Behandlung der posttraumatischen Belastungsstörung

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Neurotische, somatoforme und Belastungsstörungen
301
Behandlung der posttraumatischen
Belastungsstörung
Rita Rosner, Agnes Nocon, Miranda Olff
Einleitung
Dabei gilt, dass die Wahrscheinlichkeit für die Entwicklung psychischer Störungen nach länger andau-
Das internationale Konsortium Grand Challenges in
ernden und durch Menschen verursachten traumati-
Global Mental Health hat kürzlich die Erforschung der
schen Ereignissen am größten ist. Bei der PTBS handelt
posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) auf die
es sich um eine mögliche psychopathologische Folge
Liste der dringlichsten Forschungsprojekte der näch-
eines traumatischen Ereignisses.
sten 10 Jahre gesetzt. Die PTBS gehört zu den psychischen und neurologischen Störungen, die mit den
Ein traumatisches Ereignis erhöht auch die Wahr-
höchsten gesellschaftlichen Kosten verbunden sind [1].
scheinlichkeit für affektive Störungen, andere
Angststörungen und Substanzmissbrauch [3].
Störungsbild
Manifestation. Trotzdem kann man nicht vom Erleben
Definition. Ein traumatisches Ereignis wird nach ICD-
des Untersuchers noch so schlimm – darauf schließen,
10 definiert als kurz- oder langanhaltendes Ereignis
dass Betroffene eine PTBS oder eine andere psychische
oder Geschehen von außergewöhnlicher Bedrohung
Störung entwickeln. So waren z. B. in einer Studie von
oder mit katastrophalem Ausmaß, das nahezu bei
Bryant et al. mehr als 2 Drittel der Betroffenen ein Jahr
jedem tiefgreifende Verzweiflung auslösen würde [2].
nach dem Ereignis ohne Diagnose [3].
eines traumatischen Ereignisses – und sei es aus Sicht
Jenseits der Klassifikationssysteme werden traumati-
Tipp für die Praxis
sche Ereignisse wie folgt bezeichnet:
█
Typ-I-Traumata (kurz dauernd)
Gerade in der Folge eines traumatischen Ereignisses
█
Typ-II-Traumata (lang dauernd, sich wiederholend)
gibt es 2 mögliche Fehlreaktionen der Umgebung auf
die Betroffenen: Einerseits können psychische Folgen
Weiterhin wird häufig unterschieden zwischen:
übersehen werden, andererseits können die Folgen
█
von Menschen verursachten Ereignissen
überschätzt werden, indem angenommen wird, dass
█
Naturkatastrophen
jeder Betroffene eine Symptomatik entwickeln muss.
█
technischen Katastrophen
PSYCH up2date 7
ê 2013 ê DOI http://dx.doi.org/10.1055/s-0033-1349479 ê VNR 2760512013141211871
Elektronischer Sonderdruck zur persönlichen Verwendung
Ob ein erlebtes Trauma eine posttraumatische Belastungsstörung nach sich zog, lässt sich
mit strukturierten Verfahren in Interviewform diagnostizieren. Für die anschließende Therapie zeigen traumafokussierte Verfahren der Verhaltenstherapie (v. a. in Einzelsitzungen)
die höchsten Effekte.
302
Behandlung der posttraumatischen Belastungsstörung
Klassifikationssysteme
Eine besondere Reaktionsform stellt die in diesem
Diagnostische Forschungskriterien einer
PTBS nach ICD-10
scheiden sich die beiden Klassifikationssysteme DSM-
A Die Betroffenen sind einem kurz- oder langanhaltenden Ereignis oder Geschehen von außergewöhn-
IV-TR und ICD-10 an entscheidenden Punkten, sodass
licher Bedrohung oder mit katastrophalem Ausmaß
die Übereinstimmung der Diagnosen nur zwischen 35
ausgesetzt, das nahezu bei jedem tiefgreifende Ver-
und 75 % liegt [4].
zweiflung auslösen würde.
Kapitel im Zentrum stehende PTBS dar. Leider unter-
B anhaltende Erinnerungen oder Wiedererleben der
In der Forschung und international haben sich die
DSM-IV-Kriterien durchgesetzt, die generell deutlich enger gefasst sind als die ICD-10-Kriterien.
