Ansteckend? Steve Long, aus «Veterinary Practice», mit Zustimmung von Peter Fry und VETAID Zoonosen: Ansteckende Krankheiten zwischen Tier und Mensch Eine Informationsbroschüre von Vétérinaires Sans Frontières Suisse (VSF-Suisse) Gesunde Tiere – gesunde Menschen Inhaltsverzeichnis Vorwort Seite Vorwort 3 Zoonosen im Alltag einer Kleintierpraxis 4 Zoonosen beim Kleintier 6 ■ Hautpilzerkrankungen (Dermatomykosen) ■ Flöhe bei Hund und Katze ■ Spulwurm ■ Fuchsbandwurm ■ Zecken und zeckenübertragene Krankheiten ■ Toxoplasmose ■ Tollwut bei Tier und Mensch ■ Leishmaniose ■ Entenfloh 6 8 10 11 13 16 18 21 23 Zoonosen beim Klein- und Grosstier 24 ■ Tuberkulose 24 Zoonosen beim Grosstier 26 ■ BSE (Rinderwahnsinn) ■ Anthrax (Milzbrand) 26 30 Zoonosen aus der Sicht der Humanmedizin 32 Schlusswort und Verdankung 34 Impressum Idee, Konzept und Redaktion: Yvonne Kremser, VSF-Suisse Übersetzungen: Loretta Gherbezza, Jacques Nicolet, Bundesamt für Veterinärwesen 2 Layout: Markus Brägger Kommunikation, Iffwil Druck: Dürrenmatt Druck, Muri Dr. med. vet. Andrea Meisser, Präsident der Gesellschaft Schweizerischer Tierärzte GST, Bern Menschen und Tiere. Ihre Beziehung ist uralt. Sie hat schon begonnen, bevor der Mensch vor 14'000 Jahren mit dem Hund eine enge partnerschaftliche Bindung eingegangen ist. Sie ist heute wohl enger denn jemals zuvor. Und vor allem: Wir haben noch nie so viel darüber gewusst wie heute. Die Beziehung zwischen Menschen und Tieren ist eine zwiespältige Beziehung. Die einen erfreuen uns als stolze, farbenprächtige Geschöpfe in ihrem natürlichen Lebensraum, andere leben als eigentliche Sozialpartner in unserer Wohnung und wieder andere dienen uns als Nahrung. Es ist trotz – oder vielleicht gerade wegen – unseres grossen Wissens gar nicht so einfach, mit diesem Dilemma umzugehen. Die Mensch-Tier-Beziehung ist nicht ohne Risiken. Für beide Parteien, nota bene. Auch das wissen wir. Die Zeitungen sind voll von Geschichten über gefährliche Hunde, wieder einwandernde Wölfe oder Krankheiten, die vom Tier direkt oder auf dem Umweg über tierische Lebensmittel auf den Menschen übergehen können. Das alles wissen wir – und trotzdem wissen wir viel zu wenig. Und das macht uns Angst. Die Beziehung zwischen Mensch und Tier ist viel zu schön und viel zu wichtig, um von Ängsten geprägt zu sein. Darum müssen wir noch mehr wissen. Wir wollen die möglichen Risiken kennen und lernen, wie wir sie vermeiden oder mit ihnen umgehen können. Und genau hier setzt die vorliegende Broschüre an. Kompetente Fachleute erklären uns auf verständliche Art die Krankheiten und Infektionen, die vom Tier auf den Menschen übertragbar sind. Zoonosen heisst der Fachausdruck dafür. Bakterien, Viren, Prionen, Parasiten oder Pilze sind die möglichen Verursacher. Die Bekämpfung und Vermeidung dieser Krankheiten gehört ins Fachgebiet der «Veterinary Public Health». Dieser Begriff, für den es keine sinnvolle Übersetzung in die deutsche Sprache gibt, umfasst ein wesentliches Teilgebiet der Öffentlichen Gesundheit. Zum Bereich «Veterinary Public Health» gehören sämtliche Aktivitäten, Anstrengungen und Kenntnisse der Veterinärmedizin, die zur Sicherung, Förderung und Wiederherstellung der Gesundheit des Menschen dienen. Gerade die neue Definition der Weltgesundheitsorganisation WHO ist sehr umfassend. Sie bezieht sich nicht nur auf das physische Wohlbefinden, sondern geht weit darüber hinaus: auch die Rolle des Tieres, der Tiergesundheit und damit der Veterinärmedizin für das psychische und soziale Wohlbefinden des Menschen wird miteinbezogen. Gesunde Tiere – gesunde Menschen. Dieses Motto hat sich Vétérinaires Sans Frontières Suisse auf die Fahne geschrieben. Sie leisten mit ihrem beispiellosen Einsatz vor allem auch in den ärmeren Ländern unserer Welt hervorragende Dienste für die Gesundheit von Tier und Mensch. Dafür gebühren unseren Kolleginnen und Kollegen ebenso herzliche Glückwünsche wie für die Veröffentlichung des vorliegenden Ratgebers. Möge dieses Werk dazu beitragen, unser Wissen um einen wichtigen Aspekt der Mensch-Tier-Beziehung zu vergrössern. Risiken, über die wir genau Bescheid wissen, scheinen längst nicht mehr so gross. Das Wissen über den richtigen Umgang mit möglichen Ansteckungsgefahren hilft uns, unnötige Ängste abzubauen. 3 Zoonosen im Alltag einer Kleintierpraxis Dr. med. vet. Marina von AllmenBalmelli, Lausanne Der Alltag in unserer Kleintierpraxis zeigt, dass sich die Besitzer und Besitzerinnen von Kleintieren in der Regel kaum darum kümmern, ob die Krankheiten ihrer Lieblinge auch für sie selber ansteckend sein könnten. Es scheint beinahe, als lebten sie in der Überzeugung, dass nichts Schlechtes von ihren vierbeinigen Familienmitgliedern kommen könnte. Wahrscheinlich haben jene Leute, die sich über eine allfällige Ansteckungsgefahr am meisten Gedanken machen, ganz einfach keine Haustiere. Die Ängste der Menschen betreffen hauptsächlich Krankheiten, die von den Medien thematisiert werden. Sie sind es, die zum Thema Zoonosen die öffentliche Meinung beeinflussen, und nicht die Informationsblätter in den Tierarztpraxen. 4 Unter den allgemein bekannten Parasiten sind die Zecken die grössten Feinde unserer Klientel. Kein anderer Parasit wird so verbissen bekämpft. Die Produktpalette im Kampfeinsatz gegen diese "abscheulichen" Bewohnerinnen des Unterholzes reicht vom Antizecken-Halsband über die Zeckenpinzette bis zum Spray oder Spot-on Präparat. Zecken können verschiedene Krankheiten auf Tiere und Menschen übertragen. Zeckenbisse werden in den Medien stark thematisiert. Ihre Symptome reichen von einer starken Grippe bis zur Lungenentzündung, von einfachen Kopfschmerzen bis zur Gehirnhautentzündung und manchmal auch bis zu Todesfällen. Angst und Ausrottungswille dominieren beim Thema Zecken die Meinung der breiten Bevölkerung. Was unsere Kunden am wenigsten zu stören scheint, sind die Parasiten im Innern ihrer Tiere; zum Beispiel die Darmwürmer – jedenfalls solange sie nicht sichtbar sind. Oft wird die Tierärztin erst um Rat gefragt, wenn der Welpe oder das Kätzchen Würmer erbricht. Da die Entwurmung schon bei der ersten Impfung der Jungtiere empfohlen und durchgeführt wird, sind Fälle von massivem Wurmbefall – vor allem im städtischen Umfeld - immer seltener. Trotzdem sollten die HaustierhalterInnen über die möglichen Risiken, denen vor allem Kinder ausgesetzt sind, aufgeklärt werden. Dies ist recht schwierig, weil es viele Hundebesitzer begrüssen, von ihrem Hund abgeleckt zu werden. Das Thema Flöhe wird erst dann aktuell, wenn bereits ein massiver Befall vorhanden ist, und die TierbesitzerInnen ebenfalls von den Flöhen ihrer Tiere gestochen werden. Da jedoch die meisten Anti-Zecken Produkte auch gegen Flöhe wirksam sind, handelt es sich hier nicht um eine der Hauptsorgen unserer Kundschaft. Die Zoonose, über die es meiner Meinung nach am wichtigsten ist, die TierhalterInnen zu informieren, ist zweifellos die Toxoplasmose. Trotz der Fortschritte in den Erkenntnissen über diese Krankheit, existieren diesbezüglich leider noch viel zu viele Ungereimtheiten in den Köpfen zahlreicher Personen. Am traurigsten ist, dass auch heute noch viele Ärzte und Ärztinnen ihren schwangeren Patientinnen raten, sich wegen des Ansteckungsrisikos unverzüglich von ihrer Katze zu trennen! Ein vermehrter Wissensaustausch zwischen Tierärzten und Ärztinnen hat verschie- dentlich bereits zu einer optimalen Beratung der schwangeren Frauen geführt. Hautpilzerkrankungen sind eine weitere Zoonose, bei der die Meinungen der Human- und der Veterinärmedizin auseinandergehen. Selbstverständlich kann ein Hautpilz von einem Tier auf einen Menschen übertragen werden – und auch hier sind die Kinder am meisten gefährdet. Der umgekehrte Ansteckungsweg vom Mensch auf das Tier ist jedoch genau so möglich; und auch hier sei betont: Eine Hautpilzerkrankung beim Menschen ist kein Grund, sich seines Haustiers zu entledigen. Oft begegnen wir in der Alltagspraxis bei den TierhalterInnen oder ihren Kindern noch anderen Phänomenen. Zum Beispiel drei kleine rote Punkte auf Armen oder Beinen, die fürchterlich jucken und oft ohne Unterbruch gekratzt werden. Sie stammen vom Biss einer kleinen Milbe namens Cheyletiella, von der man sagt, sie beisse immer dreimal nacheinander; nämlich morgens, mittags und abends ... Auch Entenflöhe und Herbstgrasmilben sorgen häufig für juckende Hautveränderungen bei Mensch und Kleintier. Durch Ferienreisen mit Haustieren sind wir seit einiger Zeit zunehmend auch mit exotischen Zoonosen konfrontiert. Fotos: Dr. M. von Allmen Cheyletiella – «sie sticht stets 3mal: morgens, mittags und abends …» (Bild: Dr. Wieland Beck, LMU München) 5 Zoonosen beim Kleintier Hautpilzerkrankungen (Dermatomykosen) Immunsystem (z.B. TransplantationspatientInnen) sind am meisten gefährdet. Dr. med. vet. Verena Schärer, Kleintierklinik der Universität Bern Symptome beim Tier Typisch sind rundliche scharf begrenzte Flecken mit Rötung, vermehrter Schuppung und Haarausfall. Diese breiten sich langsam ringförmig aus, wobei das Zentrum des Fleckens mit der Zeit ausheilt, während der Rand mit Rötung, Bildung kleiner Knötchen und Haarausfall die aktive Wachstumszone des Pilzes anzeigt. Bei tiefer in die Haut reichender Infektion bilden sich fleckförmig verschiedenartige Schwellungen. Juckreiz fehlt meistens, kann jedoch im Verlauf der Erkrankung auftreten. Hautpilzerkrankungen können sich jedoch sehr unterschiedlich präsentieren. Diskrete Veränderungen mit stellenweise abgebrochenen Haaren, örtlichem Haarausfall oder Schuppung kommen bei der Katze nicht selten vor. Vor allem Katzen können symptomfreie, sogenannt latente Träger sein. Zusätzlich zum Pilzbefall können bakterielle Infektionen entstehen, was sich in intensiven Entzündungen äussert. Die Erreger sind bestimmte Pilze (Dermatophyten), welche die Haut von Tieren und Menschen infizieren können. Sie wachsen in den äusseren Hautschichten und Haarwurzeln und vermehren sich durch Bildung von Sporen. Einige Arten leben zudem im Boden. Die Sporen der Pilze verseuchen die Umgebung und bleiben dort bis zu eineinhalb Jahren infektionsfähig. Obschon einzelne Tierarten Hauptträger bestimmter Pilzarten sind, ist eine Übertragung auf andere Tierarten und auf den Menschen möglich. 