2.2. Der Spin 2.2.1. Magnetische Momente In einem klassischen Atommodell umkreist das Elektron den Kern Drehimpuls Dies entspricht einem Kreisstrom. r n I r r e− Es existiert ein entsprechendes magnetisches Moment μ: 137 Im Magnetfeld hat der magnetische Dipol die potentielle magnetische Energie: Das Feld übt ein Drehmoment Präzession des Drehimpulsvektors aus z r B Es ist somit: r r e− I Larmorfrequenz 138 In der Quantenmechanik ist der Drehimpulsoperator: Nach dem Korrespondenzprinzip macht es Sinn, folgende Annahme zu machen: mit Bemerkung: • Diese Annahme ist nicht trivial und erfordert eine Überprüfung. • • ist ein „Einheitsmoment“ für ein klassisches Elektron auf einer Kreisbahn. gibt die Abweichung vom klassischen zum quantenmechanischen Fall an, d.h. für einen klassischen Bahndrehimpuls ist ! 139 heisst Bohrsches Magneton. Analog kann man Einheitsmomente für andere Teilchen definieren, z.B. das Kernmagneton: Die Konstante heisst g-Faktor für einen Bahndrehimpuls! 140 2.2.2. Stern-Gerlach Versuch Die Quantisierung des Drehimpulses in z-Richtung kann im Stern-Gerlach-Versuch direkt nachgewiesen werden. Der Stern-Gerlach-Versuch nutzt man die Ablenkung im inhomogenen Magnetfeld. Magnetisches Moment parallel Magnetisches Moment antiparallel Ablenkkraft im inhomogenen Magnetfeld auf Atome mit definierten Drehimpuls da von (2l+1) Linien. : erwartet man eine diskrete Schar Klassisch: Kontinuum zwischen zwei Extremwerten! 141 Schematischer Aufbau des Stern-Gerlach-Versuchs (1921) B=0 Ag-Dichte B>0 B>>0 0 z Postkarte mit den Versuchsergebnissen Gedenktafel Uni. Frankfurt 142 Zur Historie des Stern-Gerlach-Versuchs Ag-Bedampfung auf der Detektorplatte Gerlach Stern [Artikel in Physics Today, Dez. `03, von B. Friedrich, D. Herschbach] 143 Resultate des Stern-Gerlach-Versuchs: • Beweis der Richtungsquantelung • Messung der magnetischen Momente von Atomen aber: • Ablenkung von Atomen im s-Grundzustand mit l=0 (Experiment von Phillips und Taylor 1927 mit neutralem Wasserstoff) • Beobachtung einer geraden Anzahl von Linien Postulat (Goudsmit und Uhlenbeck 1925): Das Elektron besitzt einen inneren Drehimpuls, Spin, mit: halbzahliger Drehimpuls Hierzu gibt es kein klassisches Analogon! 144 Vektormodell des Spins: Kugelradius z m S = + 12 y r s m s = − 12 1 2 h 1 2 h 145 Aus dem Stern-Gerlach-Versuch folgt für das innere Moment des Elektrons: somit weitere Abweichung von der klassischen Erwartung Der Spin erzeugt ein doppelt so grosses magnetisches Moment wie eine klassische mit dem Drehimpuls rotierende Kugel! Der Spin folgt in logischer Weise aus einer relativistischen Beschreibung der Atome. Formale Beschreibung Theorielehrbücher Das sogenannte gyromagnetische Verhältnis oder kann auch direkt gemessen werden. Versuch von Einstein und de Haas (1916) 146 Schema Torsionspendel + − z Spiegel vollständig magnetisierter Eisenzylinder Historischer Aufbau (PTB) Feldspule Änderung aller N magnetischen Momente Messung der Drehimpulsänderung im Torsionspendel somit: 147 2.2.3. Die Feinstruktur des Wasserstoffspektrums Eine genauere Betrachtung des Wasserstoffspektrums zeigt, dass die Energieniveaustruktur nach der Formel Spektrum der Balmer-Serie nur näherungsweise gilt. Hα-Linie Wasserstofflampe Beobachtung: Alle Energieniveaus (mit Ausnahme der s-Zustände spalten in 2 Niveaus auf. Man beobachtet Dubletts. Feinstrukturaufspaltung 148 Physikalische Erklärung der Feinstrukturaufspaltung: Wechselwirkung von magnetischem Bahnmoment und Spin, Spin-Bahn-Kopplung Erklärung der Dubletts: • Spin parallel oder antiparallel zum Bahnmoment • Bahnmoment = 0 für s-Zustände, d.h. keine Aufspaltung Die Energieniveaus für die Feinstrukturaufspaltung können explizit berechnet werden. Atomphysiklehrbücher Feinstruktur der WasserstoffEnergieniveaus mit Feinstrukturkonstante Dabei ist j die Quantenzahl für den Gesamtdrehimpuls. 