Geht es dem Darm gut, fühlt sich der Mensch wohl und gesund. Denn: Der Darm ist mehr als nur ein Verdauungsorgan – er ist zentraler Hauptsitz des Immunsystems und benötigt deshalb etwas Pflege. Text: Marion Kaden Foto: Bildagentur online Neue Kraft für den Naturheilkunde GESUNDHEIT D er Darm umfasst nach Gehirn und Rückenmark die grösste Ansammlung von Nervengewebe im Körper («Darmhirn»). Wegen seiner offensichtlichen Bedeutung für die Gesundheit wurde Darmreinigung mit Einläufen oder Klistieren in sämtlichen Kulturen betrieben. Auch in der modernen Naturheilkunde hat die Darmspülung der gesundheitsfördernden Wirkung wegen einen festen Platz. Die Colon-Hydro-Therapie (CHT) ist eine moderne, maschinell gestützte Variante des Darmeinlaufs. Darmreinigung: seit Urzeiten bekannt Der Dickdarm ist schon seit Urzeiten Ziel therapeutischer Massnahmen. Seine gute Erreichbarkeit wurde schon früh genutzt, um zum Beispiel Einläufe zu machen. Diese wurden bei chronischen Verstopfungen ebenso eingesetzt wie um mit heilsamen Zusätzen versehen Bauchschmerzen oder Unterleibskrämpfe zu lindern. Auch die regelmässige Darmreinigung als gesundheitserhaltende Massnahme zu Beginn von Kuren oder weiterleitenden medizinischen Therapien ist gut dokumentiert. Die Ägypter imitierten beispielsweise den Ibis- Darm Vogel, der mit seinem langen Schnabel Wasser in sein Rektum einführte. In der traditionellen, schwarzafrikanischen Medizin wurden Tierhörner oder ausgehöhlte Flaschenkürbisse zur Einleitung von Wasser in den Darm verwendet. Traditionell wurden Einläufe, Klistiere oder andere Hilfsmittel zur Ausoder Ableitung über den Darm verwendet (siehe Kasten Glossar). Hiermit ist das alte humoraltherapeutische Konzept des Purgierens – eine als Ausleitung bezeichnete, auch energetisch gemeinte Korrektur krankmachender «Körpersäfte». Heute werden eher materialistische Vorstellungen wie «Entgiftung», Glossar (Darm-)Einlauf Einfüllung von Flüssigkeit in den Darm (Mastdarm und/oder Dickdarm) vom Darmausgang her. Ziel: Reinigung («Lavage») oder Applikation von Zusätzen Irrigator und Als Irrigator wird der Flüssigkeitsbehälter bezeichnet, der die Spülflüssigkeit Darmrohr enthält. Diese kann über einen Schlauch und das rektal eingeführte Darmrohr ventilkontrolliert in den Darm geleitet werden. Klistier Als Klistiere werden alle Hilfsmittel bezeichnet, die einen vereinfachten Einlauf ermöglichen: Das sind Klistierspritzen, -pumpen oder -ballons («Birnspritze»). Moderne Mikroklistiere zum Einmalgebrauch gehören ebenfalls dazu. Klysma Arzneistoffhaltige Flüssigkeiten, die als Einlauf rektal eingeführt werden. Entweder als verformbare Plastikflaschen oder fertig befüllte kleine Plastikbehälter. Purgation «Ausleitung», vor allem über den Darm (im übertragenen Sinne auch Reinigung). Paracelsus: «Wenn die Natur irgendwo im Körper einen Schmerz erzeugt, so haben sich dort schädliche Stoffe angehäuft und der innere Arzt will sie dort Zusätze ausleeren.» Einläufe werden auch zur Verabreichung von Medikamenten, Röntgen-Kontrastmitteln oder Nährlösungen verwendet («Entero-Klysma», «Instillation»). Die Naturheilkunde verwendet therapeutisch wirksame Zusätze aus Heilpflanzen, homöopathischen Zubereitungen, Heilerde, Kaffee, Essig oder Mineralsalzen. «Entschlackung» oder «Reinigung» mit diesen Verfahren in Beziehung gesetzt. Moderne Vorstellungen der Darmspülung Die heutige Naturheilkunde hat moderne Möglichkeiten entwickelt, den Kontakt der Enddarm-Oberfläche mit Wasser als tiefgreifend