6 Ansteckung Die Ansteckung erfolgt entweder durch direkten Kontakt mit einem erkrankten oder latent angesteckten Tier oder indirekt über Pflegeutensilien und Kontakt mit Decken, Polstern oder Transportbehältern. Durch Sporen gewisser Pilzarten im Boden ist eine Infektion durch Wühlen in sporenverseuchter Erde möglich; bei Hunden meist an der Schnauze. Die Neigung zu Hautpilzinfektionen ist unterschiedlich und hängt hauptsächlich von der lokalen Abwehrkraft des Hautmilieus und von der Funktion des gesamten Immunsystems ab. Hautpilz ist daher häufig bei Jungtieren zu finden. Es gibt ferner familiäre und rassebedingte Häufungen, beispielsweise bei Perserkatzen, wogegen bei Meerschweinchen vor allem die Haltungsbedingungen in Zuchten eine Rolle spielen. Kleinkinder sowie Erwachsene mit einem geschädigten oder medikamentös unterdrückten Foto: Dr. V. Schärer Generalisierte oberflächliche Dermatomykose (Microsporum canis) auf dem Bauch eines Laufhundes Wenn sich ein Hautpilz auf grossen Flächen ausbreitet, führt dies zu Kahlheit. Durch Kratzen und Lecken oder durch lokale Behandlungen, insbesondere mit kortisonhaltigen Präparaten, kann sich das Hautbild wandeln. Selbst wenn eine Hautveränderung für Pilzinfektion verdächtig ist, muss der diagnostische Nachweis erbracht werden, da es andere ähnliche aussehende Hautkrankheiten gibt. Einzig durch die mikroskopische Untersuchung von Haaren und abgeschabten Hautschuppen oder durch eine zwei bis dreiwöchige Pilzkultur kann der Pilz genau bestimmt werden. Alle Tiere, die mit dem erkrankten Tier in Kontakt sind, sollten auf jeden Fall untersucht werden. Symptome beim Menschen Die vom Tier übertragene Pilzinfektion zeigt sich auf der haarlosen Haut in kleinen geröteten, oft leicht schuppenden Flecken, die sich ebenfalls ringförmig ausbreiten. Manchmal ist nur eine kreisförmige, wallartige und eventuell von kleinen Knötchen durchsetzte Verletzung zu sehen. In der behaarten Haut können Haarausfall und verkrustete oder furunkelartige Hautstellen entstehen. Die pilzbefallenen Stellen können gelegentlich brennen, jucken oder schmerzen. Behandlung beim Tier Bei Hund und Katze ist das Ausmass der Pilzinfektion auf dem gesamten Körper wegen des dichten Felles meist schwierig abzuschätzen. Wegen der Körperhaltung beim Schlafen und der Körperpflege des Tieres ist mit einer Verteilung von Pilzsporen auf den gesamten Körper zu rechnen. Daher muss in jedem Fall eine Behandlung des ganzen Körpers – und nicht nur von vereinzelten sichtbaren Hautveränderungen – erfolgen. Pilzbekämpfende Badebehandlungen (z.B. mit Imaverol®) können Linderung verschaffen. Vorausgesetzt, dass das Ablecken des Medikamentes verhindert werden kann, können die sichtbaren Hautveränderungen zusätzlich täglich lokal behandelt werden. Um den Heilverlauf besser zu verfolgen, wird bei lang- haarigen Hunden und Katzen eine Kurzschur empfohlen. Bei schwerwiegenden Fällen ist eine Behandlung mit Tabletten notwendig. Die Behandlung muss bis zur sicheren Abheilung fortgesetzt werden (mind. sechs Wochen) und mit periodischen mikroskopischen Untersuchungen von Hautproben kontrolliert werden. So lassen sich auch allfällige Nebenwirkungen Hautpilz auf der Stirn einer 17-jährigen Tierarzthelferin (Foto: Dr. Wieland Beck, LMU München) der eingesetzten Medikamente erkennen. Wird die Behandlung zu früh beendet, führt dies meistens zu hartnäckigen Rückfällen und fördert die Resistenz der Pilze gegen die Medikamente. Stärkung des Immunsystems, Vermeidung von Stress sowie gute Hygiene sind für die Abheilung wesentlich. Die Umgebung des befallenen Tieres muss möglichst sauber gehalten werden, indem die Liegeplätze mit gut waschbaren und täglich zu wechselnden Tüchern bedeckt werden. In Tiergruppen müssen alle infizierten Tiere therapiert und auch die gesunden einer Badebehandlung unterzogen werden. Impfungen gegen Pilzinfektionen wirken unterschiedlich, können jedoch zur Vorbeugung in Betracht gezogen werden. Die kranken Tiere müssen von den gesunden abgesondert werden. Kleinkinder und Risikopersonen sollten den Kontakt mit ange- 7 steckten Tieren möglichst vermeiden. Wer die Tiere betreut, sollte Schutzkleider tragen, nach jedem Kontakt die Hände waschen und Pflegeutensilien nicht für mehrere Tiere benützen. Transportbehälter, Körbchen oder Zwinger müssen mit einem gegen Pilzsporen wirksamen Desinfektionsmittel gereinigt werden. Behandlung beim Menschen Die Bekämpfung von Hautpilzinfektionen besteht in erster Linie aus lokaler Anwendung von pilzbekämpfenden Präparaten in Form von Lösungen, Cremen oder Salben. In hartnäckigen und schweren Fällen kann die Einnahme von speziellen Medikamenten weiter helfen. Die Therapie muss von hygienischen Massnahmen begleitet werden, die ebenfalls bis zur sicheren Abheilung weitergeführt werden müssen. Vorkommen Hautpilze bei Mensch und Tier kommen überall vor, und viele Arten sind auf der ganzen Welt verbreitet. 8 Flöhe bei Hund und Katze Prof. Dr. Bruno Gottstein, Institut für Parasitologie der Universität Bern Flöhe sind seitlich abgeplattete,3–8 mm lange Insekten mit sehr typischem, flügellosem Aussehen. Das grosse, dritte Beinpaar dient als Sprungbein. Am Kopf oder am Körper befinden sich die Stachelkämme (Ctenidien). Die häufigste Flohart sowohl beim Hund als auch bei der Katze ist der Katzenfloh (Ctenocephalides felis). Ansteckungswege Flöhe sind Parasiten, die sich nur zeitweise auf ihrem Wirt aufhalten, und dies nur im erwachsenen Stadium. Die verschiedenen anderen Entwicklungsstadien findet man in der Regel in den Lagerstätten oder Nestern der Tiere. Floharten des Hundes, der Katze, des Igels sowie von Hühner- und anderen Vogelarten können auf den Menschen und andere Wirte übergehen und dort Blut saugen. Flohweibchen legen zahlreiche weissliche, ovale Eier auf dem Tier ab. Diese fallen später ab und werden so in der Umgebung des Wirtes, insbesondere aber in den Lagerstätten (z.B. Hunde- oder Katzenkorb), verstreut. Nach etwa 4 -12 Tagen schlüpfen kleine, madenähnliche Larven, die sich vor allem vom Kot der erwachsenen Flöhe, der unverdautes Blut enthält, ernähren. Nach mehreren Larvenhäutungen kommt es zur Verpuppung in einem Kokon. Danach schlüpft nach einigen Tagen bis Wochen der erwachsene Floh aus. Er kann zwischen einigen Monaten bis über zwei Jahre alt werden. Krankheit beim Tier Flöhe werden hauptsächlich durch ihre Stiche und durch Blutsaugen zur Plage. Es entsteht dabei lästiger Juckreiz bei punktförmigen, runden Entzündungsherden; auch Kratzwunden gehören dazu. Besonders unangenehm sind die gelegentlich auftauchenden schweren Hautallergien. Flöhe spielen auch eine Rolle als Überträger des Hundebandwurms (Dipylidium caninum). Krankheit beim Menschen Der Flohstich beim Menschen, der meistens vom Katzenfloh herrührt, kann sich auf verschienene Weise äussern. Punktförmige, juckende Stichstellen treten praktisch immer in Serie auf, häufig gruppiert und linear ausgerichtet. Betroffen sind vor allem Beine und Arme, aber auch das Gesicht, der Hals, der Nacken, die Hüften und die Schultern. Als weitere Hautprobleme treten grosse Pusteln auf, die als Spätreaktion auf den Flohstich gelten. Es gibt Menschen, die für Flöhe besonders attraktiv sind. So werden beispielsweise Frauen häufiger von Flöhen befallen als Männer. Flohbekämpfung bei Hund und Katze Die direkte Flohbekämpfung am Tier sollte immer mit einer Behandlung der Umgebung kombiniert werden. Der Flohbefall der Tiere kann verschieden bekämpft werden: Zum Beispiel durch Anlegen von Insektizid-Halsbändern (Schutzwirkung etwa 3-7 Monate); Aufsprayen von Insektiziden, Puder oder Shampoo; Behandlung mit flüssigen Insektiziden (je nach Wirkstoff 1 x alle 4 Wochen während der Flohsaison, oder alle 2 - 3 Monate) oder durch regelmässiges Auftragen von speziellen Wachstumsregulatoren. Bei starkem Flohbefall ist zu Beginn auch eine Behandlung der Umgebung ratsam. Zur Flohbekämpfung in der Umgebung eignen sich nebst wirksamen Insektizid-Sprays auch Wachstumsregulatoren. Die Lagerstätten der Tiere und deren Umgebung, wie Unterseite von Teppichen, Bodenritzen, Kissen im Lager der Tiere, Polstermöbel, Liegeplatz im Auto, etc. müssen miteinbezogen werden. Auch mit Staubsaugen kann ein erheblicher Anteil der Flöhe in verschiedenen Entwicklungsstadien entfernt werden. Erwachsener Katzenfloh (Ctenocephalides felis). Typisch sind die gleichmässig langen dunklen Borsten des Wangenkamms. Foto: Prof. B. Gottstein Foto: Dr. Wieland Beck, LMU München Die häufigste Flohart bei Katzen und Hunden ist der Katzenfloh. 9 Spulwurm Prof. Dr. Bruno Gottstein Auf der ganzen Welt sind Hunde und Katzen, besonders Jungtiere, häufig mit Spulwürmern der Gattung Toxocara befallen. Sie leben im Dünndarm des Tieres, das mit seinem Kot gewöhnlich grosse Mengen von Spulwurmeiern ausscheidet. Diese Eier werden nach ungefähr zwei bis vier Wochen infektionstüchtig – und zwar nicht nur für ihre Endwirte (Hunde und Katzen), sondern ebenfalls für den Menschen, bei dem sie die sogenannte Toxokarose (oder "Larva migrans visceralis") verursachen können. Ansteckungswege beim Tier Beim Hund erfolgt die Infektion normalerweise bereits vor der Geburt. Das Muttertier reaktiviert die Spulwurmlarven, die in ihrem Körper schlafen und danach durch die Plazenta auf den noch ungeborenen Hund übertragen werden. Nach der Geburt wandern die Larven – nach einer ausgedehnten Körperwanderung – in den Darm des Welpen ein. Die Welpen beginnen bereits drei Wochen nach Geburt Spulwurmeier auszuscheiden, die nach zwei bis vier Wochen ansteckend sind. Hunde können sich aber auch über Muttermilch und über infektiöse Eier aus der Umwelt infizieren. Ausser der Ansteckung vor der Geburt, sind bei der Katze die Infektionswege die gleichen. 10 Ansteckungswege beim Menschen Die Ansteckung des Menschen erfolgt ausschliesslich durch Schlucken infektionstüchtiger Eier. Kinder, die engen Kontakt mit Hunden und Katzen pflegen, sind besonders gefährdet. Die Spulwurmeier können am Fell der Tiere oder an Gegenständen haften, in den Boden oder auf pflanzliche Nahrungsmittel gelangen. Bei einer Infektion dringen Wurmlarven in die Darmwand ein und gelangen mit dem Blut in Organe wie Leber, Lunge, Zentralnervensystem, Augen und Körpermuskulatur. Die Larven können im betroffenen Organ umherwandern. Folgen davon sind Blutungen, Gewebszerstörungen sowie Entzündungen. Sowohl beim Hund als auch beim Menschen können die Larven jahrelang am Leben bleiben. Foto: Dr. Wieland Beck, LMU München Yorkshire Terrier Welpe Foto: Prof. B. Gottstein "Toxocara canis" Spulwürmer aus dem Dünndarm eines Welpen. Solche Würmer werden gelegentlich von den Besitzern auch direkt im Kot der Tiere gefunden. Die Würmer sollten einem Tierarzt oder einer Tierärztin zur Identifizierung vorgelegt werden. Krankheit beim Tier Welpen oder junge Katzen, die mit sehr vielen Spulwürmern infiziert sind, zeigen allgemeine Entwicklungsstörungen, Blutarmut, Husten sowie gelegentlich Erbrechen. Der Bauch ist gebläht und druckempfindlich. Eine Entzündung des Verdauungsapparates, sowie Entzündungsknötchen in diversen Geweben oder Organen können ebenfalls auftreten. Krankheit beim Menschen Fast alle Toxokarose-Patienten weisen nebst Zellveränderungen (Eosinophilie) eine vergrösserte Leber auf. In einigen Fällen treten kurze Fieberphasen, milde Verdauungsstörungen, asthmatische Attacken und andere Lungenprobleme, sowie nesselfiebrige Hautveränderungen auf. Augenbefall führt zu entsprechenden Sehstörungen. Es konnten auch schon zentralnervöse Störungen mit Lähmungserscheinungen oder epilepsieähnlichen Anfällen beobachtet werden. Meistens verläuft aber die Infektion ohne oder mit nur geringen Symptomen. Behandlung beim Tier Welpen sollten zum ersten mal im Alter von 14 Tagen, darauf in der 4., 8. und 12. Lebenswoche und anschliessend 1-2 x pro Jahr entwurmt werden. Auch die Entwurmung des Muttertieres zwei Wochen nach Geburt gehört unbedingt dazu. Dasselbe Entwurmungsschema kann auch für Katzen eingesetzt werden. Behandlung beim Menschen In erster Linie sollte dem Wurmbefall bei Hunden und Katzen – besonders bei Jungtieren – vorgebeugt werden. Vor allem Kinderspielplätze und Sportareale sollten von der Verschmutzung mit Kot von Hunden, Katzen und Füchsen gereinigt werden. Behandlungen mit Albendazol (Zentel) sind auf bestimmte Fälle zu beschränken. Fuchsbandwurm Prof. Dr. Bruno Gottstein In Mitteleuropa und somit auch in der Schweiz kommt aus der Gattung der kleinen Bandwürmer (Echinococcus) vor allem der sogenannte "gefährliche kleine Fuchsbandwurm" (Echinococcus multilocularis) vor. Diese Art von Fuchsbandwurm existiert nur auf der nördlichen Hemisphäre, wobei nebst Mitteleuropa (vorwiegend Schweiz, Deutschland, Frankreich und Österreich) folgende wichtige Verbreitungsgebiete bekannt sind: Subarktische Regionen von Kanada und Alaska sowie einige Staaten der USA; in Asien das ganze Tundragebiet vom Weissen Meer bis zur Beringstrasse, nördliches