Zur besseren Darstellung führen wir im Weiteren die
ICD-Forschungskriterien auf, die klarer formuliert sind
als die diagnostischen Leitlinien [5].
Belastung durch aufdringliche Nachhallerinnerungen
(Flashbacks), lebendige Erinnerungen, sich wiederholende Träume oder durch innere Bedrängnis in Situationen, die der Belastung ähneln oder mit ihr in
Zusammenhang stehen
C Umstände, die der Belastung ähneln oder mit ihr
in Zusammenhang stehen, werden tatsächlich oder
möglichst vermieden. Dieses Verhalten bestand nicht
vor dem belastenden Erlebnis.
DSM-IV-Kriterien. Die DSM-IV-Kriterien beinhalten im
D entweder 1. oder 2.:
Unterschied zur ICD eine andere Definition des Ereignisses; erforderlich ist nach DSM das Vorliegen einer
1. teilweise oder vollständige Unfähigkeit, sich an
einige wichtige Aspekte der Belastung zu erinnern
objektiven und subjektiven Ereigniskonstellation:
2. anhaltende Symptome einer erhöhten psychischen
Elektronischer Sonderdruck zur persönlichen Verwendung
█
█
A1: die Konfrontation mit einem oder mehreren
Sensitivität und Erregung (nicht vorhanden vor der
Ereignissen, die tatsächlichen oder drohenden Tod,
Belastung) mit 2 der folgenden Merkmale:
ernsthafte Verletzung oder eine Gefahr der körper-
a) Ein- und Durchschlafstörungen
lichen Unversehrtheit der eigenen Person oder ande-
b) Reizbarkeit oder Wutausbrüche
rer Personen beinhalten
c) Konzentrationsschwierigkeiten
A2: das Erleben intensiver Furcht, Hilflosigkeit oder
d) übermäßige Wachsamkeit (Hypervigilanz)
e) erhöhte Schreckhaftigkeit
Entsetzen als Reaktion darauf
E Die Kriterien B, C und D treten innerhalb von 6
Des Weiteren erfordern die DSM-IV-Kriterien als not-
Monaten nach dem Belastungsereignis oder nach
wendig für die Vergabe der Diagnose:
Ende einer Belastungsperiode auf. (In einigen speziel-
█
ein Intrusionskriterium
█
zwei Übererregungssymptome
█
drei Symptome aus dem Bereich der Vermeidung
█
die Beeinträchtigung
█
Überarbeitete Versionen ICD und DSM
Revision der ICD. Die Überarbeitung für die nächste
len Fällen kann ein späterer Beginn berücksichtigt
werden, dies sollte aber gesondert angegeben werden.)
1. Die PTBS wird nicht mehr der Gruppe der Angststörungen zugeordnet, sondern einer neu geschaffenen
Kategorie der Traumafolgestörungen.
Version der ICD sieht deutliche Änderungen vor. Deren
2. Der Beobachtung von bedrohlichen Ereignissen und
wichtigste ist, dass die PTBS nicht mehr den Angststö-
der Kenntnisnahme, dass eine nahe Bezugsperson
rungen zugeordnet wird. Sie wird stattdessen in der
davon betroffen war, wird derselbe Stellenwert für
neuen Störungsgruppe „Trauma, Stress und verwandte
die Diagnose eingeräumt wie der direkten Erfahrung
Störungen“ zu finden sein. Weiterhin wird ein disso-
(z. B. Verlust eines Familienmitglieds bei einem ter-
ziativer Subtypus eingeführt und die bisher geltenden
3 Symptomcluster (s. u.) werden durch ein 4. ergänzt,
nämlich „Negative Gedanken und negative Stimmung“.
Insgesamt finden sich in den 4 Clustern dann deutlich
mehr Einzelsymptome. Dies bedeutet, dass die Diagnosestellung mehr Zeit kosten wird.
roristischen Anschlag und dessen direktes Erleben).
3. Das Erleben intensiver Furcht und/oder Hilflosigkeit
(vormals Kriterium A2) ist für die Diagnose einer
PTBS unerheblich.
4. Anhaltende, negative kognitive und emotionale
Veränderungen nach dem Ereignis stellen ein diagnostisches Kriterium dar.
