1. Ausgabe - Gesellschaft für Anthropologie

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1. Ausgabe 2016
Liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Nachwuchswissenschaftler,
wir hoffen, dass die erste Hälfte des Jahres 2016 für Euch erfolgreich verlaufen ist. Obwohl
der Sommer nun endlich vor der Tür steht, möchten wir Euch darauf hinweisen, dass nun
auch wieder einige Konferenzen anstehen. Auch wenn die Anmeldefrist für die meisten
Tagungen schon vorbei ist, bieten die Websites und Abstracts einen guten Einblick in aktuelle
Themenbereiche der Anthropologie. Wir hoffen, einige von Euch auf den Kongressen und
Workshops anzutreffen.
Nachdem dieses Jahr das Treffen des wissenschaftlichen Nachwuchses der Anthropologie mit
reger Beteiligung und lehrreichen Workshops stattgefunden hat, können sich unsere
Vorbereitungen auf den nächsten Kongress der Gesellschaft für Anthropologie im September
2017 richten.
Wir wünschen Euch viel Spaß bei der Lektüre des Newsletters und würden uns über
zukünftige Beiträge freuen.
Das Redaktionsteam
Kongresse
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TAGUNGEN, WORKSHOPS & KONGRESSE
9th World Congress on Mummy Studies: 10.-13. August 2016, Lima, Peru
http://www.centromallqui.pe/mummycongress/
21st European Meeting of the Paleopathology Association (PPA): 15.-19. August 2016,
Moskau, Russland
http://www.21ppa2016.com/
95. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Rechtsmedizin: 30. August – 03. September
2016, Heidelberg, Deutschland
http://www.kongress-dgrm.de/
22nd Annual Meeting of the European Association of Archaeologists (EAA): 31. August –
04. September 2016, Vilnius, Litauen
http://eaavilnius2016.lt/
3rd Bolzano Mummy Congress: “Ötzi: 25 Jahre Forschung / 25 Years of Research“, 19. – 21.
September 2016, Bozen, Italien
http://www.eurac.edu/en/research/health/iceman/conferences/Pages/3rd-Bolzano-MummyCongress-oetzi-25-years-of-research.aspx
RDFBones Workshop: 7./8. Oktober 2016, Freiburg i. Br., Deutschland
https://www.uniklinik-freiburg.de/anthropology/research/osteologic-databaseproject/workshop-78-october-2016.html
Workshop der Abteilung Anthropologie, Institut für Rechtsmedizin, der Universität Bern und
der AG Forensische Anthropologie (AGFA): “Forensic Anthropology”, 21. Oktober 2016,
Bern, Schweiz
Jahresversammlung der Schweizerischen Gesellschaft für Anthropologie (SGA): 12.
November 2016, Naturhistorisches Museum Basel, Schweiz
115th American Anthropological Association (AAA) Annual Meeting: “Evidence, Accidents,
Discovery", 16.-20. November 2016, Minneapolis, USA
http://www.americananthro.org/AttendEvents/landing.aspx?ItemNumber=14722
Workshop der AG Paläoanthropologie und Prähistorische Anthropologie (APPA) der
Gesellschaft für Anthropologie e.V.: “Anatomie des menschlichen Weichgewebes in Bezug
zu Merkmalsausprägungen am Knochen”, 25.-27. November 2016, Göttingen, Deutschland
86th Annual Meeting of the American Association of Physical Anthropologists (AAPA):
19.-22. April 2017, New Orleans, USA
http://www.physanth.org/annual-meetings/86th-annual-meeting/
12. Kongress der Gesellschaft für Anthropologie e.V.: “Homo homini lupus? Zwischen
Konflikt und Kooperation”, 18.-21. September 2017, Geislingen an der Steige, Deutschland
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MUMIENFORSCHER ZU GAST IN HILDESHEIM: TAGUNGSBERICHT ZUR „INTERNATIONAL
CONFERENCE ON COMPARATIVE MUMMY STUDIES“
In Zusammenhang mit der momentan in Hildesheim gezeigten Sonderausstellung „Mumien
der Welt“ (13.02.-28.08.2016) lud das Roemer- und Pelizaeus-Museum (RPM) vom 07. bis
09.04.2016 Mumienforscher sowie am Thema interessierte Laien zur dreitägigen
„International Conference on Comparative Mummy Studies“ nach Hildesheim ein.