China und Japan. Der Parasit ist für den Menschen ansteckend und kann eine erhebliche Gesundheitsgefährdung darstellen. Ansteckungswege Erwachsene Bandwürmer leben im Dünndarm von Fleischfressern, wobei hauptsächlich der Rotfuchs als Endwirt betroffen wird, aber auch Hunde und Katzen. Nach neueren Untersuchungen in der Schweiz sind rund 30% der Füchse befallen. Nebst dem Rotfuchs spielt auch der Polarfuchs eine wesentliche Rolle als Endwirt. Mit dem Kot von Endwirten gelangen eihaltige Bandwurmglieder oder Bandwurmeier in die Aussenwelt. Hauptsächlich Scher- und Feldmäuse sind Zwischenwirte, aber auch der Mensch kann sich auf dieselbe Art anstecken (die Krankheit heisst "alveoläre Echinoikokkose", kurz AE). Durch Schlucken von Parasiteneiern in der Nahrung oder im Wasser gelangen die Parasiten vom Verdauungsapparat in die Leber, wo 11 sie sich zu reifen sogenannten Finnen (Metazestoden) entwickeln. Nehmen Endwirte (z.B. ein Hund) solche Finnen auf – beispielsweise durch Fressen infizierter Mäuse - dann entwickeln sich innerhalb einiger Wochen eierproduzierende erwachsene Bandwürmer. Die Zeit zwischen Infektion und Eiausscheidung beim Hund oder Fuchs beträgt vier Wochen. Foto: Mag. rer. nat. Jens Laass, KORA Foto: Prof. B. Gottstein 12 Rasterelektronenmikroskopische Aufnahme eines Bandwurmkopfes des "gefährlichen kleinen Fuchsbandwurms" (Echinococcus multilocularis). Die vier Saugnäpfe und der Hakenkranz dienen zur Verankerung des Bandwurmes an der Dünndarmwand z.B. eines Fuchses oder eines Hundes. Krankheit beim Tier Fuchs, Hund und Katze erkranken bei einer Ansteckung als Endwirt nicht. Da die häufigsten Zwischenwirte (Mäuse) keine veterinär-klinische Bedeutung besitzen, soll diese Erkrankungsform hier nicht weiter erklärt werden. Behandlung beim Tier Bei Hunden und Katzen lässt sich der Fuchsbandwurmbefall durch den Nachweis der im Kot ausgeschiedenen Parasiten feststellen. Obwohl Behandlungen mit Praziquantel (Droncit®) oder Epsiprantel sehr gut wirken, sollte die Behandlung sicherheitshalber nach einigen Tagen wiederholt werden. Die Therapie muss unter hygienischen Vorsichtsmassnahmen vorgenommen werden, da Droncit® die Eier des Fuchsbandwurms nicht abtötet. Leider ist es manchmal unumgänglich, befallene Tiere einzuschläfern. Vorbeugen ist schwierig; beim Umgang mit Füchsen ist jedoch generell Vorsicht geboten und es sollten Plastikhandschuhe angelegt werden. Durch Erhitzen (Kerntemperaturen ab 800C) oder Tiefgefrieren bei -800C können Eier in verseuchten Nahrungsmitteln abgetötet werden. In stark befallenen Gebieten kann eine Eiausscheidung bei Hunden und Katzen, die Mäuse fressen, durch eine therapeutische Praziquantel-Dosierung, die alle 28 Tage zu verabreichen ist, verhindert werden. In neuester Zeit werden in Mitteleuropa gelegentlich Fälle von AE (Zwischenwirtsstadium) beim Hund oder anderen Hausund Zootieren diagnostiziert; beispielsweise bei freigehaltenen Schweinen, Affen und anderen Zootieren. Dies zeigt, dass die Verbreitung von FuchsbandwurmEiern in der Umwelt zugenommen hat. Die Behandlung erfolgt wie unten beschrieben beim Menschen. Krankheit beim Menschen Beim Menschen entwickelt sich der Parasit zuerst immer in der Leber (AE = alveoläre Echinokokkose der Leber). Es bildet sich ein tumorähnlich wachsendes Parasitengewebe, mit gelegentlichen Ablegern in Lunge, Niere, Zentralnervensystem und anderswo. Die Zeitspanne zwischen Infektion und Auftreten der ersten Symptome beträgt durchschnittlich 10-15 Jahre. In der Schweiz werden jedes Jahr ungefähr 8-10 neue Fälle von AE erfasst. Früher führte die unbehandelte AE bei 90% der PatientInnen innerhalb von 10 Jahren zum Tod. Dank neuer Diagnose- und Therapieverfahren beträgt die 10-Jahres-Überlebensrate heute über 90%. Aufgrund neuerer Forschungsergebnisse wissen wir heute auch, dass nicht alle angesteckten Personen sich zu AE-PatientInnen entwickeln. Ein Teil der Bevölkerung scheint gegenüber der AE-Erkrankung resistent zu sein. Behandlung beim Menschen Die AE des Menschen wird mit Sonographie, Computertomographie und/oder Kernspinresonanz sowie durch den Serumantikörpernachweis diagnostiziert (Em2-ELISA oder Em2plus-ELISA). Als einzige vollständig heilende Behandlung gilt die vollständige operative Entfernung des Parasiten. Eine regelmässige Chemotherapie (Albendazol oder Mebendazol) erzielt gute Teilerfolge und wird bei allen AE-Patienten während mindestens zwei Jahren durchgeführt. Zecken und zeckenübertragene Krankheiten Dr. med. vet. Jakob Zinsstag, Schweiz. Tropeninstitut, Basel Zecken befallen Tiere und Menschen Wenn wir an Zecken denken, kommt uns meist der letzte Waldspaziergang in den Sinn, von dem wir, unsere Kinder oder unser Hund mit einer Zecke auf der Haut heimkehren. Nach einer sachgerechten Entfernung ist die Sache meist erledigt. Beunruhigt sind wir aber, wenn der Zekkenkopf in der Haut bleibt oder wenn sich die Haut um den Zekkenstich herum rötet. Zecken sind Spinnentiere (Arachnida). Von den weltweit über 800 Arten ist in Mitteleuropa vor allem der gemeine Holzbock (Ixodes ricinus) von Bedeutung. Diese Art durchläuft in ihrer Entwicklung mehrere Stadien vom Ei über die Larve (Durchmesser 0.5 mm), die Nymphe (1.5 mm) bis zur ausgewachsenen Zecke (3 – 10 mm). Zwischen jedem Entwicklungsstadium benötigen sie eine Blutmahlzeit. Dafür warten Zecken auf Gräsern oder im Gebüsch, bis ein Tier oder ein Mensch vorbei kommt. Sie lassen sich ganz einfach fallen oder werden abgestreift. Durch einen Stechapparat mit Widerhaken saugen sie das Wirtsblut ein, wobei das aufgenommene Blut ihr Eigengewicht um ein Mehrfaches übersteigen kann. Zecken sind nicht nur unangenehm, sie können auch Krankheiten auf Tier und Mensch übertragen. Beim Menschen in Mitteleuropa sind dies vor allem die Lyme-Borreliose und die FrühsommerMeningoenzephalitis (FSME). 13 Lyme-Borreliose (benannt nach der Stadt Lyme in den USA) Die Lyme-Borreliose ist eine Infektionskrankheit bei Mensch und Tier, die durch eine Bakterienart (Spirochäten) verursacht wird. Der Erreger wird nach dem Schweizer Entdecker Willy Burgdorfer "Borrelia burgdorferi sensu lato" bezeichnet. Durch einen Stich einer infizierten Zecke wird die Krankheit übertragen, wobei das Ansteckungsrisiko in den ersten Stunden sehr klein ist. Es ist daher sehr wichtig, die Zecke rasch zu entfernen. Der Erreger verursacht bei der Mehrzahl der PatientInnen um die Stichstelle eine starke Rötung (erstes Krankheitsstadium). Diese Rötung dehnt sich aus und wird innen blasser. Gelegentlich treten Fieber und Lymphknotenschwellung auf. Im zweiten Stadium breiten sich die Erreger über das Blut weiter aus und führen zu meist kurzzeitigen Muskel-, Gelenk- und Kopfschmerzen, begleitet von Müdigkeit und Schwäche. Über Wochen und Monate hinaus entwickeln sich Lymphknotenschwellung, Hirnhautentzündung, Nervenlähmungen und Herzstörungen. In der späten dritten Phase (nach zwei bis drei Jahren) treten Gelenks- und Hautentzündungen in den Vordergrund, die in Europa selten sind. Zentralnervöse Störungen verschiedenster Art können aber weiter bestehen. 14 Die Frühform der Krankheit kann gut mit Antibiotika behandelt werden (Doxycyclin, Amoxicillin). Bei spezifischen Organformen werden andere Antibiotika verwendet (Ceftriaxon). Oft müssen die Behandlungen wegen Rückfällen wiederholt werden. Durch das Tragen hoher Schuhe (Gummistiefeln) und geschlossener Kleidung kann Zeckenbissen vorgebeugt werden. Insektizid-imprägnierte Kleidung kann zusätzlichen Schutz bieten. Nach der Rückkehr aus zeckenreichen Orten sollte der Körper gründlich nach Zecken abgesucht werden. Vorsicht: anfangs sind Zecken nur stecknadelgross und werden leicht übersehen. Gegen die weltweit verbreitete Lyme-Borreliose existiert in den USA eine Impfung, an deren Entwicklung Forscher des Zoologischen Instituts der Universität Neuchâtel mitbeteiligt waren. In Europa ist noch keine Impfung verfügbar. Zeckenenzephalitis (FSME) - Schweiz Verbreitung der Endemiegebiete (Naturherde) BAG: Stand Januar 2002 Aargau: Birr/Brugg/Würenlingen, Baden/Wettingen, Koblenz/Döttingen/Zurzach, Rheinfelden/Möhlin/Wallbach, Schöftland/ Muhen/Gränichen Bern: Belp, Erlenbach i.S., Gampelen, Grosses Moos, Lyss, Steffisburg, Thun-Spiez Graubünden: Fläsch/Luziensteig, Grüsch/Seewis Luzern: Dagmersellen/Nebikon/Egolzwil (Santenberg) Schaffhausen: Hallau, Osterfingen, Neuhausen/ Beringen/Schaffhausen, Stein am Rhein Solothurn: Bellach/Lommiswil/Langendorf St. Gallen: Mels/Sargans/Vilters, Wagen/Jona/Rüti, Mörschwil Thurgau: Aadorf, Affeltrangen/Oppikon/Friltschen, Diessenhofen/Basadingen, Ermatingen, Frauenfeld, Stettfurt/Weingarten/ Thundorf, Weinfelden, Warth/ Weiningen/Herdern/Nussbaumen Zug: Steinhausen Zürich: Andelfingen, Bülach, Effretikon/ Bassersdorf, Eglisau, Ellikon a.R./ Rheinau, Flaach, Horgen, Kloten, Neerach/Bachs, Opfikon/Wallisellen/Dübendorf, Ossingen, Rüti/Jona/Wagen, Schottikon/ Zünikon/Elgg, Sihltal, Stammheim, Thalwil, Unteres Glattal, Uster/Greifensee, Region Winterthur Fürstentum Liechtenstein: Vaduz Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) Die Frühsommer-Meningoenzephalitis wird durch ein Virus (Flavivirus) verursacht. Sie kommt in Europa beim Menschen sowie bei Wild-, Nutz- und Haustieren vor. Das Virus kann Igel, Vögel und Fledermäuse befallen, ohne eine Krankheit hervorzurufen. Solche Tiere sind Reservoire für die Krankheit, an denen sich eine Zecke infizieren und das Virus dann weitergeben kann. Die FSME wird meist im Frühjahr (daher der Name) und Herbst übertragen. Nur in Orten mit einem bestimmten Durchseuchungsgrad ist eine Ansteckung wahrscheinlich; solche Regionen sind bekannt . Zecken sind nicht nur Überträger (Vektoren) der FSME, sondern selbst auch Reservoire. Nach dem Stich einer infizierten Zecke bis zu ersten Krankheitsanzeichen dauert es rund ein bis zwei Wochen. In vielen Fällen verläuft die FSME mild, das heisst grippeähnlich mit Fieber und Gliederschmerzen, aber ohne zentralnervöse Symptome. Bei den seltenen schweren Fällen folgt nach diesen ersten Zeichen eine vorübergehende Besserung. Dann kommt es aber zu hohem Fieber und zur Hirnhautentzündung. Obwohl nach 2 – 14 Tagen meist eine vollständige Abheilung erfolgt, können Nervenschädigungen über längere Zeit weiter bestehen. Etwa ein Prozent der Erkrankten stirbt an den Folgen einer Entzündung des Gehirns. Gegen FSME gibt es keine spezifischen Medikamente. Die Behandlung richtet sich nach den Symptomen, wichtig ist eine ausreichend lange Bettruhe. Zur Vorbeugung sollten hohe Schuhe (Gummistiefel) und gut abschliessende Kleider getragen werden. Die aktive Schutzimpfung wird allen Personen empfohlen, die sich beruflich oder in ihrer Freizeit häufig in der Natur der bekannten Gebiete aufhalten (siehe Seite 14). Nach der Impfung können Nerven- störungen vorkommen. Bei Kindern unter sechs Jahren wird die Impfung nicht empfohlen. Es gibt noch weitere zeckenübertragene Krankheiten in Mitteleuropa, die aber selten auftreten. Tipps zum Entfernen von Zecken Die rasche Entfernung von Zecken kann eine mögliche Borreliose, hingegen kaum eine FSME verhindern. Beträufeln Sie eine Zecke nicht mit Öl oder anderen Flüssigkeiten und quetschen Sie Zecken nie. Benutzen Sie eine feine Pinzette (z.B. Zeckenpinzette) und fassen Sie die Zecke möglichst dicht über der Haut. Ziehen Sie mässig mit leichten Drehungen, ohne den Kopf der Zecke abzureissen. Wichtig: Wenn Sie unsicher sind, suchen Sie eine Ärztin oder einen Arzt auf. Zecken und zeckenübertragene Krankheiten bei Nutztieren Zecken und zeckenübertragene Krankheiten spielen eine grosse Rolle in der