Grundlagen und objektive Zustandsreduktion

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Hauptseminar in Theoretischer Physik:
Nichtlineare und nicht-Hermitesche Quantendynamik – Sommersemester 2012
Newton-Schrödinger-Theorie: Grundlagen und objektive Zustandsreduktion
Sergey Gelhorn
1
Outline
 Frage der Zustandsreduktion in der Quantenmechanik
o Kollaps der Wellenfunktion
o Schrödingerkatze
o Nichtlokalität
o Interpretationen der Zustandsreduktion
 Quantengravitation
o Newton-Schrödinger-Gleichung
o Bohr-Sommerfeld-Quantisierung
o Objektive Zustandsreduktion nach Penrose
2
Zustandsreduktion bei quantenmechanischer Messung:
 Ein quantenmechanisches Teilchen kann an mehreren Orten gleichzeitig sein, z. B. kann ein
Photon oder ein Elektron beim Durchfliegen durch Doppelspalt mit sich selbst interferieren,
als wäre er durch beide Spalten durchgeflogen.
 Man beschreibt Teilchen in Quantenmechanik durch eine Wellenfunktion und macht damit
gute Vorhersagen über Entwicklung des Systems, die Wellenfunktion kann jedoch nicht
gemessen werden, sie kollabiert bei der Messung.
Zustand:
Wahrscheinlichkeit:
vor der Messung
Wellenfunktion ψ
P(x) = |ψ(x)|2
nach der Messung
Wellenfunktion kollabiert
1 am Ort der Messung, sonst 0
 Kollaps der Wellenfunktion ist nicht determistisch (Ausgang ist nicht genau bekannt) und
nicht reversibel (zeitassymetrisch)
3
Schrödingerkatze
Abb: Schrödingerkatze, [Penrose 1999]
Im verschlossenen System (Kasten), kann Zustand |Katze⟩ = w|lebendig⟩+z|tod⟩
Man misst aber nach dem Öffnen entweder |Katze⟩ = |lebendig⟩ oder |Katze⟩ = |tod⟩
4
Nichtlokalität der Zustandsreduktion:
Bei verschränkten räumlich getrennten Teilchen, z.B. Ψ =
1
2
(↑1 ↓2 +↓1 ↑2 )
Polarisationsmessung bei Teilchen 1 führt zu sofortigen Zustandsreduktion auch bei Teilchen 2
unabhängig von Teilchenabstand:
Einstein: „Spukhafte Fernwirkung“
Zwei Ereignisse sind füreinander nicht lokal, wenn sie nicht durch einen Lichtstrahl verbunden
werden können
Instantanität des Kollaps der Wellenfunktion verstößt gegen Lokalität.
Zustandsreduktion ist nichtlokal
5
Messproblem: Zustandsreduktion
6
Wie kommt es zum Kollaps der Wellenfunktion?
1. Kopenhagener Deutung
– Wellenfunktion hat keine physikalische Bedeutung. Zustandsreduktion ist nicht durch einen
physikalischen Prozess, sondern durch Wissensveränderungen begründet
2. Mechanismus der Dekohärenz (Verlust der Kohärenzeigenschaften)
– Durch Wechselwirkung mit Umgebung (Stöße) gehen interne Phasenbeziehungen verloren,
Interferenz kann nicht mehr beobachtet werden. BEC ist ein quantenmechanischer Zustand, da
nur kleine Stoßrate bei tiefer Temperatur.
Abb: Thermisches Licht kann nicht mit sich selbst interferieren, da Kohärenzzeit zu kurz ist.
7
Wie kommt es zum Kollaps der Wellenfunktion?
3. Vielewelten-Interpretation
– Mehrere Zustände existieren gleichzeitig in parallelen Welten.