Und sie kamen zahlreich. So zahlreich, dass die angemeldeten Vorträge für die
Konferenzteilnehmer aus Italien, Spanien, Frankreich, Griechenland, Ungarn, Tschechien,
den Niederlanden, Dänemark, Großbritannien, Ägypten und dem deutschsprachigen Raum
(Abb. 1) in zwei parallel laufenden Sessions abgehalten werden mussten. Wenngleich
organisatorisch nicht anders zu realisieren, bedingte dies die bisweilen schwierige
Entscheidung, welchem Vortag man nun beiwohnen wollte. Mit Nachsicht ist deshalb auch zu
berücksichtigen, dass nachfolgend nur auf eine kleine Auswahl an Präsentationen vertiefend
eingegangen werden kann.
Abb. 1: Gruppenaufnahme der Tagungsteilnehmer (© RPM, Foto: Kristina Freise).
An den Titel der Ausstellung „Mumien der Welt“ angelehnt, beschäftigten sich viele Vorträge
mit natürlich wie künstlich entstandenen Mumien aus verschiedenen Regionen der Erde und
unterschiedlichen Zeiträumen. Wenngleich der Großteil der Präsentationen auf Mumienfunde
aus Ägypten und Südamerika fokussierte, so wurde unter anderem auch das Phänomen
europäischer Gruftmumien thematisiert.
Den Auftakt der Konferenz bildete die Eröffnungsrede von Prof. Dr. Regine Schulz
(Direktorin des RPM). Beginnend mit der Geschichte des RPM, berichtete sie unter anderem
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davon, auf welchem Weg die im Besitz des RPM befindlichen Mumien im 19. Jahrhundert an
das Haus gelangten.
Im Vorfeld der Hildesheimer Mumienausstellung, die auf der 2007 von den Reiss-EngelhornMuseen Mannheim zum Thema konzipierten Sonderausstellung basiert, wurden umfangreiche
Untersuchungen an den Mumien des RPM sowie zweien aus der anthropologischen
Sammlung der Universität Göttingen durchgeführt. Ergänzt durch zahlreiche Exponate von
verschiedenen Leihgebern handelt es sich bei der in Hildesheim gezeigten um die bislang
größte Ausstellung zum Thema Mumien in Deutschland. Eigens für diese Ausstellung wurde
am RPM ein Begleitband konzipiert (Mumien der Welt. Katalog zur Sonderausstellung,
Roemer- und Pelizaeus-Museum Hildesheim). Eine Publikation der Tagungsbeiträge auf
Englisch ist ebenfalls geplant.
Im Anschluss an die einführenden Worte begann das Vortragsprogramm der ersten Session
mit einem Beitrag von Dr. Robert Loynes (KNH Centre for Biomedical Egyptology,
University of Manchester), der Möglichkeiten wie auch Grenzen medizinischer
Bildgebungsverfahren für die moderne Mumienforschung aufzeigte. Ferner sprach er die
dauerhafte und sichere Speicherung computertomographischer Daten an, die in
Zusammenarbeit mit den die CT-Untersuchungen durchführenden Kliniken diskutiert werden
sollte. Daran schlossen sich mehrere Detailstudien mit unterschiedlichem Fokus zu
altägyptischen Mumienfunden an.
In der Parallelsession lag der Fokus auf aktuellen Forschungen an Mumien aus dem
vorspanischen Südamerika. Nach einer allgemeinen Einführung durch Dr. Anna-Maria
Begerock und Mercedes González Fernández (Instituto de Estudios Científicos en Momias,
Las Rozas, Madrid) folgte eine Detailstudie von Lena Bjerregaard (Universität Kopenhagen)
zu Textilien und Mumifizierungsmethoden. Auf diese Vorträge bauten Fallstudien zu
spezifischen südamerikanischen Mumien in den folgenden beiden Tagen auf. So berichteten
beispielsweise PD Dr. med. Stephanie Panzer (BG Unfallklinik Murnau) und Prof. Dr. med.
