Skalenfarbe Schwarz 0001 IMIPRAMIN IMIPRAMIN [WHO], FDA, 1958 Polyvalentes Antidepressivum WIRKUNG Die antidepressive Wirkung von Imipramin und seinem Metaboliten Desipramin beruht vermutlich auf einer Hemmung der Wiederaufnahme von Noradrenalin und von Serotonin an den entsprechenden Nervenendigungen. Die Wirkung auf das serotoninerge System lässt sich an der Serotoninaufnahme der Thrombozyten zeigen. Imipramin und Desipramin haben auch eine starke anticholinerge Wirkung und wirken als Antagonisten an H1-Rezeptoren. Ihre Wirkung an adrenergen α-Rezeptoren ist gering. PHARMAKOKINETIK Biologische Verfügbarkeit variabel 50% Max. Plasmaspiegel Halbwertszeit Aktive Metaboliten Ausscheidung 3-5 h 15 h (8-20 h)* wichtig* extrarenal * «Debrisoquin»-Metabolismus (polymorph bestimmt). Bei langsamen Metabolisierern kann die Halbwertszeit sehr viel länger sein. Desipramin, der wichtigste aktive Metabolit, hat eine Halbwertszeit von 10 bis 35 h. INDIKATIONEN UNERWÜNSCHTE WIRKUNGEN Imipramin gilt auch heute noch als der Standard, an dem die antidepressive Aktivität anderer Medikamente gemessen wird. Es bringt auch bei schweren Depressionen (besonders endogener Natur) einen Erfolg bei 60 bis 70% der Behandelten. Imipramin wirkt meist erst nach 2-3 Wochen, bleibt aber auch bei längerer Behandlung wirksam. Amitriptylin ist ähnlich wirksam, sediert aber stärker. Keines der neueren Medikamente weist eine signifikant höhere antidepressive Aktivität auf. Imipramin kann eine Vielfalt von Nebenwirkungen hervorrufen; anticholinergische Effekte und Sedation sind jedoch geringer als mit Amitriptylin. Dennoch werden oft Mundtrockenheit, Tachykardie, orthostatische Hypotonie und Gewichtszunahme beobachtet. Auch Obstipation, Visusstörungen, Harnverhaltung, Störungen der Sexualfunktion sind nicht selten; besonders bei Älteren können Gedächtnisstörungen, Konfusion und andere zentralnervöse Probleme auftreten. Konvulsionen, Hyponatriämie, Hautreaktionen, Galaktorrhoe u.a. sind selten. Imipramin kann Arrhythmien hervorrufen. Lebensbedrohliche Komplikationen kardialer oder anderer Ursache (Agranulozytose, Lebernekrose) sind sehr selten. Bei Überdosierung stehen die kardialen Gefahren im Vordergrund. Entzugssymptome nach Imipramintherapie sind selten beschrieben worden. Imipramin kann sich bei verschiedenen anderen Problemen günstig auswirken: Gut dokumentiert ist insbesondere sein Nutzen bei Panikattacken, wo es als Alternative zu Benzodiazepinen (z.B. Alprazolam) in Frage kommt. Weniger eindeutig ist sein Nutzen bei Zwangssyndromen und Agoraphobie. Bei Bulimie, eventuell auch bei Anorexie kann mit Imipramin manchmal eine Besserung erreicht werden. Obwohl viele Fachleute skeptisch sind, wird Imipramin auch bettnässenden Kindern verschrieben; eine medikamentöse Therapie ist aber nicht immer nötig. Imipramin ist auch, mit fraglichem Erfolg, bei Inkontinenz Erwachsener eingesetzt worden. Für die Behandlung von chronischen Schmerzen oder schmerzhaften Neuropathien ist Amitriptylin besser dokumentiert. 