Psychotherapie bei älteren Menschen

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239
26
1
Psychotherapie bei älteren Menschen
2
A. Maercker und E.-M. Meiser
3
4
5
6
7
8
9
10
26.1
Einleitung
11
12
In den kommenden Dekaden wird ein deutlicher
13
Anstieg des Anteils älterer Menschen an der Ge14
samtbevölkerung erwartet. Während der Anteil
15
der über 60-Jährigen 1994 noch 20,7% betrug, wird
16
er voraussichtlich bis zum Jahr 2040 auf 33,4% an17
steigen. Betrachtet man die psychotherapeutische
18
Versorgung älterer Menschen, dann ist von einer
19
gravierenden Unterversorgung auszugehen (Soe20
der 2002). Um den steigenden Behandlungsbedarf
21
dieser Altersgruppe ermessen zu können, ist es
22
wichtig zu wissen, dass etwa 1/4 der über 65-Jäh23
rigen unter behandlungsbedürftigen psychischen
24
Störungen leiden (BASE; Mayer u. Baltes 1999;
25
Wernicke et al. 2000).
26
Barrieren, die einer adäquaten Versorgung im
27
Wege stehen, können sowohl in den Betroffenen
28
als auch im Versorgungssystem begründet sein.
29
Oftmals verstehen Betroffene, Angehörige oder
30
selbst die behandelnden Ärzte psychische Symp31
tome als unvermeidliche Anzeichen des Alterns,
32
anstatt darin eine Indikation für eine psychothera33
peutische Behandlung oder Intervention zu sehen.
34
Ein weiteres Hindernis auf dem Weg zu einer not35
wendigen psychotherapeutischen Behandlung
36
liegt im mangelnden Wissen um eine solche Mög37
lichkeit seitens der Betroffenen. Ebenfalls wird die
38
Wirksamkeit psychotherapeutischer Methoden
39
vor allem bei älteren Menschen noch immer un40
terschätzt.
41
Obwohl Psychotherapie erst seit kurzem zur Be42
handlung älterer Menschen eingesetzt wird, sind
43
mittlerweile für eine Vielzahl von Störungsbildern
44
Behandlungsverfahren skizziert und in ihrer Wirk45
samkeit überprüft worden, so dass aus dem Auf46
treten psychischer Störungen ein psychothera47
peutischer Behandlungsbedarf abzuleiten ist. Als
48
wichtigste Störungsbilder des höheren Lebensal49
ters werden verschiedene Formen der Demenz und
50
depressive Störungen angesehen. Erst in jüngster
51
Zeit werden auch Angststörungen älterer Men52
schen berücksichtigt (Soeder 2002). Im Folgenden
werden neben einem alters- und störungsspezifischen therapeutischen Rahmenmodell (Maercker
2002) Behandlungsmöglichkeiten zum Umgang
mit den häufigsten psychischen Störungen im Rahmen der psychosomatischen Grundversorgung älterer Menschen vermittelt.
26.2
Theoriemodelle und
Konzepte
Das Altern ist nicht nur durch objektive Veränderungen körperlicher, kognitiver und anderer Funktionen, sondern auch die subjektive Wahrnehmung des Alterungsprozesses gekennzeichnet. In
einem alters- und störungsspezifischen therapeutischen Rahmenmodell (Abb. 26.1) geht Maercker (2002) von der Grundannahme aus, dass die
psychologische Behandlung älterer Menschen jeweils zwei Perspektiven zugleich berücksichtigen
sollte:
altersbezogene Perspektive,
störungsspezifische Perspektive.
Zentrale Aussage des Rahmenmodells ist, dass
sich selektiv optimierte Therapieziele beim höheren Lebensalter aus der Modifikation der Störungsbilder durch die Altersspezifik ergeben, welche erschwerende wie erleichternde Faktoren für die
Therapie älterer Menschen mit sich bringt.
Erschwerende Faktoren für die Therapie sind
z.B. die Multimorbidität, interpersonelle Verluste,
Fähigkeitseinschränkungen sowie eingeschränkte
Lebenszeit.
Erleichternde Faktoren sind die kumulierten
Bewältigungs- und Lebenserfahrungen (Reife),
motivationale und emotionale Veränderungen
und eine angepasste Wohlbefindensregulation.
Aus dem Rahmenmodell lassen sich zunächst
zwei Postulate ableiten:
Köllner/Broda,Praktische Verhaltsmedizin (ISBN3131321512)©2005 Georg Thieme Verlag KG
240
26 Psychotherapie bei älteren Menschen
Abb. 26.1 Alters- und störungsspezifi-
1
Störungen
sches therapeutisches Rahmenmodell
2
mit erschwerenden und erleichternden
aus früheren Lebensphasen
3
Faktoren für die Therapie (Maercker
4
2002).
neu
5
erleichternde
6 erschwerende AltersFaktoren:
Faktoren:
spezifik
7
kumulierte Bewälti8 Multimorbidität
gungs- und Lebens9
erfahrung (Reife)
interpersonelle
10Verluste
11
motivationale und
emotionale Verände12Fähigkeitseinrungen
schränkung:
13
z. B. sensorische
14Defizite
angepasste Wohlbefindensregulation
15
16eingeschränkte
Lebenszeit
17
18
selektiv optimierte Therapieziele
19
20
21
von aus, dass die Entwicklungsziele einer Person
Die bestehenden psychotherapeutischen Me22
über folgende drei Komponenten der Anpassung
thoden und Techniken müssen auf notwendige
23
erreicht werden. Sie können für die Definition alModifikationen hinsichtlich des Einsatzes in
24
tersspezifischer Therapieziele in folgende nützlider Alterspsychotherapie untersucht werden.
25
che Fragen gefasst werden:
Diese Modifikationen sind mit einer noch kon26
Selektion: Welche begrenzten Alternativen,
sequenteren Auswahl und Optimierung von
27
Ressourcen stehen dem Patienten zur VerfüTherapiezielen durchzuführen, als dies bei jün28
gung um welche Ziele in einem vertretbaren
geren Patienten notwendig ist.
29
Aufwand zu erreichen?
30
Optimierung: Wie können die definierten Ziele
Der Begriff der selektiv optimierten Therapieziele
31
mit dem Erwerb und Einsatz welcher Mittel am
meint
32
besten erreicht werden?
die Einschränkung möglicher Therapieziele auf
33
Kompensation: Wie kann das vorhandene
eine beschränkte, für den Patienten erreichbare
34
Funktionsniveau angesichts von Verlusten aufAnzahl, deren Gewichtung in Abhängigkeit von
35
rechterhalten werden? Wie können neue Mittel
den Bedürfnissen des Patienten zu erwägen ist.
36
erworben und alte Mittel genutzt werden, um
Die Optimierung der Therapieziele orientiert
37
Einschränkungen entgegenzuwirken?
sich an folgenden Fragen:
38
– Kann das Therapieziel mit einem vertretba39
ren Aufwand erreicht werden?
40
– Lässt sich der erreichte Zustand ausreichend
41
26.3 Hinweise für die Praxis
stabil in der Zeit nach der Therapie auf42
rechterhalten?
43
Die Diagnostik psychischer Störungen im Alter
44
Selektives Optimierungs- und Kompensationsbirgt einige Probleme. So besteht z.B. die Gefahr,
45
modell. Das beschriebene Modell lässt sich in den
dass psychische Störungen nicht als solche er46
Rahmen einer gerontologischen Metatheorie nach
kannt, sondern fälschlicherweise als unvermeidli47
Baltes und Baltes (1990) einbetten, die das Kriteriches Zeichen des Alterns interpretiert werden (Ka48
um für gelingendes Altern durch eine Vielzahl unrel u. Hinrichsen 2000; Lasoski 1986).
49
terschiedlicher Faktoren definiert.
Eine weitere Schwierigkeit besteht darin, dass
50
Das selektive Optimierungs- und Kompensatidie gängigen Diagnoseverzeichnisse (ICD-10,
51
onsmodell nach Baltes und Baltes (1990) geht daDSM-IV) außer für die Demenzen keine Rubrik mit
52
Köllner/Broda,Praktische Verhaltsmedizin (ISBN3131321512)©2005 Georg Thieme Verlag KG
26.4 Diagnostik und Behandlung der häufigsten Störungsbilder und typischer Problemkonstellationen
Altersbezug für psychische Störungen im Alter
1
vorsehen (Maercker 2002).
2
Arbeitet man mit älteren Menschen, bietet es
3
sich auch in der psychosomatischen Grundversor4
gung an, die Gestaltung des Therapiesettings auf
5
die Situation des Patienten abzustimmen. Das be6
deutet, die altersspezifischen Ressourcen mit
7
Rücksicht auf die ggf. auftretenden Funktionsein8
schränkungen zu nutzen. So ist es z.B. notwendig,
9
dass der behandelnde Arzt sich auf das individuel10
le Tempo des Patienten einstellt. Ein zu schnelles
11
Vorgehen kann zu Verunsicherung und Wider12
stand des Patienten führen.
13
Eine deutliche Darbietung der Inhalte, ggf. auch
14
durch bildliche Darstellungen, erleichtert dem Pa15
tienten das Verständnis. Die Vergabe von Hausauf16
gaben sowie die Arbeit mit Erinnerungshilfen zwi17
schen den Behandlungsterminen erleichtern den
18
Lernprozess des Patienten (Maercker 2002).
19
Ebenfalls bietet sich eine flexible Auswahl des
20
Behandlungsorts je nach Befindlichkeit des Patien21
ten an. So können Hausbesuche zur Kontinuität
22
der Behandlung und Aufrechterhaltung der Moti23
vation des Patienten beitragen.