Nutztierhaltung, vor allem in den Tropen. So sind zum Beispiel weite Teile Ostafrikas mit einer Zeckenart verseucht, die das wirtschaftlich bedeutende Ostküstenfieber beim Rind überträgt. Der einzellige Erreger dieser Krankheit (Theileria parva) ist nach dem aus Frick stammenden und in Südafrika berühmt gewordenen Schweizer Tierarzt Arnold Theiler benannt. Eine weitere Krankheit ist die Babesiose, die beim Wirtstier zu Fieber, Gelbsucht und rotem Harn führt. Die Babesiose des Rindes kommt auch in der Schweiz vor (z. B. Clos du Doubs), ebenso das von Zecken übertragene Weidefieber des Rindes (Ehrlichiose). Ebenfalls von Zecken übertragen wird das sogenannte Q-fever, das beim Tier Aborte verursacht und auch in der Milch ausgeschieden wird. Im Tschad besteht ein Zusammenhang zwischen der Häufigkeit des Q-fevers beim Menschen und bei Kamelen sowie kleinen Wiederkäuern. In 15 der Elfenbeinküste untersuchen wir gegenwärtig zusammen mit einheimischen Kolleginnen und Kollegen, welche Rolle die Cowdriose, eine weitere zeckenübertragene Krankheit, auf die Sterblichkeit der Kälber hat. Es gibt viele weitere Krankheiten, welche die Viehzucht zum Teil fast Zecke auf einem Hund (Rhipicephalus sanguineus) Toxoplasmose Prof. Dr. med. vet. Kurt Pfister, Institut für Vergleichende Tropenmedizin und Parasitologie der Ludwig-Maximilians-Universität, München Die Toxoplasmose ist eine Erkrankung, die durch einen einzelligen Parasiten namens "Toxoplasma gondii" hervorgerufen wird. Er ist bei Hund und Katze häuFoto: Olivier Peter fig. Doch während der Hund nur einer Zecken bei der Paarung. von zahlreichen Zwischenwirten Beim grösseren Weibist, stellt die Katze unter den Hauschen sind der Stecktieren den einzigen Endwirt dar. apparat und die Beine deutlich erkennbar. (Rhipicephalus sanugineus; Foto: Sammlung Schweiz. Tropeninstitut, Basel) 16 verunmöglichen. In den betroffenen, meist tropischen Ländern können die Zecken nur durch regelmässige, teure und ökologisch bedenkliche Akarizid-Behandlungen in Schach gehalten werden. Zwar werden einige einheimische Rinderrassen (z. B. das N’Dama Rind in Westafrika) weniger von Zecken befallen und sind auch weniger anfällig auf zeckenübertragene Krankheiten; sie geben aber auch mehr als zehnmal weniger Milch als eine Kuh bei uns. Die in vielen Ländern des Südens dringend notwendige Erhöhung der Milch- und Fleischproduktion stellt die Viehhaltung vor die grosse Herausforderung, möglichst kostengünstig und schadstoffarm genügend Nahrungsmittel herzustellen. Hier kann Vétérinaires Sans Frontières einen wichtigen Beitrag leisten. Toxoplasmose-Infektion bei der Katze Katzen steckten sich meist durch Fressen von zystenhaltigem Fleisch an. Hauptansteckungsquellen sind rohes Schweine-, Schaf- oder Ziegenfleisch. Rindfleisch ist erfahrungsgemäss frei von ToxoplasmaZysten. Freilaufende Katzen können auch über Mäuse angesteckt werden. Untersuchungen haben gezeigt, dass wildlebende Nager in stadtnahen Wäldern und auf Höfen oft befallen sind. Vom Dünndarm der Katze aus durchläuft der Erreger mehrere Entwicklungsstadien. Ab dem dritten Tag nach der Infektion bildet "Toxoplasma gondii" Entwicklungsstadien, sogenannte "Oozysten", die mit dem Kot ausgeschieden werden. Nach etwa zwei bis vier Tagen in der Aussenwelt sind diese auch für den Menschen ansteckend; zum Beispiel durch eine nicht ordentlich entleerte und gesäuberte Katzentoilette. Häufigkeit der Toxoplasmose Verschiedene Studien in Mitteleuropa haben gezeigt, dass nur in circa 1% von Katzenkotproben Toxoplasma-Zysten zu finden waren, obwohl über 50% der Katzen angesteckt sind. Demnach kann das Ansteckungsrisiko des Menschen als relativ gering eingeschätzt werden. Symptome beim Menschen – Toxoplasmose und Schwangerschaft Sollte sich ein Katzenbesitzer oder eine Katzenbesitzerin mit "Toxoplasma gondii" anstecken, treten in der Regel überhaupt keine Symptome auf. Die Infektion verläuft beim Menschen meist unbemerkt. Nur ausnahmsweise kann auch ein grippeähnliches Bild, zum Teil mit Fieberschüben auftreten. Man kann davon ausgehen, dass über die Hälfte Menschen in Europa bereits eine Toxoplasma-Infektion durchgemacht haben (Antikörpernachweis). Ernsthafte gesundheitliche Gefahren gehen von einer Toxoplasmose jedoch dann aus, wenn sich eine Frau während ihrer Schwangerschaft erstmalig angesteckt hat. In diesem Fall kann es zu erheblichen Schädigungen des Ungeborenen kommen. Ein Bluttest auf Toxoplasma-Antikörper bei der Frauenärztin gibt Aufschluss darüber, ob die Patientin mit dem Erreger bereits in Kontakt gekommen ist und inwieweit eine Infektionsgefährdung bis zur Geburt des Kindes vorliegt. Ansteckung Tier - Mensch Die meisten Menschen stecken sich mit Toxoplasmose-Erregern durch den Verzehr von zystenhaltigem Fleisch an; gemeint ist besonders rohes oder nicht vollständig durchgegartes Schweine-, eventuell auch Schaf- oder Ziegenfleisch. Tatar vom Rind enthält dagegen so gut wie keine Toxoplasmen. Ansteckung Katze – Mensch Unter den Haustieren kann diese Krankheit nur von der Katze übertragen werden. Hunde, Kaninchen, Meerschweinchen, Hamster und andere können sich zwar mit "Toxoplasma gondii" infizieren, eine Ansteckung durch Berührung mit ihnen ist aber nicht möglich. Bei Kontakt mit Katzenkot dagegen – beispielsweise beim Reinigen der Katzentoilette – kann es zu einer Ansteckung des Menschen kommen. Auch können "Oozysten" (Erreger) im Fell der Katze eine Ansteckungsquelle darstellen. Da die Erreger auch in der Aussenwelt überlebensfähig sind, kann gelegentlich auch eine Ansteckung bei der Gartenarbeit erfolgen. Die Erreger können im Boden über ein Jahr ansteckend bleiben, wo Katzen ihren Kot in lockerer Erde oder im Sand – oft auch in Gemüsebeeten, vergraben. Auch ungewaschenes Obst und Gemüse aus dem Garten kann deshalb mit Toxoplasmen verunreinigt sein. Nicht der Umgang mit der Katze ist für Schwangere gefährlich, sondern der Kontakt mit Katzenkot. Schutzmassnahmen für den Menschen Es ist grundsätzlich nicht nötig, Ihre Katze abzuschaffen oder sich über einen längeren Zeitraum von ihr fernzuhalten. Die häufigste Ansteckungsquelle besteht im Genuss von rohem oder unzureichend erhitztem Fleisch, daher sollte auf nicht genügend gegartes Fleisch verzichtet werden. Die Toxoplasma-Zysten bleiben im Fleisch unter Kühlschrankbedingungen (+50C) drei Wochen lang lebensfähig. Nur beim Kochen und Braten werden alle Parasitenstadien abgetötet. Schutzmassnahmen vor Toxoplasmose beim Umgang mit der Katze Bei Gartenarbeiten oder beim Säubern der Katzentoilette können "Oozysten" an den 17 Händen hängen bleiben. Deshalb sollte die Reinigung der Katzentoilette täglich mit heissem Wasser (wenigstens 70°C) und Haushalthandschuhen erfolgen. Schwangere Frauen sollten diese Arbeit nicht verrichten. Auch nach Gartenarbeiten sollte man sich stets gründlich die Hände waschen. Eine Toxoplasma-Ansteckung durch Dosenfutter ist ausgeschlossen. Die "Mäusefängerinnen" unter den Katzen besitzen immer eine relativ hohe Ansteckungsrate. Durch die angesprochenen Vorsichtsmassnahmen kann das Ansteckungsrisiko zwar nicht ausgeschlossen, aber immerhin drastisch reduziert werden. Übertriebene Ängstlichkeit ist nicht angebracht. Maus Oozyste rohes Fleisch Bild: Prof. K. Pfister, LMU München Lebenszyklus von "Toxoplasma gondii" 18 Tollwut bei Tier und Mensch PD Dr. med. vet. Reto Zanoni und Dr. phil. nat. Urs Breitenmoser, Schweizerische Tollwutzentrale, Institut für Veterinär-Virologie, Bern Die Tollwut ist eine durch ein Virus verursachte Krankheit mit fast ausnahmslos tödlichem Verlauf, an der alle Säugetiere und auch der Mensch erkranken können. Das Virus wird im Speichel erkrankter Tiere ausgeschieden und meistens durch Biss übertragen. Über die Nervenbahnen gelangt es zum Gehirn des neuen Opfers, wo es die Erkrankung auslöst. Die Tollwut ist eine seit dem Altertum bekannte, auf den Menschen übertragbare Infektionskrankheit von Tieren. Der älteste heute bekannte Hinweis auf Hunde-Tollwut oder "urbane Tollwut” stammt aus Mesopotamien und datiert aus dem 23. Jahrhundert vor Christus. Schon damals wurde der Hund als gefährlichster Verbreiter der Tollwut erkannt. Erst im 19. Jahrhundert erfand Louis Pasteur die Tollwutimpfung für Mensch und Tier. Bei uns war der Fuchs der Hauptüberträger einer weiteren Form der Tollwut, der "silvatischen Tollwut”. Der europäische Fuchs-Tollwut-Seuchenzug im 20. Jahrhundert, der die Schweiz 1967 erreichte, nahm 1939 an der polnischen Ostgrenze seinen Ursprung. Er kam in den späten 1980er Jahren im nordöstlichen Teil Frankreichs und in Norditalien zum Stillstand. In Europa wie in allen andern Kontinenten wird auch eine Tollwutform bei Fledermäusen beobachtet. Weltweite Verbreitung der Tollwut Die silvatische Tollwut ist in Europa, Nordasien und Nordamerika vorherrschend. In Europa und Nordasien ist der Fuchs Hauptüberträger, während in Nordamerika auch weitere Raubtiere wie Waschbären, Streifenstinktiere und Kojoten wichtige Überträger sind. Die Schweiz sowie die meisten benachbarten Länder sind dank der Impfung der Füchse Tollwut-frei. Die Schweiz hatte im Jahr 1978 als weltweit erstes Land die Tollwut-Impfung des Fuchses mit im Feld ausgelegten Ködern erfolgreich erprobt. Dank dieser Impfung wurde hier Ende 1996 der letzte FuchsTollwut-Fall festgestellt, so dass wir uns im Frühjahr 1999 gemäss WHO (Weltgesundheitsorganisation) offiziell als Tollwutfrei erklären konnten. Die anderen Länder Westeuropas verzeichnen heute ebenfalls kaum noch Tollwut-Fälle.Die Länder Mittelund Osteuropas sind noch grossräumig verseucht und die Hunde-Tollwut ist bis heute in ganz Asien, Afrika, Südamerika und in Teilen Europas (u.a. Türkei, Weissrussland, Russland, Estland, Moldawien, Lettland, Ukraine, Rumänien, Georgien1) verbreitet. Sie ist für mehr als 90% aller Toll- Bild: Schweizerische Tollwutzentrale Die Hunde-Tollwut ist bis heute in allen Ländern mit streunenden, unkontrollierten Hundepopulationen stark verbreitet. Frei von Hunde-Tollwut sind Nordamerika, WestEuropa, Japan, Australien, Neuseeland, Arktis, Antarktis, Hawaii und weitere Inseln. wutfälle bei Menschen verantwortlich. Gemäss WHO-Statistiken sterben bis heute vornehmlich in tropischen Breitengraden jährlich 20'000 – 50’000 Menschen an Tollwut. Fledermaus-Tollwut wurde in Nordund Süd-Amerika, Afrika, Europa (inklusive Grossbritannien) und Australien festgestellt. In Europa traten seit 1954 regelmässig Fälle von Fledermaus-Tollwut auf, besonders in den Niederlanden, Dänemark und Nord-Deutschland. In der Schweiz wurde bisher lediglich bei zwei Fledermäusen Tollwut festgestellt. Fälle von Fledermaus-Tollwut bei Menschen und landlebenden Tieren sind in Europa sehr selten. In Nordamerika macht die Tollwut bei Fledermäusen knapp 15% aller Fälle bei Wildtieren aus. Als Folge davon kommt es regelmässig zu einzelnen Tollwutfällen bei Menschen. Eine spezielle Form der Fledermaus-Tollwut ist die von Mexiko bis NordArgentinien verbreitete Tollwut bei Vampiren (Fledermausart), die häufig auf Rinder übertragen wird. Tollwut-Symptome bei Tier und Mensch Die Tollwut endet praktisch immer tödlich. Sie ist charakterisiert durch eine lange, symptomfreie Phase zwischen Ansteckung und Erkrankung und eine kurze, dramatisch verlaufende Krankheitsphase. Es wird zwischen rasender und stiller Wut unterschieden. Beim Tier werden anfänglich auffällige Wesensveränderungen beobachtet, wie erhöhte Zutraulichkeit bei aggressiven Tieren oder erhöhte Scheu und die Tendenz, sich zu verkriechen bei zutraulichen Tieren. Bei der rasenden Wut folgt ein sehr aggressives Verhalten mit abnormer Beisslust und Tobsuchtsanfällen. Bei der stillen Wut stehen Lähmungserscheinungen im Vordergrund. Bei beiden Formen wird starker Speichelfluss und auf1 Vétérinaires Sans Frontières Suisse betreibt seit 1999 ein TollwutImpfprojekt in Georgien. 