114 KONTRAINDIKATIONEN Koronare Herzkrankheit, schwere Arrhythmien. INTERAKTIONEN Signifikante Interaktionen mit Alkohol, Barbituraten, Cimetidin, Neuroleptika (zentrale Dämpfung); anderen Mitteln mit anticholinergischen Wirkungen; MAO-Hemmern, Sympathomimetika (Blutdruckkrise, Allgemeinreaktion); Chinidin (Kardiotoxizität). Hundert wichtige Medikamente (1994) 0001 Skalenfarbe Schwarz Skalenfarbe Schwarz 0002 IMIPRAMIN DOSIERUNG (Erwachsene) Indikation Verabreichung Depression Panikattacken Initialdosis Erhaltungsdosis Dosis Intervall Dosis Intervall oral 25 mg 8-24 h 25-50 mg* 8-24 h oral 10 mg 24 h 10-50 mg* 8-24 h *Die Dosis muss unbedingt unter Berücksichtigung der Nebenwirkungen und eventuell der Plasmaspiegel individuell angepasst werden. Im Spital sind auch höhere Tagesdosen erlaubt (bis 300 mg). Die parenterale Verabreichung ist wenig dokumentiert. Schwangere Frauen Zusammenhang mit Missbildungen vermutet, aber nicht nachgewiesen. Im ersten Trimester möglichst vermeiden. Stillende Mütter Imipramin wird mit der Muttermilch ausgeschieden: besser vermeiden! Kinder Frühestens ab 6 Jahren verwenden. Bei Enuresis initial 10-25 mg abends. Tagesdosen über 3,5 mg/kg nur bei genauer Überwachung zulässig. Kleinkinder: Lebensgefahr bei versehentlicher Einnahme mehrerer Tabletten! Alte Menschen Speziell vorsichtig dosieren ( Gefahren: orthostatische Hypotonie, Harnverhaltung, Konfusion): mit 50% der üblichen Erwachsenendosis beginnen. Niereninsuffizienz Keine Dosisanpassung notwendig. Leberinsuffizienz Individuelle Dosisreduktion empfohlen. Literatur Cross-National Collaborative Panic Study, Second Phase Investigators. Drug treatment of panic disorder. Comparative efficacy of alprazolam, imipramine, and placebo. Br J Psychiatry 1992; 160: 191-202 Glassman AH, Roose SP, Bigger JT. The safety of tricyclic antidepressants in cardiac patients: risk-benefit reconsidered. JAMA 1993; 269: 2673-5 Käsemodel U. Psychopharmaka für nicht-psychotische Kinder. pharma-kritik 1989; 11: 81-4 Workman EA, Short DD. Atypical antidepressants versus imipramine in the treatment of major depression: a metaanalysis. J Clin Psychiatry 1993; 54: 5-12 Hundert wichtige Medikamente (1994) 0002 Skalenfarbe Schwarz SPEZIELLE HINWEISE Besonders bei älteren Personen ist eine regelmässige Überprüfung der Herzfunktion (EKG) nötig. Abgabemenge bei suizidgefährdeten Kranken limitieren! - Wegen der hohen Kardiotoxizität ist bei Vergiftungen eine Intensivpflege indiziert. KOSTEN Tagesdosis 50 mg Präparat Tofranil Kosten/Monat 16.85 VERFÜGBARE FORMEN Dragées zu 10 mg und zu 25 mg (Tofranil). Ampullen (2 ml) zu 12,5 mg/ml (Tofranil). KOMMENTAR Bei schweren Depressionen können trizyklische Antidepressiva einen entscheidenen Beitrag zur Besserung leisten. Leider ist die Liste unerwünschter Wirkungen recht eindrucksvoll. Viele Probleme lassen sich aber vermeiden, wenn das Medikament wirklich individuell dosiert wird. Überzeugende Daten, wonach z.B. das wesentlich teurere Maprotilin besser verträglich wäre, liegen nicht vor. Es besteht Hoffnung, dass einzelne neuere Substanzen tatsächlich weniger Nebenwirkungen verursachen; vorläufig ist die Frage noch offen, ob nicht z.B. mit selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmern neue Risiken auftreten. Kurativer/präventiver Nutzen Symptomatischer Nutzen Verträglichkeit Kostenvorteil QQQQ QQQQ QQQQ QQQQ 115