Sendungsbroschüre

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Information zur Sendung
vom 22. April 2010
Clever essen
Viele Leute glauben, Essen kann glücklich machen,
weil bestimmte Stoffe in den Lebensmitteln auf
das Gehirn wirken. Bananen, Nüsse oder Schokolade sollen zum Beispiel durch „Glücksstoffe“ die
Stimmung heben. Geschickte MarketingAgenturen haben auch schon einen Begriff für
solche Lebensmittel erfunden: mood food –
„Stimmungs-Essen“. Aber: Machen uns wirklich
bestimmte Inhaltsstoffe glücklich oder bilden
wir uns das nur ein? Und: kann Essen vielleicht
sogar schlau machen? Was ist dran an der Behauptung, durch richtige Ernährung ließe sich
die Leistungsfähigkeit des Gehirns steigern?
Funktionieren unsere grauen Zellen wirklich besser,
wenn wir Botenstoffe zu uns nehmen, die sonst im
Gehirn wirken? Schließlich gelangen sie beim Essen
in den Magen und nicht in den Kopf. Also: Ist was
Schokolade soll glücklich machen – aber stimmt das wirklich?
dran, an Mood-Food und Brain-Food oder reicht eine
vielseitige und ausgewogene Ernährung zum Glück?
Odysso zeigt, was „clever essen“ wirklich bedeutet.
Inhalt
S. 2 Wie Essen wirklich glücklich macht
S. 4 Zeitreise: Essen
S. 6 Warum Diäten so oft scheitern
S. 9 Was ist dran an Brain-Food?
S. 10Stevia
S. 12Adressen, Links und Literatur
Wie Essen wirklich glücklich macht
von Johanna Bayer
Dass Essen glücklich macht, weil bestimmte Stoffe darin direkt auf das Gehirn wirken,
glauben viele. Bananen, Nüsse, Schokolade und andere Lebensmittel sollen die Stimmung heben – doch leider ist davon kaum etwas wahr. Für Odysso sagt Deutschlands
prominentester Ernährungspsychologe, was an Glückstoffen im Essen wirklich dran ist.
Und Odysso macht den Test: Macht Schokolade glücklich – und wenn ja, warum?
Glück durch Essen – was früher banal mit gutem Geschmack, Luxus oder Küchenkunst begründet wurde,
kommt heute wissenschaftlich aufgemotzt daher:
Hirnbotenstoffe oder geheimnisvolle Glückshormone
sollen in bestimmen Lebensmitteln wirken. Sie stecken angeblich in bisher harmlosen Bananen, Tomaten, Nüssen oder Datteln, weshalb deren Verzehr die
Stimmung heben soll. Auch der Glücklichmacher
Nummer eins, die Schokolade, verdankt sein Suchtpotenzial, laut hartnäckigen Behauptungen, geheimnisvollen Inhaltsstoffen. Hauptverdächtig immer wieder:
Serotonin, ein Neurotransmitter, der bei Depressiven
oft in niedrigerer Konzentration vorliegt. Serotonin
soll unter anderem in Bananen und Schokolade stecken, aber auch in Nüssen und Tomaten. Doch so
plausibel die Vorstellung klingt, dass man sich glücklich essen kann – wahr ist leider kaum etwas davon.
Serotonin ist ein Botenstoff für Nervenzellen, den der
Körper überwiegend selbst herstellt. Er spielt bei Depressionen eine bestimmte Rolle, da man festgestellt
hat, dass der Serotonspiegel im Gehirn von Depressiven scheinbar niedriger ist als bei Gesunden. Im
Körper reguliert Serotonin als Botenstoff die Darmbewegungen und ist daher vornehmlich dort zu finden – 95 Prozent des körpereigenen Serotonins sind
im Darm. Zwar sind tatsächlich in einigen Lebensmitteln Spuren von Serotonin enthalten. Durch die Verdauung kommt es ins Blut, doch beeinflusst es dort
den körpereigenen Serotoninspiegel kaum. Denn es
sind nur winzige Spuren, die sich auf den Körper nicht
auswirken. Zudem müsste das Serotonin, sollte es
glücklich machen, nicht im Darm, sondern im Gehirn
wirken können. Doch genau hier liegt der Haken:
„Serotonin im Essen macht nicht per se glücklich“,
sagt Dr. Thomas Ellrott, Ernährungsmediziner und
Leiter der Ernährungspsychologischen Forschungsstelle der Universität Göttingen: „Denn das Serotonin
im Essen kommt gar nicht da hin, wo es glücklich machende Wirkung haben könnte, nämlich ins Gehirn.
Und darum ist es ein Trugschluss zu glauben, dass
man Serotonin essen kann und dann glücklich wird.“
“... Serotonin im Essen macht nicht per se
glücklich ...“
Dass das Serotonin aus dem Blut nicht ins Gehirn gelangt, liegt daran, dass das Denkorgan sich mit einer
Schutzschicht gegen viele Stoffe von außen verbarrikadiert. Nur Serotonin, das im Gehirn selbst von Nervenzellen erzeugt wird, kann im Gehirn auch wirken.
Der Schutzmechanismus in den Adern ist die so genannte Blut-Hirn-Schranke, gemeint ist damit ein besonderer Aufbau der Gefäße im Gehirn. Das Blut und
die darin transportierten Stoffe werden gefiltert, besondere Zellmechanismen in den Wänden der BlutSendung vom 22.04.2010
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gefäße sorgen dafür, dass nur wenige Substanzen
wirklich ins Gehirn dringen können. Neben Wasser
sowie Zucker als Nährstoff für die Hirnzellen treten
unter anderem bestimmte Aminosäuren durch. Serotonin aus der Nahrung aber prallt an der Barriere ab.
