10 KAPITEL 4. DIE ELEKTROMAGNETISCHE THEORIE DES LICHTS 4.3 Phasen- und Gruppengeschwindigkeit Im Abschnitt 4.1 haben wir als Lösung der Wellengleichung harmonische Schwingungen gefunden. Eine solche harmonische Schwingung breitet sich mit der für das Medium gültigen Phasengeschwindigkeit aus, kann allerdings keine Information übertragen, da streng genommen eine perfekte monochromatische Welle keine Modulation zulässt. Als einfaches Beispiel der Informationsübertragung betrachten wir zunächst eine Schwebung, die aus der Summe zweier harmonischer Schwingungen der gleichen Amplitude besteht: E1 = Eo cos (k1 z − ω1 t) E2 = Eo cos (k2 z − ω2 t). (4.48) (4.49) Der Einfachheit halber werden wir das elektrische Feld parallel zur x-Richtung und das magnetische Feld parallel zur y-Richtung definieren. Somit erhalten wir eine Superposition der beiden Schwingungen, die sich in z-Richtung ausbreitet: EΣ = E1 + E2 = Eo [cos (k1 z − ω1 t) + cos (k2 z − ω2 t)] . (4.50) Diese Summe läßt sich mit Hilfe einer einfachen trigonometrischen Identität6 in ein Produkt umschreiben: EΣ = 2Eo cos (km z − ωm t) cos (kz − ωt), (4.51) mit 1 km = (k1 − k2 ) 2 1 k = (k1 + k2 ) 2 und und 1 ωm = (ω1 − ω2 , ), 2 1 ω = (ω1 + ω2 ). 2 Die obige Gleichung beschreibt eine Schwingung mit Frequenz ω und Wellenvektor k, die mit der Differenzfrequenz der beiden Schwingungen moduliert wird. Die mittlere Frequenz dieser Schwebung wird als Trägersignal bezeichnet, und die Modulation des Trägersignals beinhaltet die Information“ der Welle. In diesem Zusammenhang ist der Limes ω1 = ” ω2 + δω von grossem Interesse. Die Ausbreitungsgeschwindigkeit des Trägersignals, die wir als Phasengeschwindigkeit bezeichnen, wird wie immer durch vph = ω/k gegeben. Die Modulation der Trägerwelle propagiert allerdings mit der Geschwindigkeit vg = ωm /km = δω/δk, die wir als Gruppengeschwindigkeit bezeichnen werden. Für den Fall δω → 0 wird diese Gruppengeschwindigkeit durch die Ableitung der Dispersionrelation gegeben. Im Abschnitt 4.4 werden wir sehen, dass die Dispersionrelation im Allgemeinen keine lineare Beziehung zwischen ω und k darstellt, und insofern die Phasengeschwindigkeit und die Gruppengeschwindigkeit nicht identisch sind. Eine alternative Beschreibung der Lichtausbreitung können wir durch die Betrachtung der zeitlichen Entwicklung eines entsprechenden Wellenpakets gewinnen. Wie zuvor werden wir die Lichtausbreitung entlang der z-Richtung und die Orientierung des elektrischen Feldes in x-Richtung annehmen. Die Zeitabhängigkeit eines Wellenzuges kann durch die Fouriertransformation des Wellenpakets direkt gewonnen werden: 1 ∞ Ex (z, t) = √ Ex (ω) exp (iωt − ik(ω)z)dω. 2π −∞ 6 1 2 cos α + 1 2 cos β = cos 12 (α + β) cos 12 (α − β) (4.52) 4.3. PHASEN- UND GRUPPENGESCHWINDIGKEIT 11 Hier gehen wir davon aus, dass Ex (ω) nur in der unmittelbaren Nähe einer zentralen Frequenz ωo ungleich Null ist. Somit können wir eine Taylorexpansion für die Dispersionsrelation k(ω) vornehmen: d2 k 1 + ∆ω 2 2 dω 2 (ω=ωo ) 1 = k(ωo ) + ∆ωk (ωo ) + ∆ω 2 k (ωo ) + . . . 2 dk k(ω) = k(ωo ) + ∆ω dω +... (ω=ωo ) (4.53) Somit erhalten wir nach Substitution ω = ωo + ∆ω für das Ergebnis der Fouriertransformation: 1 Ex (z, t) = √ exp (iωo t − iko z) 2π ∞ −∞ Ex (ωo + ∆ω) exp (i∆ω(t − z(k (ωo ) + ∆ωk (ωo )/2 + . . .)))d∆ω 1 1 = √ exp (iωo t − iko z)A(z, t) = √ Φ(z, t)A(z, t). 2π 2π (4.54) In der obigen Gleichung erkennen wir, wie zuvor, sowohl einen schnell oszillierenden Anteil Φ(z, t) als auch eine langsam variierende Modulation A(z, t). Diese Beschreibung setzt voraus, dass die Bedingung ∆ω ωo erfüllt wird. Um die Ausbreitungsgeschwindigkeit der jeweiligen Komponente zu bestimmen, müssen wir nun einen festen Punkt der Welle verfolgen. Wir definieren daher: φ(z, t) = ωo t − ko z(t) = φo. (4.55) Hier ist φo die Phase, die dem festen Punkt zugeordnet ist. Somit können wir die zeitliche Bewegung unseres festen Punktes bestimmen: z(t) = ωo t φo − . ko ko (4.56) Die Ausbreitungsgeschwindigkeit dieser Komponente identifizieren wir mit der bereits eingeführten Phasengeschwindigkeit vph die auch vom Medium abhängen kann: vph = dz(t) ωo c = = . dt ko n (4.57) In analoger Weise können wir einen festen Punkt der langsamen Modulation mit der Zeit verfolgen. Aufgrund der Form des Integrals in Gleichung (4.54) sehen wir, dass das Argument der Funktion A(z, t) = A(ψ) gleich ψ = t − zk (ωo ) sein muss. Bei festem ψ = ψo erhalten wir für die Gruppengeschwindigkeit: vg = dz(t) dt = ψo dk dω −1 = ωo dω dk . ωo (4.58)