D.Michel Vorlesung Experimentalphysik 2003/04 Teil 3: Elektrizitätslehre 3.7. Hall-Effekt. Messung der magnetischen Flußdichte B Inhalt: Wird ein äußeres Magnetfeld mit der magnetischen Induktion B senkrecht zur Stromrichtung in einem Leiter orientiert, so tritt senkrecht zur Stromrichtung (l/|l|) und zur Magnetfeldrichtung eine elektrische Feldstärke EH auf (Hall-Effekt). Dieser Effekt ist verbunden mit der Lorentz-Kraft. Anordnung: Eine metallische Platte befindet sich im Magnetfeld B. Durch Anlegen einer äußeren Spannung fließt Strom I in Richtung l/|l| senkrecht zu B. Spannungsmessung an der Platte senkrecht zu B und zu l Hall-Effekt a) Anordnung → Das Feld B zeigt in die Ebene a) b) b) Zur Definition der Kräfte auf die Ladungsträger Q = -e Erklärung: Die Leitungselektronen mit Geschwindigkeit v, die entgegengesetzt zur technischen Stromrichtung (l/|l|) gerichtet ist (übliche Konvention für die technische Stromrichtung, der im äußeren Stromkreis von + zu - Pol der ihn erzeugenden Spannungsquelle fließt), erfahren eine Lorentz-Kraft. Durch Verarmung der Elektronen auf der einen und Überschuß auf der anderen Seite (bezüglich der Richtung dieser Lorentz-Kraft) entsteht ein elektrisches Feld EH. Das Feld EH kann durch Abgreifen einer äußeren Spannung gemessen werden (Hall-Spannung). Aus ihr kann das B-Feld gemessen werden oder bei bekanntem B die Dichte n der Ladungsträgeranzahl. Quantitative Betrachtungen: Lorentzkraft FL = Q [ v × B ] bewirkt seitliche Ablenkung der Ladungsträger: FL = -e [ v × B] (Q = -e, e: Betrag der Elementarladung). Nach kurzer Zeit wird FL durch Kraft FE auf Ladungsträger infolge des dann entstandenen elektrischen Querfeldes EH, FE = - e EH, kompensiert, so daß Gesamtkraft auf jeden Ladungsträger Null wird: FL + FE = 0, d.h. e EH = -e [ v × B]. Schreibe nur Beträge und erweitere mit nbd (n: Dichte der Elektronenanzahl, b: Breite, d: Dicke der Platte) eEH = eUH /b = e vB = e nbd vB/(nbd) Das erlaubt den Übergang zu einem Ensemble der Elektronen mit der Stromdichte: j = - env und mit dem Strom I = jA = j bd = en v bd. Damit folgt: eEH = I B/(nbd) oder EH = 1/(ne) • I/ (bd) • B ≡ RH • j • B RH = 1/(ne) : Hall-Koeffizient (für das zugrundeliegende einfache Modell zur Beschreibung der metallischen Leitfähigkeit!) Hall-Spannung (zur Spannungsrichtung, vgl. Abbildung): UH = b EH = RH • I B /d Hall-Widerstand: R (Hall) ≡ UH/I = B/(ned) = RH • B/d Ergänzungen*: (1) Hall-Effekt bei Halbleitern: Die Beziehung zur Hall-Konstanten bleibt in ihrer Struktur richtig, wenn man anstelle von n die Differenz ne - nl aus den Dichten der Leitungselektronen (e) und der Leitungslöcher (l) setzt und Korrekturen anbringt, die von der Kristall- und Bänderstruktur herrühren. (2) Quanten-Hall-Effekt: Messungen der Hall-Spannung an einem MOSFET (metal-oxide-semiconductor field-effect transistor) bei tiefen Temperaturen ( 1,8 K) und sehr hohen Magnetfeldern (B = 13,0 T) haben gezeigt [K. von Klitzing, G. Dorda, and M. Pepper, Phys. Rev. Letters 45 , 494 (1980)], daß die Hall-Spannung einen stufenförmigen Verlauf mit Plateaus besitzt, für die der HallWiderstand bestimmte diskrete Werte annimmt: R (Hall) = h /(ν e2), mit ν = 1,2,3,... RK = h / e2 = 25812,807 Ω, für ν = 1 (von-Klitzing-Widerstand, auch als Definition für die Einheit Ω) Es ist auch ein Effekt nachgewiesen worden (an GaAs-AlGaAs-Heteroübergängen), bei dem ν gebrochene Zahlen annimmt, z. B. ν = 2/3, 2/5, 3/5, 4/5 und 2/7): „fractional quantized Hall effect“ [D. C. Tsui, H. L. Stoermer, and A.C. Grossard, Phys. Rev. Letters 48, 1559 (1982)] vgl. z. B. die