Raffiniertere Autoren von Ratgebern und Vielschreiber
in Internet-Foren sind da aber auch schon einen Schritt
weiter. Sie führen ihre Ernährungsempfehlungen gleich
auf den Rohstoff für Serotonin zurück, die Aminosäure
Tryptophan. Dieser Eiweißbaustein ist in Fleisch, Käse
und allen eiweißhaltigen Lebensmitteln wie Milch
enthalten. Aus Tryptophan stellen die Nervenzellen
im Gehirn ihr eigenes Serotonin her, und der Eiweißbaustein passiert die Blut-Hirn-Schranke. Wer sich
glücklich essen will, so lautet der Rat, der soll Tryptophan zum Beispiel aus Datteln zu sich nehmen, wo es
in günstiger Konzentration vorliegt, oder eiweißreiche
Lebensmittel mit Zucker kombinieren, da Zucker die
Aufnahme von Tryptophan ins Gehirn fördert.
pelt den Geschmack eines Lebensmittels an eine parallele, ganz positive Lebenssituation. Und später, wenn
man dieses Lebensmittel zu einer anderen Situation
isst, kann man automatisch dieses positive Gefühl mit
dem Geschmack des Lebensmittels wieder abrufen.
Und das ist eher der typische Weg, wie bestimmte Lebensmittel uns glücklich machen, wie sie ein richtiges
kleines High auslösen können. Dafür ist allerdings
nicht der Botenstoff Serotonin im Gehirn entscheidend, sondern ein ganz anderer Botenstoff: das Dopamin.“ Auch dieser Stoff wird im Gehirn selbst erzeugt.
Er spielt vor allem beim Lernen und im sogenannten
Belohnungssystem eine Rolle. Das ist eine Gruppe von
Hirnregionen, die einen Schwall von Dopamin ausschütten, wenn man Erfolg oder einen plötzlichen Geistesblitz hat, wenn man motiviert ist, wenn ein Plan
aufgeht – und wenn man Handlungen vollzieht, von
denen man weiß, dass sie einem gut tun.
Glücksgefühle beim oder nach dem Essen
lassen sich nicht leugnen
Leider aber bedeutet viel Tryptophan im Gehirn nicht
automatisch viel Serotonin. Denn die Hirnzellen müssen Tryptophan erst umwandeln. Das dauert seine
Zeit. Und wann sie in die Produktion gehen, hängt von
Tageszeit, Licht, Bewegung, Hormonen und anderen
Faktoren ab. Zudem sind Experten sicher, dass Lebensmittel die Tryptophan-Konzentration im Gehirn nicht
stark erhöhen können, was die Voraussetzung für irgendeine Wirkung wäre. Das gelingt, wenn überhaupt, nur mit hohen Dosen von Tryptophan als Medikament, in Mengen, die durch Ernährung nie erreicht
werden können. Die amerikanische Neurobiologin
Dawn Richards schreibt dazu in einem Studienüberblick: „Es ist unwahrscheinlich, dass eine Veränderung
beim Tryptophan durch eiweißhaltige oder zuckerreiche Ernährung in irgendeiner Weise Effekte hat.“
Allerdings lässt es sich nicht leugnen, dass es Glücksgefühle beim oder nach dem Essen bestimmter Lebensmittel wirklich gibt. Das beschwören Feinschmecker und Fans von Schokolade, Eis oder Kaffee. Doch an
besonderen Stoffen, so Dr. Thomas Ellrott, liegt das
nicht, für ihn sind es vor allem Lern-Effekte: „Man kop-
Für Liebhaber hat Schokolade eine hohe emotionale Bedeutung
So erklärt sich auch der Glückskick beim Essen von
Schokolade, von dem viele Schokoliebhaber sprechen.
Der, sagen Fachleute wie etwa die Schokoladen-Forscher beim Branchenriesen Nestlé, kommt einfach
davon, dass derjenige, der Schokolade isst, Schokolade mag. Und zwar das köstliche Aroma, den zarten
Schmelz auf der Zunge, den süßen Geschmack. Dazu
kommt noch die Gewohnheit, Schokolade in besonderen Situationen zu essen – als Trost etwa, oder als
Belohnung. So gewinnt die Schokolade an emotionaler Bedeutung, und diese Gewohnheit verankert
sich im Gehirn: Sobald Schokolade in der entsprechenden Situation gegessen wird, reagiert das Belohnungssystem mit der Ausschüttung von Dopamin.
Schon seit Jahren ist bekannt, dass das Belohnungssystem bei Menschen anspringen kann, wenn sie Dinge
essen, die sie mögen. Das Glücksgefühl beim Schokoessen entsteht durch diesen Vorgang im Gehirn – und
nicht, weil etwa Dopamin in der Schokolade steckt.
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Bei Schokoliebhabern springt das Belohnungszentrum schon an, wenn sie nur Bilder von Schokolade
sehen. Allein die Aussicht auf den Lieblingsstoff
bringt das Gehirn in Wallung. Bei Menschen, die auf
Schokolade nicht besonders scharf sind, gibt es diese
Reaktion nicht – und so war es bei unseren Testkandidaten im Experiment: Wir haben zwei Freiwillige von
Hirnforscher Dr. Bernd Weber am Institut Life&Brain
in Bonn untersuchen lassen. Die Probanden lagen in
einem Kernspin-Gerät und sahen Bilder von Schokolade und Bilder von anderen Lebensmitteln – Gemüse, oder Wiener Würstchen. Das Kernspin-Gerät
zeichnete währenddessen auf, wo sich in ihrem Gehirn die Durchblutung verstärkt. Und es gab einen
deutlichen Unterschied: Heike van Beek, ausgesprochene Schokoliebhaberin, reagierte auf die Schokobilder mit einer erhöhten Aktivität im Belohnungszentrum. Dagegen gab es bei Sebastian Limprecht,
der Schokolade nicht besonders mag, keinen nennenswerten Ausschlag. Hirnforscher sagen: Wichtig
für den Glückskick ist die Präferenz, die individuelle
Vorliebe, der eigene Wunsch, den man sich erfolgreich erfüllt. Und so macht sie doch glücklich, die
Schokolade. Und zwar jeden, der sie mag.