4. Verborgene Variablen
– Messergebniss ist durch verborgene Variablen bestimmt, die noch nicht bekannt sind
– Diese Hypothese wurde durch Korrelationsmessung bei Bell-Zuständen widerlegt
5. Quantengravitation nach Penrose
8
Idee von Penrose:
Gravitation ist für die Zustandsreduktion
verantwortlich
Motivation:
ART und Quantenmechanik miteinander zu
verheiraten
Abb: aus „Schrödinger‘s cat in Space“
9
Lokalisierung durch Quantengravitation:
Abb: Freies Teilchen in Minkowksi- und allgemeiner Metrik:
Selbstwechselwirkung durch Raumkrümmung
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Newton-Schrödinger Gleichung
- Einteilchenproblem:
ℏ2 2
𝑖ℏ𝜕𝑡 𝜓 = −
∇ − 𝑚Φ 𝑥
2𝑚
∇2 Φ = −4𝜋𝐺𝜌
→ Φ=𝐺
𝜓
𝑚
𝜓 𝑥′
′
|𝑥 − 𝑥 |
2 3 ′
𝑑 𝑥
Substitution:
𝜓 = 𝛼𝑆,
ℏ
𝛼=
8𝜋𝐺𝑚3
𝐸 − Φ = 𝛽𝑈
1
2
,
ℏ2
𝛽=
2𝑚
Führt auf:
∇2 𝑆 = −𝑆𝑈
∇2 𝑈 = −𝑆 2
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Radial-symmetrische Lösungen: (s-wellen-lösungen)
∇2 𝑆 = −𝑆𝑈
𝜕𝑟2 𝑟𝑆 = −𝑟𝑆𝑈
𝜕𝑟2 𝑟𝑈 = −𝑟𝑆 2
∇2 𝑈 = −𝑆 2
𝜕𝑟 𝑆 0 = 0
𝜕𝑟 𝑈 0 = 0
Lösungen bestimmen durch Variation von 𝑆(0), 𝑈(0). Man kann 𝑈(0) = 1 festhalten und nur
𝑆(0)/𝑈(0) variieren und danach mit der Normierungsbedingung ∫ 𝜓 2 𝑑3 𝑥 = 1 den Wert für
𝑈(0) bestimmen:
Abb.: 𝑆(𝑟) für Unterschiedliche
Genauigkeiten des Startwertes,
Bestimmung durch Halbierungsverfahren:
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Abb: Normierter Grundzustand und zweiter angeregter Zustand [Greiner 2005]
Echte Längenskala:
𝑟𝑆𝑖 =
ℏ2
𝑚 3𝐺
𝑟  für 𝑟 = 1
𝑚
𝑟𝑆𝑖
𝑚𝑝𝑟𝑜𝑡𝑜𝑛
3.75 ∗ 106 Lj.
106 𝑚𝑝𝑟𝑜𝑡𝑜𝑛
3.56 ∗ 104 meter
1010 𝑚𝑝𝑟𝑜𝑡𝑜𝑛
3.56 ∗ 10−10 meter
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Wirkungsintegral nach Bohr-Sommerfeld-Quantisierung:
𝑟𝑈
𝑊=
𝑝 𝑟 𝑑𝑟 = 2
𝑝 𝑟 𝑑𝑟 = ℎ 𝑛 + 𝜇
0
𝑝=ℏ 𝑈=
2𝑚 𝐸 − Φ ,
Tab: Test der Bohr-Sommerfeld-Quantisierung
𝑈 𝑟𝑈 = 0
Abb:𝜇 aufgetragen gegen
1
𝑛
14
𝜆𝑐 =
ℏ
𝑚𝑐
Atomphysik
Gravitative Atomphysik
1
Feinstrukturkonstante 𝛼
1
Bohrradius 𝑎 = 𝜆𝑐
𝛼
1
Rydbergenergie 𝑅 = 𝛼 2 𝑚𝑐 2
1 𝑒2
1
𝛼𝑒 =
≈
4𝜋𝜖0 ℏ𝑐 137
4𝜋𝜖0 ℏ2
𝑎𝑒 = 2
𝑒 𝑚4
2
𝑅𝑒 =
1
𝑚𝑒
2 4𝜋𝜖 0 ℏ 2
4𝜋𝜖 0
→ 𝐺, 𝑒 → 𝑚
𝑚2
𝛼𝐺 = 𝐺