24
Die Gestaltung der Therapieziele älterer Patien25
ten richtet sich hauptsächlich nach dem Kriterium
26
des minimalen Aufwands bei maximaler Effektivi27
tät. Die Frage der Zielerreichung innerhalb eines
28
zeitlich und sachlich vertretbaren Aufwands und
29
der Möglichkeit der Aufrechterhaltung nach der
30
Behandlung sollte bei der Zieldefinition im Auge
31
behalten werden. Es werden konkrete, erreichbare
32
Ziele definiert, deren Reihenfolge sich an einer in33
dividuellen Prioritätenliste des Patienten orien34
tiert.
35
36
37
Fallbeispiel
38
39
Fallbeispiel, Teil 1
40
Zunächst war Frau S. in ihrem Verhalten wenig auffäl41
lig. In den letzten Jahren wurde dennoch ein sozialer
42
Rückzug deutlich. Sie ging nicht mehr zu ihrem Wan43
derverein und nahm weniger an Treffen mit Freundin44
nen teil. Die leichte Vergesslichkeit wurde im soziofa45
miliären Umfeld lächelnd dem Alter zugeschrieben
46
und auch von Frau S. bagatellisiert. Erst als Frau S. ei47
nes Abends nach einem Sturz auf dem Friedhof gefun48
den wurde, erweckte das die Aufmerksamkeit der An49
gehörigen. In den folgenden Monaten schaffte es Frau
50
S. nicht mehr, ihre Vergesslichkeit zu überspielen. Sie
51
konnte Festtage nicht mehr benennen. Ihren Geburts52
241
tag vergaß sie schon während der Feier. Die Defizite im
Bereich der Kurzzeitmerkfähigkeit machten Frau S.
Angst. Sie traute sich nicht, sich jemandem anzuvertrauen, da sie eine Heimunterbringung befürchtete
und ihren Angehörigen nicht zur Last fallen wollte.
Da sie auch keine Freude mehr am Kochen hatte, verlor sie zunehmend an Gewicht. Nach einem erneuten
Sturz im Badezimmer wurde Frau S. ins Krankenhaus
eingeliefert.
26.4
Diagnostik und
Behandlung der
häufigsten Störungsbilder
und typischer
Problemkonstellationen
26.4.1 Diagnostik und
Differenzialdiagnostik der
beginnenden AlzheimerDemenz
Die Alzheimer-Demenz soll im Folgenden im Vordergrund stehen, da sie in rund 2/3–3/4 aller Demenzfälle zugrunde liegt. Die Alzheimer-Demenz
wird in der ICD-10 im Kapitel „Organische, einschließlich symptomatischer psychischer Störungen“ aufgeführt.
Diagnostische Kriterien. Dabei werden folgende
diagnostische Kriterien aufgezählt:
Vorliegen einer Demenz mit multiplen kognitiven Defiziten und Beeinträchtigung in sozialen
oder beruflichen Funktionsbereichen,
schleichender Beginn mit progredientem Verlauf,
Fehlen klinischer Hinweise oder spezieller Untersuchungsbefunde, die auf eine System- oder
Hirnerkrankung hinweisen, welche eine Demenz verursachen kann (z.B. Hypothyreose, Vitamin-B-Mangel, subdurales Hämatom),
Fehlen eines plötzlichen apoplektischen Beginns oder neurologischer Herdzeichen wie Hemiparese, Sensibilitätsverlust, Gesichtsfeldausfälle oder Koordinationsstörungen in der
Frühphase der Krankheit (solche Phänomene
können jedoch später hinzu kommen),
Ausschluss eines Delirs oder anderer körperlicher oder psychischer Erkrankungen, wie z.B.
einer Depression.
Köllner/Broda,Praktische Verhaltsmedizin (ISBN3131321512)©2005 Georg Thieme Verlag KG
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26 Psychotherapie bei älteren Menschen
Die Kombination neuropsychologischer Testung
1
mit Anamneseerhebung und bildgebenden Ver2
fahren bietet diagnostische Zuverlässigkeit auch
3
bei der Frühdiagnose einer Alzheimer-Demenz
4
(Plattner u. Ehrhardt 2002).
5
6
Diagnostische Tests. Schwierigkeiten bereitet heu7
te noch die Frühdiagnose einer Alzheimer-Demenz,
8
da die Mehrzahl der für die Diagnostik eingesetzten
9
Skalen derzeit noch nicht zuverlässig zwischen ge10
sunden, nichtdementen älteren Menschen und Pa11
tienten mit einer beginnenden Demenz unterschei12
det. Das gilt besonders für den in der Praxis häufig
13
verwendeten Mini-Mental-State-Test (MMST; Fol14
stein et al. 1975).
15
Zur Identifizierung des beeinträchtigten Kurz16
zeitgedächtnisses bei einer beginnenden Alzhei17
mer Demenz bieten sich Aufgaben vom Typ der
18
verzögerten Erinnerungsabfrage (Delayed Recall)
19
an. Bei der verzögerten Erinnerung werden dem
20
Patienten z.B. sieben einstellige Zahlen vorgespro21
chen, bestimmte Gegenstände oder Bildmaterial
22
gezeigt oder kleine Geschichten erzählt. Die Inhal23
te werden dann nach einem dazwischengeschobe24
nen Gesprächsintervall (ca. 10 Minuten) abgefragt.
25
Neuropsychologische Testbatterien werden u.a.
26
zur Verlaufsmessung eingesetzt und enthalten
27
Items mit unterschiedlichem Schwierigkeitsgrad.
28
Dadurch sind sie sensitiver für die Diagnose einer
29
Alzheimer-Demenz.
30
Weiterhin weisen Testaufgaben der Wortflüs31
sigkeit, z.B. Aufzählen so vieler Tiernamen wie
32
möglich in einer Minute, wie sie z.B. in der Alzhei33
mers Disease Assessment Scale (ADAS) enthalten
34
sind, eine hohe Spezifität und Sensitivität zur Auf35
deckung einer Alzheimer-Demenz auf (Monsch et
36
al. 1992). Grundsätzlich sollte das Gedächtnis
37
nicht als alleinstehender Faktor, sondern in Zu38
sammenhang mit dem Intelligenzfaktor gesehen
39
werden. Neben den kognitiven Tests sind alltags40
nahe Verfahren von Interesse. Die Erfassung der
41
alltagspraktischen Kompetenzen kann zugleich als
42
erster Anhaltspunkt für eine verhaltensthera43
peutische Intervention eingesetzt werden. Das
44
Krankheitsbild zeigt eine Abnahme an Selbstbe45
stimmung und Selbstständigkeit bei der Alltagsbe46
wältigung.
47
48
Symptome, die sich im Alltag zeigen. Im Alltag zei49
gen sich die kognitiven Defizite zunächst dadurch,
50
dass die Patienten nicht mehr in der Lage sind, die
51
zu einer selbstständigen Lebensweise notwendi52
gen Tätigkeiten auszuüben. Zu Anfang sind v.a.
Fähigkeiten zum Ausüben instrumenteller Aktivitäten betroffen. Komplexe Handlungen (Freizeitgestaltung, Besuche machen, Kochen, Haushalt
führen, Verkehrsmittel benutzen, Regeln finanzieller Angelegenheiten) können nicht mehr ausgeführt werden. Im weiteren Stadium können die Patienten nicht mehr für das Wohlergehen des
eigenen Körpers sorgen und brauchen für die Basisaktivitäten (wie Essen, Körperpflege, Anziehen,
Baden und Urin- / Stuhlkontinenz) Hilfe. Die Alzheimer Demenz ist aber nicht gleichzusetzen mit
dem generellen Verlust an Kompetenz. Sie stellt
einen „partiellen Abbauprozess neben gut erhaltenen Funktionen“ (Klessmann 1992) dar. Je nach
Krankheitsstadium und nach Muster der kognitiven Beeinträchtigung können die Kompetenzverluste bei verschiedenen Alzheimer-DemenzPatienten interindividuell stark variieren. Die persönliche Kompetenz eines Alzheimer-Demenz-Patienten ist abhängig von dem Aufforderungsdruck
der Umgebung. Wird ein Patient permanent überfordert, wirkt sich das negativ auf den Erhalt der
Kompetenzen aus. Eine optimale Förderung der
noch vorhandenen Kompetenzen kann gerade zu
Beginn der Störung zum weitreichenden Erhalt
von Kompetenz beitragen (Plattner u. Ehrhardt
2002).
26.4.2 Interventionsmöglichkeiten
bei beginnender AlzheimerDemenz
Es konnte gezeigt werden, dass Lernen prinzipiell
auch für Patienten mit Alzheimer-Demenz bis in
mittlere Krankheitsstadien noch möglich ist. Es ist
denkbar, dass geeignete verhaltenstherapeutische
Interventionen das Fortschreiten einer demenziellen Erkrankung verzögern können. Allerdings ist
die isolierte Anwendung von Gedächtnistrainings
(z.B. Gehirnjogging) dazu nicht in der Lage.
Praktisches Vorgehen
Der Schwerpunkt gebräuchlicher Behandlungsprogramme für Patienten mit Alzheimer-Demenz
liegt auf:
Der Stabilisierung erhaltender Fähigkeiten, wie
z.B. regelmäßigem Essen.
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26.4 Diagnostik und Behandlung der häufigsten Störungsbilder und typischer Problemkonstellationen
1 Dem Abbau unerwünschten Verhaltens, wie
2 z.B. Verstecken des Haustürschlüssels.
