UNIVERSITÄTSKLINIK FÜR KINDER- UND JUGENDPSYCHIATRIE/PSYCHOTHERAPIE ULM Aufklärungsbogen zum Individuellen Heilversuch – SSRI Liebe Eltern, liebe Patientin, lieber Patient, wir haben Ihnen eine Behandlung mit einem Serotoninwiederaufnahmehemmer (SSRI) empfohlen, das zwar für Erwachsene zugelassen ist, aber hier außerhalb des zugelassenen Altersbereichs eingesetzt werden soll. Es handelt sich dabei um folgendes Arzneimittel: _____________________ Medikamentenname __________________________ Wirkstoffname Dieses Arzneimittel wird bei Erwachsenen zur Behandlung von Depressionen, Angsterkrankungen, Zwangsstörungen und Essstörungen eingesetzt und kann Angst- und Unruhezustände vermindern helfen und die Stimmung stabilisieren. Bei bulimischen Störungen können die Ess-Brechanfälle verringert werden. Eine Antriebsschwäche kann vermindert werden. Die Wirkung setzt nach einer Behandlungsdauer von zwei bis drei Wochen ein, bei Zwangsstörungen auch manchmal erst nach sechs bis acht Wochen. Zugelassen für die Behandlung von Depressionen ist der SSRI Fluoxetin (Fluctin®), für die Behandlung von Zwangserkrankungen der SSRI Fluvoxamin (Fevarin®). Da jedoch Kinder und Jugendliche unterschiedlich auf Medikamente ansprechen, kann im Einzelfall auch die Verschreibung einer alternativen Substanz notwendig sein. Im Rahmen seiner Therapiefreiheit kann der Arzt im „individuellen Heilversuch“ (§41 Arzneimittelgesetz (AMG)) ein Medikament verordnen, das in Deutschland für Minderjährige noch nicht abschließend erprobt ist, und vom Bundesinstitut für Arzneimittel (BfArM) für diese Altersgruppe nicht zugelassen ist. mögliche Nebenwirkungen häufig - leichte Unruhezustände Schlafstörungen Kopfschmerzen Schwindel Übelkeit Appetitlosigkeit Durchfall Zittern Zwangsgähnen gelegentlich / selten - allergische Hautreaktionen - sexuelle Funktionsstörungen - vermehrtes Auftreten von Suizidgedanken Bei Überdosierung sowie bei abruptem Absetzen des Medikaments können Koordinationsstörungen, Kopfschmerzen, Übelkeit und Reizbarkeit auftreten. Das Medikament sollte daher bei Beendigung der medikamentösen Behandlung langsam ausgeschlichen werden. Auf die Entwicklung einer Abhängigkeit besteht kein Hinweis. ____________________________________________________________________________________________________ Überarbeitung Dr. Marc Allroggen / Dr. Michael Kölch 2008 Universitätsklinikum Ulm, Steinhövelstr. 5, 89075 Ulm UNIVERSITÄTSKLINIK FÜR KINDER- UND JUGENDPSYCHIATRIE/PSYCHOTHERAPIE ULM Vermehrte Auftreten von Suizidgedanken als Nebenwirkungen von SSRI Nach Auswertungen von klinischen Studien hat die Amerikanische Zulassungsbehörde (FDA) einen Warnhinweis herausgegeben, der den Einsatz aller Antidepressiva im Kindes- und Jugendalter betrifft und sich auf Suizidgedanken und suizidale Handlungen als Nebenwirkung bezieht. Zwar war in keiner dieser Studien ein vollendeter Selbstmord aufgetreten, dennoch scheinen in den ersten Monaten der Behandlung mit SSRI Selbstmordgedanken und entsprechendes Verhalten bei Minderjährigen öfter aufzutreten. Aus klinischer Sicht kann auf den Einsatz von SSRI speziell in der Behandlung von Depressionen und Zwangsstörungen bei älteren Kindern und Jugendlichen dennoch nicht verzichtet werden, da sich die älteren trizyklischen Antidepressiva zur Behandlung der Depression im Kindes- und Jugendalter in zahlreichen Studien als nicht wirksam erwiesen. Verhaltenstherapeutische Interventionen können zudem das Risiko von Suizidgedanken und suizidalem Verhalten reduzieren und haben darüber hinaus einen nachgewiesenen antidepressiven Effekt. Deshalb sollte eine medikamentöse Behandlung in der Regel im Rahmen eines multimodalen therapeutischen Konzepts eingesetzt werden. Es ist während der Behandlung wichtig, dass Sie ausführlich mit Ihrem Arzt