Monographie: James William Rohlf, Modern Physics from α to Z0 , John Wiley & Sons, Inc, New York (usw.), 1994, ISBN 0-471-57270-5, S. 395 f. Der Feld-Effekt-Transistor: MOSFET (Rohlf, S.393, Fig. 14-24, b,) D.Michel Vorlesung Experimentalphysik 2003/04, Teil 3: Elektrizitätslehre 3.5. Magnetfeld der Erde (1) Der magnetische Südpol liegt in der Nähe des geographischen Nordpols (z. Zt. bei 74o nördlicher Breite und 100o westlicher Länge). Der magnetische Nordpol liegt in der Nähe des geographischen Südpols (z. Zt. bei 72o südlicher Breite und 155o östlicher Länge). (2) Die magnetischen Pole wandern statistisch um die geographischen Pole der Erde herum. Schwankungen des Magnetfeldes in geologischen Zeiträumen: Das Magnetfeld der Erde kann sich statistisch in unregelmäßigen Abständen auch „umpolen“, im Mittel besteht eine gleiche Orientierung ca. 2 • 105 Jahre. Nachweisbar durch Messung der Magnetisierung von eisenhaltigen Gesteinen, die sie bei der Erstarrung bzw. Ablagerung (vor allem Messungen von Proben von Ozeanböden) im damaligen Magnetfeld der Erde erhalten haben. Dabei auch Bestätigung der Theorie der Plattentektonik (Theorie der Kontinentalverschiebung, begründet durch Alfred Wegener, 1912) Eine frei bewegliche Magnetnadel stellt sich in Richtung der Feldlinien des Erdmagnetfeldes ein. Diese Richtung weist sowohl von der Horizontalen auf Erdoberfläche ab (Inklination) als auch von Nord-Süd-Richtung (Deklination): Deklination: declinatio (lat.) = Abweichung, Abweichung von der geographischen Nord-SüdRichtung, im Westen D. etwa 90 und im Osten D. etwa 20, ändert sich mit der Zeit Inklination: inclinatio (lat.) = Neigung, Abweichung von der Horizontalen, Inklination in Deutschland zwischen 690 (im Norden D.) und 630 (im Süden D.) Also: Magnetischer Süd- und Nordpol: Stellen auf Erdoberfläche mit jeweils 90o Inklination (3) Eine nur in waagerechter Ebene drehbare Magnetnadel (Kompaßnadel) erfährt allein die Wirkung der Horizontalkomponente des Erdmagnetfeldes (Horizontalprojektion des Feldes. Magnetische Meridiane (Abb. 109, S. 94, aus Grimsehl, Bd. II) (4) Das Erdmagnetfeld ist näherungsweise das eines magnetischen Dipols nahe dem Erdmittelpunkt, dessen Dipolachse um 11,4o gegen die Achse der Erdrotation geneigt ist. Regionale Anomalien beruhen auf Unregelmäßigkeiten im Strömungssystem des Erdinneren. Sie lassen sich durch schwache zusätzliche Magnetpole beschreiben (z. B. in Südpol in Sinkiang, weiterer Zusatzpol in den USA. Dies hat bereits Columbus bei der Entdeckung Amerikas verwirrt). Lokale Abweichungen vom idealen Dipolfeld werden durch ungleichmäßige Verteilung magnetischer Materialien in der Erdkruste bewirkt, z.B. zeigt in Kiruna (Schweden) und in Kursk (Russland) die Kompaß- Magnetnadel nach Süden. In größerem Abstand von der Erdoberfläche entstehen Abweichungen vom Dipolfeld durch Ströme geladener Teilchen (Protonen, Elektronen), die von Sonne emittiert werden („Sonnenwind“). Abb. 3.55 Erdmagnetfeld. Die Quellen des Feldes liegen im inneren Teil der Erde, die äußeren Schichten tragen kaum dazu bei. Die Durchstoßpunkte PN, PS der Dipolachse durch die Erdoberfläche heißen geomagnetische Pole. (Abb. 3.55, S. 111, aus Demtröder, Bd. II)) (5) Messungen: Deklinatorium: Richtung der Horizontalprojektion (Abb. 108 aus Grimsehl Bd. II) Systematische Messungen der Horizontalintensität durch Gauss Inklinatorium: Messung des Inklinationswinkels i, Totalintensitätsmessung mit Hilfe der Horizontalintensität und mit dem Inklinationswinkel: Btotal = Bhorizontal • sin i Anwendung in Geophysik: Vorkommen von