wirksame Reiztherapie einzusetzen. Teilweise fussen die Vertreter der modernen Naturheilkunde auf humoraltherapeutischen Vorstellungen zur Darmreinigung. Die schon seit der Antike bestehende Säftelehre beruht auf der Vorstellung, dass die Gesundheit des Menschen sich aus der richtigen Zusammensetzung und Bewegung von als «Säfte» bezeichneten Energiequalitäten ergibt. Bei jedem funktionellen oder mengenmässigen Ungleichgewicht der Kardinalsäfte «Blut», «Schleim», «gelbe Galle» und «schwarze Galle» können demnach Krankheiten oder akute Störungen entstehen. Dieses Konzept erweist sich bis heute als fruchtbar: Der Wiener Arzt Bernhard Aschner (1883 bis 1969) entwickelte beispielsweise daraus seine nach ihm benannten Methoden weiter: Er beschrieb die verschiedenen ausleitenden Verfahren, die Ausscheidungs- und Entgiftungsvorgänge im Körper in Gang setzen können: entweder über die Haut (Schröpfen, Pflaster), den Darm (Einläufe, Colon-Hydro-Therapie) oder den Magen (Erbrechen). Die Therapieziele reichen dabei von der Reinigung des Blutes (oder der Lymphe) über eine Stoffwechselentlastung bis hin zu einer immunologischen Umstimmung. Therapieform «Darmbad» Aus diesen klassischen Purgations-Verfahren entwickelte sich schliesslich die moderne, maschinell gestützte ColonHydro-Therapie. Sie hat in der Naturheilkunde einen festen Platz erhalten. Diese moderne Variante des Darmeinlaufs wird auch als Darmspülung oder als Darmbad bezeichnet. Während einer CHTBehandlung kommen weder Irrigator noch Klistier zum Einsatz. Die Einläufe werden von Geräten übernommen, die Darmreinigung und Darmbad fast vollständig automatisieren. Zu Beginn der Behandlung wird dem anfangs auf der Seite liegenden Patienten mit Hilfe von Gleitmitteln ein fünf bis zehn Zentimeter langes Kunststoffrohr schmerzfrei in den Enddarm (Rektum) eingeführt. Bei der Behandlung liegt der Klient dann bequem auf dem Rücken. In dem Darmrohr befinden sich getrennte Kanäle für die Natürlich | 4-2007 21 GESUNDHEIT Naturheilkunde Wasserzufuhr zur Darmspülung und für den Abfluss. Das Spülsystem ist geschlossen, sodass es während der Behandlung weder zu Verschmutzungen noch zu Geruchsbelästigungen kommen kann. Wohlbefinden des Patienten ist A und O Während der Behandlung lässt der Colon-Hydro-Therapeut über den Zulauf zwischen 21 und 41 Grad temperiertes Wasser langsam in den Darm des Patienten einlaufen. Dabei entsteht kaum Druck, wie es zum Beispiel bei unerfahrener Handhabung von Klistieren oft pas- siert. Der Therapeut wacht während der ganzen Behandlung über das Wohlergehen der Klienten. Das Wasser löst und lockert Darminhalte, die dann über den Abfluss wieder hinausgespült werden. «Manchmal ist zu lesen, dass zehn Liter Wasser in den Darm gespült werden», sagt Regula Blumer, Präsidentin des Schweizer Verbandes für CHT. «Das ist natürlich unsinnig. Dies kann das Gesamtvolumen sein. Im aktuellen Moment wird aber gerade nur so viel eingeführt wie nötig ist, um Darminhalte zu entfernen. Denn: Das A und O einer Behandlung ist das Wohlbefinden des Klienten», so Blumer. Therapieformen Foto: A1Pix Foto: Okapia Der Darm mit seinen Zotten (kleines Bild): Ein sechs bis acht Meter langes Nervengewebe 22 Natürlich | 4-2007 Jede Behandlung ist deshalb individuell und ganz auf die Konstitution oder das gegenwärtige Befinden des Klienten eingestellt. Während der Behandlung unterstützt der Therapeut das Lösen und Ausführen von Darminhalten mit einer sanften Massage der Bauchdecke, die auch die Eigenaktivität