über das Risiko selbstverletzenden Verhaltens, suizidaler Gedanken und suizidaler Handlungen reden. Möglichkeiten der Vorbeugung sind eine erhöhte Aufmerksamkeit von allen Familienangehörigen und anderen Personen, die im Umfeld des betroffenen Kindes leben. Es ist wichtig, dass Sie in engem Kontakt mit ihrem behandelnden Arzt bleiben, und dass das Medikament nicht ohne Absprache abgesetzt wird. Selbstverständlich sollte der Arzt umgehend informiert werden, wenn Probleme oder Fragen auftauchen. In Kombination mit MAO-Hemmern (z.B. Aurorix) oder tryptophanhaltigen Medikamenten kann ein lebensbedrohliches Serotoninsyndrom (Symptome: Agitation, Vigilanzstörungen, Myoklonien, Hyperreflexie, Schwitzen, Tremor, Diarrhö, Hyperthermie) ausgelöst werden. Bei Anzeichen dieser Symptome müssen Sie umgehend einen Arzt aufsuchen. MAOHemmer müssen mindestens 14 Tage vor Beginn der Behandlung mit einem SSRI abgesetzt werden. Bei Kombinationen mit anderen, auch frei verkäuflichen Medikamenten sollten Sie Ihren Arzt in jedem Fall um Rat fragen. Bei Mädchen und jungen Frauen ist auf eine sichere Methode der Empfängnisverhütung zu achten, da eine keimschädigende Wirkung nicht auszuschließen ist. Für alle Medikamente gilt, dass besonders zu Beginn der Behandlung die Reaktionsbereitschaft herabgesetzt sein kann und die Fahrtüchtigkeit herabgesetzt ist. Da es mit Alkohol und Drogen zu Wechselwirkungen kommen kann, sollte auf diese verzichtet werden. Ebenfalls zur Behandlung der Depression bzw. der Zwangsstörung bei Minderjährigen sind ältere, tri- und tetrazyklische Antidepressiva zugelassen, wie zum Beispiel _________________________ Medikamentenname __________________________ Wirkstoffname Für diese Medikamente gibt es aber keinen Beleg für ihre Wirksamkeit bei der Behandlung von Depressionen bei Minderjährigen bzw. sie zeigen ein deutlich ungünstigeres Nebenwirkungsprofil. Sie können die Krampfschwelle senken und können Nebenwirkungen auf das Herz-Kreislaufsystem mit möglichen EKG-Veränderungen und Herz- Rhythmusstörungen ____________________________________________________________________________________________________ Überarbeitung Dr. Marc Allroggen / Dr. Michael Kölch 2008 Universitätsklinikum Ulm, Steinhövelstr. 5, 89075 Ulm UNIVERSITÄTSKLINIK FÜR KINDER- UND JUGENDPSYCHIATRIE/PSYCHOTHERAPIE ULM sowie Blutdrucksenkungen haben, die bei einer Überdosierung lebensbedrohlich werden können. Beim „individuellen Heilversuch“ liegt das Haftungsrisiko nicht bei dem Medikamentenhersteller oder dem Arzt, sondern bei den einwilligenden Personen. Die Einwilligung zu der Behandlung im Rahmen eines „individuellen Heilversuches“ kann jederzeit zurückgenommen werden. Ein Aufklärungsgespräch mit der Möglichkeit, Fragen zu stellen, wurde geführt. Die Fragen wurden in verständlicher Art und ausführlich beantwortet. Über Risiken und Nebenwirkungen, sowie alternative therapeutische Möglichkeiten wurde ich/ wurden wir aufgeklärt. Die folgenden Punkte wurden zusätzlich besprochen: Einwilligungserklärung Hiermit erkläre ich mich/ erklären wir uns mit der Behandlung meines/unseres Kindes _____________________ mit dem Arzneimittel ____________________ im Rahmen eines „individuellen Heilversuchs“ bis auf Widerruf einverstanden. _________________________________ Unterschrift der/ des Sorgeberechtigten ten _________________________________ Unterschrift der Patientin/ des Patien- ______________________________________________________________ Datum Unterschrift der /des behandelnden Ärztin/ Arztes Telefonisch erreichbar unter: ____________________________ ____________________________________________________________________________________________________ Überarbeitung Dr. Marc Allroggen / Dr. Michael Kölch 2008 Universitätsklinikum Ulm, Steinhövelstr. 5, 89075 Ulm