19 fällige Stimmveränderung beobachtet. Die nach wenigen Tagen eintretende Endphase ist immer durch starke Lähmungserscheinungen geprägt. Beim Menschen wird teilweise als typisches Symptom die berühmte Hydrophobie (griechisch für Wasserscheu) beobachtet: Die erkrankte Person wird beim Ansehen eines mit Wasser gefüllten Glases – oder schon beim blossen Gedanken daran – von starken Schluckkrämpfen erfasst und ist unfähig zu trinken. Sie durchlebt ein Wechselbad von Phasen klaren Bewusstseins und Episoden mit extremer Erregtheit oder Ängstlichkeit, geistiger Verwirrung, Halluzinationen und Depression. Auch beim Menschen wird übermässiger Speichelfluss beobachtet und in der Endphase dominieren starke Lähmungserscheinungen und gelegentliche Krampfanfälle. Aufgrund der Vielfalt von möglichen Krankheitsbildern sollte bei Tier und Mensch bei jeder rasch fortschreitenden Erkrankung, die mit Wesens- und Verhaltensveränderungen oder Bewusstseinsstörungen einhergeht, auch an die Tollwut gedacht werden. Eine Heilung der Tollwut ist zwar nicht möglich, die rechtzeitige Erwägung ist aber wichtig für die Minimierung von Gefährdungen. 20 Bekämpfung und Vorbeugung der Tollwut Die Vorbeugung der Tollwut beim Menschen kann durch vier Abwehrlinien geschehen: 1. Die Impfung des Hauptüberträgers in der Wildbahn, 2. die obligatorische Impfung aller Hunde, 3. die vorbeugende Impfung von beruflich gefährdeten Personengruppen und 4. die ImpfBehandlung von angesteckten Menschen. Die Hunde-Tollwut wurde in der industrialisierten Welt bereits in den 1940-er und 1950-er Jahren durch Impfkampagnen und staatliche Impf-Obligatorien für Hunde eliminiert. In der Dritten Welt erwies sich die Kontrolle der Hunde-Tollwut hin- Tier gefährdet wird, dann muss sofort eine Impf-Behandlung erfolgen. Wird diese rechtzeitig und korrekt durchgeführt, kann die Erkrankung fast mit Sicherheit verhindert werden. Eine Impf-Behandlung ist so lange erfolgversprechend, als die Tollwut beim Patienten noch nicht ausgebrochen ist. Foto: Schweizerische Tollwutzentrale Die durch die Tollwut bedingten Wesensund Verhaltensveränderungen des Hundes sind zwar sehr auffällig, im Einzelfall lässt sich aber von den Krankheitssymptomen her nicht eindeutig auf die Tollwut schliessen. Tollwut-Risiken in der Schweiz Jeder Kontakt mit einer Fledermaus, bei dem eine Bissverletzung nicht ausgeschlossen werden kann, ist ein Grund für eine Tollwut-Impfbehandlung der betroffenen Person. Bei Reisen in Regionen mit Hunde-Tollwut ist allenfalls eine vorbeugende Tollwut-Impfung als reisemedizinische Massnahme gerechtfertigt. Die grösste Gefahr für Mensch und Tier in der Schweiz stellt jedoch die unbedachte Einfuhr von bereits angesteckten Tieren aus Ländern mit Hunde-Tollwut dar (z.B. illegaler Import von Rassehund-Welpen aus Osteuropa). Die Leishmaniose Bild: VSF-Suisse, Georgien Tollwut in den Augen einer Primarschülerin aus Georgien gegen als schwierig. Der wichtigste Grund dafür ist die Art der Hundehaltung, die in diesen Regionen nicht wie bei uns fast ausschliesslich individuell geprägt ist (ein Hund – ein Besitzer), sondern von Einzelhaltung über die Haltung von Hunden mit Quartier-Zugehörigkeit bis zur Existenz von nahezu wildlebenden Hunderudeln reicht. Wenn ein Mensch durch ein tollwütiges Dr. med. vet. Azyadé Fares, Projektleiterin VSF-Suisse TollwutProjekt, Tiflis (Georgien) Leishmaniosen sind durch Parasiten verursachte Krankheiten bei Menschen, beim Hund und bei gewissen Nagetieren. Sie werden durch Stechinsekten übertragen. Ansteckungswege Die Leishmaniose beim Hund ist eine auf den Menschen übertragbare Krankheit (Zoonose). Der Hund gilt als Reservoir des Erregers. Die Krankheit wird von einer weltweit verbreiteten Art von Stechmücke (Schmetterlingsmücke) übertragen. Durch den Stich der weiblichen Mücke werden die Parasiten auf Säugetiere und Menschen übertragen. Die Parasiten dringen in den Körper ein, wo sie sich umwandeln und vermehren, bevor sie sich in verschiedenen Organen, wie Knochenmark, Lymphknoten, Haut, Milz, Leber oder Nieren, ausbreiten. Symptome beim Tier Die Zeitspanne von der Ansteckung bis zum Ausbruch der Krankheit (Inkubationszeit) reicht von drei Monaten bis mehreren Jahren. Die Krankheit äussert sich entweder auf der Haut oder auf den Schleimhäuten. Gewichtsverlust, Blutarmut, Nierenprobleme, Nasenbluten (Epistaxis) oder Augenschäden können den Krankheitsverlauf begleiten. Beim Hund ist das häufigste Symptom der Haarverlust (Alopezie) und die Abschuppung oberster Hautschichten (Desquamation), die sich vom Kopf aus auf dem ganzen Körper ausbreitet. Typisch ist, dass der Hund das Aussehen eines alten Hundes annimmt. Symptome beim Menschen Die wichtigsten Krankheitssymptome beim Menschen sind Fieber, aufgeblähter Bauch, allgemeiner Schwächezustand, Kopfschmerzen und Schwindel, Gewichtsverlust sowie starkes Schwitzen und Durchfall. Man unterscheidet drei Arten von Leishmaniose-Erkrankungen: 1. Die viszerale Leishmaniose (im Darm) Im Volksmund auch "Kala Azar" genannt, ist dies die schlimmste Form dieser Krankheit. Unbehandelt endet sie mit dem 21 sicheren Tod. Der Krankheitsverlauf ist von Fieberschüben, Gewichtsverlust, einer Entzündung der Milz und Blutarmut begleitet. 2. Die Hautleishmaniose Sie wird durch die Erreger "Leishmania tropica", "Leishmania mexicana" oder "Leishmania major" verursacht. Es bildet sich – normalerweise eine einzige – dunkelrote, eitrige Pustel in einer unbedeckten Hautregion, am häufigsten im Gesicht. Die Pustel verwandelt sich in ein Geschwür, entwickelt sich in die Tiefe und wird mit der Zeit von feinen Schuppen bedeckt. Eine operative Entfernung ist für die Heilung unumgänglich. Foto: Dr. Wieland Beck, LMU München Hautleishmaniase auf dem Arm 3. Die mucocutane Leishmaniose (Übergang Schleimhaut-Haut) Der Erreger heisst "Leishmania braziliensis". Typisch für die Form der Leishmaniose sind verbreitete Geschwüre, die tiefer reichen und sich auch schneller bilden als bei der oben erwähnten Hautleishmaniose. Sie breiten sich aus und befallen die Schleimhäute im Gesicht. Die PatientInnen werden dadurch oft sehr verunstaltet. NasenMund- und Rachenschleimhaut können sogar zerstört werden. 22 Behandlung beim Tier Der Krankheit kann durch möglichst rasche Behandlung angesteckter Hunde sowie durch Vermehrungskontrolle streunender Hunde vorgebeugt werden. Gleichzeitig müssen auch Massnahmen zur Dezimierung der Insekten getroffen werden. Die Behandlung geschieht in der Regel mittels einer mehrmonatigen Injektionsbehandlung. Gegen die Leishmaniose gibt es keine Impfungen. Behandlung beim Menschen Zum aktuellen Zeitpunkt gibt es noch keine vorbeugenden Impfstoffe oder Medikamente auf dem Markt. Die einzige wirksame vorbeugende Massnahme besteht darin, Mückenstiche zu vermeiden, indem ein speziell wirksames Mückenschutzmittel aufgetragen wird. Die Therapie nach erfolgter Ansteckung geschieht mittels Injektionsbehandlungen mit bestimmten Medikamenten. Weltweite Verbreitung der Leishmaniose In einigen Ländern, wie Äthiopien, Eritrea oder Sudan, wo die Leishmaniose seit einigen Jahren heimisch ist, hat sie sich zu einem grossen Gesundheitsproblem entwickelt. Weil Medikamente und geeignete diagnostische Möglichkeiten fehlen, ist die Sterberate in diesen Regionen sehr hoch. Wird die Leishmaniose nicht behandelt, führt sie unweigerlich zum Tode. Bei fachgerechter Behandlung sinkt die Sterberate auf 10%. Total 350 Millionen Menschen in 88 Ländern auf den vier Kontinenten, Afrika, Nord- und Südamerika, Asien und Europa sind einem direkten Krankheitsrisiko ausgesetzt. Jährlich werden 500’000 neue Fälle von Leishmaniose (viszerale Form) registriert und weltweit wird die Anzahl der verschiedenen Leishmaniose-Formen auf 12 Millionen geschätzt, wobei nur ein Drittel der neu auftretenden Fälle pro Jahr offiziell gemeldet ist. Nach einer Schätzung der WHO (Weltgesundheitsorganisation) beläuft sich die Anzahl neuer Fälle pro Jahr auf 1,5 bis 2 Millionen. Beim Hund kommt die Leishmaniose in Zentral- und Südamerika, im mittleren Orient, in Asien sowie in den mediterranen Regionen vor. Verbreitung im europäischen Raum Die viszerale Leishmaniose tritt vereinzelt in mediterranen Regionen auf. Bei der Hautleishmaniose unterscheidet man zwischen einer ländlichen und einer städtischen Form. Die urbane (städtische) Form wird durch den Erreger "L. tropica" verursacht und ist am häufigsten in städtischen mediterranen Agglomerationen anzutreffen. Die viszerale Leishmaniose (Kala Azar) wird in zwei Gruppen unterteilt: Die eine tritt bei Kindern im Alter von zwei bis drei Jahren auf, die andere bei Erwachsenen. Die erstgenannte Form kommt ebenfalls in mediterranen Gebieten vor. Entenflöhe Dr. med. vet. Jean-Luc Charbon, Estavayer-le-Lac Erstaunlicherweise handelt es sich bei diesem Parasiten gar nicht um einen Floh, sondern um eine sogenannte Zerkarie, einem Zwischenstadium eines Wurmes der Klasse Trematoden. Diese Würmer befinden sich im Körper verschiedener Wasservogelarten (Enten, Gänse, Schwäne usw.). Die Wurmeier werden mit dem Kot dieser Vögel ausgeschieden. Im Wasser schlüpft die Larve und findet in einer Wasserschnecke ihren Zwischenwirt. Dort wandelt sie sich in eine Zerkarie um. Bei passender Wassertemperatur verlässt die Zerkarie die Schnecke, schwimmt auf die Suche nach einem Warmblüter und bohrt sich in dessen Haut hinein. Falls es sich um einen Wasservogel handelt, wandert der Wurm im Körper des Endwirtes und lebt weiter, womit sein Lebenszyklus geschlossen ist. In gewissen Fällen wird aber ein Säugetier (z.B. ein Hund) oder ein Mensch befallen. Das Immunsystem dieses Fehlwirtes tötet die Larve ab. Als Folge davon tritt eine lokale Entzündung mit Rötung und starkem Juckreiz auf. Aus diesem Grund wird diese Erkrankung, die immer kurz nach dem Baden in freien Gewässern auftritt, oft mit Flohbefall verwechselt. Auf Englisch heisst sie deshalb "swimmers’ itch" (Juckreiz der Schwimmer). Da sie nach einigen Tagen von selbst wieder verschwindet, ist meistens keine Behandlung erforderlich. In tropischen Ländern tritt jedoch die Bilharziose (Schistosomiase) auf. Sie wird ebenfalls durch Trematoden verursacht, deren Zerkarien aber vom Immunsystem des Menschen nicht abgewehrt werden. Nach einer Wanderung im Körper setzen sich die Parasiten im Darm oder in der Harnblase fest. Von dort aus werden ihre Eier mit dem Kot oder dem Urin ausgeschieden. Im Gegensatz zum Entenfloh kann Bilharziose die Gesundheit schwer und langhaltig beeinträchtigen. 