Revision des DSM. Die revidierte Version des DSM im
Mai 2013 setzt folgende Modifikationen einer PTBSDiagnose fest:
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ê 2013
Neurotische, somatoforme und Belastungsstörungen
Hauptsymptome
303
Häufigkeit
Da sich fast die gesamte vorliegende Forschungslite-
Die Wahrscheinlichkeit, ein potenziell traumatisieren-
ratur auf die DSM-IV-Kriterien bezieht, sollen hier
nochmals die 3 grundlegenden Faktoren der Sympto-
des Ereignis zu erleben, ist regional unterschiedlich.
matik genannt werden:
valenzen der PTBS nieder. In Regionen mit häufigen
Dies schlägt sich unmittelbar auf die jeweiligen Prä-
█
Wiedererleben (z. B. Intrusionen und Flashbacks)
Naturkatastrophen und in Regionen mit sozialen Kon-
█
Vermeidung und emotionale Taubheit
flikten (sei es durch Kriege oder hohes Gewaltpotenzial
█
autonome Übererregung (Hyperarousal)
auf den Straßen und in den Familien) ist das Risiko für
eine PTBS naturgemäß höher. Lifetime-Prävalenzschätzungen in den USA liegen bei 6,8 – 7,8 % der erwachse-
Komplexe Traumafolgestörung
nen Allgemeinbevölkerung [6, 7]. Die Jahresprävalenzen liegen bei 3,5 % in den USA und bei 1,1 % in Europa
Angelehnt an die obige Unterscheidung von Ereignis-
[8].
typen muss noch einmal betont werden, dass lang
dauernde und wiederholte Traumatisierungen, die
Die Art des Traumas trägt entscheidend zum Risiko
durch eine Person aus dem Nahbereich verursacht
einer nachfolgenden PTBS bei [7, 9].
ter, Gefangenschaft), eine Symptomatik verursachen
Intentionale interpersonelle Gewalt und zeitlich länger
können, welche weit über die oben formulierten
dauernde Traumata gehen mit einem höheren Risiko
Symptome hinausgeht. Diese wird unter dem Begriff
und schwererer Symptomatik einher als Ereignisse wie
„komplexe Traumafolgestörung“ diskutiert.
Unfälle oder Naturkatastrophen und als zeitlich kurz
dauernde Traumata. In einer epidemiologischen Studie
Die Symptomatik der komplexen Traumafolge-
an der europäischen Gesamtbevölkerung zeigten Er-
störung geht weit über diejenige der PTBS hinaus.
eignisse wie Entführung, häusliche Gewalt und Vergewaltigung die höchsten PTBS-Raten [8]. Dabei erhöht
Betroffene mit diesem Störungsbild zeigen Symptome
sich mit der Anzahl an traumatischen Ereignissen das
wie tiefgreifende Störungen der Sexualität, Affektregu-
Risiko einer PTBS.
lation, Beziehungsgestaltung und des Wertesystems.
Die Definition dieses Begriffs ist allerdings noch sehr
Generell bildet sich bei Frauen unabhängig von der Art
umstritten, da auch eine typische PTBS in der Regel
des Ereignisses etwa doppelt so häufig eine PTBS in der
komorbide ist.
Folge aus und diese zeigt einen schwereren Verlauf als
bei Männern [10]. Die Wahrscheinlichkeit, eine PTBS zu
Exkurs – Recovered Memories
entwickeln, hängt auch hier von der Art des Ereignisses
ab. Während mehr als die Hälfte der betroffenen Frau-
Sogenannte „Recovered Memories“ (wiederherge-
en nach einer Vergewaltigung eine PTBS entwickeln,
stellte Erinnerungen) müssen von den unvollständi-
liegen die Wahrscheinlichkeiten nach Naturkatastro-
gen oder fragmentierten Erinnerungen unterschie-
phen oder Unfällen eher bei 10 % und darunter.
den werden, die sehr häufig bei der PTBS vorliegen.
Bei den Recovered Memories handelt es sich um
neue, plötzlich auftauchende Erinnerungen. Die
wissenschaftliche Diskussion des Themas ist extrem
kontrovers. Zusammenfassend kann man für den
klinischen Kontext feststellen, dass die Validität dieser Erinnerungen aufgrund der Besonderheiten des
menschlichen Gedächtnisses extrem eingeschränkt
ist. Es ist daher unbedingt von suggestiven Befragungsmethoden im Zusammenhang mit einer Traumatisierung abzuraten.