3 Dem Aufbau positiver Aktivitäten, wie z.B. Ver4 stärkung sozialer Kontakte.
5 Dem Erkennen und Bewältigen individueller
6 Stressfaktoren, wie z.B. fehlende Struktur im
7 Tagesablauf.
8 Dem Bemühen um eine zuversichtliche Einstel9 lung.
10
11
Therapieziele. Folgende Ziele werden bei einer
12
Verhaltenstherapie der Alzheimer Demenz ver13
folgt:
14
Unterstützung bei der Bewältigung der Belas15
tungen, die sich aus der Konfrontation mit der
16
Diagnose ergeben,
17
den depressiven Symptomen entgegenwirken,
18
Mobilisierung vorhandener Ressourcen, um zu
19
vermeiden, dass im Vergleich zu den neuropsy20
chologischen Defiziten stärkere Kompetenzde21
fizite auftreten.
22
23
Therapiebausteine. Ehrhardt und Plattner (1999)
24
nennen folgende mögliche Therapiebausteine für
25
ein Kompetenztraining, die auch in der psychoso26
matischen Grundversorgung zum Teil zur Stabili27
sierung genutzt werden können:
28
Therapieplanung und Verhaltensanalyse,
29
Psychoedukation,
30
Aktivitätenaufbau,
31
Modifikation dysfunktionaler Kognitionen,
32
emotionale Bewältigung,
33
Stressbewältigung.
34
35
Vor allem der psychoedukative Anteil, der Aktivi36
tätenaufbau und der Einsatz von Gedächtnishilfen
37
kann in der psychosomatischen Grundversorgung
38
durchaus gefördert werden. Zur Modifikation dys39
funktionaler Kognitionen und zur emotionalen Be40
wältigung der Erkrankung empfiehlt sich eine
41
Weiterleitung des Patienten in psychotherapeuti42
sche Behandlung. Vor allem, wenn der Patient im
43
Krankheitsverlauf zusätzlich eine Depression oder
44
eine Angstsymptomatik entwickelt.
45
Bei der Psychoedukation werden Patient wie
46
Angehörige über den Verlauf und die Behand47
lungsmöglichkeiten der Erkrankung informiert.
48
49
50
51
52
243
Aktivitätenaufbau
Der Aktivitätenaufbau wird in fünf Schritte aufgeteilt
Vermittlung an den Patienten,
ressourcenorientierte Bestimmung des Aktivitätsniveaus,
Anregung weiterer angenehmer Aktivitäten,
Durchführung der ausgewählten Aktivitäten,
Verstärkung der Aktivitäten.
Wochenplan. Sinnvoll ist die Registrierung der
ausgeübten Aktivitäten anhand eines Wochenplans auf dem der Patient seine ausgeführten angenehmen Aktivitäten möglichst einfach notieren
kann. Sollte das Ausfüllen eines Wochenplans dem
Patienten starke Schwierigkeiten bereiten, so kann
der Therapeut mithilfe geeigneter Fragen die derzeit ausgeübten Aktivitäten erfassen. In dieser
Phase kann auch den Gründen für die Unterbrechung früherer Aktivitäten nachgespürt werden.
Fragen zu Aktivitäten. Ehrhardt und Plattner
(1999) bieten folgende Anregungen für Fragen
zum Stand der Aktivitäten.
Praktisches Vorgehen
Fragen zum Aktivitätsniveau:
„Wie sieht zurzeit Ihr Tagesablauf aus?“
„Welche Aktivitäten machen Ihnen Spaß?“
„Wie sieht es mit den Freizeitmöglichkeiten in
Ihrer Umgebung aus?“
„Wie beeinflussen die Tagesaktivitäten Ihre
Stimmung?“
Praktisches Vorgehen
Fragen zur Unterbrechung der befriedigenden
Alltagsaktivitäten:
„Hat sich durch Ihre Erkrankung der Alltag verändert?“
„Welche Aktivitäten haben Sie aufgegeben oder
eingeschränkt?“
„Was bedeuten diese Aktivitäten für Sie heute?“
„Was haben sie Ihnen bedeutet?“
Köllner/Broda,Praktische Verhaltsmedizin (ISBN3131321512)©2005 Georg Thieme Verlag KG
244
26 Psychotherapie bei älteren Menschen
Liste angenehmer Aktivitäten. Zu Beginn einer
1
Aktivitätserhöhung empfiehlt sich das Anknüpfen
2
an eine derzeit noch ausgeübte Aktivität, um diese
3
weiter auszubauen. Zunächst wird eine persönli4
che Liste angenehmer Aktivitäten erstellt. Als An5
regung kann die „Liste angenehmer Aktivitäten für
6
Alzheimer-Demenz“ (Ehrhardt u. Plattner 1999)
7
dienen. Durch eine Auswahl an Aktivitäten wird
8
der Patient motiviert, etwas Angenehmes zu tun,
9
z.B. spazieren gehen, Gymnastik machen, Fotos
10
anschauen oder mit Freunden einen Ausflug ma11
chen. Die Liste bildet die Grundlage für den gestuf12
ten Aufbau von Aktivitäten. Um Überforderung zu
13
vermeiden, sollte überprüft werden, welche Akti14
vitäten aufgrund kognitiver Einschränkungen im15
mer wieder misslingen. Ebenfalls sollte vermieden
16
werden, den Patienten zu einer bestimmten Akti17
vität zu überreden.
18
19
Aktivitätsplanung. Nach Auswahl der angeneh20
men Aktivitäten werden die Aktivitäten gemein21
sam geordnet. Die Aktivitäten werden nach sub22
jektiver Bedeutung, erwünschter Frequenz und
23
vermuteter zeitlicher Beanspruchung sortiert. Mit
24
dem Patienten wird besprochen, welche Aktivi25
täten er bis zum nächsten Termin unter Berück26
sichtigung der individuellen Belastbarkeit, des
27
persönlichen Tempos und der noch vorhandenen
28
Fähigkeiten durchführen kann und möchte. Die
29
Planung verläuft unter dem systematischen Ein30
satz von Verstärkern.
31
32
33Möglicher Fehler
34
Zu hohes Anspruchsniveau. Dem Patienten sollen
35
nicht die eigenen Defizite vor Augen geführt wer36
den.
37
38
39
Aktivitäten verstärken. Die vom Patienten ausge40
führten Aktivitäten werden mittelbar oder unmit41
telbar verstärkt. Als mittelbarer Verstärker dient
42
das Lob des Behandlers. Er weist den Patienten im43
mer wieder auf seine Fähigkeiten hin. Unmittelba44
re Verstärkung erlebt der Patient durch die Aus45
führung der angenehmen Aktivitäten per se. Oft
46
stehen der Förderung von Aktivitäten dysfunktio47
nale Kognitionen entgegen, die nach einer ersten
48
Basisaktivierung bearbeitet werden müssen.
49
50
51
52
26.4.3 Diagnostik und
Differenzialdiagnostik der
fortgeschrittenen Demenz
Demenzielle Prozesse sind eine der häufigsten Ursachen für Pflegebedürftigkeit im Alter. Sie besitzen aufgrund der hohen Patientenzahlen eine
hohe gesundheitspolitische Bedeutung.
ICD-10-Kriterien. Überprüft werden nach den
Kriterien der ICD-10 folgende Leistungsbereiche:
Gedächtnisstörungen und Leistungsminderungen anderer höherer kognitiver Leistungen
(Aufmerksamkeit, Denken, Orientierung etc.),
Störungen höherer neuropsychologischer Funktionen (Sprache, exekutive Funktionen, kognitive Flexibilität etc.),
Einschränkungen der Fähigkeit zum selbstständigen Ausüben von Alltagsaktivitäten,
nichtkognitive Symptome (Wahn, Depression,
Halluzination etc.).
Testdiagnostik. Eine testdiagnostische Abklärung
empfiehlt sich vor allem im Falle bestehender Unklarheit bezüglich der Diagnose im Frühstadium,
zur Verlaufstestung und zur Differenzialdiagnostik
unterschiedlicher Demenzformen. Wegen des hohen zeitlichen Aufwandes ist eine ausführliche
Testdiagnostik in der psychosomatischen Grundversorgung schwer zu realisieren. In diesem Fall
sollte der Patient an den zuständigen Facharzt
weitervermittelt werden.
26.4.4 Interventionsmöglichkeiten
bei fortgeschrittener Demenz
Es existieren zahlreiche Behandlungsansätze für
die Behandlung von Patienten mit fortgeschrittener Demenz. Wegen der erhöhten Belastung bietet
sich eine zusätzliche Begleitung der Angehörigen
und Betreuungspersonen an. Unter den Behandlungsansätzen, die darauf abzielen, die Funktionsfähigkeit des Gedächtnisses sowie andere kognitive Fähigkeiten zu erhalten und zu verbessern,
finden sich kognitive Ansätze
zur Realitätsorientierung (Holden u. Woods
1995),
zur kognitiven Stimulation (Spector et al. 2001),
zur Reminiszenz- und Lebensrückblickstherapie sowie
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26.4 Diagnostik und Behandlung der häufigsten Störungsbilder und typischer Problemkonstellationen
zu Gedächtnishilfen und Gedächtnisauffri1
schungstraining.
2
3
Ebenfalls findet man emotionszentrierte Behand4
lungsansätze, welche versuchen, auf die hinter den
5
tatsächlich ausgesprochenen Worten stehende
6
Botschaft zu reagieren. Das Verhalten des Patien7
ten wird als Hinweis auf universelle Bedürfnisse
8
gesehen, die es zu verstehen gilt.