“... es gibt nicht das eine Lebensmittel,
das alle Menschen gesetzmäßig
glücklich macht ...“
Thomas Ellrott plant jetzt eine Studie, die zeigen soll,
welche Leckereien bei wem die Stimmung heben,
denn „es gibt ganz klar nicht das eine Lebensmittel,
das alle Menschen gesetzmäßig glücklich macht.“
Individuelle Vorlieben – ob Süßes, ob eher Salziges
und Pikantes, oder Fettiges und Fleisch – sind der
Hauptfaktor. Auch der Luxus spielt eine Rolle, sagt
Ellrott: „Oft verkneifen wir uns die Lieblings-Lebensmittel und gönnen sie uns nur in besonderen Situationen. Das erhöht die Glückswirkung, wenn man sie
dann mal genießt.“ Dazu kommen auch gelernte Assoziationen sowie Verbindungen mit ganz bestimmten Stimmungen und Situationen. Ganz beliebig ist die Auswahl aber nicht: „Es gibt da so ein paar
Gemeinsamkeiten unter den Lebensmitteln, die häufig genannt werden. Und das ist evolutionsbiologisch gut zu verstehen, es sind nämlich fast immer
sehr kalorienreiche, sehr energiereiche, sehr zucker-
reiche Lebensmittel. Und wir mussten in der Evolution immer solche Lebensmittel bevorzugen, die viele
Kalorien enthalten haben. Darum ist es nur zu verständlich, dass wir ein Belohnungssystem haben,
das den Verzehr kalorienreicher Lebensmittel auch
mit einer guten Stimmung belohnt.“
Zeitreise: Essen
von Astrid Dermutz
Heute schöpfen wir aus einem Überangebot an Lebensmitteln: Von vegetarisch über
bürgerlich bis hin zu exotisch ist alles möglich. Doch wie hat sich der Essverhalten der
Deutschen entwickelt? Und welche Nationen und gesellschaftlichen Strömungen
übten ihren Einfluss auf die deutsche Küche aus? Der kulinarische Rückblick beginnt in den Jahren nach dem Krieg endet bei
dem so genannten „Functional Food“.
Die 50er Jahre:
Nachkriegszeit und Toast Hawaii
In den ersten Jahren nach dem Krieg herrschen Not,
Elend und Hunger im Land. Doch nicht lange, dann
sind wieder Buttercremetorte und echter Bohnenkaffee zu haben. Kaum hat das Fernsehen zu senden
begonnen, köchelt Clemens Wilmenrod, Urvater aller Fernsehköche vor der Kamera: Es gibt „Toast Hawaii“ – große Kochkunst mit einer Cocktailkirsche
als Clou. Und bald können die Deutschen auch wieSendung vom 22.04.2010
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der Urlaub machen: Der Bundesbürger reist nach
Italien, lernt Pizza und Pasta kennen und kämpft mit
exotischen Nudelgerichten. Zeitgleich reisen immer
mehr Italiener nach Deutschland, um sich im „Wirtschaftswunderland“ als so genannte Gastarbeiter
zu verdingen – mit dabei ihre Koch- und Eßkultur.
Und so mutieren die einst fremdartigen südländischen Teigwaren zu teutonischen Nationalgerichten mit einem Flair von Dolce Vita.
Die 60er Jahre:
Chinarestaurants und Fischstäbchen
Die Gastronomie wird international. Den Italienern
folgen andere Nationalitäten. In Frankfurt eröffnet
Deutschlands erstes Chinalokal. Endlich kommen
auch Deutsche in den Genuss einer in ihren Augen
typischen chinesischen Küche: beliebige Lebensmittel kleingeschnippelt, in den Wok geworfen, in Sojasauce ertränkt und mit pappigem Reis verfeinert.
Eine andere Errungenschaft der Zeit: Ravioli aus der
Dose. Der Siegeszug von Konserven und Tütensuppen
hat begonnen. Kochen heißt immer häufiger nur
noch: Packung aufreißen und den Inhalt unter langsamem Rühren verquirlen. Daneben kommt eine
neue Entwicklung aus Amerika auf dem Markt: Tiefkühlkost. Aus dem Eisfach kommen jetzt gefrorene
Lebensmittel aller Art. Der Hit – nicht nur bei Kindern
– ist zweifelsohne Fisch, der aussieht wie Bauklötze
aus Pressspan – und leider oft auch so schmeckt.
Die 70er Jahre:
Pommes und Revolte
Eine belgische Spezialität hat ihren weltweiten Siegeszug angetreten: Die im Original bezeichneten
„pommes de terre frites“ kommen nach Deutschland und werden zu „Pommes“. Passend dazu werden die Currywurst und Hamburger, die nach USVorbild aus einem Fleischklops zwischen
Brötchenhälften bestehen, immer beliebter. Willkommen in der Welt von Fast-Food , MacJob und
Papptellern. Dagegen rebellieren Studenten und
andere Alternative. Der Zeitgeist ist aufmüpfig.
Denn in Wohngemeinschaften lebt man gesund.
Die 80er und 90er Jahre:
Ökobewegung und Single-Küche
Manch einer schmeißt das Soziologiestudium hin
und zieht ganz aufs Land. Die Ökobewegung ist geboren. Statt Klassenkampf rücken in den 80er Jahren
gesunde Lebensmittel und Selbstgebackenes in den
Mittelpunkt. Im Gegensatz zu den 90er Jahren, der
Zeit einer Renaissance von Raviolidose und Co., aber
modisch gewendet als „Convenience Produkte“ oder
in der Ein-Personen-Packung. Der moderne erfolgreiche Single hat schließlich keine Zeit, Salat zu
schleudern, die Lebensmittelindustrie nimmt es ihm
daher ab. Aber erneut etabliert sich eine Gegenbewegung: „Slow Food“, wörtlich übersetzt „langsames
Essen“. Ihre Anhänger sammeln die Zutaten gern
selbst im Wald und setzen auf traditionelle Küche –
saisonal und regional. Geschmacksverstärker, Farbstoffe oder Konservierungsstoffe sind verpönt. Gegessen wird nicht aus Pappbechern, sondern von
Tellern und selbstverständlich mit Messer und Gabel.