23 Vielschwimmer wie Labrador Retrievers sind Opfer von Entenflöhen. Zoonosen beim Klein- und Grosstier Tuberkulose Prof. Dr. med. vet. Jacques Nicolet, Bern Von der Antike bis in unsere Zeit In der Literaturgeschichte wurde die Tuberkulose bereits im dritten Jahrhundert vor Christus in China erwähnt; später auch bei den Ägyptern, den Griechen und den Römern. Doch erst seit dem 17. Jahrhundert kennt man die Krankheit besser. Nachdem Robert Koch 1882 den Krankheitserreger entdeckt hat, ist dieser auch als "Koch-Bazillus" bekannt. Bis heute ist die Tuberkulose eines der Hauptprobleme für die Volksgesundheit. Man schätzt, dass weltweit jedes Jahr acht Millionen neue Fälle registriert und drei Millionen Menschen an dieser Krankheit sterben; denn die Häufigkeit der Ansteckungen ist in gewissen Entwicklungsländern, beispielsweise in Afrika, Südostasien, Lateinamerika oder der Karibik, nach wie vor sehr hoch. Durch AIDS haben sich die Asteckungen mit Tuberkulose und folglich auch die Sterberate zudem noch stark erhöht. dene Arten von Mykobakterien bekannt, die andere bekannte Krankheiten wie beispielsweise die Lepra verursachen. Tuberkulose-Ansteckung zwischen Mensch und Tier Obwohl der tuberkulosekranke Mensch meist andere Menschen ansteckt, kann er auch Haustiere infizieren. Die meisten Tuberkuloseinfektionen beim Hund stammen vom Menschen, während Katzen weniger empfänglich sind. Auch gewisse Wildtiere in Gefangenschaft oder in Zoos (Affen, Elefanten) können sich anstecken. Obwohl selten, ist in diesen Fällen eine Wiederansteckung des Menschen nicht auszuschliessen. Durch den Erreger der Rindertuberkulose, Mycobacterium bovis, wird die Tuberkulose vom Tier auf den Menschen übertragen. Oft trifft es Landwirte, Tierärztinnen und Metzgerleute, die sich an tuberkulosekranken Rindern anstecken – sei dies durch direkten Kontakt oder über die Luft. Auch über die Nahrung, zum Beispiel durch Trinken von Milch kranker Kühe – ist Schaf Ziege Pferd Schwein Bovine Tuberkulose Kuh 24 Vom "Koch-Bazillus" zu anderen Mycobakterien Die Tuberkulose ist eine bakterielle Erkrankung und deren Erreger sind "Mycobakterien". Diese haben immer einen sogenannten Hauptwirt. Als Hauptwirte gelten: der Mensch für Mycobacterium tuberculosis (ehemals "Koch-Bazillus), die Rinder für Mycobacterium bovis und die Vögel für Mycobacterium avium. Nebst den Tuberkuloseerregern sind ungefähr 80 verschie- Wild Hund Katze Mensch Affe Humantuberkulose Übertragung der Tuberkulose zwischen Mensch und Tier (Grafik: Prof. J. Nicolet) die Ansteckung häufig. In Ländern, wo die Rindertuberkulose noch weit verbreitet ist und die Milch nicht pasteurisiert wird, ist dies auch der häufigste Ansteckungsweg bei Kindern. Die Pasteurisierung von Milch und Milchprodukten war ein wichtiger Faktor für die Ausrottung der Kindertuberkulose in unseren industrialisierten Ländern. Man schätzt, dass in Ländern, wo die Rindertuberkulose heimisch ist, 5 bis 15% aller Ansteckungsfälle bei Menschen auf diese Form der Tuberkulose zurückzuführen sind. Eine Übertragung der Rindertuberkulose von Mensch zu Mensch ist äusserst selten. Man weiss jedoch, dass der Mensch in Ländern, in denen die Rindertuberkulose als ausgerottet galt, der wichtigste Grund für Wiederansteckungen beim Rind ist. Es handelt sich meist um ältere Menschen mit einer offenen Tuberkulose, die sich noch vor der Ausrottung der Tuberkulose beim Rind angesteckt haben. Bei ihrer Arbeit auf dem Bauernhof verunreinigen sie das Futter der Tiere mit Speichel oder Urin. In den Industrieländern ist die Rindertuberkulose beim Menschen heute sehr selten. Der beim Menschen seltene Mycobacterium avium verursacht die Geflügeltuberkulose und ist beim Menschen selten, jedoch bei HIV-Patienten von besonderer Bedeutung. Vor der Kombinationstherapie waren bis zu 50% der HIV-Patienten von dieser Infektion befallen. Ansteckungs- und Übertragungsart sind bis heute unklar. Krankheitsverlauf Die Tuberkulose entwickelt sich sehr langsam. Die Krankheit äussert sich in starker Abmagerung bis hin zur Auszehrung und führt schliesslich zum Tod. Sie verursacht die Bildung von Knötchen unterschiedlicher Grösse in den Organen und Lymphknoten. Oft sind nur die Lungen betroffen, doch die Infektion kann sich auch im ganzen Körper ausbreiten. Beim Menschen sind die durch Mycobacterium tuberculosis oder Mycobacterium bovis verursachten Tuberkulosen weder klinisch noch radiologisch noch pathologisch voneinander zu unterscheiden. Meist äussert sich M. bovis ausserhalb der Lungen; es können die Ganglien (Halsganglien beim Kind), Haut, Knochen, Harnwege oder das Zentralnervensystem (Meningitis, Hirnhautentzündung) befallen werden. Behandlung und Kontrolle der Tuberkulose Die Behandlung der Tuberkulose beim Menschen ist schon lange bekannt. Der chronische Verlauf der Krankheit verlangt eine mehrmonatige Langzeittherapie mit Antibiotika. Weil diese Bakterien Antibiotika-Resistenzen bilden, müssen mehrere Antibiotika kombiniert werden, was oft zu Nebenwirkungen führt. Angesichts der Schwierigkeiten und Kosten wird eine Behandlung beim Tier nicht in Betracht gezogen. Der Kampf gegen die Rindertuberkulose, der wichtigsten Zoonose, basiert auf der aktiven Diagnostik der Infektion (systematische Kontrollen durch die Veterinärdienste in den Schlachthöfen) und der Schlachtung der infizierten Tiere. Die Anwendung dieser Überwachungsprogramme variiert von Land zu Land. Vor allem in Entwicklungsländern stellt die Tuberkulose für die lokale Bevölkerung und manchmal auch für Touristen noch immer ein Krankheitsrisiko dar. Die Impfung mit dem BCG Bazillus schützt den Menschen mit 75 – 80 % Sicherheit. Die Impfung bei Tieren war Thema zahlreicher Untersuchungen. Sie bietet zwar einen gewissen Schutz, kann die Krankheit jedoch nicht vollständig verhindern. Muss man die Rindertuberkulose fürchten? In den Industrieländern ist die Rindertuberkulose praktisch verschwunden, und 25 Zoonosen beim Grosstier die Ansteckungen mit Mycobacterium bovis beim Menschen sind selten geworden. Dass dies so ist, verdanken wir den systematischen Impfkampagnen der Veterinärdienste. In der Schweiz ist die Tuberkulose – ausser in vereinzelten Fällen – seit 1959 ausgerottet. In vielen Entwicklungsländern ist die Situation weniger beruhigend; so wütet die Rindertuberkulose in den meisten afrikanischen und in zahlreichen asiatischen und lateinamerikanischen Ländern. Dort sollte der Genuss von nicht pasteurisierter Milch und Milchprodukten verboten werden. Die Arbeit von Vétérinaires Sans Frontières zündet deshalb einen Hoffnungsfunken für alle betroffenen Menschen und hilft ihnen, sich vor dieser gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Geissel zu schützen. Foto: Lea Knopf N’Dama Kalb bei der Morgentoilette 26 BSE (Rinderwahnsinn) Prof. Dr. med. vet. Ulrich Kihm, Direktor des Bundesamtes für Veterinärwesen, Bern Es begann 1986: Damals wurde in England erstmals bei einer Kuh die Krankheit BSE (Bovine Spongiforme Enzephalopathie) diagnostiziert. In der Schweiz trat der erste BSEFall 1990 auf. Die Bevölkerung ist vor allem deshalb stark verunsichert, weil seit 1996 ein Zusammenhang zwischen der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit des Menschen (vCJD) und BSE zunehmend als gesichert gilt. Bei der BSE-Bekämpfung werden zwei Ziele verfolgt; erstens die Ausrottung der Seuche und zweitens die Verhinderung der Übertragung auf den Menschen. Art der Krankheit Die Bovine Spongiforme Enzephalopathie (BSE) wird im Volksmund auch Rinderwahnsinn genannt. Die Gehirne erkrankter Rinder haben unter dem Mikroskop ein schwammartiges Aussehen. Die Krankheit zerstört das Gehirn und endet immer mit dem Tod des Tieres. Von der Ansteckung bis zum ersten Auftreten der ersten Symptome vergehen rund vier bis sechs Jahre. Die BSE wird fast nur bei Kühen (also weiblichen Tieren) festgestellt. Der BSE-Erreger ist bis heute nicht eindeutig identifiziert. Gemäss der sogenannten "Nur-EiweissHypothese" handelt es sich um ein entartetes Eiweiss (Prion), welches in seiner natürlichen Form bei allen Wirbeltieren vorkommt. Die krankmachenden Prionen sind gegenüber chemischen und physikalischen Einflüssen sehr widerstandsfähig. Normale Kochhitze, UV- und ionisierende Strahlung sowie übliche Desinfektionsmittel schaden ihnen kaum. Empfindlich reagieren sie dagegen auf alkalische Substanzen und feuchte Hitze unter hohem Druck. Der Infektionsweg führt über die Verfütterung ungenügend erhitzter Tiermehle, die infektiöse Prionen enthalten. Ursprünglich von Grossbritannien stammend, wurde solches Material in geringen Mengen wahrscheinlich auf indirektem Weg und versehen mit neuen Herkunftsangaben in die Schweiz importiert. Ansteckungswege von Tier zu Tier Als Hauptübertragungsweg gelten ungenügend erhitzte Tiermehle mit infektiösen Prionen. Risikomaterial ist insbesondere das Gehirn und das Rückenmark, das bei BSE-infizierten Tieren Prionen enthalten kann, die auf andere Tiere übertragbar sind. Deshalb müssen bei der Schlachtung Risikomaterial wie Rückenmark und Gehirn von Kühen entfernt und verbrannt werden. Ansteckungswege vom Tier zum Menschen Der Rinderwahnsinn verursacht in der Bevölkerung grosse Verunsicherung, da seit 1996 der Zusammenhang zwischen der Variante der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit des Menschen (vCJD) und BSE zunehmend als gesichert gilt. Der definitive Beweis für den kausalen Zusammenhang steht allerdings immer noch aus. Bis Ende 2001 sind in Grossbritannien 104 Menschen, in Frankreich vier und in Irland einer an vCJD gestorben. Es fällt auf, dass meistens junge Menschen betroffen sind, während die klassische Creutzfeldt-JakobKrankheit hauptsächlich bei älteren Menschen auftritt. Wie sich die Patienten mit BSE infiziert haben, ist noch unbekannt, zumal das Muskelfleisch BSE-kranker Kühe nicht ansteckend ist. Das grösste Ansteckungsrisiko ist der Verzehr von Lebensmitteln, die Gewebe des Zentralnervensystems wie Rückenmark und Gehirn von BSE-infizierten Tieren enthalten. Deshalb müssen bei der Schlachtung diese Risikosubstanzen entfernt und verbrannt werden, so dass sie weder in die menschliche Nahrungskette noch in Heilmittel oder Kosmetika gelangen. In der Schweiz ist die Verarbeitung von Risikomaterial (Gehirn, Augen, Rückenmark, Milz, Thymus, Därme und sichtbares Lymph- und Nervengewebe von Rindern über sechs Monaten) seit November 1990 für den menschlichen Verzehr verboten. Ansteckungswege von Mensch zu Mensch Bei angesteckten Personen besteht die Gefahr der Übertragung von Mensch zu Mensch. Von den klassischen Formen von CJD ist bekannt, dass sie durch medizinische Eingriffe, insbesondere Transplantationen, Hirnoperationen und die Verabreichung von Hormonpräparaten aus menschlichem Hirn übertragen werden können. Übertragungen durch Blut und Blutprodukte wurden bis heute bei keiner Form von CJD beobachtet. Sie können jedoch nicht ausgeschlossen werden. Diese Überlegungen ziehen eine Reihe von notwendigen neuen Präventionsmassnahmen in den Bereichen Spitalhygiene, Transfusions- und Transplantationswesen nach sich. BSE-Symptome beim Rind ■ Verhaltensstörungen: Die Tiere werden ängstlicher und zögern bei kleinsten Hindernissen wie Kotgräben und am Boden liegenden Stangen. Sie zeigen aggressives Verhalten wie Schlagen beim Melken und Ausschlagen gegen Mensch und Tier. Ebenso wurde Absondern von 27 der Herde, häufiges Belecken der Nase und Zähneknirschen beobachtet. ■ Störungen in der Empfindlichkeit: Die Tiere zucken bei Lärm oder Einschalten des Lichtes zusammen und zeigen eine erhöhte Schreckhaftigkeit und Aufmerksamkeit. Überreaktionen bei Berührung im Kopf- und Halsbereich sowie Zittern und Muskelzuckungen können Hinweise auf eine BSE-Infektion sein. ■ Bewegungsstörungen: Steifer Gang, sowie traber- und hahnentrittartige Bewegungen, Einknicken mit den Hinterbeinen sowie ein schwankender Gang zeigen sich in einem späteren Stadium der Krankheit. ■ Allgemeine Symptome: Daneben sind allgemeine Krankheitssymptome wie Rückgang der Milchleistung, Abmagerung und Festliegen nach dem Abkalben beobachtet worden. Eine sichere Diagnose ist erst nach der Tötung durch eine Untersuchung des Gehirnes möglich. 