Bernard Holland (St. Bernward Krankenhaus Hildesheim) jeweils von der radiologischen
Untersuchung einer südamerikanischen Mumie aus verschiedenenen Museumssammlungen.
Durch zwei Präsentationen vertreten wurden auch die weltweit nur in geringer Zahl
vorhandenen Mumien der Guanchen von den Kanarischen Inseln.
Den Abschluss des ersten Konferenztages bildeten die beiden Keynote-Lectures von Prof. Dr.
Salima Ikram (American University in Cairo) und Prof. Dr. Frank Rühli (Universität Zürich).
Salima Ikram spannte in ihrem Vortrag den Bogen von der Entdeckung königlicher Mumien
in einem von Priestern angelegten Sammelversteck in der thebanischen Nekropole gegen
Ende des 19. Jahrhunderts, über deren Überführung nach Kairo, erste wissenschaftliche
Untersuchungen und das erste öffentliche Ausstellen der Königsmumien 1890 in Kairo bis
heute. Sie berücksichtigte dabei die jeweiligen politischen Umstände und die zeitgenössischen
moralisch-ethischen Diskussionen zum Umgang und zur touristischen und wissenschaftlichen
Nutzung der Königsmumien. Darüber hinaus thematisierte sie auch die zukünftige
Aufbewahrung und Präsentation der Mumien im National Museum of Egyptian Civilization
(NMEC) und stellte weiterführend zur Diskussion, ob die Mumien überhaupt ausgestellt
werden sollten und wie man allgemein mit ihnen umgehen sollte. Ferner warf sie die Frage
auf, ob, inwiefern und wie die ursprünglichen Gründe und Umstände für die Erhaltung der
Mumien bei deren derzeitiger Behandlung eine Rolle spielen sollten.
Im daran anschließenden Vortrag berichtete Frank Rühli über die menschlichen Mumienfunde
aus den Chehrabad Salzminen im Iran, die im National Museum of Iran in Teheran
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aufbewahrt
werden.
Vorgestellt
wurden
die
Untersuchungsergebnisse
zu
Computertomographie, Radiokarbondatierung, Molekulargenetik wie auch Histologie dieser
vergleichsweise seltenen und überaus spannenden Gruppe von natürlich mumifizierten
Leichnamen im Salz.
Beim anschließenden Empfang ergab sich dann die Gelegenheit für erste vertiefende
Gespräche der Teilnehmer in geselliger Runde.
Der zweite Konferenztag widmete sich schwerpunktmäßig den europäischen Mumien,
insbesondere den Gruftmumien, sowie aktuellen Untersuchungen an Mumien aus musealen
Sammlungen.
So gingen unter anderem Dr. Andreas und Dr. Regina Ströbl der Frage nach, ob es eine
theologisch begründbare Tradition der Bewahrung des Leichnams im christlichen Glauben in
Europa gibt, und ob sich daraus die vielen – hauptsächlich natürlich entstandenen mumifizierten Leichname in neuzeitlichen Grüften erklären lassen.
In der Parallelsession stellte Dr. Jana Helmbold-Doyé (Ägyptisches Museum und
Papyrussammlung der Staatlichen Museen zu Berlin) die sehr hochwertig präparierten
römerzeitlichen Mumien aus dem Grab der Aline in Hawara und deren Forschungsgeschichte
vor. Darüber hinaus berichtete sie von zu Beginn dieses Jahres durchgeführten
computertomographischen Untersuchungen an den drei Kindermumien aus diesem Grab,
wodurch man sich weitere Erkenntnisse und die Klärung noch offener Fragen erhofft.
Einen Überblick über den Erkenntnisgewinn durch interdisziplinäre Zusammenarbeit gab PD
Dr. Albert Zink (Institute for Mummies and the Iceman, EURAC, Bozen) am Beispiel der
Eismumie Ötzi. Seit deren Auffindung vor fast 25 Jahren konnten Informationen über Alter,
Aussehen, Bekleidung, Ausrüstung, Ernährung, Erkrankungen und Verletzungen sowie
genetische Prädispositionen des Mannes gewonnen werden, der vor über 5000 Jahren in den
Ötztaler Alpen ums Leben kam.