Und heute?
Der Trend im Supermarkt heißt „Functional Food“.
Das sind Lebensmittel, die angereichert mit allerlei
angeblichen Gesundmachern und Gesundhaltern,
‘mal fettarm, `mal cholesterinfrei, `mal isotonisch‘,
jedoch in jedem Fall künstlich sind. Und die Zukunft
soll der Zellkultur gehören. Wissenschaftler wollen
tierische Eiweißzellen in Nährlösung auf die Größe
von Wiener Schnitzeln vermehren. Sauber, artgerecht
und unbegrenzt lauten die Verheißungen. Ob sie
Wirklichkeit werden oder der Deutsche des 21. Jahrhunderts doch lieber seine gewohnten Fleischberge
vorzieht, das bleibt abzuwarten.
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Warum Diäten so oft scheitern
von Johanna Bayer
Dass Abnehmen schwierig ist, wissen alle, die es schon einmal vergeblich versucht
haben. Unser Körper wehrt sich hartnäckig dagegen, Kilos zu verlieren – schließlich
hat die Evolution ihn so programmiert, dass er Fett für Notzeiten einlagert. Hungern
ist Stress für den Körper, und selbst die Psyche leidet: Viele Menschen halten es nicht
aus, wenn sie während einer Diät auf gewohnte Genüsse und Geschmackserlebnisse
verzichten müssen. Aus den rigiden Essplänen einer Diät brechen die meisten früher
oder später wieder aus. Doch das Wunschgewicht zu erreichen ist nicht unmöglich.
Viele Menschen haben einfach falsche Vorstellungen
vom Abnehmen, so der Ernährungsmediziner Professor Volker Schusdziarra von der Technischen Universität München. Einer der Fehler: Die Vorstellung von der
einen Super-Diät, die bei allen wirkt, und das möglichst
schnell. Volker Schusdziarra glaubt nicht daran, und er
ist überzeugt davon, dass Essen auch beim Abnehmen
vor allem schmecken und satt machen muss. Die Vorstellung, mit ganz speziellen Lebensmitteln und strengen Verboten Übergewichtige auf Normalgewicht zu
bekommen, hält er für einen „Fetisch“: „Da können Sie
auch ein totes Huhn in die Stube legen, sich eine Feder
ins Haar stecken und dreimal am Tag darum herumhüpfen – das ändert aber wahrscheinlich am Gewicht
nicht viel, vor allem langfristig nicht. Was wir machen
müssen, ist, das Essverhalten ändern, und das geht
nur, wenn man die individuellen Essgewohnheiten berücksichtigt. Dann haben wir auch langfristig eine
Chance, das Gewicht unten zu halten.“
Volker Schusdziarra hat im Else-Kröner-FreseniusZentrum für Ernährungsmedizin schon Tausende
von übergewichtigen Menschen behandelt – und
die Rede ist nicht von Menschen, die sich um ihre Bikinifigur sorgen. Seine Patienten haben oft 30, 40
oder 50 Kilo Übergewicht, manchmal sogar mehr. So
viele Kilos kommen nicht über Nacht, sie sind, sagt
der Experte, das Resultat von jahre- oder jahrzehntelangen Gewohnheiten. „Das Essverhalten ist in hohem Maße konditioniert, also eine sehr tief verankerte Gewohnheit. Die können Sie nicht komplett
umpolen, und Sie können auch Geschmacksvorlieben von Menschen nicht beliebig ändern“, betont
Schusdziarra. Den üblichen Rat an Übergewichtige,
lieber rohe Gemüsestangen zu knabbern als Kuchen
oder Chips zu naschen, hält er für völlig verfehlt:
„Niemand, der was Pikantes und Fettiges im Mund
haben will, nagt von heute auf morgen an Karottenstangen.“ Stattdessen empfiehlt er Abnehmwilligen,
Lebensmittel aus derselben Geschmacksgruppe zu
nehmen, die aber weniger Kalorien haben: Salzbrezeln statt Nüsse, Erdnussflips statt Chips. Das erhält
den Genuss, spart aber Kalorien.
Erst wenn der Magen voll ist, setzt das Gefühl der Sättigung ein
Wichtig ist laut Schusdziarra aber auch die Menge,
die Menschen essen. Denn das elementare Gefühl
der Sättigung setzt erst ein, wenn der Magen voll ist
– und erst dann hört jemand auch auf, zu essen. Diese Vorstellung steht in gewisser Weise dem herkömmlichen Bild von einer „Diät“ entgegen, in der
nur eine genau abgemessene Menge von Lebensmitteln gegessen werden darf. Ernährungsfachmann
Schusdziarra plädiert für den vollen Bauch. Denn gerade für Übergewichtige ist es wichtig, richtig satt zu
werden, damit sie sich auch beim Abnehmen wohl
fühlen und nicht rückfällig werden. Außerdem sollen
sie möglichst längere Verdauungspausen einlegen
und nicht ständig zwischendurch naschen – auch
das klappt am ehesten, wenn der Bauch in gewissen
Abständen richtig voll wird, und darauf kommt es an:
„Die Sättigung entsteht beim Menschen im Magen,
das sehen wir bei den magenoperierten Patienten,
denen der Magen herausgenommen worden ist. Die
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haben überhaupt kein Hunger- und kein Sättigungsgefühl mehr und müssen lernen, nach der Uhr zu essen. Das zeigt auch, dass der Magen für die Entstehung dieser Signale von ganz entscheidender
Bedeutung ist. Das Gehirn wird danach aktiviert.“
Was passieren muss, damit Menschen aufhören zu essen, ist erstaunlich simpel: ein rein mechanischer
Reiz. Wenn der Magen voll ist und sich die Magenwände dehnen, empfängt ein Nervengeäst,
das auf der äußeren Magenwand liegt, diese mechanischen Signale. Diese Nerven sind Ausläufer
des Vagusnervs, eines Nervs, der vom Gehirn
ausgehend viele innere Organe versorgt und besonders für Speiseröhre, Magen und Darm eine
wichtige Rolle spielt. Die Verästelungen des Vagusnervs am Magen schicken die Dehnungssignale zurück ins Gehirn. Dort landen die Botschaften in einer der Hormonzentralen, im
Hypothalamus. Die Magenreize führen dazu,
dass der Hypothalamus eine ganze Gruppe von Hirnbotenstoffen freisetzt, die schließlich das Gefühl der
Sättigung hervorrufen.