Komorbidität
Die Mehrzahl der Betroffenen mit PTBS leidet auch
an anderen psychischen Störungen und somatischen
Beschwerden. Perkonigg et al. berichten, dass 87,5 % der
an PTBS erkrankten 14- bis 24-Jährigen zumindest eine
zusätzliche psychiatrische Diagnose aufweisen, 77,5 %
weisen 2 und mehr Diagnosen auf [9]. In der erwachsenen US-Bevölkerung zeigen 97 % der PTBS-Betroffenen eine weitere psychische Störung oder somatische
Erkrankung [11], darunter nichtpsychiatrische Störungen wie Rückenschmerzen, Asthma, Arthritis u. a. [12].
PSYCH up2date 7
ê 2013
Elektronischer Sonderdruck zur persönlichen Verwendung
wurden (wie bei sexueller und physischer Gewalt, Fol-
304
Behandlung der posttraumatischen Belastungsstörung
Bei traumatischen Ereignissen kann es auch zu anderen
Diagnostik
Reaktionen als der Entwicklung einer PTBS kommen.
Deshalb sind differenzialdiagnostisch folgende Syndro-
Interview-Verfahren
me und Störungen abzugrenzen:
█
akute Belastungsreaktion/-störung
█
anhaltende Persönlichkeitsänderung nach Extrembe-
Tipp für die Praxis
lastung
Zur Klärung der Diagnose PTBS wird generell der
█
Anpassungsstörungen
Einsatz von strukturierten Interviews empfohlen.
█
Angststörungen
█
Depressionen
Derzeit ist eine Reihe gut validierter, spezifischer PTBS-
█
Substanzabhängigkeit
Verfahren verfügbar.
CAPS. Beim CAPS (Clinician-Administered PTSD Scale;
Verlauf
deutsche Bearbeitung z. B. [15]) handelt es sich um das
im Forschungskontext als Goldstandard anerkannte
In einer repräsentativen Stichprobe Erwachsener wur-
Verfahren mit sehr guter Reliabilität und Validität.
de gefunden, dass ein Jahr nach der Diagnose noch
Allerdings ist der CAPS sehr zeitaufwendig, sodass
mehr als 60 % die Diagnosekriterien einer PTBS erfüll-
manche Autoren kürzere Interviews empfehlen, wie
ten und nach 10 Jahren noch 33 % [7].
z. B. die beiden folgenden:
Elektronischer Sonderdruck zur persönlichen Verwendung
█
das PSS-I (PTSD Symptom Scale-Interview; [16];
Bei der PTBS handelt es sich also um eine Störung
unter http://www.istss.org/AssessmentResources/
mit starkem Chronifizierungsrisiko.
5347.htm kann die englische Version des PSS-I und
weiterer diagnostischer Verfahren bezogen werden),
Weiterhin sind Zusammenhänge mit einer Reihe anderer physischer und psychischer Probleme und Störungen bekannt, die sich zeitlich nach dem Erstauftreten
das hoch korreliert mit dem CAPS
█
das SIP (Structured Interview for PTSD, deutsche
Version [17])
einer PTBS entwickeln (z. B. [13]):
█
Adipositas
Für beide Interviews wurden gute bis sehr gute Relia-
█
Depression
bilitäten berichtet.
█
Suizidversuche
█
Substanzabhängigkeit
Der CAPS stellt den diagnostischen Goldstandard
dar, ist jedoch sehr zeitaufwendig.
Der zeitliche Verlauf einer PTBS kann sich hinsichtlich
des Erstmanifestationsalters unterscheiden. Dement-
Eine Reihe störungsübergreifender Verfahren kann für
sprechend spezifiziert das DSM-IV-TR drei Formen der
die Diagnostik verwendet werden.
PTBS:
█
akut
SKID I. Der SKID I (Strukturiertes Klinisches Interview
█
chronisch
für DSM-IV Achse I; [18]) enthält ein PTBS-Modul, das
█
mit verzögertem Beginn
allerdings nur für die DSM-III-R-Version validiert ist.