der Darmmuskulatur anregt («Peristaltik»). Während des Wassereinlaufs ist auch ein kurzzeitiger Temperaturunterschied des Wassers möglich: «Dieses Darm-Kneippen von innen hat einen zusätzlichen Reizeffekt, den der Therapeut nach seinem Ermessen einsetzt», erklärt Blumer, «denn die Durchblutung des Bauchraumes wird dadurch noch mehr gefördert.» Doch im Normalfall reizt das Wasser die gereinigte Darmschleimhaut genügend. • Wellness: Aus medizinisch-therapeutischer Sicht zwar überflüssig, hat die CHT wie andere als Lifestyle-Behandlungen wie Reiki oder Ayurveda im Fitnesshotel eine gewisse Bedeutung erlangt. Typische Anwendungsbereiche sind dabei chronische Müdigkeit, Verlust der Leistungskraft oder depressive Verstimmungen – jeweils bei gesunden Menschen. Oder positiv formuliert: CHT soll Fitness, Wohlbefinden und Lebensfreude steigern und der Vorbeugung von Krankheiten dienen. • Funktionsstörungen des Darms: Im Selbstverständnis vieler CHT-Behandler stehen Funktionsstörungen des Darms im Vordergrund der Therapie. Hierzu gehören als Zivilisationskrankheiten die chronische Verstopfung oder der viel propagierte Reizdarm (Verstopfung und Durchfall häufig abwechselnd, Blähungsneigung, verstärkte Darmwinde, krampfartige Unterleibsbeschwerden). Auch die Chronifizierung der Verstopfung durch ungeeigneten Einsatz von Abführmitteln gehört hierzu. «Bei der Entleerung des Darms wird der Therapeut immer auch Farbe und Konsistenz des Stuhls beurteilen und daraus Rückschlüsse auf den Gesundheitszustand des Darms ziehen», sagt Blumer. Nach den Behandlungen wird über die individuelle Ernährung oder therapieergänzende Massnahmen gesprochen. «Denn die CHT kann keinen anhaltenden Therapieerfolg haben, wenn nicht Naturheilkunde GESUNDHEIT Foto: Ken Welsh / Bridgeman Art druck), Stoffwechselstörungen (Zuckerkrankheit) oder Allergien. Wichtig: Darmspülungen sind aus naturheilkundlicher Sicht niemals als Monotherapie, sondern sind immer in Kombination mit anderen Verfahren durchzuführen. • Spezielles: Manchmal wird die Darmspülung auch als Vorbereitung einer «Darmsanierung» oder zur Bekämpfung von «krankmachenden Darmpilzen» durchgeführt. Die dahinterstehende Auffassung, bestimmte Spezies der aus Milliarden von Mikroorganismen bestehenden Darmflora führe bei vielen Menschen zu Erkrankungen, wurde wissenschaftlich jedoch niemals bestätigt. Achtung bei Nierenleiden Klistier: Eine seit Jahrhunderten angewendete Therapieform auch eine Bereitschaft zum Beispiel zu einer Änderung des Lebensstils da ist», so Blumer. Ihre Praxiserfahrung zeigt auch, «dass die meisten Klienten, die sich zur CHT durchringen, bereits eine Auseinandersetzung mit diesen Themen hinter sich haben und dadurch ein erweitertes Bewusstsein dafür», so Blumer. • Komplementärmedizin: Als naturheilkundliche Therapie ist die CHT, so die Erfahrung von Blumer, zudem eine Massnahme, deren tief greifende Effekte die Wirkung anderer medizinischer Behandlungen optimieren können. Damit wird die Darmspülung zu einem echten komplementärmedizinischen Verfahren. Sie ergänzt vor allem ganzheitliche, naturheilkundliche Therapien wie Homöopathie, Phytotherapie oder Manualtherapie. • Chronische Erkrankungen: CHT im Rahmen einer ärztlich veranlassten Behandlung wird vor allem als ergänzendes Verfahren bei chronischen Erkrankungen eingesetzt, die auf den erheblichen Heilungsimpuls der Darmspülung reagieren können. Hierzu gehören unter anderem Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises, chronische