Satt werden und trotzdem abnehmen?
Alles, was satt macht, und zwar lange, ist daher günstig, wenn man abnehmen will, so der Experte. Damit der Bauch auch auf die richtige Weise voll wird,
haben die Ernährungsexperten rund um Volker
Schusdziarra eine neue Kalorientabelle aufgestellt:
eine Aufteilung der Lebensmittel nach der sogenannten Energiedichte. Sie beschreibt den Kaloriengehalt
eines Lebensmittels im Verhältnis zu seiner Masse.
So hat etwa Schokolade eine sehr hohe Energiedichte
– pro Gramm sind es etliche Kalorien mehr als etwa
bei Fleisch oder gar Gemüse. Alles, was den Magen
dehnt, aber im Verhältnis wenige Kalorien hat, ist
günstig. Denn davon kann dann eine größere Menge
gegessen werden und das wohlige Gefühl, satt zu
sein, entsteht. Diesem Mechanismus kann kaum jemand entgehen: „Menschen werden satt durch die
Menge, die sie essen, nicht aber durch den Kaloriengehalt im Essen. Und das war auch in der Entwicklungsgeschichte des Menschen nie notwendig, die
Kalorien zu messen, weil wir immer in einem Energiedefizit gelebt haben. Es war immer Bewegung ga-
rantiert und Essen fand vielleicht statt, und seit 40
Jahren haben wir das umgedreht: Jetzt ist Essen garantiert und Bewegung findet vielleicht statt. Die Natur hat uns beigebracht: Wenn was Essbares vorbeikommt, dann friss es auf, denn du weißt ja nicht,
wann´s wieder vorbeikommt – und der Supermarkt
kommt halt immer vorbei. Das ist unser Problem“.
Der Ernährungsmediziner Prof. Volker Schusdziarra
Bei der Therapie setzt Volker Schusdziarra auf eine
genaue Analyse der körperlichen Voraussetzungen
und der Ess-Gewohnheiten seiner Patienten. In seinem Institut bestimmt er zunächst den Grundumsatz jedes Übergewichtigen. Der Grundumsatz ist die
Energiemenge, die der Körper für die Funktion der
Organe und die Aufrechterhaltung der Körpertemperatur benötigt. Dieser Energieverbrauch kann von
Mensch zu Mensch sehr schwanken – zwischen 800
und 3.000 Kalorien am Tag. Die benötigte Energiemenge ist abhängig von Alter, Geschlecht, Gewicht
und Hormonfunktionen, zum Beispiel der Schilddrüse. Menschen mit einem niedrigen Grundumsatz
brauchen eine geringere Kalorienmenge als Menschen mit einem von Natur aus hohen Grundumsatz.
Essen sie mehr als sie verbrauchen, werden sie dick.
Der Grundumsatz macht im Vergleich zur körperlichen Aktivität durch Arbeit, Sport oder die üblichen
Gänge und Bewegungen im Alltag in der Regel den
weitaus größeren Teil des Energieverbrauchs aus. Je
nach Grundumsatz und zusätzlich im Alltag aufgewendeter Körperenergie berechnen die Ernährungsexperten an der TU München für jeden Abnehmwilligen die passende Energiemenge.
Wie und was Menschen am liebsten essen, ist aber
ebenso individuell wie der Energieverbrauch. Alle Patienten des Else-Kröner-Fresenius-Zentrums für ErSendung vom 22.04.2010
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nährungsmedizin führen zunächst einige Zeit ein
detailliertes Protokoll, in dem sie alles aufschreiben,
was sie so den Tag über essen – vom Frühstück über
die Gummibärchen zwischendurch bis zum Betthupferl. Danach stellt Schusdziarra mit seinen Patienten
einen individuellen Essplan auf, in dem liebgewordene Gewohnheiten beibehalten werden dürfen: das
Stückchen Schokoladen vor dem Schlafengehen, das
Stück Kuchen am Nachmittag, sogar ein gelegentlicher Snack vor dem Fernseher. Dass trotzdem Kalorien eingespart werden müssen, daran geht allerdings kein Weg vorbei. Erreicht wird dies durch die
neue Auswahl nach dem Energiedichte-Konzept: paniertes Schnitzel wird gegen Schnitzel natur ausgetauscht – das alleine spart schon mindestens 100
Kalorien. Pommes Frites weichen Bratkartoffeln, die
wesentlich günstiger sind und trotzdem noch das
Gefühl bieten, etwas Knuspriges und Gehaltvolles zu
essen. Kein Lebensmittel ist tabu, und radikales Ersetzen gegen angeblich „gesunde“ Lebensmittel gibt
es bei Volker Schusdziarra nicht. „Die Einteilung in
„gesunde“ und „ungesunde“ Nahrungsmittel ist Unsinn“, so der Experte. „Gesund oder ungesund ist nur
ein Lebensstil, einzelne Nahrungsmittel haben keinen Einfluss auf die Gesundheit.“
Diät-Irrtümer:
Zwischenmahlzeiten und Obst
Was den grundsätzlichen Ess-Stil angeht, rät Schusdziarra Abnehm-Willigen eher zu drei Hauptmahlzeiten
als zu vielen kleinen Zwischenmahlzeiten. Das widerspricht gängigen Ernährungsempfehlungen, doch immer mehr Experten raten inzwischen dazu, lieber weniger Mahlzeiten zu sich zu nehmen. Denn die Gefahr
ist groß, dass man beim Zwischendurch-Essen insgesamt zu viele Kalorien aufnimmt. Außerdem sind längere Verdauungspausen günstiger für die Fettverbrennung im Körper – ein einfacher Trick, um die drei
oder fünf Kilos nach den Festtagen wieder loszuwerden. Dass Kuchen, Gebäck und Snacks nicht günstig
sind beim Abnehmen, liegt auf der Hand. Aber auch
Obst, das als „ideale Zwischenmahlzeit“ empfohlen
wird, kann beim Abnehmen kontraproduktiv sein.