Den Abschluss des Vortragsprogramm am zweiten Tag bildeten die beiden Keynote-Lectures
von Prof. Dr. Regine Schulz (RPM Hildesheim) und Dr. Ildikó Pap (Museum for Natural
History, Budapest). Während sich Regine Schulz in ihrem Vortrag den altägyptischen
Vorstellungen von Tod und Jenseits und deren Darstellung über den mumifizierten bzw.
nackten Körper in Bild und Text widmete (Abb. 2), stellte Ildikó Pap eine umfassende
Untersuchung zum Nachweis von Tuberkulose und deren Häufigkeit an Gruftmumien aus
dem 18. Jahrhundert in der Dominikanerkirche im ungarischen Vác vor.
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Abb. 2: Abendvortrag von Regine Schulz (© Regine Schulz, Foto: Nina Kieslinger).
Der letzte Konferenztag beleuchtete das Thema Mumien aus alternativen Blickwinkeln, so
zum Beispiel aus der Perspektive von Dipl.-Restaurator Jens Klocke aus Hildesheim, der
unter anderem über die Restaurierung von Gruftmumien aus Nedlitz (Sachsen-Anhalt) und
der Mumie eines Bischofs aus Sizilien referierte, und dabei auch - mit einem humoristischen
Augenzwinkern - seine passgenau angefertigten Stützschalen für Mumien zum einfacheren
Handling vorstellte.
Aus der Sicht der Lehrenden stellten Prof. Dr. Camilla Di Biase-Dyson und Dr. Birgit
Großkopf von der Universität Göttingen einen interdisziplinären Ansatz vor, in dem die
klassisch anthropologische und paläopathologische Wissensvermittlung mit der Auswertung
von altägyptischen medizinischen Textquellen für die Studierenden verknüpft wurde.
Die Tagung fand ihren Abschluss mit Worten von Regine Schulz gegen Mittag des dritten
Konferenztages. Auch Hinweise auf kommende Veranstaltungen zum Thema wurden unter
den Teilnehmern ausgetauscht, so z.B. zum 9th World Congress on Mummy Studies (10.13.08.2016, Lima) oder zum 3rd Bolzano Mummy Congress - Ötzi: 25 years of research (19.21.09.2016, Bozen).
Inhaltlich ließ das Vortragsprogramm kaum Wünsche offen. Praktisch ergänzt wurde es durch
das Angebot von Kuratorenführungen in deutscher und englischer Sprache durch die
Sonderausstellungen „Mumien der Welt“ und „Schätze für den Kaiser - Meisterwerke
chinesischer Kunst (1368-1911)“.
Ebenso angeboten wurde eine Führung durch die Dauerausstellung altägyptischer Altertümer,
die dem Besucher unter anderem eine der umfassendsten Sammlungen von Objekten aus Giza
außerhalb Ägyptens bietet (Abb. 3). Die Sammlung entstammt den Grabungs- und
Sammlungsaktivitäten von Georg Steindorff (Leipzig) und Herman Junker (Wien) in Giza zu
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Beginn des 20. Jahrhunderts, sowie der finanziellen Unterstützung dieser Grabungen durch
den Hildesheimer Kaufmann, Unternehmer und Bankier Wilhelm Pelizaeus.
Abb. 3: Impression aus der Dauerausstellung ägyptischer Altertümer im Roemer-und
Pelizaeus-Museum (Foto: Stephanie Zesch).
Herzlich bedanken möchten wir uns bei den Organisatoren dieser in höchstem Maße
informativen und von wissenschaftlichem Austausch geprägten Konferenz und natürlich bei
allen Vortragenden für die aktuellen Einblicke in die „Welt der Mumien“.
Stephanie Zesch
Reiss-Engelhorn-Museen Mannheim, German Mummy Project
Amelie Alterauge
Institut für Rechtsmedizin, Abteilung Anthropologie, Universität Bern
Anna-Maria Begerock
Instituto de Estudios Científicos en Momias, Las Rozas, Madrid
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BERICHT ZUM 6.
