Lymphozytäres Choriomeningitis

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Az. 6790-10-92
März 2009
Empfehlung der ZKBS zur Risikobewertung
der Laborstämme des lymphozytären Choriomeningitis-Virus
als Spender- oder Empfängerorganismen für gentechnische Arbeiten
gemäß § 5 Absatz 1 Gentechnik-Sicherheitsverordnung
Das lymphozytäre Choriomeningitis-Virus (LCMV) gehört zur Familie der Arenaviridae. Es
wurde erstmals im Jahr 1933 aus dem Liquor eines Enzephalitis-Patienten isoliert. LCMV war
jedoch nicht die Ursache dieser Enzephalitis (1).
Der natürliche Wirt von LCMV ist die Maus. Hamster oder Meerschweinchen können aber auch
Träger dieses Virus sein, auch bei Affen wurden Infektionen festgestellt. Die durch eine LCMVInfektion verursachten Symptome fallen sehr unterschiedlich aus. Die pränatale oder neonatale
Infektion von Mäusen verläuft in der Regel asymptomatisch und persistent, hingegen verläuft
die Infektion einer älteren Maus transient und verursacht lymphozytäre Choriomeningitis (2, 3,
4). Darüber hinaus wurden bei Nagetieren große Unterschiede in der Pathogenität und im
Krankheitsbild festgestellt, die vom jeweiligen Versuchstier und von dem jeweiligen LCMVStamm abhängig waren (5). Auch bei Affen führten LCMV-Infektionen zu unterschiedlichen
Erkrankungen. Eine vermutlich von einer Wildmaus übertragene LCMV-Infektion von Affen in
einem Zoo führte zu einer tödlichen Hepatitis (6, 7). Eine experimentelle Infektion von
Rhesusmakaken führte nach intravenöser Applikation zu hämorrhagischem Fieber, die
intragastrische Inokulation blieb symptomlos (8). Unabhängig von der Inokulationsroute kam es
bei der Infektion von Rhesusmakaken zu Erkrankungen der Leber, wenn der LCMV-Stamm WE
verwendet wurde, die Infektion mit dem generell als „neurotrop“ bezeichneten Stamm
Armstrong blieb hingegen symptomlos (9).
LCMV-Infizierte Nagetiere können das Virus auch auf den Menschen übertragen (4, 10, 11),
wahrscheinlich über Virus-haltigen Speichel, Urin oder Fäzes. Der klinische Verlauf beim
Menschen reicht von einer asymptomatischen Infektion (35%), einer leichten bis mittelschweren
Symptomatik (50%) bis hin zur klassischen Beteiligung des ZNS mit Choriomeningitis oder
Enzephalopathie (15%). Bei immunkompetenten Personen heilt die Infektion aus (4, 12, 13).
Große Besorgnis riefen LCMV-Infektionen nach Organtransplantationen hervor, die in den
Jahren 2003 und 2005 bei acht Transplantat-Empfängern auftraten und bei sieben dieser
infizierten Transplantat-Empfänger tödlich verlaufen sind (13). Andere horizontale
Übertragungen von Mensch zu Mensch sind nicht beschrieben (4). Die transplazentare Infektion
kann zu schweren Schädigungen beim Föten wie Hydrocephalus, Chorioretinitis oder
Mikrocephalie führen (4, 15).
LCMV ist weltweit verbreitet (4). Sein Wirts- und Zelltropismus ist breit. Es repliziert in allen
Organen, auch in lymphatischem Gewebe und im Zentralnervensystem (16, 17, 18, 19). Die
Infektion verläuft nicht lytisch. Das Krankheitsbild wird durch die vom LCMV ausgelöste
Immunreaktion verursacht (20).
Die Therapie erfolgt symptomatisch und supportiv. Eine antivirale Therapie oder ein Impfstoff
stehen nicht zur Verfügung (4).
In den “Guidelines for Research Involving Recombinant DNA Molecules“ vom April 2002 („NIH
Guidelines“) werden neurotrope Stämme von LCMV der Riskogruppe3 (Appendix B-III-D)
zugeordnet, und nicht- neurotrope Stämme von LCMV der Risikogruppe 2 (Appendix B-II-D).
Die gleiche Zuordnung erfolgt durch die europäische Arbeitnehmerschutzrichtlinie (2000/54/EG)
vom 18.09.2000 und in der Liste risikobewerteter Spender- und Empfängerorganismen für
1
gentechnische Arbeiten (Bekanntmachung nach § 5 Absatz 6 Gentechniksicherheitsverordnung
in der Fassung der Bekanntmachung vom 14.03.1995).
Empfehlung
Nach § 5 Absatz 1 GenTSV i.V.m. den Kriterien im Anhang I GenTSV werden die etablierten
Laborstämme von LCMV ARM, Docile, WE, UBC, Traub oder Pasteur C1PV76001 als Spenderund Empfängerorganismen für gentechnische Arbeiten der Risikogruppe 2 zugeordnet.
Die Risikobewertung neuer Isolate von LCMV als Spender- und Empfängerorganismen für
gentechnische Arbeiten erfolgt im Einzelfall.
Schwangere Frauen und immunsupprimierte Personen sind an gentechnischen Arbeiten mit
LCMV nicht zu beteiligen.
Begründung
LCMV hat einen breiten Wirts- und Zelltropismus. Die Krankheitsbilder bei Tieren und beim
Menschen fallen sehr unterschiedlich aus. Eine Unterteilung der Stämme von LCMV in
neurotrope und nicht neurotrope Stämme kann aber nicht vorgenommen werden, da LCMV
generell einen breiten Zelltropismus aufweisen, der neuronale Zellen einschließt. Neuronale
Erkrankungen entwickeln sich abhängig vom Status des Immunsystems, und nicht abhängig
vom Stamm des LCMV.
Die aufgeführten Laborstämme sind etabliert und charakterisiert. Es sind nur wenige
akzidentelle Laborinfektionen beschrieben worden. Bei diesen Infektionen kam es lediglich zu
vorübergehenden grippalen Erscheinungen.
Somit empfiehlt die ZKBS, etablierte Laborstämme von LCMV unabhängig vom Stamm nur
einer Risikogruppe zuzuordnen. Für abwehrgesunde Personen und die Umwelt geht von diesen
LCMV nur ein geringes Gefährdungspotenzial aus. Bei schwangeren Frauen und
immunsupprimierten Personen kann aber ein erhöhtes Gefährdungspotenzial nicht
ausgeschlossen werden.
Die Übertragung vom infizierten Nagetier auf andere Tiere oder den Menschen erfolgt aerogen
oder durch Biss. Eine Übertragung von Mensch zu Mensch ist nicht beschrieben.
Sicherheitsmaßnahmen der Stufe 2 sind für gentechnische Arbeiten mit Laborstämmen von
LCMV zum Schutz der im § 1 GenTG genannten Rechtsgüter ausreichend. Der Biss eines
infizierten Tiers sollte durch gesonderte Vorsichtsmaßnahmen vermieden werden.
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