Schuszidarra hält es keineswegs für die gesunde Vitaminbombe schlechthin: „Obst hat weniger Vitamine
als man denkt, aber auf jeden Fall Kalorien. Das ver-
gessen viele Übergewichtige und glauben, dass sie
sich etwas Gutes tun, wenn sie ständig zwischendurch, oder auch spätabends noch, vor dem Fernseher,
viel Obst essen. Da können Hunderte von überflüssigen Kalorien zusammen kommen“, warnt er. Tatsächlich haben zwei Bananen etwa genauso viele Kalorien
wie ein Rindersteak von 200 Gramm, nämlich rund
250 Kalorien. 200 Gramm Trauben landen mit 180 Kalorien auch schon fast in dieser Kategorie. Gemüse ist
hingegen oft der bessere Vitamin-Lieferant, und hat
wesentlich weniger Kalorien als Obst.
Kalorienhaltige Getränke sind keine
Sattmacher sondern nur Dickmacher
Wer abnehmen will, sollte sich vor kalorienhaltigen
Getränken hüten – flüssige Kalorien nennt Schusdziarra sie und warnt: „Alle kalorienhaltigen Getränke,
vor allem Säfte wie die beliebten Fruchtsäfte, also
Apfelsaft oder auch Apfelschorle, sind keine Sattmacher sondern nur Dickmacher. Für Flüssiges gibt es
keine Regulation im Körper, weil es den Magen so
schnell passiert und ihn nicht dehnt. Damit kann
man unbemerkt riesige Mengen an Kalorien aufnehmen, während man scheinbar nur seinen Durst
löscht.“ Säfte, aber auch Alkohol sollte man dosiert
und nur des Genusses wegen, nicht aber zum Durstlöschen trinken, so Schusdziarra. „Hier kommt man
um eine Umstellung nicht herum – je schneller man
von süßen Säften und Limos weg kommt, desto eher
wird man Erfolg beim Abnehmen haben“, rät er. Den
flüssigen Kalorien weist Schusdziarra eine wesentliche Rolle bei der Epidemie des Übergewichts zu.
Obst hat weniger Vitamine als man denkt – aber Kalorien
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Was ist dran an Brain-Food?
von Hilmar Liebsch
In drei Tagen ist Prüfung, in zwei Wochen muss der Auftrag fertig sein oder morgen ist
das Vorstellungsgespräch. Das Leben ist voll von Situationen, in denen geistige Fitness
angebracht ist und das Gehirn gut funktionieren muss. Da liegt es auf der Hand, sich mit
dessen Versorgung zu beschäftigen. Denn das Gehirn macht zwar nur zwei Prozent der
Körpermasse aus, verbraucht aber 20 Prozent der Energie. Doch wer glaubt, er könne sich
schlau essen, der ist auf dem Holzweg. Die richtige Verteilung der Ernährung macht‘s.
Frühstück
Der Ernährungsmediziner Olaf Adam aus München
räumt gleich mit einer beliebten Variante auf, nämlich das Frühstück ganz ausfallen zu lassen: “Ganz
schlechte Idee, gar nichts zu frühstücken, denn dann
zwingen Sie Ihren Körper, die Reserven anzugreifen
und dann spart er damit. Sie haben keine Power.“ Besser ist es, sich an den Spruch „Morgens wie ein Kaiser...“ zu halten, denn, so Adam: „Am Morgen braucht
man Energie, da braucht man Schwung.“ Doch auch
diese Variante birgt Gefahren. Das ausgiebige Bauernfrühstück mit Speck, Wurst und Käse hat zu viel
Fett, so der Experte: “Fett bedeutet immer Belastung
für den Magen. Die Kohlenhydrate, die wichtig sind
für das Gehirn und die uns auch zum schnelleren
Denken anregen, die können nicht richtig ins Blut gelangen, weil sie vom Fett verzögert und aufgehalten
werden.“ Adam empfiehlt deswegen ein fettarmes
und kohlenhydratreiches Frühstück. Müsli, Obst seien
angebracht. Aber es geht auch das klassische süße
Frühstück aus Brot, Marmelade und Honig.
Garnichts hat der Ernährungsmediziner gegen Kaffee, Tee oder Kakao einzuwenden. Im Gegenteil. Das
Koffein aus Kaffee und Tee regt an und auch Kakao
verfügt über einen ähnlich wirkenden Inhaltsstoff.
Überhaupt – gegen Getränke hat er keine Einwände:
„Getränke sind äußerst wichtig, weil ein Defizit an
Flüssigkeit sich sofort in Kopfschmerzen bemerkbar
macht und Kopfschmerzen sind bestimmt nicht günstig für das Nachdenken.“ Das ist leicht nachzuvollziehen. Sollte einen bis Mittag mal der kleine Hunger
packen, so ist eine kleine Zwischenmahlzeit durchaus
richtig. Allerdings warnt Adam vor Schokoriegeln.
Die enthalten häufig viel Fett und das behindere
mehr, als sie nützen.
Mittagessen
Die Mittagszeit ist die klassische Zeit für die Hauptmahlzeit. Die Auswahl an Gerichten ist unbegrenzt.