9
10
Verhaltenstherapeutische Ansätze. Die verhal11
tenstherapeutischen Ansätze basieren auf einfa12
chen Lerngesetzen, wie verhaltensauslösenden
13
und verstärkenden Prozessen. Sie werden in Berei14
chen wie Selbstversorgung, Ankleiden, Beweglich15
keit und Kontinenz eingesetzt und zur Verhaltens16
modifikation genutzt. Behaviorale Interventionen
17
und Trainings arbeiten mit Betroffenen und deren
18
Angehörigen, um störendes Verhalten, Inkonti19
nenz oder Aggressionen der Patienten zu reduzie20
ren. So kann man z.B. betroffene Personen mit In21
kontinenz regelmäßig fragen, ob sie zur Toilette
22
müssen. Bei einer bejahenden Reaktion werden sie
23
dorthin gebracht. Diese Methode der ausgelösten
24
Ausscheidung zeigte regelmäßig eine Reduzierung
25
des Umfangs der Harninkontinenz. Es empfiehlt
26
sich eine genaue Analyse der Entstehungs- und
27
Aufrechterhaltungsfaktoren des betreffenden Ver28
haltens, um eine individuelle Verhaltensmodifika29
tion auf lerntheoretischer Basis zu ermöglichen.
30
31
32Mögliche Fehler
33
Bei der Behandlung einer Demenz ist die Wahl
34
der geeigneten Behandlungsziele besonders zu
35
beachten. Individuell entscheidet sich, ob z.B.
36
eine verbesserte kognitive Funktionsfähigkeit
37
oder eine verbesserte Lebensqualität von Be38
deutung ist.
39
Ob die Angehörigen als akzeptable Stellvertre40
ter eines an einer Demenz Erkrankten fungieren
41
können, ist im Einzelfall zu entscheiden.
42
Die Behandlung einer Demenz erfordert wegen
43
der begrenzten Möglichkeiten des Betroffenen
44
zur Bedürfnisartikulation eine erhöhte Aufmerk45
samkeit auf ethische Aspekte der Intervention.
46
Dabei ist zu beachten, dass demente Menschen
47
oftmals in höherem Maße über die Fähigkeit
48
sich zu äußern verfügen, als gemeinhin ange49
nommen wird (Woods 2002).
50
51
52
245
Personenzentriertes Modell. In dem personenzentrierten Modell zur Betreuung von Menschen
mit einer Demenz (Kitwood 1997) wird von der
gesundheitsfördernden Wirkung eines die Person
des Patienten wertschätzenden sozialen Umfelds
ausgegangen. Aufgrund neuer Befunde erweist
sich dieser Ansatz, bei dem das soziale Umfeld des
Betroffenen als bestimmend für das klinische Bild
gesehen wird, zur Behandlung einer fortgeschrittenen Demenz als hilfreich. Ein Umfeld, in dem der
Betroffene als einzigartiges Individuum geschätzt
wird, führt in geringerem Maße zu übermäßigen
Behinderungen bei dem Betroffenen. Die Behandlung sollte in einem Rahmen stattfinden, in dem
der Betroffene als Mensch geschätzt wird, der mit
anderen in Beziehung steht und auf sinnvolle Weise interagiert (Woods 2002).
26.4.5 Diagnostik und
Differenzialdiagnostik
depressiver Störungen
Wesentliche Merkmale der Depression sind Stimmungsbeeinträchtigung, Verlust der Freude, emotionale Leere, Antriebslosigkeit, Interessenverlust
und zahlreiche körperliche Beschwerden (siehe
Kap. 18). Häufig sind subklinische bzw. in kürzeren
Abständen rezidivierende Störungsformen. Die
Diagnose einer Depression bei älteren Menschen
gestaltet sich zusätzlich schwerer durch das
gleichzeitige Auftreten körperlicher Erkrankungen, der Möglichkeit eines beginnenden Abbaus
der geistigen Fähigkeiten aber auch durch das Verkennen depressiver Symptome als „natürliche Folge des Alterungsprozesses“. Zur Differenzialdiagnose einer Depression im Senium muss zunächst
ausgeschlossen werden, dass die deutliche depressive (bzw. ängstliche oder gereizte) Stimmung
durch eine körperliche Erkrankung (z.B. hirnorganischer Prozess, Schilddrüsenunterfunktion, Tumoren etc.) bedingt ist. Des Weiteren ist eine direkte Einwirkung von Medikamenten, Drogen
oder Alkohol abzuklären. In höherem Alter können
selbst verordnete Medikamente in diesem Zusammenhang diagnostische Bedeutung haben. Besonders schwer ist die Abgrenzung einer beginnenden
degenerativen Demenz von einer Depression.
Folgende Kriterien sprechen für eine depressive Störung (Hautzinger 2002):
Anzahl depressiver Episoden in der Vorgeschichte,
Köllner/Broda,Praktische Verhaltsmedizin (ISBN3131321512)©2005 Georg Thieme Verlag KG
246
26 Psychotherapie bei älteren Menschen
unauffällige neurologische Symptomatik,
1
ständige dysphorisch-depressive bzw. ängst2
lich-hilflose Stimmung,
3
klagsame Haltung und Herausstellung der kog4
nitiven Defizite,
5
unauffällige Aufmerksamkeit, Auffassung und
6
Orientierung,
7
bei Tests variierende Leistungen,
8
frühmorgendliches Erwachen mit pessimis9
tisch-grüblerischem Denken,
10
Gefühlsschwankungen über den Tag,
11
Antriebsminderung,
12
Appetitstörung,
13
Selbstmordgedanken.
14
15
Folgende Kriterien können für eine beginnende
16
Demenz sprechen:
17
schleichender Beginn,
18
unkooperatives, misstrauisches, ungeselliges
19
Verhalten,
20
neurologische Symptomatik,
21
reduzierte Wachheit,
22
eingeschränkte Konzentration und Aufmerk23
samkeit,
24
Desorientiertheit und Verwirrtheit,
25
Einschränkung des Kurzzeitgedächtnisses,
26
Bemühen, kognitive Defizite zu verbergen,
27
flacher Affekt bzw. emotionale Labilität,
28
fluktuierende Stimmungszustände,
29
Umkehrung des Schlaf-Wach-Rhythmus,
30
keine Hinweise auf frühere Psychopathologie
31
und Depression,
32
bei Tests konsistente schlechte Leistung.
33
34
Zu Beginn eines demenziellen Prozesses kann der
35
Patient durch die Wahrnehmung der fortschrei36
tenden Funktionseinbußen und durch das Wissen
37
um die Diagnose als Reaktion auf den bedrohli38
chen Zustand zusätzlich eine Depression oder
39
Angstsymptomatik entwickeln. Es ist wichtig, Hin40
weise auf eine solche Entwicklung wahrzunehmen
41
und diese gegebenenfalls zusätzlich zu behandeln.
42
Mit fortscheitendem Verlauf der Demenz gehen
43
diese Symptome meist zurück.
44
45
46
26.4.6
Interventionsmöglichkeiten
47
bei depressiven Störungen
48
49
Bei der Behandlung depressiver Störungen im Al50
ter können Interventionen für depressive Störun51
gen bei jüngeren Menschen genutzt werden, wenn
52
die oben genannten generellen Kriterien für die
Behandlung älterer Menschen berücksichtigt werden. Die Behandlung depressiver Störungen können in Kap. 18 dieses Buchs nachgelesen werden.
Eine weitere Spezifizierung der Interventionen
bei Depressionen im höheren Alter kann nach dem
Modell der selektiven Optimierung und Kompensation in drei Bereiche gefasst werden:
1. Psychologische Interventionen zur Kompensation lassen sich auf Überlegungen zur Inaktivitätsatrophieannahme zurückführen, die besagen, dass der Gebrauch von Fähigkeiten zur
ihrer Entwicklung und deren Nichtgebrauch zu
ihrer Verkümmerung beitragen. Vor diesem
Hintergrund ist es wichtig, vorhandene Ressourcen der Patienten durch Training wiederzubeleben. Die gerontologische Interventionsforschung hat gezeigt, dass die meisten älteren
Menschen eine beträchtliche mentale Reserve
besitzen, die durch Übung und Lernen aktiviert
werden kann. Durch Training einzelner Kompetenzen (Sprechen, Kochen, Einkaufen, Entspannung, Verbesserung der sozialen Fertigkeiten
etc.) lassen sich Defizite ausgleichen, Hemmungen überwinden, neue Bewältigungsfertigkeiten entwickeln. Durch die Erweiterung des
Aktionsradius und das Aufleben eigener Kompetenzen kann der Antrieb gesteigert, die Stimmung aufgehellt und Interessen wieder erweckt
werden.
2. Hilfen zur Selektion werden notwendig, wenn
z.B. der Verlust des Sozialpartners, Funktionsverluste oder der Verlust des Berufslebens
reaktiv depressiogene Wirkung haben. Insbesondere dann, wenn der bisherige Lebensraum
durch den Wechsel in ein Alters – oder Pflegeheim aufgegeben werden muss. Hier sind u.a.
kognitive Methoden hilfreich, die Unterstützung durch andere Sozialpartner in ähnlichen
Situationen sowie Lebensrückblickstherapie
oder Trauerverarbeitung (Znoj u. Maercker
2004).
3. Die Optimierung bezieht sich auf die Gestaltung der Umwelt indem durch Einsatz von
Hilfsmitteln Handlungs-, Entscheidungs- und
Kontrollspielräume erhalten bleiben (Hautzinger 2002).