Eisenerz, z. B. Untersuchung der Anomalie von Kursk (Russland). Inklinatorium (Abb. 111 und 112 aus Grimsehl II) Komponenten des Erdmagnetismus d = Deklinationswinkel i = Inklinationswinkel (Abb. 112 aus Grimsehl Bd. II) D.Michel Vorlesung Experimentalphysik 2003/04, Teil 3: Elektrizitätslehre 3.6. Magnetfeldmessungen (1) Messung durch Überlagerung von Feldern. Tangentenbussole (kein Versuch) Das magnetische Feld eines Kreisstromes wird dem zu messenden Magnetfeld überlagert (Erdmagnetfeldmessung). Eine im Mittelpunkt des Kreisleiters stellt sich entlang der Resultierenden der beiden sich überlagernden Felder ein. Ursprünglich diente diese Anordnung umgekehrt zum Messen starker Ströme. Vertikaler Kreis aus Cu-Draht mit Radius r, in dessen Mittelpunkt eine kurze Magnetnadel über einer Kreisteilung steht. Ebene des Kreistromes wird so eingestellt, daß die ErdfeldHorizontalkomponente HErde in dieser Ebene liegt. Nach Einschalten des Stromes stellt sich die Magnetnadel in einem bestimmten Winkel α quer ein (α = 0 entspricht Richtung der Flächennormalen): tan α = HErde / HStrom (2) Modellversuch nach Oersted (Christian Oersted, dänischer Physiker, 1777-1851) Langer stromdurchflossener Draht, Magnetfeld des langen Drahtes im Abstand r unter dem Draht und Horizontalkomponente des Erdfeld HE(rde) überlagern, Nachweis des resultierenden Feldes durch Ablenkung einer kleinen (!) Magnetnadel (3) Schwingungsmethode zur Magnetfeldmessung Drehmoment T = m × B, | T | = mB sinϕ, auf ein magnetisches Moment m im Magnetfeld B, bewirkt wie bei physikalischem Pendel ein rücktreibendes Moment: ⇒ ⇒ ⇒ θ d2ϕ/dt2 = - mB sinϕ harmonische Näherung der Schwingungsgleichung: θ d2ϕ/dt2 = - mB ϕ, falls ϕ << 1 Kreisfrequenz ω, Schwingungsdauer T: ω2 = mB/θ = (2π/T)2, θ Trägheitsmoment, ϕ kleiner Auslenkwinkel aus der Ruhelage Messungen a) Schwingungsdauer T1 bei Überlagerung von BE(rde) mit parallelem Zusatzfeld BZ: B = BE + BZ b) Schwingungsdauer T2 bei Messung im Erdfeld BE(rde) ohne Zusatzfeld: B = BE ( BE + BZ ) / BE = T22 / T12 ⇒ BE = BZ ∗ 1/(T22/T12 – 1) (4) Erdfeldmessungen nach Gauss (Gauss´sche Hauptlagen) a) Ausgangspunkt: r r Analoger Ausdruck des Magnetfeldes H( r ) von magnetischem Dipolmoment m wie r elektrisches Feld eines Dipols p E : rr r r r r 3(mr )r m 1 H (r ) = B(r ) = µ0 r3 r5 b) r Verwende Stabmagnet der Länge l mit magnetischem Dipolmoment m sowie r Magnetnadel mit magnetischem Dipolmoment m , beide im Abstand r >> 1. c) Gauss’sche Hauptlage (i) (ii) r r r ohne m . m´ orientiert sich entlang BE (Horizontalkomponente) r mit m r r r r B von m im Abstand r, m || r r r 2m B = B = µ0 3 r r r Drehmoment auf m´ von B : r r r r T = m´× B(r ) = m´⋅ B ⋅ sin 90° − ϕ 1 ( = µ 0 2m ⋅ m´ cos ϕ 1 r3 r r Drehmoment auf m´ von B r TE = µ 0 H E ⋅ m´ ⋅ sin ϕ 1 Gleichheit der Beträge: m r3 = tan ϕ 1 HE 2 d) 2. Gauss´sche Hauptlage r r r r B von m im Abstand r, m ⊥ r m B = µ0 3 r r r Drehmoment auf m´ von B : r T = m´ ⋅ B ⋅ sin(90°-ϕ2) = m ⋅ m´ cos ϕ 2 r3 r r Drehmoment auf m´ von BE : r T = µ0BE ⋅ m´ ⋅ sinϕ2 Gleichheit der Beträge: m r3 = tan ϕ 2 HE 2 ) e) Verbindung der Schwingungsmessungen zur Bestimmung des Produktes mBE: ω A2 = BE m θ µ H ⋅m = 0 E θ (5) ⇔ Vgl. mit Ergebnis aus Ziffer 2 und/oder 3 liefert m und BE. Hall-Sonde (siehe Hall-Effekt) (6) Präzisionsmessungen mit Hilfe der Kernspinresonanz (Kernmagnetische Resonanz): Die Resonanz-Kreisfrequenz ωo (Larmor-Frequenz) ist gegeben durch: ωo = γB, γ (gyromagnetisches Verhältnis) ist eine typische Konstante für jeden Kern mit einem von Null verschiedenem Kernspin (Kern-Eigendrehimpuls)