Hauterkrankungen (Akne, Schuppenflechte, Neurodermitis), Herz-Kreislauf-Erkrankungen (Angina pectoris, Bluthoch- Bei Krankheiten von Herz und Kreislauf, Bluthochdruck, Lebererkrankungen, nach Darmoperationen oder Darmverschluss darf die Darmspülung nur im Rahmen einer ärztlichen Behandlung durchgeführt werden. Das Gleiche gilt für Nierenerkrankungen (wie zum Beispiel Niereninsuffizienz) oder bei Störungen des Mineralstoffwechsels. Grund: Die CHT kann wegen der einlaufbedingten Mineralstoff-Konzentrationsunterschiede zwischen Körper und Darminhalt zu kurzfristigen Elektrolyt-Verschiebungen im darmnahen Gewebe und im Blut führen. Das kann Störungen bei diesen Grunderkrankungen verstärken und zum Beispiel zu einer vorübergehenden Herzrhythmus-Störung führen. Schwangere sollten keine Colon-Hydro-Therapie durchführen lassen. Bei unsachgemässer Anwendung der CHT sind Verletzungen der Darmwand, Bauchkrämpfe, Blutungen oder Infektionen möglich. Deshalb sollten nur qualifizierte Therapeuten das Verfahren anwenden. Starke Heilungsimpulse durch Umstimmung Viele CH-Therapeuten erleben in ihrer täglichen Praxis ausgeprägte, spontane Therapiereaktionen, von denen auch Blumer berichtet: «Manche Patienten fühlen sich nach der Behandlung plötzlich, als könnten sie Bäume ausreissen. Die meisten erfahren jedoch ein nachfolgendes, kontinuierliches Wohlbefinden nach den Behandlungen.» Die Darmspü- lung mit ihrem offensichtlich reinigenden Effekt gibt Heilungsimpulse. Aus naturheilkundlicher Sicht geht es allerdings weniger um Reinigung von Stuhlresten oder eine wissenschaftlich nicht fassbare «Entschlackung», sondern um «Umstimmung». Das bedeutet in der Humoraltherapie («Säftelehre») eine, durch starke Reize bedingte, energetische Umorientierung von Patienten innerhalb der Grundkräfte der Welt. Dabei leuchtet manchmal die lebens- und gesundheitsbestimmende dynamische Grundidee des Menschen (Paracelsus nannte dies den «inneren Archaeus») blitzartig auf. Und führt spontan – wie ein körperliches Aha-Erlebnis – zu Wohlbefinden und Freude. Im Rahmen dieser «Rückbesinnung» taucht das Menschenideal – wie der Phönix aus der Asche – so wieder auf, wie es ursprünglich vielleicht gedacht und erschaffen wurde. Der erkrankte Organismus erhält dadurch – aus sich selbst heraus – sein eigentliches Heilungsziel zurück. Und damit eine neue Chance auf Gesundung. CHT ist somit, wie andere Umstimmungstherapien auch, eine echte naturheilkundliche Therapie, deren Dynamik aus der Natur selbst stammt. ■ I N FO B OX Vereinigung Colon-Hydro-Therapie Schweiz Eine CHT dauert 60 bis 90 Minuten. Empfohlen werden in der Regel drei bis zehn Sitzungen, als Fastenbegleitung zwei Sitzungen. Kosten: 140 bis 160 Franken. Hilfe bei Therapeutenwahl Deutsch: Nicole Högger, Tel. 078 690 49 76 Französisch: Véronique Morel, Tel. 021 791 11 96 Literatur zum Thema • Stein/Melani: «Das Klistier – Geschichte, Anwendungsarten und Rezepte», Stephenson Verlag 2000, ISBN 3-7986-0011-9 • Alix: «Es geht um Ihren Darm», Spurbuch Verlag 2006, ISBN 3-88778-298-6, Fr. 39.40 • Drexel: «Vital mit einem gesunden Darm», Hugendubel Verlag 2005, ISBN 3-7205-2670-8, Fr. 27.30 • Gray: «Das Darm-Heilungsbuch – Gesundheit durch Kolon-Sanierung», Droemer Knaur Verlag 2000, ISBN 3-426-87028-0, Fr. 14.70 • Loebert: «Gesunder Darm – gesunder Mensch», Gondrom Verlag 2004, ISBN 3-8112-2286-1, Fr. 9.– Infos im Internet • www.colon.ch • www.gesund.ch/index.html?info?/verzmeth/ colon.htm (Therapeutenverzeichnis) Natürlich | 4-2007 23