Ein weiterer wichtiger Aspekt für die Therapie depressiver Störungen im Alter ist der Umstand der
Verringerung verhaltensbestimmender positiver
Verstärkung mit steigendem Alter. So verringern
Köllner/Broda,Praktische Verhaltsmedizin (ISBN3131321512)©2005 Georg Thieme Verlag KG
26.4 Diagnostik und Behandlung der häufigsten Störungsbilder und typischer Problemkonstellationen
sich z.B. soziale Kontakte durch Tod der Freunde,
1
wodurch es zu einem sozialen Rückzug kommen
2
kann. In der Therapie sollte deshalb Wert auf die
3
Steigerung angenehmer Aktivitäten, die Reduktion
4
belastender Bedingungen und den Aufbau instru5
menteller Fertigkeiten sozialer Art gelegt werden.
6
7
Analyse und Korrektur dysfunktionaler Annah8
men. Werden belastende Situationen zunehmend
9
als unkontrollierbar erlebt und stellt sich ein dau10
erhaftes Gefühl der Hilflosigkeit und des persönli11
chen Versagens ein, kann sich eine depressive
12
Symptomatik verstärken. Negative Ereignisse
13
werden dem eigenen Versagen angelastet und die
14
eigene Ohnmacht dahingehend erlebt, dass eigene
15
Ressourcen nicht mehr erkannt werden können. Es
16
bilden sich entsprechende Erwartungshaltungen
17
heraus, die auf weitere Situationen generalisiert
18
werden und immer mehr zu einer Einschränkung
19
der eigenen Selbsthilfemechanismen führen. Die
20
Analyse und Korrektur solcher dysfunktionaler
21
Annahmen und Erwartungshaltungen kann in der
22
kognitiven Therapie depressiver Störungen auch
23
bei älteren Patienten effizient genutzt werden.
24
25
Therapieziele. Die psychologische Intervention
26
bei älteren Menschen setzt an den relevanten kri27
tischen Punkten an. Die Ziele reichen von der
28
Etablierung kurzfristiger Maßnahmen (wie Kri29
senintervention, unmittelbare Unterstützung, Ak30
tivierung von Hilfsdiensten, Motivierung) über in31
formierende und koordinierende Maßnahmen
32
(wie Aufklärung, Planung und Versorgung mit
33
Möglichkeiten der Hilfe im Alltag), bis hin zu mit34
tel- und längerfristigen psychotherapeutischen
35
Maßnahmen in Form von Einzel- und Gruppenthe36
rapien.
37
38
Behandlungstechniken. Folgende Techniken und
39
Methoden werden in der psychotherapeutischen
40
Behandlung älterer depressiver Menschen ange41
wandt. Im Ansatz ist auch die Verwendung dieser
42
Techniken v.a. bei leichten und mittelschweren
43
Depressionen in der psychosomatischen Grund44
versorgung durchführbar.
45
46
47
48
49
50
51
52
247
Praktisches Vorgehen
Bei der Behandlung depressiver Störungen im
Alter geht es darum:
Passivität und Inaktivität durch Aktivierung und
Steigerung positiver Erfahrungen, Reduktion
aversiver Alltagserfahrungen und Tagesstrukturierung zu überwinden.
Durch die Vermehrung sozialer Kontakte, die
Überwindung von Fertigkeitsdefiziten, das Einüben von Verhaltensweisen, die Bearbeitung familiärer Konflikte, Verbesserung der soziofamiliären Interaktionen den Patienten ein Gefühl
von Sicherheit zu vermitteln und Kompetenzen
zu stärken.
Durch das Herausarbeiten negativer kognitiver
Schemata, Evidenzprüfung der automatischen
Gedanken, Ersetzen der unberechtigten automatischen Gedanken durch hilfreichere positivere Kognitionen und das Erkennen und Korrigieren von Überzeugungen und Einstellungen
den pessimistischen Denkmustern entgegenzuwirken.
Reale Schwierigkeiten durch Dienste und
Hilfsorganisationen zu bewältigen.
Die in der Therapie herausgearbeiteten Zusammenhänge und Bewältigungsmöglichkeiten
durch selbstständiges Anwenden zu vertiefen
und in den Alltag zu transferieren.
In Krisen rechtzeitig Hilfe suchen.
Durch Lebensrückblickstherapie (Maercker u.
Zöllner 2003) die Vergangenheit zu bewältigen,
indem der Lebensweg, erreichte und nichterreichte Ziele herausgearbeitet werden und positive Aspekte hervorgehoben werden.
26.4.7 Diagnostik und
Differenzialdiagnostik von
Angststörungen
Die Diagnose von Angststörungen wird durch
zahlreiche interagierende Probleme erschwert, die
der ältere Mensch aufgrund seiner Lebenserfahrung mit sich bringt.
So schätzen ältere Menschen die Symptome einer Angststörung oftmals fälschlicherweise als
Bestandteil des Alterungsprozesses ein und
nicht als Hinweis auf eine Pathologie. Es besteht
die Gefahr, dass Angstsymptome übersehen
Köllner/Broda,Praktische Verhaltsmedizin (ISBN3131321512)©2005 Georg Thieme Verlag KG
248
26 Psychotherapie bei älteren Menschen
werden und nur eine Behandlung auf organi1
scher Ebene erfolgt.
2
In Verbindung mit einer organischen Störung
3
auftretende Symptome können wiederum
4
fälschlicherweise als Angstsymptome interpre5
tiert und daher nicht auf organischer Ebene be6
handelt werden.
7
Eine weitere Schwierigkeit ist der Umstand,
8
dass bei der Einnahme von Medikamenten, die
9
üblicherweise von älteren Menschen einge10
nommen werden (wie z.B. Diuretika, Phenotia11
zine, Anoretika, Stimulanzien, abschwellende
12
Mittel der Atemwege, Bronchodilatatoren und
13
Benzodiazepine) Ängste häufig als Nebenwir14
kungen auftreten können.
15
16
Die Lebensbedingungen älterer Menschen (schlech17
ter Gesundheitszustand, niedriger sozioökonomi18
scher Status, soziale Isolation und sensorische Aus19
fälle) können ebenfalls die Entstehung einer
20
Angstsymptomatik begünstigen. Hierbei können
21
die Abnahme der Unabhängigkeit und die Ver22
schlechterung des Gesundheitszustands realisti23
sche Ängste verursachen, die während des Alte24
rungsprozesses auftreten können. Die im
25
individuellen Lebenskontext sinnvollen Verhal26
tensweisen (Vermeiden des Verlassens der Woh27
nung aus Angst vor einem Sturz im Schnee etc.)
28
können fälschlicherweise als phobische Verhal29
tensweisen diagnostiziert und behandelt werden.
30
Ebenfalls wird die Diagnose einer Angststörung
31
durch gleichzeitiges Bestehen anderer psychischer
32
Probleme wie Depression, Agitiertheit oder kogni33
tive Funktionsstörungen erschwert die sich von
34
den begleitenden Faktoren der Angst bei jüngeren
35
Menschen unterscheiden (Wisocki 2002).
36
37
Bei ca. 50% der Patienten mit einer bestehenden
38
Angststörung wird diese vom behandelnden Arzt
39
nicht richtig diagnostiziert. Selbst wenn die richtige
40
Diagnose gestellt wird, werden die Patienten nicht
41
richtig behandelt (Wisocki 2002).
42
43
44
Leider kommt es in der psychosomatischen
45
Grundversorgung selten dazu, dass die Ärzte ihren
46
Patienten psychologische Fragen stellen. Viele
47
Ärzte fühlen sich bei der Diagnose psychischer
48
Probleme nicht sicher und sind frustriert, da sie
49
nicht über genügend Zeit zur Unterstützung verfü50
gen.
51
52
Die häufigsten Angststörungen unter älteren
Menschen sind (Blazer et al.1991):
Phobien, einschließlich Agoraphobie,
soziale Phobie,
generalisierte Angstsyndrome.
Zwangsstörungen und Panikstörungen kommen
bei älteren Menschen relativ selten vor.
26.4.8 Interventionsmöglichkeiten
bei Angststörungen
Die wirksamste Behandlung von Angst erfolgt
über den verhaltenstherapeutischen Ansatz, wie
in Kap. 16 dieses Buchs nachzulesen. Zwei Therapieansätze haben sich neben Entspannungstechniken bei der Behandlung von Angststörungen jeder
Altersgruppe als hilfreich erwiesen. Sie werden im
Kapitel über Angststörungen gesondert behandelt
und werden daher hier nur kurz beschrieben.
Traditionelle und kognitive
Verhaltenstherapie
Bei der systematischen Desensibilisierung, wie
sie in der traditionellen Verhaltenstherapie nach
Wolpe (1958) angewandt wird, wird eine durch
Einsatz von Entspannungsübungen entspannte
Person einer hierarchischen Abfolge von zunehmend stärker Angst auslösenden Situationen ausgesetzt.
Bei der kognitiven Verhaltenstherapie steht
die Art und Weise, mit der Personen Angst auslösende Situationen deuten, im Mittelpunkt der Behandlung. Personen mit Angst unterschätzen ihre
Fähigkeit, mit ihrer Angst umgehen zu können,
angstbesetzte Situationen meistern zu können.
Ebenso haben sie wenig Vertrauen in die Fähigkeit
anderer Personen, ihnen helfen zu können.
Es empfiehlt sich, die Interventionen an den
körperlichen und geistigen Zustand des Patienten
anzupassen. So ist z.B. die massierte Konfrontation
bei älteren, körperlich gebrechlichen Menschen
nicht das Mittel der Wahl.
