Fakultät für Physik der LMU München Lehrstuhl für Kosmologie, Prof. Dr. V. Mukhanov Übungen zu Klassischer Mechanik (T1) im SoSe 2011 Blatt 2. - Lösungsvorschlag Aufgabe 2.1. Gleichungssystem Bestimmen Sie die allgemeine Lösung (d. h. mit vier freien Konstanten) des Differentialgleichungssystems: ẋ = y, ẏ = −z, ż = w, ẇ = −x. Oszilliert die allgemeine Lösung oder wächst sie monoton zu späten Zeiten? Lösung. Entweder benutzen wir den allgemeinen Ansatz, v̇ = Âv mit der 4x4 Matrix  und berechnen die Eigenwerte und Eigenvektoren. Dieses ist etwas mühsam, und man kann sich leicht verrechnen. Oder, die einfachere Lösung; wir setzen w = ż in ẇ = −x ein und erhalten z̈ = −x. Setzen wir z = −ẏ und y = ẋ ein ergibt sich d4 x d3 y = x, = x. dt3 dt4 Der Ansatz x(t) = eλt ergibt dann λ4 = 1 mit den Lösungen: λ = ±1, λ = ±i. Daher x(t) = C1 et + C2 e−t + C3 eit + C4 e−it . Daraus folgen dann w, y, z zu dx = C1 et − C2 e−t + iC3 eit − iC4 e−it dt dy z(t) = − = −C1 et − C2 e−t + C3 eit + C4 e−it dt dz w(t) = = −C1 et + C2 e−t + iC3 eit − iC4 e−it dt y(t) = Dank den Termen et , wächst die allgemeine Lösung monoton mit t → ∞. (Im allgemeinen Fall wird der Wert der Konstante C1 nicht gleich Null sein! Der Fall C1 = 0 ist ein Spezialfall, in dem die Lösung zu späten Zeiten oszilliert.) Aufgabe 2.2. Massebehaftetes Seil Ein massebehaftetes Seil mit Gesamtlänge L und Gesamtmasse M liegt über einer reibungsfreien, schwerelosen Rolle wie abgebildet. Die gesamte Anordnung befindet sich im vertikalen Schwerefeld g. Zu Beginn befindet sich auf der einen Seite doppelt soviel Seil wie auf der anderen. Führen Sie geeignete verallgemeinerte Koordinaten ein und bestimmen Sie die Lagrangefunktion des Systems. Leiten Sie die Bewegungsgleichungen ab und bestimmen Sie die zeitabhängige Lösung mit den gegebenen Anfangsbedingungen. Lösung. Im Folgenden vernachlässigen wir die Effekte die durch die Krümmung um die Rolle erfolgen. Die ist eine gute Näherung, falls der Durchmesser der Rolle klein ist im Vergleich zur Gesamtl̈ange der Seils. Wir bezeichnen die Länge des Seils auf der linken Seite mit l1 und des auf der rechten Seite mit l2 . Die zwei Variablen sind durch die Bedingung l1 + l2 = L verknüpft. Die die Liniendichte des Seiles ist ρ = M/L. Damit sind die Massen links und rechts gegeben durch m1 = ρl1 , m2 = ρl2 . Die kinetische Energie ist dann gegeben durch Ekin = m1 ˙2 m2 ˙2 M ˙2 l + l = l1 . 2 1 2 2 2 Die potentielle Energie ist E pot = −m1 gl1 − m2 gl2 = −ρg l12 + l22 = −ρg 2l12 − 2l1 L + L2 . In der Lagrangefunktion kann der konstante Term weggelassen werden und wir erhalten L= M ˙2 l1 + 2ρg l12 − l1 L . 2 Mit Hilfe der Euler Lagrangegleichungen erhalten wir folgende Bewegungsgleichung für l1 . 