28 Symptome beim Menschen bei der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit Die seit 1996 bekannt gewordene Variante der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit wird auf eine Ansteckung durch BSE zurückgeführt. Sie unterscheidet sich abgesehen vom Durchschnittsalter der Erkrankten hauptsächlich durch die Art des Krankheitsbeginns und den Krankheitsverlauf. So stehen bei der neuen Variante zu Beginn nicht Hinweise auf geistigen Abbau, sondern psychiatrische Symptome wie Verhaltensänderungen, Depressionen und Wahrnehmungsstörungen sowie körperliche Empfindungsstörungen im Vordergrund. Die Endphase der Krankheit ist bei allen Formen der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit von zunehmendem Bewusstseinsabbau und Kontrollverlust von Körperfunktionen geprägt. Die durchschnittliche Inkubationszeit (Zeitspanne von der Anstekkung bis zum Ausbruch) ist bis heute nicht bekannt. Fünf Jahre muss als absolutes Minimum angesehen werden. Darüber hinaus gehen die Schätzungen bis 40 Jahre und mehr. Die Krankheit dauert von den ersten Symptomen bis zum Tod durchschnittlich 14 Monate, länger als bei der klassischen Form. Eine Diagnose der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit ist erst nach dem Tod der Patienten durch Gehirnuntersuchungen möglich. Behandlung bei Tier und Mensch Die Krankheit führt unweigerlich zum Tode; eine Behandlung ist weder beim Tier noch beim Menschen möglich. Es wird intensiv an der Entwicklung eines Impfstoffes und therapeutischen Ansätzen geforscht. Ein vielversprechender Ansatz zielt darauf ab, die Prionen während der Inkubationszeit unschädlich zu machen – noch bevor sie ins Zentralnervensystem eindringen. BSE-Bekämpfung in der Schweiz Nach Auftreten des ersten BSE-Falles in der Schweiz 1990 wurde auf den 1. Dezember 1990 ein Verfütterungsverbot von tierischen Mehlen an Wiederkäuer in Kraft gesetzt. Aufgrund der langen Inkubationszeit von BSE stieg die Anzahl der BSE-Fälle in der ersten Hälfte der 90er Jahre trotzdem kontinuierlich an, das Maximum wurde 1995 mit 68 Fällen erreicht. Ab 1995 erkrankten vermehrt Kühe, die nach dem Verfütterungsverbot von tierischen Mehlen 1990 geboren worden waren. Diese BSE-Fälle werden BAB-Fälle (BAB =born after feed ban) genannt, und stellten die optimistischen Erwartungen in Frage. Spuren von infektiösen tierischen Mehlen werden als wichtigste Ursache für die BAB-Fälle gewertet. Sie können durch Verunreinigungen von Wiederkäuerfutter mit Schweine- und Geflügelfutter ausgelöst worden sein. Bei der Aufbereitung tierischer Mehle wurde viel zur Verbesserung der Sicherheit unternommen. Die Dampf- sterilisation von tierischen Abfällen bei einer Temperatur von 133°C unter einem Druck von 3 bar während 20 Minuten wurde 1993 vorgeschrieben. Ab 1996 wurde sichergestellt, dass bei allen Schlachtkühen Risikomaterial wie Rückenmark und Gehirn von Kühen entfernt und verbrannt werden. Im Oktober 2000 wurde BSE bei zwei Kühen festgestellt, die nach Inkraftsetzung der verschärften Massnahmen im Futtermittelbereich 1996 geboren wurden. In der Folge verbot das Bundesamt für Veterinärwesen ab dem 1. Januar 2001 den Einsatz von Mehlen tierischer Herkunft für die Fütterung aller Nutztiere. Seit 1995 ist die Zahl der erkrankten Kühe in der Schweiz abnehmend. Da von der Ansteckung bis zum Ausbruch der Krankheit im Durchschnitt vier bis sechs Jahre vergehen, wird der Erfolg einer Massnahme erst nach dieser Zeitspanne sichtbar. Die Auswirkungen des Fütterungsverbotes für tierische Mehle kann erst im Jahre 2005 sicher beurteilt werden. BSE ist eine schwierig auszurottende Seuche. Mit dem umfangrei- chen Massnahmenkatalog in der Schweiz werden Neuinfektionen mit hoher Sicherheit verhindert. Trends zeigen, dass man auf dem richtigen Weg ist. Vorkommen von BSE weltweit Seit dem Auftreten von BSE in Grossbritannien 1986 wurden dort über 181’000 Fälle diagnostiziert. In den letzten Jahren wurden in einer zunehmenden Anzahl europäischer Länder Fälle von BSE diagnostiziert. Diese Länder verzeichnen zwischen einem und über 870 Fälle. Allerdings ist es fraglich, ob diese Zahlen die tatsächliche Anzahl der Erkrankungen widerspiegeln. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass vor den ersten Diagnosen keine Fälle vorhanden waren. Ende 2001 wurde der erste Fall ausserhalb Europas, in Japan diagnostiziert. In vielen Ländern ist das BSE-Risiko bisher noch nicht abgeschätzt worden. Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass BSE ein weltweites Problem werden wird. Auftreten von BSE Total BSE-Fälle bis 10/05/2002 Grossbritannien (182’357) Irland (988) Portugal (639) Schweiz (415) Frankreich (608) Holland (35) Luxemburg (1) Liechtenstein (2) Dänemark (8) Spanien (125) Deutschland (183) Italien (64) Griechenland (1) Slowakei (9) Japan (4) Slovenien (2) Österreich (1) Finnland (1) Belgien (81) Tschechien (2) Polen (1) Holland Belgien Luxemburg Portugal Schweiz Irland Frankreich Liechtenstein BSE in GB Auftreten von BSE: Jahr des ersten Falles und Anzahl BSE-Fälle 1986 Dänemark Spanien Deutschland 1990 Italien Tschechien Griechenland Slowakei Japan Slovenien Österreich Finnland Polen 1998 2000 2001 2002 1994 Jahr des ersten Falles Quelle: Bundesamt für Veterinärwesen 2002 29 Anthrax (Milzbrand) Prof. Dr. med. vet. Jacques Nicolet, Bern 30 mit Sporen verseucht, und über Jahre hinweg können andere weidende Tiere angesteckt werden. Wiederkäuer sind für diese Infektion am empfänglichsten. Diese bakterielle Erkrankung war Ziel der intensiven Forschung von Robert Koch und Louis Pasteur am Ende des 19. Jahrhunderts. Schliesslich war es Robert Koch, der als erster den Nachweis der Sporen erbrachte und eine Kultur anlegte. Louis Pasteur gelang es, einen Impfstoff mit einem abgeschwächten Stamm des Bakteriums zu entwickeln. Erstmals konnte mit Sicherheit nachgewiesen werden, dass ein Bakterium als Erreger für eine Infektionskrankheit verantwortlich war. Zu jener Zeit war diese Krankheit in Europa sehr verbreitet und dezimierte Schaf- und Rinderherden. Weil aus den Kadavern schwarzes, dickflüssiges Blut rann, nannte man die Krankheit Bakterieller Brand oder Milzbrand, da die Milz mit gestautem Blut gefüllt und schwarz war. Der Infektionserreger erhielt den Namen "Bacillus anthracis" (griechisch: anthracos = Brand). Daher auch die allgemein bekannte Bezeichnung Anthrax. Die Zoonose Milzbrand Eine Übertragung von Mensch zu Mensch ist nicht bekannt. Man unterscheidet folgende Arten: Der landwirtschaftliche Milzbrand ist eine Berufskrankheit, die vor allem Personen betrifft, die mit verendeten Tieren in Kontakt kommen, nämlich Bauern, TierärztInnen und Metzgerleute. Diese Ansteckungsform ist beim Menschen relativ selten. Der industrielle Milzbrand ist ebenfalls eine Berufserkrankung, betrifft jedoch Personen, die Produkte von angesteckten Tieren weiterverarbeiten, beispielsweise Leder, Wolle, Felle, Knochenmehl oder Blut. Die Sporen als epidemiologischer Schlüssel Sobald das infektiöse Blut mit Sauerstoff in Berührung kommt, verwandeln sich die Bakterien in Sporen. Die Sporen sind gegen Umwelteinflüsse (Austrocknung, Temperatur, Ultraviolettstrahlen und andere physikalisch-chemische Faktoren) resistent. Dies erlaubt ihnen, zu überleben und in der Natur jahrelang ansteckend zu bleiben. Wenn Tiere auf den Weiden an der Krankheit verenden, wird der Boden Übertragungswege des Anthrax bei Mensch und Tier (Grafik: Prof. J. Nicolet) Anthrax Tier Weide Sporen Spinnerei Bioterrorismus Gerberei Mensch Solche Produkte werden häufig aus Entwicklungsländern importiert, in denen die Krankheit noch sehr verbreitet ist. Diese Infektion kommt bei uns noch sporadisch vor. In diesem Zusammenhang erinnern wir uns, dass zwischen 1978 und 1981 24 Angestellte einer Teppichfabrik an Hautmilzbrand und eine Person an Lungenmilzbrand erkrankten. Die Ansteckung wurde durch aus Asien importiertes gesponnenes Ziegenhaar verursacht, das grosse Mengen von Sporen enthielt. Der bioterroristische Milzbrand ist nach den Ereignissen in den USA von brennender Aktualität. "Bacillus anthracis" ist nämlich als biologische Waffe prädestiniert. Seit dem 2. Weltkrieg haben einige Länder Forschungsprogramme lanciert und biologische Waffen hergestellt. Seither sind enorme Mengen von gereinigten und stabilisierten Anthrax-Sporen produziert worden. Trotz der 1972 von 144 Ländern in Genf unterzeichneten Konvention für einen Stopp von Produktion und Lagerung biologischer Waffen, schätzt man, dass weltweit immer noch riesige Mengen von Anthrax-Sporen gelagert werden. Die Krankheit beim Tier Bei den Wiederkäuern manifestiert sich die Krankheit in einer plötzlichen Blutvergiftung, und die Tiere sterben oft ohne äussere Anzeichen. Die anderen Tiere, wie das Pferd und vor allem das Schwein und die Fleischfresser sind weniger empfänglich und zeigen eher chronische Formen der Krankheit. Die Vögel bleiben dank ihrer Körpertemperatur, die normalerweise über 40°C beträgt, von der Krankheit verschont. Bereits Pasteur hatte dieses Phänomen erkannt. Es bewog ihn, seine Kulturen bei 43°C anzulegen und so einen Impfstoff herzustellen. Dank der modernen Biotechnologie weiss man heute schon einiges mehr. Eine Antibiotikabehandlung ist theoretisch möglich, da "Bacillus anthracis" sehr empfindlich auf Antibiotika reagiert. Die Antibiotikatherapie mit Penizillin wird jedoch nur im Frühstadium oder bei eher chronisch verlaufenden Fällen angewendet. Milzbrand beim Menschen Der Mensch ist nicht besonders empfänglich für den Milzbrand, ausschlaggebend ist jedoch der Ansteckungsweg. Die häu- figste Form (95% der Fälle) ist der Hautmilzbrand, der besonders Arme, Hände, Hals und Gesicht befällt. Häufig sind es Verletzungen, auch mikroskopisch kleine, die eine Ansteckung begünstigen. In wenigen Tagen entsteht ein Geschwür mit einer schwarzen Kruste (Schorf) und manchmal ein Bläschen (Vesikel), das wieder verschwindet. Der Krankheitsverlauf ist normalerweise gutartig, und eine adäquate Behandlung mit Antibiotika führt zur Heilung. Der Lungenmilzbrand nach der Einatmung von Sporen ist zwar seltener (ca. 5% der Fälle bei beruflicher Exposition), jedoch die schwerste aller Formen. Sie entwickelt sich sehr schnell und ist bei verzögerter Therapie in 85% der Fälle tödlich. Dies ist auch die gefürchtete und daher für Bioterroranschläge verwendete Form (10 Fälle in den USA zwischen dem 4. Oktober und 2. November 2001). Der Darmmilzbrand, der beispielsweise nach dem Genuss von verseuchtem Fleisch auftritt, ist extrem selten (weniger als 1% der Fälle). Diese Form ist jedoch ebenso schwerwiegend wie der Lungenmilzbrand. Schliesslich können bei Komplikationen mit Hautmilzbrand - und vor allem mit Lungenmilzbrand - auch Hirnhautentzündungen entstehen. Eine gezielte Antibiotikabehandlung ist sehr wirksam. Dazu werden nebst Penizillin andere Antibiotika, beispielsweise Doxycyline, eingesetzt. Die kürzlich in den USA gemachten Erfahrungen zeigen, dass eine frühzeitige Verabreichung einer bestimmten Kombination von Antibiotikapräparaten die Sterberate bei Lungenmilzbrand auf 40% senkt. Was die im Bioterrorismus verwendeten Bakterien betrifft, muss erwähnt werden, dass mit Hilfe der heutigen gentechnischen Möglichkeiten ein Bakterium auf einfachste Weise gegen die gängigen in der Medizin verwendeten Antibiotika resistent gemacht oder seine 31 Zoonosen aus der Sicht der Humanmedizin Schlagkraft erhöht werden kann; eine beängstigende Perspektive. Weltweite Situation des Milzbrand Der Milzbrand ist eine der Krankheiten, die den Veterinärdiensten gemeldet werden muss; dies bedeutet, dass er systematisch bekämpft wird. In der Schweiz geschieht dies seit Jahren. Wir beobachten deshalb nur noch sporadische Fälle beim Rind. Weil die importierten tierischen Risikoprodukte bei ihrer Ankunft in Europa strenger kontrolliert und gereinigt werden, ist der industrielle