Köllner/Broda,Praktische Verhaltsmedizin (ISBN3131321512)©2005 Georg Thieme Verlag KG
26.4 Diagnostik und Behandlung der häufigsten Störungsbilder und typischer Problemkonstellationen
26.4.9 Übergang ins Seniorenheim:
1
Beschreibung der Situation
2
3
Es besteht allgemeine Übereinstimmung darüber,
4
dass die Zeit bis zur Nutzung einer stationären
5
Wohnform bei älteren Menschen so lange wie
6
möglich herausgeschoben werden soll. Es geht um
7
eine Maximierung und Optimierung der Zeit vor
8
dem Heimeintritt (Baumann et al. 2002). Die Aus9
einandersetzung mit dem Wechsel in eine statio10
näre Wohnform stellt eine schwierige Aufgabe für
11
den Betroffenen, dessen Angehörige und den Be12
handler dar. Die Psychologie bietet verschiedene
13
Konzepte an, mittels derer der Übergang ins Seni14
orenheim unterstützt werden kann.
15
16
Stresskonzept von Lazarus. Rahmenkonzepte
17
stellen das Stresskonzept von Lazarus und das
18
transtheoretische Modell von Prochaska und Mit19
arbeitern (1992) dar, das weiter unten kurz erläu20
tert werden soll. Die Wahl der Übersiedlung in ein
21
Seniorenheim ist als kritisches Lebensereignis zu
22
sehen, das durch körperlichen und emotionalen
23
Stress durch Umzug und Unvertrautheit gekenn24
zeichnet ist. Die routinemäßig zur Verfügung ste25
henden Coping-Strategien reichen oftmals nicht
26
zur Bewältigung der belastenden Situation aus. Be27
wertungsprozesse spielen bei der Übersiedlung in
28
ein stationäres Wohnsetting eine bedeutende Rol29
le. So weisen ältere Heimbewohner, die die Über30
siedlung als Herausforderung sehen können eine
31
höhere Unabhängigkeit bei der Verrichtung alltäg32
licher Aktivitäten sowie ein höheres Wohlbefin33
den auf. Je höher die wahrgenommene Wahlmög34
lichkeit im Entscheidungsprozess, je stärker das
35
Kontrollgefühl über tägliche Aktivitäten und Ent36
scheidungen, desto besser ist auch die Anpassung
37
nach dem Umzug (Baumann et al. 2002).
38
39
Dysfunktionale Kognitionen. Ebenfalls ist die Be40
lastung durch den Übergang ins Seniorenheim be41
einflusst durch unterschiedliche Formen der Be42
wältigung des Betroffenen, die die Akzeptanz der
43
Veränderung erleichtern oder erschweren können.
44
Dysfunktionale Kognitionen, wie z.B. „Ins Alters45
heim werde ich zum Sterben abgeschoben“ oder
46
„Das Altersheim ist eine Endstation. Da werde ich
47
meiner Autonomie vollständig enthoben“, er48
schweren den Übergang ins Seniorenheim. Neben
49
Bewältigungsstrategien spielen Faktoren der sozi50
alen Umwelt und der Persönlichkeit des Einzelnen
51
eine wichtige Rolle beim Übergang in ein Wohn52
249
heim. Wesentlich beim sozialen Netzwerk als unterstützender Faktor ist nicht dessen Größe, sondern das Vorhandensein einer vertrauten Person.
Modell der Veränderung nach Prochaska. Das
handlungstheoretische Modell der Veränderung
nach Prochaska (siehe Kap. 1) soll hier kurz skizziert werden, da es als Grundlage für mögliche
psychotherapeutische Interventionen in der Übergangsphase dienen kann. Prochaska und Mitarbeiter (1992) gehen von verschiedenen Phasen aus,
die bei einer lebensbeeinflussenden Veränderung durchlaufen werden. Für den Fall eines Übergangs in ein Seniorenheim könnten diese wie folgt
beschrieben werden:
In der Präkontemplationsphase setzt der Betroffene sich noch nicht mit einer möglichen
Übersiedlung ins Seniorenheim auseinander.
In der Kontemplationsphase trifft er die Entscheidung für einen Heimeintritt. Der Nachdenkensprozess kann durch externe oder interne Auslöser in Gang gesetzt werden.
Die Vorbereitungsphase enthält die Heimanmeldung und die Aufnahme in eine Warteliste.
In der Handlungsphase erfolgen Wohnungsauflösung und Übersiedlung.
Die drastischen Veränderungen (Verlust der Vertrautheit, Veränderung der Umweltstruktur, Einschränkung von Selbstbestimmung und Autonomie, Reduktion biografischer Erinnerungen,
Veränderung der Rollenfunktion, Gefühl der Nutzlosigkeit) verlangen eine gute Einbettung in ein soziales Netz sowie eine enge psychologische Betreuung. Gegebenenfalls ist ein wöchentlicher
Besuch durch den Hausarzt, der den Betroffenen
lange Zeit begleitet hat, ein entlastender Faktor. In
der Aufrechterhaltungsphase erfolgen die kurzfristige (erste Wochen / Monate) und die längerfristige Anpassung (Heimaufenthalt). Die Eingewöhnung wird durch die Möglichkeit der
Mitnahme persönlicher Gegenstände erleichtert.
26.4.10 Interventionsmöglichkeiten
bei Übergang ins
Seniorenheim
Die Vorbereitung auf den Eintritt in ein Seniorenheim besteht in der Förderung des Übergangs von
der Präkontemplationsphase in die Kontemplationsphase und in der sinnvollen Gestaltung der
Köllner/Broda,Praktische Verhaltsmedizin (ISBN3131321512)©2005 Georg Thieme Verlag KG
250
26 Psychotherapie bei älteren Menschen
Kontemplationsphase. Dazu gehört eine genaue
1
Aufklärung über den Heimalltag. Je weniger ältere
2
Menschen über den Heimalltag wissen, desto grö3
ßer sind die Ängste vor einem Seniorenheim. Zur
4
Schaffung klarer Vorstellungen bieten sich neben
5
der Weitergabe von Informationsmaterialien Be6
sichtigungstermine, Teilnahme an Heimmahlzei7
ten, Probewohnen, Kurzzeitpflege etc. als Vorberei8
tung an. Die Zusammenarbeit mit Angehörigen
9
stellt einen wichtigen Faktor bei der Auseinander10
setzung mit dem Übergang in ein Seniorenheim dar.
11
Für einen subjektiv erfolgreichen Übergang in
12
ein Seniorenheim haben sich folgende Aspekte als
13
wichtig erwiesen (Baumann et al. 2002):
14
hohe wahrgenommene Kontrolle im Zuge der
15
Entscheidungen vor und während der Über16
siedlung,
17
Vorhandensein mindestens einer Vertrauens18
person im Seniorenheim,
19
häufigeres Erleben positiver Affektivität.
20
21
Praktisches Vorgehen
22
23Vor dem Hintergrund der bisher dargestellten As24pekte zum Übergang in ein Seniorenheim ergeben
25sich folgende Interventionsziele:
26 Reduktion der Belastung bzw. negativer Affek27 tivität für die Betroffenen in der Übersiedlungs28 phase durch:
29 – Vermittlung von Informationen zu Hilfestel30
lung in organisatorischen Fragen,
31 – Erleben maximaler Kontrolle bei Entschei32
dungen im Zuge der Übersiedlung,
33 – Hilfestellung bei Aufbau von Vertrautheit
34
und Kontinuität im Heim,
35 – Aktivierung der Umweltressourcen für die
36
Bedürfnisse der Bewohner,
37 – Aktivieren eigener Ressourcen bei der Be38
wältigung von Belastungen,
39 – Bearbeiten der Probleme im Zuge der ersten
40
Wochen nach der Übersiedlung.
41 Aufbau von Wohlbefinden bzw. positiver Af42 fektivität durch:
43 – Aufbau angenehmer Aktivitäten mit unmit44
telbar erlebten positiven Konsequenzen,
45 – Aufbau von Kontakten zu Personen aus dem
46
Dienstleistungsbereich,
47 – Aufbau erster Sozialkontakte im Heim,
48 – Aufbau und Verstärkung des sozialen Netz49
werks der Betroffenen,
50 – weiterführende Intervention bei stärker psy51
chisch beeinträchtigten Personen.
52
Bei der Formulierung der Interventionsziele sind
folgende Informationen über den Patienten wichtig:
Biografische Informationen.
Einstellungen, dysfunktionale Überzeugungen
wie „Ich werde ins Heim abgeschoben“, müssen
identifiziert und intensiver bearbeitet werden.
Ressourcen: Die Identifikation von Ressourcen
bei der Bewältigung vergangener Belastungen
können Hinweise für aktuelle Bewältigungsmöglichkeiten geben.
Lebensprogramm: Durch die Erfassung des Tagesablaufs in Zeiten, als „noch alles in Ordnung
war“, können wichtige Aspekte des alltäglichen
Lebens erfasst und gegebenenfalls beibehalten
werden.
Körperliche Befindlichkeit.
Psychische Probleme und andere Beeinträchtigungen.
Folgende Informationen über die Umwelt des Patienten spielen außerdem eine wichtige Rolle:
Umwelt im alten Zuhause. Gerade die Probleme
der Person-Umwelt-Passung machen die Übersiedlung notwendig. Diese Probleme fallen häufig durch die Übersiedlung weg. Das kann als positiver Aspekt der Veränderung gewertet werden.
Soziales Netzwerk, soziale Unterstützung. Die
Frage nach Vertrauenspersonen, sozialen Ressourcen.
Aspekte der Heimumwelt. Das neue Umfeld
kann sowohl als Kompensation als auch als Anregung für eine Neuorientierung verstanden
werden.
Strukturelle Rahmenbedingungen (z.B. juristische Fragen, Personalstruktur im Heim) müssen im Vorfeld geklärt werden.