ANTHROPOLOGIE
TREFFEN
DES
WISSENSCHAFTLICHEN
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NACHWUCHSES
DER
Das 6. Treffen des wissenschaftlichen Nachwuchses der Anthropologie fand vom 3. bis zum
5. Juni in der Jugendbildungsstätte Unterfranken in Würzburg statt. Dieses Treffen dient
traditionell dem gegenseitigen Forschungsaustausch und der Netzwerkbildung zwischen
Studierenden, Doktoranden und allen an Anthropologie Interessierten. Das sehr breit
aufgestellte Programm des Nachwuchstreffens stand unter dem Motto „Menschenleben im
Spiegel menschlicher Überreste - moderne Fragestellungen am anthropologischen Material“.
Entgegen anfänglicher Skepsis, ob das Treffen in diesem Jahr mangels verbindlicher
Anmeldungen seitens des Nachwuchses überhaupt stattfinden wird, war die Nachfrage am
Ende doch deutlich größer als es der Unterkunfts- und Seminarraum-Rahmen hätte bieten
können, was die Nachwuchssprecher und Organisatoren des Treffens, Alisa Hujić (Freie
Universität Berlin) und Beatrix Welte (Universität Tübingen), natürlich besonders freute.
Insgesamt nahmen 25 Nachwuchswissenschaftler aus Tübingen, Freiburg, Göttingen,
München, Berlin, Potsdam, Leipzig und Halle teil. Da alle Teilnehmer in der
Jugendbildungsstätte in Würzburg untergebracht waren, konnten beim geselligen
Zusammenkommen mit Bier und Wein schon am Freitagabend erste Kontakte geknüpft
werden, und am Samstagabend wurde beim gemeinsamen, üppigen Grillfest in entspannter
Atmosphäre ausreichend Raum und Zeit für Austausch und weitere Kontaktaufnahme sowie pflege geboten.
Beim diesjährigen Nachwuchstreffen wurden, wie von Nachwuchswissenschaftlern bei der
GfA-Tagung in München im September 2015 gewünscht, hauptsächlich kleinere Workshops
und Beiträge von fünf renommierten, im Fach bereits etablierten Spezialisten angeboten.
Dennoch sollte dem Nachwuchs weiterhin die Möglichkeit gegeben werden, das Vorstellen
ihrer Abschlussarbeiten oder eines anderen anthropologischen Themas entweder in Form
eines Vortrages oder eines Posters zu üben. Am Samstagmorgen eröffnete Steve Zäuner
(Anthropol!, Hechingen) mit dem ersten Workshop zum Thema „Feldanthropologie“ den
ersten Programmpunkt, in dem Möglichkeiten und Grenzen der Feldanthropologie am
Beispiel der Fundstelle Dörnberg in Regensburg vorgestellt wurden, und ermöglichte somit
einen sehr bleibenden Einblick in die Arbeitswelt eines freiberuflichen Anthropologen. In der
darauffolgenden Session wurde den Nachwuchswissenschaftlern dann die Möglichkeit
geboten, ihre Projekte in Form von Kurzvorträgen oder Postern vorzustellen. Der Vortrag von
Dr. Martin Trautmann, dem derzeitigen Vorsitzenden der GfA, zur aktuellen Lage und zur
Zukunft des Faches Anthropologie führte zu einer regen Diskussion unter den Teilnehmern.
Hierbei kamen insbesondere die zunehmende Überspezialisierung und die durch die damit
einhergehende Entstehung zahlreicher isolierter Fachbereiche in Vergessenheit geratene,
gemeinsame Identität derselben zur Sprache. Eine Neudefinition einer sich vor allem nach
außen hin als fächerübergreifender und verbindender, zugleich aber eigenständiger
Anthropologie wurde propagiert. Spätestens bei der Key lecture „Zwischen Körper, Geist und
Verhalten – zur Entwicklung der menschlichen Performanzen“ von PD Dr. Miriam Noël
Haidle (Universität Tübingen und Senckenberg Forschungsinstitut Frankfurt/Main) mussten
die Teilnehmer nicht nur das Fach Anthropologie unter die Lupe nehmen, sondern wurden
auch zur Selbstreflexion animiert. Was macht uns Menschen aus? Ist es nur eine bestimmte
Verhaltensentwicklung, eine spezielle Charaktereigenschaft oder ist es ein Zusammenspiel
verschiedener Aspekte und deren Wechselwirkung mit der uns umgebenden Umwelt? Darauf
anknüpfend demonstrierte Dr. Kerstin Kreutz (Institut für Forensische Anthropologie,
Wettenberg) in ihrem Workshop über die „Individualität des menschlichen Gesichts“ sehr
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eindrücklich, wie stark das Erkennen und Wiedererkennen - selbst bei den eigenen, von den
Teilnehmern mitgebrachten Kinderbildern - durch die individuelle Wahrnehmung beeinflusst
wird. Anhand von weiteren Beispielbildern wurde deutlich, wie sehr morphologische
Merkmale u. a. mit dem Alter und Geschlecht variieren und wie viele andere, spezifische
Faktoren es bei der Entwicklung von Gesichtsmerkmalen zu berücksichtigen gilt.