4g l¨1 + 2g − l1 = 0 L Die Lösung der homogen Differentialgleichung kann mit dem Exponentialansatz gefunden werden. Für die inhomogene Lösung erkennt man, das ein konstanter Term eine Lösung ist. l1 = A1 eλt + A2 e−λt + mit λ = 2 q g L. Die Anfangsbedingungen führen zu A1 = A2 = l1 (t) = L 2 L 12 . L L + cosh λt 2 6 2 Aufgabe 2.3. Pleuelstange Eine (masselose) Kurbel der Länge r sei um eine feste Achse, welche im Ursprung des Koordinatensystems aufgehängt sei, beweglich. An ihr sei eine (masselose) Pleuelstange der Länge l in einem Gelenk befestigt, dessen Ende längs einer Schiene (= x-Achse) geführt werde. Am Ende der Kurbel sei eine Masse m1 befestigt. Eine weitere Masse m2 möge sich am Ende der Pleuelstange reibungsfrei auf der Schiene bewegen (siehe Abbildung 1). Die gesamte Anordnung unterliege keinerlei äußeren Kräften außer dem vertikalen Erdschwerefeld g. Geben Sie die Lagrange-Funktion des Systems an. Hinweis: Wählen Sie den Winkel α als die generalisierte Koordinate. z m1 r l m2 α x 0 Abbildung 1: Pleuelstange. Lösung. Die verallgemeinerte Koordinate sei der Windel α. Um die kinetische und potentielle Energien zu bestimmen, drücken wir zunächst die kartesische Koordinaten durch α aus : x1 = r cos α, z1 = r sin α, (x2 − x1 )2 + z21 = l2 ⇒ x2 = x1 + Wir haben ẋ1 = −α̇r sin α, ż1 = α̇r cos α, q l2 − z21 . r2 sin α cos α ẋ2 = −α̇r sin α − α̇ p l2 − r2 sin2 α Dann berechnen wir einfach m2 m1 2 ẋ1 + ż21 + ẋ2 − m1 gz1 2 2 2 2 r cos α m1 2 2 m2 2 2 2 − m1 gr sin α r α̇ + α̇ r sin α 1 + p = 2 2 l2 − r2 sin2 α L= Aufgabe 2.4. Fadenpendel Der Aufhängepunkt eines Fadenpendels der Fadenlänge l sei an einer vertikalen Kreisscheibe mit Radius a, welche mit einer konstanten Winkel-Geschwindigkeit ω um ihren Mittelpunkt rotiere, befestigt (siehe Abbildung 2). Die Bewegung der Masse m am Ende des Fadens sei auf die Ebene der Kreisscheibe eingeschränkt; der Faden sei immer gespannt. Die Anordnung befinde sich zudem in einem homogenen Erdschwerefeld. 3 z g ω a 0 x l m Abbildung 2: Fadenpendel. Wählen Sie eine geeignete verallgemeinerte Koordinate und formulieren Sie die Lagrange-Funktion des Systems. Leiten Sie darüber die Bewegungsgleichung der Masse m ab. Lösung. Wir betrachten das System wie gezeichnet mit dem eingezeichneten Koordinatensystem S. Das gesamte System bestehet aus einem physikalischen Pendel und einem rotierenden Aufhänge-Punkt A (t). Für den Aufhänge-Punkt gilt: ! a sin (ωt) A (t) = (1) −a cos (ωt) Für t = 0 befindet sich der Aufhänge-Punkt also am unteren Ende der Kreisscheibe. Nun diskutieren wir das Pendel in einem Koordinatensystem S’, in dem der Aufhängepunkt der Ursprung ist. Da die Länge des Pendels fest ist, gibt es für die Masse nur einen Winkel Freiheitsgrad. Der Winkel φ ist von der Senkrechten aus zu messen. Für die Koordinaten x0 und z0 der Masse gilt dann x0 = l sin φ z0 = −l cos φ Im ursprünglichen Koordinatensystem S folgt der Aufhänge-Punkt allerdings Gl.(1) und somit ergibt sich für die Koordinaten der Masse in S x = a sin (ωt) + x0 = a sin (ωt) + l sin φ z = −a cos (ωt) + z0 = − (a cos (ωt) + l cos φ) . φ ist also die gesuchte verallgemeinerte Koordinate. Wir berechnen nun noch einige Größen die wir später brauchen. ẋ = aω cos (ωt) + lφ̇ cos φ ẋ2 = a2 ω2 cos2 (ωt) + l2 φ̇2 cos2 φ + 2alωφ̇ cos φ cos (ωt) ż = aω sin (ωt) + lφ̇ sin φ ż = a2 ω2 sin2 (ωt) + l2 φ̇2 sin2 φ + 2alωφ̇ sin φ sin (ωt) 2 Nun stellen wir die Lagrange-Funktion auf 1 L = T − V = m ẋ2 + ż2 − mgh 2 4 (2) Für die Summe der Geschwindigkeitsquadrate ergibt sich ẋ2 + ż2 = a2 ω2 cos2 (ωt) + sin2 (ωt) + l2 φ̇2 cos2 φ + sin φ + 2alωφ̇ (cos φ cos (ωt) + sin φ sin (ωt)) = l2 φ̇2 + a2 ω2 + 2alωφ̇ cos (φ − ωt) Die Höhe h wird von dem tiefsten Punkt aus gemessen, den das Pendel gerade noch erreicht h=a+l+z = a + l − (a cos (ωt) + l cos φ) = a (1 − cos (ωt)) + l (1 − cosφ) Somit kann man die Lagrange Funktion mit der generalisierten Koordinate φ schreiben L= m2 2 l φ̇ + a2 ω2 + 2alωφ̇ cos (φ − ωt) − mg (a (1 − cos (ωt)) + l (1 − cosφ)) 2 Die Konstanten, wie a2 ω2 oder mga, sowie reine Zeitfunktionen wie cos ωt, kann man aus der LagrangeFunktion streichen. Wir bekommen also L= m2 2 l φ̇ + malωφ̇ cos (φ − ωt) + mgl cos φ. 2 Aus der Euler-Lagrange-Gleichung berechnen wir nun die gesuchte Bewegungsgleichung: d ∂L ∂L − ; dt ∂φ̇ ∂φ ! 1 d 1 2 m 2l φ̇ + 2alω cos (φ − ωt) + 2almωφ̇ sin (φ − ωt) + mgl sin φ; 0= dt 2 2 0= 0 = ml2 φ̈ + almω2 sin (φ − ωt) + mgl sin φ; a g φ̈ = − ω2 sin (φ − ωt) − sin φ. l l Aufgabe 2.5. Drei Flugzeuge Drei baugleiche Flugzeuge starten gleichzeitig an den Eckpunkten eines gleichseitigen Dreiecks mit Seitenlänge l, dessen Mittelpunkt im Koordinatenursprung liegt. Sie fliegen mit einer Geschwindigkeit konstanten Betrags v stets in Richtung des im Uhrzeigersinn nächsten Flugzeugs. Berechnen Sie die Zeit bis zum Zusammenstoß der drei Flugzeuge. Lösung. Die Seitenlänge des gleichseitigen Dreiecks zum Zeitpunkt t = 0 sei l. Der Koordinatenursprung liege in der Ebene der Flugzeuge und falle mit dem Mittelpunkt des Dreiecks zusammen. Die Position des ersten Flugzeugs (die Rechnung gilt natürlich analog für jedes der Flugzeuge) sei bezeichnet durch r(t). Es gilt 2 π l |r(0)| = r(0) = l cos = √ 3 6 3 5 Aus Symmetriegründen sind die Abstände der Flugzeuge untereinander auch zu späteren Zeiten stets gleich, d. h. die Flugzeuge befinden sich stets auf den Eckpunkten eines gleichseitigen Dreiecks, dessen Mittelpunkt im Koordinatenursprung liegt. Aus dieser Geometrie folgt für den Winkel zwischen Geschwindigkeit v(t) und Ortsvektor r(t) π ∠ (v(t), r(t)) = ψ(t) = ψ(0) = π − . 6 Es gilt 1 d r2 2r dt 1 d (r · r) = 2r dt 1 = r·v r 1 = rv cos ψ r √ 3 = −v 2 √ l 3 r(t) = √ − v t 2 3 ṙ = Damit ergibt sich für die Zeit bis zum Zusammenstoß tS r(tS ) = 0 ⇒ tS = 2l 3v Das gleiche Ergebnis kann auch durch die Betrachtung infinitesimaler Verrückungen der Flugzeuge hergeleitet werden. Ergänzung: Um die Bahnkurve zu erhalten, zerlegen wir die Geschwindigkeit in Komponenten parallel und senkrecht zu r. Die senkrechte Komponente, die sich aus der Geometrie zu v |v⊥ | = v sin ψ = 2 ergibt, bestimmt die momentane Winkelgeschwindigkeit v⊥ ω(t) = . r(t) Wir parametrisieren die Bewegung durch Zylinderkoordinaten r(t) cos ϕ(t) r = −r(t) sin ϕ(t) 0 Den momentanen Drehwinkel erhalten wir damit durch Integration Z t Z 1 v t 0 0 ϕ(t) = ϕ(0) + ω(t ) dt = ϕ(0) + dt0 √ 2 0 √l − v 3 t0 0 2 3 r(0) 1 = ϕ(0) + √ ln . 3 r(t) 6 Daraus lesen wir ab, dass die Bahnkurve eine logarithmische Spirale darstellt. Es gilt r(t) = r(0)e− √ 3(ϕ(t)−ϕ(0)) . Bei jeder Umdrehung verringert sich der Abstand zum Zentrum mit dem Faktor e−2π √ 3 = 1, 88 · 10−5 . Die Lösung ist skaleninvariant, weshalb in der Skizze auf Achsenbeschriftung verzichtet werden kann. Abbildung 3: Bahn der Flugzeuge 7