise monokausal anmutendes historisches
Begründungsmuster.
Fazit: Schon im sehr kurzen Vorwort beschreibt der Herausgeber Johannes Rohbeck das
größte Problem des Sammelbands „Didaktische Konzeptionen“. Die Beiträge des
Sammelbands sind Tagungsbeiträge und „inhaltlich nicht gebunden“, was bei dieser sehr
großen Themenvielfalt eine Annäherung an das gemeinsame Rahmenthema äußerst schwierig
macht. Ein ‚roter Faden‘ bzw. eine übergreifende inhaltliche Einordnung ist im vorliegenden
Band kaum zu erkennen. Als problematisch ist zudem anzumerken, dass der Vortragscharakter
der Beiträge sich teilweise in einer grenzwertig geringen Zahl an Textbelegen äußert.
Weiterhin lassen die Beiträge häufig die Konkretisierung des dargestellten Ansatzes mit
Beispielen für die schulische Unterrichtspraxis vermissen. Die Vorstellung von Innovationen
in Form von fachdidaktischen Konzepten lässt sich dagegen als eine Stärke des Buches
benennen. Nützlich sind die „Fachdidaktischen Konzeptionen“ zudem zur Einordnung einiger
aktueller Debatten, wobei Vanessa Albus Beitrag zum Kanondiskurs besonders hervorzuheben
ist.
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