Studien an Veteranen zeigen beispielsweise, dass sich
DIPS. Im Unterschied zum SKID gestattet der DIPS
bei diesen erst mit erheblicher zeitlicher Verzögerung
(ADIS-IV-L; deutsche Version: Diagnostisches Inter-
das Vollbild einer PTBS entwickelte [14], wobei in den
view bei Psychischen Störungen; [19]) auch die diffe-
meisten Fällen unterschwellige Symptome bereits kurz
renzialdiagnostische Abklärung einer akuten Belas-
nach dem Ereignis aufgetreten waren. Bis zu 38 % der
tungsstörung.
PTBS-Fälle zeigten einen dieserart verzögerten Onset.
Dabei handelte es sich entweder um die Verschlimme-
M-CIDI. Der M-CIDI (Münchener Composite Internatio-
rung einer bestehenden milden Symptomatik oder um
nal Diagnostic Interview; [20]) zeigt zufriedenstellende
die Reaktivierung remittierter Symptome.
bis gute Konvergenzvalidität mit klinischen Diagnosen
und eine gute Retestreliabilität.
PSYCH up2date 7
ê 2013
Neurotische, somatoforme und Belastungsstörungen
SCAN-System. Das SCAN-System (Schedules for Clinical
PTSS-10. Die PTSS-10 (Posttraumatische Stressskala-
Assessment in Neuropsychiatry; deutsche Version:
10; deutsche Bearbeitung [26]) ist ein Screeningver-
[21]) gilt als weniger störungsanfällig als andere Ver-
fahren mit zufriedenstellenden psychometrischen
fahren, da es die differenzialdiagnostische Abklärung
Qualitäten und einer Durchführungszeit von 3 Minu-
mit anderen Störungsbildern gestattet, ist aber wegen
ten.
305
seiner Durchführungsdauer nicht für die klinische
Praxis geeignet.
Diagnostisches Vorgehen
Empfehlungen für das diagnostische Vorgehen in
der psychotherapeutischen Praxis:
Fragebögen und Selbstbeurteilungsverfahren
Zusätzlich zu Interview-Verfahren liegt eine Reihe von
█
Screeninginstrument: PTSS-10 oder PDS
█
diagnostisches Instrument: PDS
█
Instrument zur Verlaufskontrolle und Therapieevaluation (bei Bedarf): IES-R oder PDS
Fragebögen zu Symptomen und traumaassoziierten
Kognitionen vor, von denen an dieser Stelle nur eine
Auswahl vorgestellt wird. Solche Selbstbeurteilungsverfahren können z. T. für die Diagnosestellung, z. T. für
die Evaluation des Therapiefortschritts benutzt wer-
Allgemeine Verfahren zur psychischen
Belastung
den.
Selbstbeurteilungsverfahren eignen sich für die
etwa die SCL-90R, sind nicht für die PTBS-Diagnose
Diagnose und/oder den Therapiefortschritt.
geeignet. Sie bilden nur die Belastung durch die Symptomatik und eine häufig vorliegende Komorbidität ab,
PSS-SR. Die PSS-SR (PTSD Symptom Scale – Self Report;
weil Patienten mit PTBS häufig deutlich erhöhte Werte
deutsche Bearbeitung [22]) gestattet die Erhebung von
haben.
dichotomen und dimensionalen Kriterien. Die deutsche
Version ist ein reliables und valides Instrument und
gestattet im Unterschied zur englischsprachigen Ver-
Behandlung der PTBS
sion auch die Erhebung der Belastung durch die Symptome.
Wirksamkeit psychologischer Behandlungsverfahren
PDS. Die PDS (Posttraumatic Diagnostic Scale; deutsch:
[23]) gilt als Weiterentwicklung der PSS-SR, zeigt sehr
Aktuell liegt eine Reihe von Metaanalysen zur Wirk-
gute psychometrische Werte und gestattet die Feststel-
samkeit von Psychotherapie bei PTBS sowie komorbi-
lung einer PTBS-Diagnose nach DSM-IV.