Fleisch, Fisch, Pasta, Salat, Gemüse. Doch was ist gut
fürs Hirn? Ist vielleicht jetzt der deutsche Klassiker
Schweinebraten oder die immer beliebter werdende
Currywurst mit Pommes das Richtige? Aus Sicht der
Ernährungsmedizin lautet die Antwort Nein: „Wenn
man geistig rege bleiben möchte und auch am Nachmittag leistungsfähig, sollte man auch während der
Mittagsmahlzeit auf das Fett weitgehend verzichten“, so Olaf Adam. Doch das sei auch für den Gourmet nicht weiter schlimm, erzählt er. Es gebe viele
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schmackhafte Gerichte, die auch mit wenig Fett auskommen. Viele Nudelgerichte zum Beispiel oder magerer Fisch mit Kartoffeln. Der Fisch enthalte mit den
Omega-3-Fettsäuren fürs Gehirn wichtige Bestandteile. Eine ausreichende Versorgung sei damit auf jeden Fall hilfreich. Der große Vorteil dieser fettarmen
Gerichte ist, dass das Mittagstief wegfällt und Körper
und Geist rege bleiben. Übrigens: Ein Nachtisch ist
nicht verboten. Doch auch hier gilt laut Adam: Je weniger Fett, desto besser. Ein Haken ist vielleicht, dass
ein solches Mittagessen nicht so lange vorhält und
sich der Bauch bald wieder meldet. Das ist kein Wunder, denn, so Adam: „Das Gehirn hat einen ungeheuren Energiebedarf, und gerade wenn man Hochleistungen geistiger Art bringen möchte, dann wird
der Blutzucker sehr rasch verbraucht und eine Zwischenmalzeit kann die Gehirnleistung aufrecht erhalten. Es ist sicherlich gerade bei jungen Leuten, die
einen hohen Umsatz haben, durchaus anzuraten.“ So
sind die Empfehlungen des Ernährungsmediziners
für den Tag fast erschreckend einfach: Viel Kohlenhydrate, wenig Fett und eine ausreichende Versorgung
mit Omega-3-Fettsäuren, also Fisch.
Abendessen
Gerade in besonders anstrengenden Zeiten, wie zum
Beispiel bei der Vorbereitung einer Prüfung, geht es
auch am Abend mit dem Lernen weiter. Doch jetzt
wird Adams Blick auf Fett etwas milder: „Zum Abendessen ist es angebracht, dass man etwas nimmt, was
nicht nur die Power bringt, sondern auch die Sattheit
und Zufriedenheit. Das wäre zum Beispiel ein schönes Steak mit Gemüse und Salat.“ Allerdings, so
schränkt er ein, sei vor einem langen Büffelabend
leichter Fisch angebrachter. Wichtig sei aber, dass
man das Essen genieße und entspanne. Denn unter
Stress sei Lernen nicht gerade einfach. Für den weiteren Abend gilt: Viel Trinken, aber keinen Alkohol,
den könne man sich ja nach der Büffelei in Maßen
gönnen. Eine Flasche Bier oder ein Glas Wein seien
als Belohnung durchaus erlaubt.
Stevia
von Astrid Uhr
Stevia rebaudiana: Die Indianer Südamerikas nutzen seit Jahrhunderten die enorme
Süßkraft des Honigkrauts. Die Süße von
300 Gramm Zucker lässt sich mit nur einem
einzigen Gramm Stevia ersetzen. Sogar gegen Bluthochdruck und Hautausschläge
wird es von den Indianern verwendet – NeEtwas Süßes zwischendurch ist nicht unbedingt verkehrt
benwirkungen: Bislang unbekannt. TrotzAber was ist mit all den Produkten, welche die Leistungsfähigkeit des Gehirns unterstützen wollen. So dem ist der Zuckerersatz bis heute nicht
zum Beispiel; Ginseng, Gingko oder Puh Err Tee? Die von der EU-Kommission freigegeben.
klingen exotisch und kosten auch gutes Geld, da müssen sie einfach helfen, oder?„Gerade die Vielzahl an
Produkten zeigt, dass nichts richtig hilft,“ so Adam,
schließlich sei noch nie gezeigt worden, „dass irgendeines dieser Präparate tatsächlich den IQ anheben kann.“ Es lässt sich also eine Menge Geld sparen,
wenn man nicht an die Wirkung der Wunderpräparate glaubt. Überhaupt seien Bewegung und geistiges
Training viel wichtiger für den IQ als Essen allein.
Die Vorteile von Stevia liegen auf der Hand: Es hat
keine Kalorien und ist daher ideal für Diabetiker und
Übergewichtige. Auch Karies und Plaques auf den
Zähnen könnte Stevia vorbeugen. Ernährungsberaterin Iris Mäusl süßt schon seit zehn Jahren mit Stevia,
darf den kalorienfreien, natürlichen Süßstoff aber ihren Kunden nicht weiterempfehlen. Iris Mäusl: „Der
Unterschied zwischen Zucker und Süßstoff entspricht
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ungefähr dem Unterschied zwischen Zucker und Stevia. Aber nach kurzer Zeit hat man sich komplett dran
gewöhnt, es schmeckt dann ganz normal süß. Und
ich finde es natürlich schade, dass es in Deutschland
immer noch nicht zugelassen ist.“
Beeindruckend: Ein Gramm Stevia entspricht 300 Gramm Zucker
Statt 125 Gramm Zucker braucht sie nun nur ein paar
Tropfen Stevia, aber auf eigenes Risiko. Während Stevia beispielsweise in Asien und den USA als Lebensmittel verkauft werden darf, ist das in Deutschland
verboten. Nur zur äußerlichen Anwendung ist Stevia
bei uns erlaubt, aber auf keinen Fall zum Kuchenbacken. Weil Stevia viel weniger Volumen hat als Zucker,
muss Iris Mäusl beim Backen experimentieren, damit
der Teig locker wird. Ihre Stevia-Produkte bezieht sie
über das Internet: Von reinen Stevia-Extrakten über
Süßstoff-Tabletten, flüssigem Konzentrat bis hin zu
Zahnpasta wird dort alles angeboten.
Warnung vor Bestellung aus dem Internet
Agrarwissenschaftler Udo Kienle von der Uni Hohenheim untersucht den Anbau von Stevia und warnt
vor Internet-Produkten: „Das Problem ist grundsätzlich bei Stevia-Produkten aus dem Internet, das verkaufen Firmen, die das Lebensmittelgesetz umgehen.