26.4.11 Selbstständigkeitsinterventionen
Verschiedene Modelle beschäftigen sich mit dem
steigenden Autonomieverlust bei älteren Menschen. So beschreibt Seligman (1975) die kognitive
Attribution des Kontrollverlustes als eigenes Versagen in Kombination mit der Kontingenzlosigkeit
eigenen Verhaltens als Ursache der erlernten Hilflosigkeit, welche Passivität, Depressivität und Abhängigkeit mit sich bringt. Im Gegensatz zum Modell der erlernten Hilflosigkeit werden im Modell
der gelernten Abhängigkeit unterschiedliche Kon-
Köllner/Broda,Praktische Verhaltsmedizin (ISBN3131321512)©2005 Georg Thieme Verlag KG
26.5 Psychopharmakologie
tingenzen für selbstständiges und unselbstständi1
ges Verhalten angenommen. Die Umwelt verstärkt
2
Unselbstständigkeit und ignoriert Selbstständig3
keit. Dadurch kann unselbstständiges Verhalten
4
auch zum Erreichen individueller Ziele eingesetzt
5
werden (Baltes 1995).
6
Demzufolge richten sich Selbstständigkeitsin7
terventionen auf den Erhalt, die Verbesserung
8
oder die Kompensation vorhandener Ressourcen
9
und Fähigkeiten.
10
In der Geriatrie werden zur Diagnostik häufig
11
neuropsychologische Verfahren eingesetzt, wie z.B.
12
Halsted-Reitan-Batterie zur Erfassung hirnor13
ganischer Dysfunktionen,
14
Luria-Nebraska-Batterie zur Erfassung diverser
15
motorischer Fertigkeiten, taktiler, kinästheti16
scher, verbaler und räumlicher Fähigkeiten.
17
18
Anhand der Ergebnisse kann dann ein Trainingspro19
gramm erstellt werden. So existieren z.B. kognitive
20
Trainingsprogramme, Trainingsprogramme bei In21
kontinenz oder Trainingsprogramme zur Selbst22
ständigkeitsförderung in der sozialen Umwelt.
23
Diese Programme können durch Fach- oder Pfle24
gekräfte ambulant oder in Heimen durchgeführt
25
werden. Ebenfalls können Module der Trainings26
programme auch durch das private soziale Netz27
werk der Betroffenen durchgeführt werden. So zum
28
Beispiel die Förderung selbstständigkeitserhalten29
den Verhaltens, wie Ankleiden oder Einkaufen.
30
31
32Praktisches Vorgehen
33
Je nach vorhandenen Fähigkeiten des Patienten
34
werden bei der Verhaltensmodifikation individuelle
35
Ziele definiert, die anhand mehrerer Zwischen36
schritte erreicht werden können. Wichtige Aspekte
37
der Verhaltensmodifikation ist die richtige Verstär38
kerwahl, die Motivation durch den Sozialpartner,
39
eine Aufteilung der Ziele in Teilschritte, eine unter40
stützende Umwelt, ein häufiges geduldiges Üben
41
und die Dokumentation der Fortschritte zur Evalua42
tion. Ein ausführliches Trainingsprogramm findet
43
sich bei Neumann et al. (1997).
44
45
46
Es empfiehlt sich das Hinzuziehen von Fachkräf47
ten, Pflegediensten und die Einbindung der Ange48
hörigen in die Arbeit mit den älteren Menschen,
49
um die Verhaltensmodifikation zur Selbstständig50
keitsförderung zu erleichtern.
51
52
26.5
251
Psychopharmakologie
Im Gegensatz zur zurückhaltenden psychotherapeutischen Versorgung werden ältere Patienten
eher großzügig mit Psychopharmaka versorgt. Der
Altersmittelwert in der Psychopharmakaversorgung liegt bei 65 Jahren. „Risikofaktoren“ für eine
vorschnelle Psychopharmakabehandlung sind das
Alter, psychische Erkrankungen im Alter, somatische Erkrankungen mit psychischen Begleiterscheinungen und der Aufenthalt in einem Altersund Pflegeheim, v.a. bei schlechter Personalausstattung (Baier et al. 2002).
Indikation. Dennoch besitzen Psychopharmaka
häufig einen unterstützenden Wert für die Behandlung. Es gibt nur wenige Behandlungssituationen bei älteren Patienten, in denen bei genauer
Indikation Psychopharmaka eine Psychotherapie
nicht unterstützen könnten. Daher sollte der Einsatz von Psychopharmaka bezüglich Notwendigkeit und Menge mit Blick auf die langfristigen Konsequenzen genauestens überprüft werden. Die
Ergänzung von psychologischen und pharmakologischen Behandlungsansätzen wird besonders bei
der Behandlung von alten Patienten mit affektiven,
wahnhaften oder demenziellen Störungsbildern
deutlich, wobei der Einsatz von Psychopharmaka
dazu beiträgt, einen Zugang zum Patienten zu
finden. Ihre Gesprächs- und Handlungsfähigkeit
soweit wieder herzustellen, dass eine gezielte
psychotherapeutische Behandlung erst wieder
möglich wird. Der Behandlungserfolg wird gesteigert durch die Integration von Psychotherapie und
Pharmakotherapie in einen Behandlungsplan, der
von Patient und Behandler akzeptiert wird.
Dosierung. Da sich in höherem Alter neuronale
Aktivität, Neurotransmitterstoffwechsel, Hirndurchblutung und Hirnvolumen nach unterschiedlichen Mustern verändern, kann es zu einem
unterschiedlichen Ansprechen, häufig einer erhöhten Vulnerabilität gegenüber Psychopharmaka
im Alter kommen. Diese Veränderungen müssen
bei der Verordnung zentral wirksamer Pharmaka
berücksichtigt werden.
Daher gilt das Motto: „Start low and go slow!“
Es empfiehlt sich eine im Vergleich zu jungen Erwachsenen um 50–75% reduzierte Anfangsdosis.
Köllner/Broda,Praktische Verhaltsmedizin (ISBN3131321512)©2005 Georg Thieme Verlag KG
252
26 Psychotherapie bei älteren Menschen
Bei ausbleibendem Therapieerfolg sollte eine the1
rapeutisch wirksame Dosierung angestrebt wer2
den.
3
4
Nebenwirkungen. Bezüglich auftretender Neben5
wirkungen ist eine Nutzen-Risiko-Abwägung
6
durchzuführen, insofern, dass vertretbare gezielt
7
zu behandelnde Nebenwirkungen von Arzt und
8
Patienten in Kauf genommen werden, um einen
9
Vorteil für das generelle Wohlbefinden zu erzielen
10
(z.B. Obstipation bei der Vergabe bestimmter Anti11
depressiva, geringe Gewichtszunahme bei länger12
fristiger Einnahme einiger Neuroleptika, etc.).
13
Nicht akzeptiert werden dürfen potenziell bedroh14
liche Komplikationen, die nicht mit einem unmit15
telbaren subjektiv wahrnehmbaren Warnzeichen
16
einhergehen müssen und daher einer eingehen17
den präventiven Diagnostik bedürfen (z.B. gravie18
rende Reizleitungsstörungen am Herzen bei der
19
Einnahme v.a. trizyklischer Antidepressiva). Die
20
hier indizierten präventiven diagnostischen Maß21
nahmen müssen sich an der Vorgeschichte des Pa22
tienten und an den bekannten Wirkungen der Me23
dikamente orientieren.
24
25
Compliance. Multimorbidität und Polypharmazie
26
vieler älterer Menschen und die unübersichtlichen
27
Einnahmerichtlinien erschweren die Medikation
28
und die Kontrolle der Wirkung zusätzlich. Da un29
erwünschte und unerwartete Medikamentenwir30
kungen die Compliance des Patienten beträchtlich
31
beeinflussen können, ist eine ausführliche Aufklä32
rung über erwünschte und unerwünschte Neben33
wirkungen in Zusammenhang mit einer Nutzen34
Risiko-Abwägung mit dem Patienten und / oder
35
dessen Angehörigen dienlich. Ebenfalls wird ein
36
intensiver Informationsaustausch zwischen den
37
verschiedenen Behandlern notwendig, wenn es
38
sich bei Psychotherapeut und Pharmakaverordner
39
nicht um dieselbe Person handelt.
40
41
42Praktisches Vorgehen
43
44Baier und Mitarbeiter (2002) empfehlen folgende
45Grundprinzipien der psychopharmakologischen
46Behandlung:
47 Diagnosestellung und Definition der Zielsymp48 tome,
49 Ausrichtung der medikamentösen Therapie auf
50 diese Zielsymptome im Rahmen eines verein51 barten Behandlungsplans,
52
sofortige medikamentöse Behandlung bei Verhaltensstörungen, die eine Gefahr für die Patienten oder ihre Umgebung bedingen,
empathische Aufklärung über Wirkungen und
Nebenwirkungen,
initiale Anwendung einer reduzierten Dosis mit
langsamer Dosissteigerung unter genauer Beachtung der zu erwartenden Nebenwirkungen,
zeitlich enge Verlaufskontrollen, Überprüfen
der Indikation,
kein zu frühes Abbrechen mit Steigerung des
Rückfallrisikos (das die therapeutische Beziehung gefährden könnte).
Benzodiazepine. Die kurzfristige aber täuschende
Wirksamkeit von Benzodiazepinen verführt zu einer vorschnellen Verordnung mit der Konsequenz
der Suchtentwicklung.
Praktisches Vorgehen
Es empfiehlt sich daher, folgende Themen im Vorfeld mit nichtdementen Patienten abzusprechen.