Abgeschlossen wurde der erste Veranstaltungstag von Andreas Lehmann (Universität
Potsdam) mit einer kurzen Einführung in die Statistik für Anthropologen mittels der Software
R. Am Sonntagvormittag fand nach einer theoretischen Einführung in „Muskelmarken,
muskuläre Stressmarker und Enthesiopathien“ der von Barbara Teßmann (BGAEU, Berlin)
geleitete, letzte Workshop des diesjährigen Nachwuchstreffens mit zahlreichen Fallbeispielen
am anthropologischen Skelettmaterial statt. Dabei konnten die Teilnehmer mehrere Skelette
aus der Grabung bei der Berliner Petriekirche auf muskuläre Stressmarker untersuchen.
Unterstützung bekam Barbara Teßmann von zwei Nachwuchswissenschaftlerinnen, Isabelle
Jasch und Antje Langer (beide Universität Tübingen), die mit dem Thema bereits eingehend
vertraut waren und einen ergänzenden Beitrag zum selbigen leisten konnten.
Das Feedback zu einer gemeinsamen Unterkunft und einer Mischung aus Workshops und
Vorträgen fiel durchweg positiv aus. Die Teilnehmer würden das Workshop-Konzept gerne
beibehalten, zumal dieses mehr Zeit bietet, um sich mit einem speziellen Thema intensiver zu
beschäftigen, Fragen zu erörtern, mit eigenen Daten zu arbeiten, Material zu untersuchen und
zu besprechen. Weiterhin sollen jedoch auch Präsentationen zu den Abschlussarbeiten der
Studierenden in das Treffen integriert werden. Für das nächste Jahr wurde ein Treffen in Form
einer Tagesexkursion angeregt, was sicherlich vom großen Interesse und der Begeisterung für
eine häufigere Zusammenkunft des anthropologischen Nachwuchses zeugt. Nach einem
kurzen Schlusswort wurde das Treffen gegen Sonntagmittag beendet, sodass vor der
Heimfahrt noch eine obligatorische Besichtigung der historischen Würzburger Altstadt
realisiert werden konnte.
Das Organisationsteam Alisa Hujić & Beatrix Welte
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Abb.1-4: Treffen des wissenschaftlichen Nachwuchses 2016 in Würzburg (Fotos: B. Welte)
PALÄOPATHOLOGISCHES KOLLOQUIUM ZUM THEMA „LEPRA“
EVOLUTIONÄRE MEDIZIN DER UNIVERSITÄT ZÜRICH, 30. JUNI 2016
AM
INSTITUT
FÜR
Seit 1991 organisiert Dr. med. Thomas Böni vom Institut für Evolutionäre Medizin (IEM) der
Universität Zürich gemeinsam mit der Arbeitsgemeinschaft für Historische Anthropologie der
Schweiz (AGHAS) ein- bis zweimal pro Jahr ein paläopathologisches Kolloquium zu
verschiedenen Themenbereichen der Diagnostik an alten Skelettfunden. Das letztjährige
Kolloquium beschäftigte sich mit Syphilis (2015).