Normalerweise sind solche Produkte in der gesamten europäischen Union nicht zulässig. Wer das kauft,
geht hier ein erhebliches Risiko ein, weil er nämlich
nicht weiß, was er hier einkauft, und diese Produkte
auch nicht toxikologisch getestet wurden. Um den
eigentlichen Süßstoff Steviosid aus den Blättern zu
gewinnen, müssen verschiedene Chemikalien eingesetzt werden. Bei diesem Prozess können Nebenpro-
dukte entstehen, die gesundheitsschädlich sind. Udo
Kienle warnt daher: „Bei diesen Herstellungsverfahren,
die zur Zeit üblicherweise eingesetzt werden, kommt
es in geringem Umfang zu Änderungen in der Molekülstruktur und auch zur Neubildung von Stoffen,
und da muss man abwarten, inwieweit hier vermutet wird, dass eventuell negative gesundheitliche Auswirkungen erwartet werden.“
Um wirklich sicher zu sein, dass Stevia nicht der Gesundheit schadet,
fehlen immer noch breit angelegte
Studien, und Firmen, die in diese
Forschung investieren. Eine Vorreiterrolle hat jetzt die Schweiz übernommen und nach den Richtlinien
der WHO Einzelzulassungen erteilt:
Danach sind Steviol-Glykoside mit einem Reinheitsanteil von 95 Prozent für den menschlichen
Verzehr sicher. Seit Kurzem gibt es die erste Schweizer Schokolade mit Stevia-Extrakten, außerdem
Eistees und Stevia-Tabs.
Warum orientiert sich die EU nicht an der
Schweiz?
Agrarwissenschaftler Udo Kienle weiß warum:
„Das ist bedingt durch den Verbraucherschutz, der
hier bei uns in der EU an erster Stelle steht. Und
deswegen ist es richtig, dass die EU-Kommission
über die europäische Lebensmittelbehörde eigenständig die Sicherheit von Lebensmittelzusatzstoffen prüft.“ Nichts desto trotz testet Udo Kienle
bereits den Anbau der Honigpflanze, die besonders
gut in Süd-Europa gedeihen könnte. In Deutschland würden sich vor allem Weinbauregionen eignen. Sollte Stevia als Lebensmittel-Zusatzstoff in
der EU erlaubt sein, dann könnten viele Zuckerrüben der Stevia-Pflanze weichen. Denn die Süßkraft
von Zuckerrüben könnte mit Stevia auf nur einem
Zehntel der Anbaufläche gewonnen werden.
Mit einer Zulassung der Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit ist frühestens 2011 zu rechnen.
Dann könnte auch Ernährungsberaterin Iris Mäusl
Stevia bedenkenlos an ihre Kunden weiterempfehlen.
Sendung vom 22.04.2010
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Adressen
Links
Ko n t a k t
Prof. Dr. med. Olaf Adam
Physiologikum der Ludwig-Maximilians-Universität
Pettenkoferstraße 12 –14
D-80336 München
Telefon: 089/5160-7262
E-Mail: [email protected]
[link.medinn.med.uni-muenchen.de]
[www.schokoladenmuseum.de]
Das Schokoladenmuseum in Köln
bietet einen virtuellen Rundgang im
Internet sowie Informationen zur
Herstellung und Geschichte der
Schokolade.
Südwestrundfunk (SWR)
FS-Wissenschaft und Bildung
Redaktion Odysso
76522 Baden-Baden
E-Mail: [email protected]
[www.swr.de/odysso/]
PD Dr. med. Thomas Ellrott
Institut für Ernährungspsychologie
an der Universitätsmedizin Göttingen
Humboldtallee 32
D-37073 Göttingen
Telefon: 0551/3922742
Telefax: 0551/399621
[www.ernaehrungspsychologie.org]
Univ.-Prof. Dr. Hans Hauner
Ernährungsmediziner
Else Kröner-Fresenius-Zentrum für
Ernährungsmedizin
Ismaninger Straße 22
D-81675 München
Telefon: 089/4140-6771 o. 6770
Telefax: 089/4140-6772
E-Mail: [email protected]
[www.em-tum.de]
[www.swr.de]
Clemens Wilmenrod, Fernsehkoch und
Erfinder des „Toast Hawai“ ist portraitiert bei den 100. größten RheinlandPfälzern bei swr.de.
[www.planet-wissen.de]
Hintergründe über „Functional Food“
bei Planet Wissen.
[www.wdr.de/tv/quarks]
„Schlankmacher auf Rezept“ – So isst
man sich satt und nimmt trotzdem
ab. Kategorisierung von Lebensmittel
nach dem so genannten Energiedichte-Konzept bei Quarks & Co.
[www.kfzdiaet.de]
Die KFZ-Diät, entwickelt von Olaf Adam.
Unsere nächste Sendung kommt am 29. April 2010:
H E RZ AUS D E M TA KT
Zeitbombe oder Lebensretter? Das fragen sich viele Patienten, die mit einem
Defibrillator im Brustkorb leben müssen. Das kleine Gerät bringt durch
gezielte Stromstöße das Herz in den richtigen Takt. Doch bei einigen Ge­
räten können auch Stromstöße ausgelöst werden, ohne dass das Herz streikt.
Solche Aussetzer verursachen blanke Panik und Todesangst bei den Be­
troffenen. Und auch sonst haben viele mit dem fremden Taktgeber im Körper zu kämpfen, lassen ihn deshalb sogar wieder entfernen und riskieren so
ihr Leben. Eine bessere ärztliche Betreuung könnte das verhindern. Doch viele Kardiologen sind mit solchen
Gesprächen überfordert. Und nicht nur das. Auch die komplizierte Technik der Defis macht ihnen zu schaffen.
Ein echtes Problem. Odysso fragt nach. Außerdem: Der Defi-Test. Reanimieren für jedermann?
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