ℏ𝑐
𝐺ℏ2
𝑎𝐺 = 3
𝑚
1 𝑚5
𝑅𝐺 =
2 𝐺ℏ 2
Energieniveaus:
1
Für Potential gilt:
𝑟
𝐸𝑛 = −
𝑅𝐺
𝑛+𝜇
2
Man findet aus numerischen Lösungen:
𝐸𝑛 = −𝜅
𝑅𝐺
𝑛+𝜇 2
𝜅 = 0.192631,
𝜇 = 0.769001
Abb: 𝐸𝑛 /𝑅𝐺 aufgetragen gegen 𝑛
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Quantendefekttheorie:
Wirkungsintegral 𝑊𝐶 für Coulombförmiges Potential 𝑉𝐶 =
𝑈𝐶 =
𝑊𝐶 =
2𝑚
𝐸−
ℏ
𝐺𝑚 2
𝑟
2ℏ ∫0 𝑈
𝑟
, 𝑟𝑈 =
𝑈𝐶 𝑑𝑟 =
𝐺𝑚 2
𝑟
𝐺𝑚 2
𝐸
𝐺𝑚 3
−2𝑚𝐸
Zusatzterm 𝑊𝐾𝑟 durch kurzreichweitige Abweichung vom Coulombförmigen Potential
𝑊 = 𝑊𝐶 + 𝑊𝐾𝑟 =
𝐺𝑚 3
−2𝑚𝐸
+ 𝑊𝐾𝑟 = 2𝜋ℏ(𝑛 + 𝜇)
Numerische Rechnung zeigt: 𝑊𝐾𝑟 = 𝑐 𝑛 + 1
⟹
𝐺𝑚 3
+ 𝑐 𝑛 + 1 = 2𝜋ℏ(𝑛 + 𝜇)
−2𝑚𝐸
⟹𝐸=−
𝜅 = 1−
𝑐 = −8.1ℏ
𝐺2 𝑚 5
1
ℏ2
𝑐
𝜇−
𝑐 2
ℎ
1−
𝑛− 𝑐
ℎ
1−
ℎ
𝑐 −2
ℎ
=−
𝑅𝐺
𝑐 2
ℎ
1−
𝑛 −𝜇
= 0.191 (in guter Übereinstimmung zu gefundenen Werten)
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Größenordnung für Energien und Radien:
𝑚𝑒𝑙𝑒𝑘𝑡𝑟𝑜𝑛
7.8 ∗ 10−85 eV
2.2 ∗ 1032 m
Rydbergenergie 𝑅𝐺
Bohrradius 𝑎𝐺
𝑚𝑝𝑟𝑜𝑡𝑜𝑛
1.6 ∗ 10−68 eV
3.5 ∗ 1022 m
1 kg
2 ∗ 1047 J
1.6 ∗ 10−58 m
Vergleich: 1kg ∗ 𝑐 2 = 9 ∗ 1016 J ≪ 2 ∗ 1047 J = 𝑅𝐺 1kg
Plancksche Masse 𝑚𝑃𝑙 =
ℏ𝑐
𝐺
= 2.18 ⋅ 10−8 kg
1
𝑅𝐺 𝑚𝑃𝑙 = 𝑚𝑃𝑙 𝑐 2 = 6.1 ∗ 1018 GeV
2
Für 𝑚 = 6.06 ⋅ 10−14 kg = 3.6 ⋅ 1013 𝑚𝑝𝑟𝑜𝑡𝑜𝑛
𝑅𝐺 (𝑚) = 1eV
17
Objektive Zustandsreduktion nach Penrose :
Da keine Überlagerungszustände, sondern ein definierter Zustand bei
makroskopischen Objekten gemessen wird, liegt die Idee nahe, einen
gravitativen Effekt als Ursache der Zustandsreduktion zu vermuten.
18
Schrödingerkatze mit Gravitation:
19
Jede Masse für sich deformiert für sich ihre flache Raum-Zeit:
20
Killing-vektorfelder 𝑇 (𝑟 ) stehen senkrecht auf Raum-Zeit-Manifaltigkeit. Für einen stationären
Zustand existiert ein zeitartiger Killing-Vektor in Richtung 𝑑𝑥 0 = 𝑐 ∗ 𝑑𝑡
„ Zeitartiger Killing-Vektor ersetzt die Zeitableitung: 𝑖ℏ
𝜕
𝜕𝑡
𝜓⟩ → 𝑖ℏ𝑇 𝜓⟩“ [Penrose 1999]
„Kovariazionsprinzip der ART verbietet punktweise Identifikation verschiedener Raumzeiten
Bei Superposition nicht wohl definiert:
Abb: Killingvektorfelder
bei Superposition
Kausalität
Killing-Vektorfelder
Stationarität?
