Werbung und Wahlkampf im Wartezimmer – erlaubt oder verboten?

Werbung
Hinterfragt – nachgehakt
Werbung und Wahlkampf im
Wartezimmer – erlaubt oder
verboten?
Wer im Wartezimmer, sitzt hat in der Regel Zeit. Was also
liegt näher, als das Wartezimmer zur Information der Patienten
zu nutzen, ihnen IGeL-Leistungen zu erläutern oder für die
politische Partei zu werben, der man angehört? Doch Vorsicht –
nicht alles, was möglich ist, ist auch gesetzlich erlaubt.
Die rechtliche Grundlage für ärztliche Werbemaßnahmen bildet die Musterberufsordnung für Ärzte und ihre Umsetzung in z.
B. § 27 oder den §§ 34, 35 der Berufsordnungen der einzelnen Landesärztekammern.
Hinzu kommen das Gesetz gegen den Unlauteren Wettbewerb (UWG) und
das Gesetz über die
Werbung auf dem
Gebiete des Heilwesens
(HWG).
Rechtsanwalt Dr.
Christopher F. Büll
ist Fachanwalt für
Medizinrecht.
Er
kennt die Wünsche
Dr. C. Büll,
und Forderungen
Köln
von Ärzten, für die
eigenen Leistungen oder auch für Dritte zu
werben. „Die gesetzlichen Vorgaben haben
zum Ziel, die ärztliche Unabhängigkeit zu
gewährleisten“, sagt Büll. Denn als „freier
Beruf“ darf die Tätigkeit von Ärzten nicht
auf wirtschaftliche Aktivität in einem Markt
oder Gewinnerzielung ausgerichtet sein.
Ein Arzt betreibt kein Gewerbe wie etwa ein
Einzelhändler. Daher will der Gesetzgeber
mit seinen Regelungen eine Kommerzialisierung des Arztberufs verhindern.
Recht auf Meinungsfreiheit
Dennoch gilt für Ärzte, was für alle anderen
Bürger auch gilt: das Recht auf Meinungsfreiheit. Sachliche Informationen, etwa über
berufsständische Organisationen wie die
privatärztliche Verrechnungsstelle sind also
erlaubt. Auch zu nicht verbotenen religiösen
Organisationen oder politischen Parteien
dürfen Mediziner grundsätzlich Plakate in
der Praxis aufhängen oder Broschüren auslegen. Da eine solche Meinungsäußerung
nichts mit der eigentlichen ärztlichen Tätig-
keit zu tun hat, sind Ärzte hier mit allen anderen Staatsbürgern gleichgestellt. „Allerdings ist es höchst fraglich, ob sich eine solche öffentliche Meinungsäußerung positiv
auf den Patientenzufluss auswirkt“, gibt Büll
zu bedenken. Möglicherweise könnten solche im doppelten Sinn des Wortes „plakativen“ Meinungsäußerungen einige Patienten
abschrecken, so Büll. Anders sieht es bei der
Werbung für Arzneimittel aus. Wenn ein
Arzt offensiv für bestimmte Produkte von
Pharmafirmen wirbt, entsteht leicht der Eindruck, dass er sich wirtschaftlich an einen
bestimmten Hersteller bindet und damit
käuflich ist. „Das Verordnungsverhalten des
Arztes darf auf keinen Fall beeinflusst werden“, sagt Büll. Aus diesem Grund sieht das
HWG eine strikte Trennung zwischen Werbung in Fachkreisen und bei Fachfremden
vor. Daher ist Werbung für Arzneimittel im
Wartezimmer, wo überwiegend Laien sitzen, verboten.
Nicht anpreisen, nicht irreführen,
nicht vergleichen
Wieder anders sieht es bei der Werbung für
Therapiemethoden aus. Wenn ein Praxisinhaber etwa eine bestimmte Weiterbildung
absolviert hat und zusätzliche Behandlungsmethoden anbietet, darf er dazu Plakate und Broschüren aushängen oder -legen – vorausgesetzt, diese sind sachlich und
die Information steht im Mittelpunkt. Denn
es gelten drei Grundsätze für alle Formen
ärztlicher Werbung: Sie darf nicht anpreisend, nicht irreführend und nicht vergleichend sein. Superlative oder Eigenlob wie
„Spitzenmediziner“, „Spezialist“ oder „Toparzt“ gelten als anpreisend und sind daher
tabu. Dasselbe gilt für Werbung mit mehrdeutigen, unklaren oder unvollständigen
Angaben – in denen Patienten etwa vorgegaukelt wird, dass sie in einem „Zentrum“
von vielen Fachleuten behandelt werden,
wenn in Wirklichkeit nur ein Einzelner die
Praxis betreibt. Auch persönliche oder fachliche Vergleiche mit Kollegen sind verboten. Neuerdings wird auch oft ein Fernsehgerät in den Wartezimmern für Werbemaßnahmen genutzt. Ein solches Wartezimmer-TV wird von vielen Patienten geschätzt und kann damit schon selbst eine
effektive Werbemaßnahme sein. Doch
auch hier ist Vorsicht geboten: Werbung für
andere Firmen ist tabu. Sachliche Informationen aber – etwa über die eigenen IGelLeistungen oder das Praxis-Team – helfen
offenbar manchen Patienten, die Nervosität vor dem Arztbesuch abzubauen. Beim
zusätzlichen Empfang des regulären Fernsehprogramms werden allerdings zu den
GEZ-Gebühren auch Gebühren für die Gesellschaft für musikalische Aufführungsund Vervielfältigungsrechte (GEMA) fällig.
Unangenehme Konsequenzen bei
Verstößen
„Grundsätzlich aber gilt: Wo kein Kläger, da
kein Richter“, erläutert Büll. Nur wenn die
zuständige Ärztekammer auf unerlaubte
Werbung aufmerksam wird, drohen berufsrechtliche Konsequenzen. Dabei ist die
Bandbreite groß. Mögliche Sanktionen reichen von Abmahnungen über Geldbußen
bis hin zum Entzug der Approbation. Auch
Unterlassungsklagen von Kollegen können
unangenehm enden. Im Wettbewerbsprozess können ebenfalls Abmahnungen oder
gar einstweilige Verfügungen ausgesprochen werden, die dem Arzt einzelne Werbemaßnahmen mit sofortiger Wirkung untersagen. Schließlich muss dann oft der beklagte Arzt die Anwaltskosten der Gegenseite
tragen. Wer verbotenerweise für Pharmaprodukte wirbt, trägt ein noch höheres Risiko: hier drohen Geldbußen von bis zu
50 000 €. In der Praxis ist es allerdings häufig
schwierig, erlaubte Werbung von nicht erlaubter zu unterscheiden: „Die Grenzen zwischen zulässiger und berufswidriger Werbung sind fließend“, sagt der Fachanwalt.
Büll rät daher dazu, im Zweifelsfall bei einem
Fachanwalt für Medizinrecht Rat bezüglich
der beabsichtigten Werbemaßnahme einzuholen. Letzte Sicherheit gebe meist nur eine
Einzelfallprüfung.
Stephanie Hügler, Heidelberg
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www.thieme.de/dmw
Dtsch Med Wochenschr 2010; 135, Nr. 44
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