149 Feinstrukturaufspaltung Größe der Aufspaltung Bemerkungen: • Die Energien hängen nur von n und j ab. • Alle Energieniveaus werden abgesenkt. • Niveaus (außer die mit s=0) spalten in Dubletts auf. • Niveaus mit größerem j liegen energetisch höher. • Die Aufspaltung hängt von der 4. Potenz der Kernladungszahl ab (nicht gezeigt), d.h. sie liegt im Mikrowellenbereich beim Wasserstoff und bei ca. 6 Å bei den Na D-Linien. 150 Spektroskopische Notation Multiplizität Hauptquantenzahl Bahndrehimpulsquantenzahl N 2S+1LJ Gesamtdrehimpulsquantenzahl Spinquantenzahl z.B. für Einelektronensysteme: 2 2S1/2 n=2, l=0, j=1/2 2 2P3/2 n=2, l=1, j=3/2 3 2P1/2 n=3, l=1, j=1/2 151 2.2.4. Die Hyperfeinstruktur und Lamb-Verschiebung Die Hyperfeinstruktur Auch das Proton (oder allgemeiner der Atomkern) besitzt (meist) einen Spin. Wechselwirkung von Kernspin mit dem Magnetfeld der Hüllenelektronen (Spin und Bahndrehimpuls) Hyperfeinwechselwirkung Kernmagneton << Bohrmagneton Hyperfeinaufspaltung << Feinaufspaltung Magnetische potentielle Energie der Hyperfeinwechselwirkung: magnetische Moment des Protons Wie bei der Feinstruktur fass man nun und mittleres Magnetfeld der Hüllenelektronen zum Drehimpuls zusammen: 152 Es folgt Atomphysiklehrbücher: Hyperfeinstrukturaufspaltung mit einer Konstante Für Wasserstoff ist oder Somit: Hyperfeinaufspaltung 153 Für Wasserstoff (n=1) ist die Aufspaltung: entsprechend oder links: Hyperfeinstrukturaufspaltung des Wasserstoffgrundzustandes (21cm-Linie) rechts: Messung der Verteilung von atomarem Wasserstoff in unserem durch Spektroskopie der 21-cm Linie (Messung der Entfernung über Rotverschiebung) 154 Wasserstoff-Maser 1420 MHz als Übergang im Wasserstoffmaser (Frequenzstandard) Erste Demonstration durch C. Townes 1953 in Columbia Prinzip basiert auf stimulierter Emission von Mikrowellen in Resonanz mit dem F=0 F=1 Übergang in atomarem Wasserstoff bei 1420 MHz. 155 Lamb-Verschiebung Das Coulombgesetz ist eine Näherung für relativ große Distanzen. Bei sehr kleinen Abständen der Ladungen treten Abweichungen auf, die sich aus der Quantisierung es elektromagnetischen Feldes ergeben. Quantenelektrodynamik (QED) γ e− t e− virtuelles Photon, Energie ΔE t+ Δt e− Schematische Darstellung eines QED-Prozesses Verletzung der Energieerhaltung Die Erzeugung virtueller Photonen wirkt sich als Zitterbewegung des Elektrons aus. Modifikation der Energieniveaus 156 Die Verschiebung der Energieniveaus ist umso größer, je kleiner der mittlere Kernabstand der Elektronen. V(r) klassischer Bahnradius 0 Größte Modifikation für Zustände mit j=1/2 ! r V Verschmierung durch Zitterbewegung Speziell Aufspalten der Energieniveaus 22S1/2 und 22P1/2 Experiment von Lamb und Retherford (1947) Direkte Messung des Überganges 157 Das Experiment von Lamb und Retherford metastabiles H (22S1/2 ) Willis Lamb Nobelpreis 1955 "for his discoveries concerning the fine structure of the hydrogen spectrum" 158 Die ersten Energieniveaus von Wasserstoff für n=1 und n=2 45 μeV 4 μeV 10,3 eV 1,42 MHz 159 Vollständiges Spektrum des Wasserstoff F=3,2 F=1,2 F=1,2 3D5/2 3D5/2 Achtung! 160