Energie?“ [Wunner 2001]
Abb: Killingvektorfeld
für gekrümmte Raumzeit
21
Gravitative Unschärfe:
Minkowski-Metrik: g 00 = 1 +
2Φ
, Φ ist Newton Potential
c2
Für jede Position n wird eigenes Gravitationspotential und eigene Raumzeit erzeugt, in dem eine
Testmasse Beschleunigung 𝑓𝑛 erfahren würde. Man definiert daher als Energieunschärfe:
1
1. Δ𝐸 = ∫ 𝑓2 – 𝑓1
𝐺
2
𝑑3 𝑥
Mit ∇Φ𝑖 = − 𝑓𝑖 in 1.
1
2. Δ𝐸 = ∫ ∇ Φ2 − Φ1
𝐺
2 3
1
𝑑 𝑥 = ∫ ∇ Φ2 − Φ1
𝐺
∇ Φ2 − Φ1 𝑑3 𝑥
Partielle Integration von 2. :
1
3. Δ𝐸 = − ∫ Φ2 − Φ1 ∇2 Φ2 − Φ1 𝑑3 𝑥
𝐺
Φ(𝑦) = 𝐺 ∫
𝜌 𝑥
𝑥 −𝑦
𝑑3 𝑥 ; ∇2 Φ𝑖 = −4𝜋𝐺𝜌𝑖 in 3.:
4. 𝛥𝐸 = −4𝜋𝐺 ∫ ∫
𝜌 1 𝑥 −𝜌 2 𝑥
𝜌 1 𝑦 −𝜌 1 𝑦
𝑥 −𝑦
𝑑3 𝑥𝑑3 𝑦
22
Abschätzung für Lebensdauer:
𝜌1 𝑥 − 𝜌2 𝑥
𝛥𝐸 = −4𝜋𝐺
𝜌1 𝑦 − 𝜌1 𝑦
𝑥−𝑦
𝑑3 𝑥 𝑑3 𝑦
Ansatz 𝜌1 = 𝑚𝛿 𝑥 ; 𝜌2 = 𝑚𝛿 𝑥 + 𝑑 (Punktförmige Masse an Position 0 oder 𝑑 )
4𝜋𝐺𝑚2
𝛥𝐸 =
𝑑
→
ℏ
ℏ𝑑
𝛥𝑡 =
=
𝛥𝐸 4𝜋𝐺𝑚2
Lebensdauer Δ𝑇 eines Überlagerungszustands:
𝑚 [kg]
10−30
10−27
10−18
10−12
𝑑 [m]
10−10
10−10
10−7
10−5
Δ𝑇 [s]
1025
1019
104
10−6
Kommentar
Elektron mit 𝑑 = 𝑎𝐵
Nukleon mit 𝑑 = 𝑎𝐵
Wassertropfen mit 𝑟 = 10−7 m, berührend
Wassertropfen mit 𝑟 = 10−5 m, berührend
23
Versuch für einen experimentellen Nachweis:
Um die Dekohärenz durch Stöße zu vermeiden und gravitative Dekohärenz zu messen, sollte
Verhältnis 𝑄/𝑇zwischen Resonatorgüte 𝑄und Temperatur 𝑇 um Faktor 106 verbessert werden.
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Literaturliste
 [Greiner 2005] Daniel Greiner: Semiklassische Lösungen der Newton-Schrödinger-Gleichung,
Diplomarbeit, 2005
 [Penrose 1996] R. Penrose: On Gravity's Role in Quantum State Reduction
 [Penrose 1998] I. Moroz, R. Penrose, P. Tod: Spherically-symmetric solutions of the
Schrödinger-Newton equations, in Class. Quantum Grav., 1998
 [Penrose 1999] R. Penrose: Schrodinger’s Cat in Space, Vortrag, Pennsylvania State
University, 1999
 [Penrose 1999/2] R. Penrose: Quantum State reduction as a real phenomenon, Vortrag,
Isaac Newton Institute, 2.9.1999
 [Wunner 2001] G. Wunner: Brauchen wir eine neue Quantenmechanik? Antrittsvorlesung,
Universität Stuttgart, 2001
 [Marshall 2003] W Marshall: Towards Quantum Superpositions of a Mirror
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