Milzbrand praktisch verschwunden. In den Entwicklungsländern jedoch, wo eine systematische Bekämpfung nicht immer realisierbar ist, bleibt der Milzbrand eine weit verbreitete Seuche mit bedeutenden gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Auswirkungen. Dies gilt für viele afrikanische und asiatische Länder. Wir in den Industrieländern sind aufgefordert, den betroffenen Ländern unser Fachwissen zu vermitteln und ihnen durch die Entwicklung wirksamer Impfstoffe bei der Bekämpfung dieser schrecklichen Seuche Hand zu bieten. Die Projekte von Vétérinaires Sans Frontières zielen in diese Richtung. Foto: Prof. J. Nicolet Hautmilzbrand auf dem Hals des Menschen 32 Dres. med. Marie-Claude Hofner und Bertrand Graz, Fondation Charlotte Olivier, Freiburg Spricht man von Krankheiten, die vom Tier auf den Menschen übertragen werden können, gelten die ersten Gedanken dem Ansteckungsrisiko und der Vorbeugung. Da diese Aspekte in der Broschüre bereits behandelt worden sind, möchten wir uns nun auf den Begriff "Risiko" im allgemeinen konzentrieren. Im Vergleich zu den alltäglichen Risiken – beispielsweise im Strassenverkehr oder durch den Tabakkonsum – ist heute das Risiko, von einer schweren vom Tier übertragenen Krankheit (Zoonose) angesteckt zu werden, sehr gering. Aus Sicht der öffentlichen Gesundheit war die Mensch-Tier Beziehung bei uns noch nie so sicher wie heute. Erinnern wir uns doch, dass man noch vor weniger als einem Jahrhundert auch hierzulande durch Milchtrinken mit Tuberkulose angesteckt werden, an Tollwut sterben oder durch den Verzehr von Schweinefleisch oder einer Brunnenkressesuppe mit ernsthaften Krankheiten infiziert werden konnte! Hygienische Massnahmen sowie Lebensmittel- und Tierkontrollen haben die Sicherheit in unserer Beziehung zu den Tieren verbessert. Völlig anders präsentiert sich diese Situation in den meisten "armen Ländern". Dort werden immer noch viele schwere Krankheiten von Wild- oder Haustieren auf die Menschen übertragen. Obwohl Vorbeugung und Heilung einfach wären, wird dies durch das Fehlen der notwendigen finanziellen und technischen Mittel verhindert. Für die ViehzüchterInnen und Nomaden, deren Überleben direkt von der Gesundheit ihrer Tiere abhängt, ist diese Situation besonders dramatisch. Wie aber lässt sich die Beunruhigung der Schweizer Bevölkerung angesichts neuer – wenn auch sehr seltener – Zoonosen erklären? Die Wahrnehmung, ob ein Problem mehr oder weniger schwerwiegend ist, hängt nicht nur von seiner objektiven Bedeutung ab. So hat beispielsweise der "Rinderwahnsinn" in der Schweiz bis heute kein einziges Opfer gefordert und unseres Wissens wurde auch über keine menschliche Ansteckung berichtet. Trotzdem haben die Restaurants begonnen, die Herkunft des servierten Fleisches zu deklarieren. Wie ein Risiko beurteilt wird und wie gross es ist, hängt nicht ausschliesslich von den möglichen Krankheitsfolgen (Tod, Invalidität oder schwere Leiden), sondern in erheblichem Masse auch von unserer Geisteshaltung ab. Die mit einer Krankheit in Verbindung gebrachten Bilder, unsere Überzeugungen, unsere Kultur, das Umfeld in dem wir leben, unsere Erfahrungen; all dies beeinflusst unsere Risikoeinschätzung. So stiftet beispielsweise eine Flut von alarmierenden und sich widersprechenden Informationen Verwirrung. In diesem Klima werden wir tendenziell versuchen, sämtliche Nachrichten in Einklang zu bringen und ihnen entweder das selbe Misstrauen oder das selbe Vertrauen zukommen lassen: ■ durch ein ungewohntes oder unerklärbares Ereignis entsteht ein unbekanntes oder beklemmendes Gefühl; ■ eine momentan unausweichliche Gefahr verursacht ein Gefühl der Ohnmacht und Angst; ■ eine unsichtbare, geruch- und geschmacklose Gefahr lässt leicht den Eindruck entstehen, allgegenwärtig aber nicht fassbar zu sein. Eine Mischung all dieser Elemente war in der "Rinderwahnsinnspsychose" vereint. Das heisst nicht, dass das Risiko gleich Null ist, sondern nur, dass es nicht richtig eingeschätzt und wahrgenommen wurde. Aber welches sind nun die für den Menschen wichtigsten Ansteckungsrisiken einer vom Tier übertragenen Krankheit? Um dies zu verstehen, muss man wissen, dass man sich heute nicht mehr mit den Ansteckungsproblemen auf nationaler oder kontinentaler Ebene beschäftigt. Die Reisetätigkeit hat allgemein sehr stark zugenommen; und es reisen nicht nur Menschen und Tiere! Auch die Krankheitserreger "springen aufs Trittbrett des fahrenden Zugs". Es sind nicht in erster Linie die Völkerwanderungen, die uns in Kontakt mit der gesamten Welt bringen, sondern – entgegen vielen Vermutungen – vor allem der Tourismus und der weltweite Handel. Man braucht nur an das Beispiel AIDS zu denken und daran, wie schnell sich diese Infektionskrankheit in wenigen Jahren in der ganzen Welt verbreiten konnte. Als aktuelles Beispiel bei den Tieren sei die Maul- und Klauenseuche genannt; sie hat – wie jede Infektionskrankheit – innert kürzester Zeit sämtliche Grenzen und Ozeane überwunden. 33 Schlusswort und Verdank ung Wenn wir heute glauben, dass die Zeit der Kinderlähmung vorbei ist, ist dem nicht so: sie wird nicht aufhören, unsere Kinder zu bedrohen, bis auch im hintersten Dorf von Sierra Leone alle Kinder geimpft sein werden. Hühner und Hausschweine in Südostasien entwickeln jedes Jahr ein neues Grippevirus, das sich in wenigen Monaten über den ganzen Planeten verbreitet. Dies zeigt uns klar, dass der Mensch kein Inseldasein führt. Die Gesundheit jedes Menschen hängt von der Gesundheit aller Menschen und Tiere ab. Daher tragen wir hinsichtlich der ansteckenden Krankheiten eine gemeinsame Verantwortung. Die Zoonosen der Welt sind auch zu unserer Angelegenheit geworden. Wir bedanken uns bei Dr. J.F. Pellaton (Kantonstierarzt i.R. des Kantons Waadt) für seine wertvollen Hinweise. Verdankung Artikel "Zecken": Lea Knopf (Institut für Parasitologie, Universität Zürich), Olivier Peter (Zentralinstitut der Walliser Spitäler) und Hans-Peter Zimmermann (Bundesamt für Gesundheitswesen) stellten freundlicherweise Bilder und Karten zur Verfügung. Monica Wymann, Esther Schelling, Hans-Peter Zimmermann und Christoph Hatz sei herzlich gedankt für Kommentare und Madeleine Boxler Klopfenstein für die Korrekturen. Olivier Flechtner, med. vet., Präsident von Vétérinaires Sans Frontières Suisse, Bern Krankheiten, die vom Tier auf den Menschen übertragen werden, sind ein altes Schreckensbild. Zwar haben die moderne Medizin, Impfstoffe und vor allem die verbesserte Kenntnis über Krankheitsausbreitung und Möglichkeiten zur Verhinderung der Anstekkung vielen dieser Zoonosen einiges von ihrem Schrecken genommen. Aber in zahlreichen Ländern sind das Wissen und die Möglichkeiten zur Krankheitsvorbeugung noch nicht vorhanden. Dort interveniert Vétérinaires Sans Frontières Suisse (VSF-Suisse). In unseren Projekten helfen wir den Betroffenen und beraten die lokalen Fachstellen, um Ansteckungen zu verhindern und somit die Ausbreitung der Krankheiten zu stoppen. Es ist eine Binsenwahrheit, dass die Unkenntnis einer Krankheit die Angst verstärkt und gleichzeitig verhindert, dass man sich korrekt und umsichtig verhält, um einer Ansteckung vorzubeugen. Dies gilt nicht nur in Afrika oder in Osteuropa, sondern auch bei uns. Auch wir in Westeuropa wollen wissen, welche Bedrohung eine Krankheit tatsächlich für uns darstellt und wie wir uns davor schützen können. 34 In den Projekten von VSF-Suisse konnten wir uns viel Fachwissen zu diesem Thema aneignen. Auch die Ängste und Befürchtungen jener Menschen, die mit diesen Krankheiten konfrontiert sind, haben wir intensiv kennen gelernt. Unsere Erfahrungen und Kenntnisse aus dem Ausland sollen nun auch der Schweizer Bevölkerung zugute kommen. Dieser Rückfluss der Informationen ist neben der Arbeit im Feld eines unserer grossen Ziele, das wir in unserem Leitbild festgehalten haben. Ende letzten Jahres haben wir damit begonnen, diese Informationsbroschüre zu kreieren. Es war uns von Anfang an bewusst, dass dieses Projekt mit unseren beschränkten Mitteln und ohne den Goodwill externer Partner nicht realisierbar ist. Dass uns aber soviel Solidarität und Unterstützung zuteil würde, hätten wir nie zu hoffen gewagt. Ihnen, liebe Leserin, lieber Leser, wünsche ich, dass Sie unserer Broschüre neue Erkenntnisse entnehmen können und dass das erworbene Wissen Ihnen dabei hilft, ansteckenden Krankheiten zwischen Tier und Mensch vorzubeugen. Damit wären wir unserem Ziel wieder einen grossen Schritt näher. So haben alle Autorinnen und Autoren grosszügig auf ihr Honorar verzichtet sowie kostenlos Bildmaterial zur Verfügung gestellt und dadurch einen wertvollen persönlichen Beitrag zur Realisierung dieser Broschüre geleistet. Die Produktionskosten wurden zudem grossenteils von Sponsoren und Donatoren gedeckt, was den Umfang und die professionelle Gestaltung des Ratgebers erst möglich machte. Unser lange gehegter Wunsch, eine solche Informationsbroschüre zu veröffentlichen, konnte also nur dank der Grosszügigkeit vieler privater Partner, Firmen und öffentlicher Institutionen realisiert werden. Allen, die einen Beitrag zur Produktion des vorliegenden Ratgebers geleistet haben, spreche ich meinen aufrichtigen Dank aus. Wir sehen dies als grossartiges Zeichen der Anerkennung und der Wertschätzung unserer Arbeit – und unserer Visionen, die uns hoffentlich auch zukünftig motivieren werden. "Gesunde Tiere – gesunde Menschen" Das Motto von Vétérinaires Sans Frontières Suisse 35 Vétérinaires Sans Frontières Suisse Optingenstrasse 14 Postfach 479 CH-3000 Bern 25 Tel. ++41 (0)31 332 77 65 Fax ++41 (0)31 332 77 66 [email protected] www.vsf-suisse.ch www.vsfeuropa.org Spendenkonto: PC 30-24633-4 Bundesamt für Veterinärwesen (BVET), Gesellschaft Schweizerischer Tierärzte (GST) Dies ist eine der „Waffen“, mit denen die Tierärzte ohne Grenzen um das Überleben und die Sicherung der Lebensgrundlagen von Tausenden von Menschen kämpfen. (Zur Information: In Togo kostet ein Hühnerei übertragen auf Schweizer Verhältnisse rund 25 Franken.) Amt für Lebensmittelkontrolle und Veterinärwesen, FL-Vaduz Kantonale Veterinärämter der Kantone: Aargau, Basel Land, Basel-Stadt, Bern, Freiburg, Genf, Glarus, Graubünden, Jura, Luzern, Neuenburg, Nidwalden, Obwalden, Schaffhausen, Schwyz, Solothurn, St. Gallen, Tessin, Thurgau, Uri, Waadt, Zürich, Zug Ein besonderer Dank geht an Herrn Prof. Dr. med. vet. Jacques Nicolet für die Übersetzungen. Dem Bundesamt für Veterinärwesen BVET danken wir für die fachkompetente Unterstützung, das Schlusslektorat sowie für die Übersetzungen. Vétérinaires Sans Frontières Suisse Gesunde Tiere – gesunde Menschen Unser Ziel: Gesunde Tiere – gesunde Menschen Ihre Hilfe zählt doppelt! Mitglied VSF Europa Vétérinaires Sans Frontières Suiss Postfach 479 3000 Bern 25 Bitte frankieren Der Herausgeber bedankt sich herzlich bei folgenden Firmen und Institutionen für ihren wichtigen Beitrag zur Herstellung dieser Broschüre: Unser Ziel: Gesunde Tiere – gesunde Menschen Ihre Hilfe zählt doppelt! ❑ Ja, ich möchte Tieren und Menschen helfen und werde Mitglied. Bitte senden Sie mir die notwendigen Unterlagen. (Jahresmitgliedschaft CHF 75.– für Einzelpersonen, CHF 200.– für Firmen) Bitte senden Sie mir: ❑ das Porträt von VSF-Suisse ❑ 3mal jährlich das Info-Bulletin VSF News (kostenlos) ❑ ___ Einzahlungsschein(e) für meine Spende (projektbezogene Unterstützung möglich) ❑ mehr Infos zu den Hilfsprojekten von VSF-Suisse ❑ den aktuellen Jahresbericht ❑ Infos zu VSF Europa Name/Vorname Strasse PLZ/Ort Telefon oder Email für allfällige Rückfragen Datum Mitglied VSF Europa Zoo.I -02 Unterschrift