Toleranzentwicklung,
Rebound-Phänomen,
Gefahren der Selbstmedikation,
das Prinzip der negativen Verstärkung,
die ungünstigen Auswirkungen auf den Schlaf,
die drohende Gangunsicherheit,
mangelnde Reaktionsfähigkeit,
Sturzgefahr,
Entzugssymptome,
die Ähnlichkeit zu Alkohol und Alkoholismus.
26.6
Angehörigenarbeit
Beim Übergang in eine stationäre Wohnform und
vor allem bei pathologischen Alterungsprozessen,
wie bei Pflegebedürftigkeit und Entwicklung einer
Demenz spielen die Angehörigen eine wichtige
Rolle. Zunächst stellen sie einen wichtigen stabilisierenden Faktor für den Betroffenen dar. Außerdem stellt die Begleitung eines pathologischen Alterungsprozesses durch Angehörige oftmals eine
große Belastung dar. Die Unterstützung und der
Einbezug der Angehörigen ist daher ein wichtiger
Faktor in der Behandlung älterer Menschen.
In allen kritischen Phasen des Alterungsprozesses ist die Information des Betroffenen und dessen
Köllner/Broda,Praktische Verhaltsmedizin (ISBN3131321512)©2005 Georg Thieme Verlag KG
26.7 Empirische Absicherung
Angehörigen ein wichtiger Aspekt der Unterstüt1
zung. Die Angehörigen müssen über den Verlauf
2
der Erkrankung, entlastende Hilfsmöglichkeiten
3
und organisatorische Abläufe informiert werden.
4
Durch eine detaillierte Aufklärung über eigene
5
Ressourcen zum Umgang mit der Erkrankung oder
6
Lebenssituation des älteren Menschen können die
7
Angehörigen in die Therapie mit einbezogen wer8
den und zu einem erhöhten Wohlbefinden des
9
Patienten beitragen. In diesem Zusammenhang
10
sollten die Angehörigen immer wieder auf die
11
Wahrnehmung eigener Grenzen hingewiesen
12
werden. Nur als stabiler Mensch können sie dem
13
älteren Menschen tatkräftig zur Seite stehen. Ge14
rade wenn Angehörige an Entscheidungsprozes15
sen beteiligt sind, wie z.B. der Frage, wann und ob
16
eine Heimunterbringung erforderlich wird, kön17
nen Schuldgefühle und Ängste die Entscheidung
18
erschweren. Oftmals kommt es erst in dieser Zeit
19
zu einer intensiven emotionalen Auseinanderset20
zung mit der Beziehung zu dem betroffenen älte21
ren Menschen (Elternteil etc.). Bei der Entschei22
dungsfindung und dem Umgang mit den dadurch
23
evozierten Emotionen können Fachkräfte helfen.
24
Auch ein stabilisierendes Gespräch im Rahmen der
25
psychosomatischen Grundversorgung durch den
26
Hausarzt kann entlastend wirken. Ebenfalls kön27
nen Angehörigengruppen zu Informationsaus28
tausch und zur Entlastung von Angehörigen bei29
tragen.
30
31
Fallbeispiel
32
33
Fallbeispiel, Teil 2
34
Zunächst wurde mit Frau S. eine ausführliche Diagnos35
tik durchgeführt. Differenzialdiagnostisch konnte eine
36
Depression ausgeschlossen werden. Es wurde eine Al37
tersdemenz vom vaskulären Typ diagnostiziert. Frau S.
38
und die Angehörigen wurden über den möglichen Ver39
lauf der Erkrankung informiert. Mit Hilfe von Hilfsorga40
nisationen (Essen auf Rädern, ambulanter Pflege41
dienst, Putzfrau) wurde die Gestaltung des Alltags für
42
Frau S. erleichtert. Eine regelmäßige Tagesstruktur
43
vermittelte ihr Sicherheit. Anhand der Liste angeneh44
mer Aktivitäten für Alzheimer-Demenz-Patienten wur45
de ein Aktivitäten-Programm für Frau S. erstellt. Noch
46
vorhandene Funktionen und Fähigkeiten wurden ver47
stärkt. Es wurden Gedächtnishilfen (Erinnerungszettel
48
etc.) eingeführt. Frau S. konnte weiter zur Aufrechter49
haltung ihrer sozialen Kontakte (Singtreff, Frauen50
gruppe) motiviert werden. Ebenfalls wurde vereinbart,
51
dass Frau S. so lange wie möglich in ihrem Haus blei52
253
ben könne. Nach ca. zwei Jahren zeigte sich, dass Frau
S. nicht mehr alleine bleiben konnte, da sie sich durch
teilweise selbstgefährdende Handlungen (Bettzeug
auf Ofen zum Trocknen etc.) in Gefahr brachte. Da sie
sich schon rechtzeitig durch Besuche an das Seniorenheim gewöhnen konnte, fiel ihr der Übergang etwas
leichter. Sie fühlte sich sogar durch die Betreuung
durch das Pflegepersonal entlastet. Ebenfalls wurde
der Übergang ins Seniorenheim durch regelmäßige Besuche ihrer Angehörigen und die Aufrechterhaltung ihrer Aktivitäten erleichtert. Die Mitnahme eigener Möbel wurde ihr gestattet, damit sie sich in einer
vertrauten Umgebung leichter zurechtfinden konnte.
26.7
Empirische Absicherung
Trotz der umfangreichen Forschungsarbeiten zu
verhaltenstherapeutischen Methoden z.B. der
Angstbehandlung werden ältere Menschen in der
Forschung dort kaum berücksichtigt. Die zur Verfügung stehenden Forschungsergebnisse sind daher
begrenzt und entsprechen nicht der methodologischen Strenge von Untersuchungen bei jüngeren
Populationen. Veröffentlichungen von Fallgeschichten zeigen, dass verhaltenstherapeutische
Methoden bei einer Vielzahl angstbedingter Probleme älterer Menschen erfolgreich sind (Wisocki
2002). Vor allem Gruppen, in denen Entspannungsmeditation trainiert wurde, zeigten eine hohe
Wirksamkeit bei der Reduktion der Angstmaße.
Bezüglich der Psychotherapie bei Depressionen
im Alter liegen international derzeit 18 Studien
vor, die zwischen 1981 und 1999 publiziert wurden (Scogin u. McElrath 1994; Pinquart 1998).
Trotz methodischer Mängel konnte eine höhere
Effektivität der kognitiven Verhaltenstherapie und
verwandter Methoden (z.B. strukturierter Lebensrückblick) gegenüber der tiefenpsychologischen
Psychotherapie und anderen Formen der Psychotherapie festgestellt werden. Besonders ressourcenfördernde und kontrollerhöhende Interventionen werden als effektiv erachtet (Pinquart 1998).
Psychotherapeutische Interventionen können
bei der Behandlung einer beginnenden AlzheimerDemenz zusätzlich zu einer antidementiven Therapie zur Entlastung des Patienten und der Optimierung seiner Lebensqualität beitragen (Plattner
u. Ehrhardt 2002).
Ebenso kann von der Wirksamkeit verhaltenstherapeutischer und personenzentrierter Ansätze
bei der Behandlung einer fortgeschrittenen De-
Köllner/Broda,Praktische Verhaltsmedizin (ISBN3131321512)©2005 Georg Thieme Verlag KG
254
26 Psychotherapie bei älteren Menschen
menz ausgegangen werden. Auch hier tragen die
1
genannten Techniken neben einer antidementiven
2
Therapie zur Optimierung der Lebensqualität und
3
Entlastung des Patienten bei (Woods 2002).
4
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6 Zusammenfassung
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52
Psychische Störungen im Alter sind keine natürliche Folge des Alterungsprozesses.
Die häufigsten psychischen Erkrankungen im Alter sind Demenzen, Depressionen, und Angsterkrankungen.
Bestehende therapeutische Methoden und
Techniken müssen bei der Behandlung älterer
Menschen in Richtung einer konsequenteren
Auswahl von Therapiezielen modifiziert werden.
Therapieziele werden anhand von Selektion,
Optimierung und Kompensation definiert.
Die Gestaltung des Therapiesettings sollte sich
nach den Fähigkeiten des Patienten richten (z.B.
individuelles Tempo, individuelle Sitzungsdauer, deutliche Darbietung der Inhalte, Vergabe
von Hausaufgaben, Erinnerungshilfen).
Bei der Diagnostik von Depressionen oder
Angststörungen ist auf die Differenzialdiagnose
körperlicher Erkrankungen bei älteren Patienten
besonders zu achten.
Auch bei beginnender Alzheimer-Demenz ist
der Erhalt noch vorhandener Funktionen durch
regelmäßiges Training möglich.
Der Übergang ins Seniorenheim kann durch
langsames Eingewöhnen erleichtert werden.
Selbstständigkeitsinterventionen können von
Fachkräften und Angehörigen unterstützt werden.
Bei der Vergabe von Psychopharmaka sollte
eine genaue Überprüfung bzgl. Notwendigkeit
und Menge mit Blick auf die langfristigen Konsequenzen der Psychopharmakaeinnahme erfolgen.
Beim Einsatz von Psychopharmaka gilt das Motto: „Start low and go slow!“
Bei der Behandlung psychischer Störungen bei
älteren Menschen bietet sich der Einbezug der
Angehörigen an. Dabei können die Ressourcen
der Angehörigen zur Verbesserung der Lebensqualität und zum Erhalt der Funktionen des Patienten beitragen.
Bei allen Maßnahmen sollte auch auf die Entlastung und ggf. Unterstützung der Angehörigen
geachtet werden.
26.8
Literaturempfehlungen
Patientenratgeber
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Schlumpf, Elisabeth (2003) Wenn ich einst alt bin, trage
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Literatur
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