Das diesjährige Kolloquium war dem Thema Lepra gewidmet. Über 30 Teilnehmer, darunter
Studenten der Medizin, Doktoranden und in der Anthropologie tätige Personen, fanden sich
am 30. Juni 2016 in den Räumlichkeiten des IEM ein. In elf wissenschaftlich hochkarätigen
Vorträgen präsentierten Mediziner, Medizinhistoriker und Genetiker die Symptome,
Ausprägungen und Nachweismöglichkeiten der Lepra sowohl am lebenden Menschen als
auch an osteologischem Material. Bei Lepra handelt es sich um eine chronische
Infektionskrankheit, die durch das Mycobacterium leprae ausgelöst wird. Die Übertragung
des Erregers erfolgt überwiegend durch Tröpfcheninfektion, allerdings bedarf es eines
langfristigen und engen Kontaktes mit Infizierten. Der Mensch ist fast der einzige Wirt für
den Erreger, der eine Inkubationszeit von 5 bis 20 Jahre aufweisen kann. Die Ausbreitung der
Krankheit geht somit langsam voran, allerdings ist der Erreger weder geographisch noch
klimatisch beschränkt. Für die intrazelluläre Replikation benötigt das Bakterium jedoch
Temperaturen von 27-30°C, weswegen bevorzugt die Akren (Hände, Füße, Nase, Ohren)
betroffen sind.
Besonderer Fokus wurde im Kolloquium auf die Erläuterung der Reaktionen des
Immunsystems gegen das Mycobacterium leprae gelegt, deren Verständnis essentiell für die
Interpretation der Symptome der Lepra ist. Im Kolloquium wurden sowohl die äußeren
Anzeichen der Lepra (Hautveränderungen, Facies leonina, Haarausfall, Deformation der
Extremitäten) als auch die damit zusammenhängenden neurologischen Störungen präsentiert.
Aus medizinhistorischer und kulturanthropologischer Perspektive wurde der Umgang mit
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Leprakranken, sog. Aussätzigen, im Altertum und Mittelalter diskutiert. Insbesondere im 11.
und 12. Jahrhundert wurden in Europa spezielle Siechenhäuser für Aussätzige, sog.
Leprosorien, errichtet, in denen die Erkrankten isoliert wurden. Mit der Erkrankung ging eine
gesellschaftliche Stigmatisierung und mitunter Entrechtung einher. Auf diversen Gemälden
der Renaissance, aber auch in schriftlichen Quellen (z.B. Neues Testament) fungiert der
Leprakranke als Sinnbild für Sünde und Bestrafung.
In gesonderten Vorträgen wurden die am Skelett erkennbaren Anzeichen der Lepra separat
nach Schädel, Kiefer und Postcranium vorgestellt und mit Fallbeispielen untermauert.
Besonders erhellend waren Aspekte zur historischen Epidemiologie der Lepra, darunter die
geringe genetische Veränderung des Erregers sowie dessen Verbreitung zwischen den
Kontinenten durch Wanderungsbewegungen, Sklavenhandel und die Kolonialisierung
Amerikas. Über die Gründe des Verschwindens der Lepra in Europa ab dem 15./16.
Jahrhundert wird weiterhin diskutiert, als mögliche Gründe werden geringere Virulenz des
Erregers sowie eine Co-Infektion mit anderen, schneller tödlich endenden
Infektionskrankheiten (Tuberkulose, Syphilis) angeführt.
Ganz im Sinne seiner interdisziplinären Ausrichtung hat das paläopathologische Kolloquium
den Teilnehmern die Krankheit Lepra in all ihren Facetten nahegebracht.
Zukünftige externe Teilnehmer am Kolloquium sind herzlich willkommen, für das leibliche
Wohl wird in der Mensa und mit Kaffee gesorgt.
Amelie Alterauge
Institut für Rechtsmedizin, Abteilung Anthropologie, Universität Bern
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Quiz
KNOCHENQUIZ
Auflösung zum Quiz in der 2. Ausgabe 2015: Fibula & Becken
Konzept & Idee: Galina Kulstein
Impressum
Der nächste Newsletter erscheint voraussichtlich im 4. Quartal 2016. Beiträge bitte bis zum
15.11.2016
an
[email protected]
REDAKTIONSTEAM
Amelie Alterauge
Birgit Grosskopf
Jutta Pepperl
Iris Trautmann
Steve Zäuner
POSTANSCHRIFT
Steve Zäuner
Schalkburgstrasse 25
72379 Hechingen
Der Inhalt namentlich gekennzeichneter Artikel spiegelt nicht in jedem Fall die Meinung der
Redaktion wider.
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