den Depressionen und komorbid allgemein erhöhter
Ängstlichkeit vor. Die nachfolgende Zusammenfassung
IES. Die IES (Impact of Event Scale) ist ein Selbstbeur-
bezieht sich im Wesentlichen auf die 2 folgenden Leit-
teilungsverfahren mit guter bis sehr guter Reliabilität
linien für die Behandlung der PTBS und eine neue
und Konsistenz. Sie liegt in einer ursprünglichen und
Metaanalyse von Watts et al. [29]:
in einer revidierten Form vor (deutsche Version IES-R:
█
deutsche Bearbeitung [24]; Download unter http://
Mental Health [NCCMH] im Auftrag des National
www.psychologie.uzh.ch/fachrichtungen/psypath/For
schungTools/Fragebogen.html) und erfasst die Häufigkeit posttraumatischer Symptome. Die revidierte Ver-
britische Leitlinie (National Collaborating Centre for
Institute for Clinical Excellence [NICE] [27])
█
australische Leitlinie (Australian Centre for Posttraumatic Mental Health [ACPMH] [28])
sion gestattet im Unterschied zur IES auch die Erfassung von Hyperarousal. Mit diesem Verfahren kann der
Die deutschen Leitlinien beruhen auf keiner eigenen
Verdacht auf PTBS überprüft werden, eine weitere dif-
Metaanalyse und werden daher nicht berücksichtigt
ferenzialdiagnostische Abklärung ist aber notwendig.
[30].
MPSS. Die MPSS (Modified PTSD Symptom Scale; deutsche Bearbeitung [25]) bildet Symptomhäufigkeit und
-intensität ab und zeigt zufriedenstellende psychometrische Eigenschaften.
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Elektronischer Sonderdruck zur persönlichen Verwendung
Allgemeine Verfahren zur psychischen Belastung, wie
306
Behandlung der posttraumatischen Belastungsstörung
Exkurs – Vorgehen bei akuter
Traumatisierung
Traumafokussierte Verfahren. Für beide traumafokussierten Verfahren (TF-KVT und EMDR) zeigen sich klinisch relevante Effekte im Sinne einer Symptomver-
Im letzten Jahrzehnt wurde eine heftige Debatte zum
Vorgehen kurz nach dem Erleben (Stunden oder
besserung der PTBS und anderer komorbider Störun-
Tage) eines traumatischen Ereignisses geführt. Für
gleich zur Wartelistenbedingung. Die Effekte unter-
einige Jahre wurde hier das sog. Debriefing empfoh-
schieden sich zwischen TF-KVT und EMDR nicht und
len. Insbesondere bei Polizei, Militär und Rettungs-
zeigten sich auch im Vergleich mit der Gruppe der
kräften wurden viele Personen in der Durchführung
von Debriefing trainiert. Empirische Untersuchungen
zeigten allerdings, dass Personen nach einem Debriefing mit einer größeren Wahrscheinlichkeit eine PTBS
entwickelten als Personen, die nicht daran teilnahmen. Entsprechend dieser Befunde wird daher seit
gen – wie Angst- und depressive Störungen – im Ver-
anderen Therapien. Hieraus kann geschlossen werden,
dass die Symptomverbesserung nicht auf unspezifische
Wirkungsfaktoren (wie eine höhere Aufmerksamkeit
oder positive therapeutische Beziehung) zurückzuführen ist.
einigen Jahren vom Debriefing abgeraten.
Traumafokussierte Therapieverfahren zeigen
Aktuell wird in der Akutphase eine Betreuung favori-
klinisch relevante Symptomverbesserungen.
siert, die auf die Stärkung der eigenen Bewältigungs-
Elektronischer Sonderdruck zur persönlichen Verwendung
fähigkeiten abzielt (Sicherheit, Essen, Trinken, Schlafen, gewohnte Umgebung).
Stressimmunisierung. Für die Gruppe der Stressimmu-
Empfohlen wird weiterhin das aufmerksame Abwarten bei der Betreuung („Watchful Waiting“) der
nisierungsverfahren/Entspannungsverfahren zeigen
Betroffenen. Erst wenn sich die Akutsymptomatik in
aber traumafokussierten Verfahren im direkten Ver-
den ersten Wochen nicht von allein verbessert bzw.
gleich unterlegen.
sich in der Tendenz positive Effekte, die Verfahren sind
eine Dissoziation über lange Zeit bestehen bleibt,
empfiehlt sich eine psychotherapeutische Interven-
Andere Verfahren. Für die Gruppe der anderen Verfah-
tion in Form einer kurzen, traumabezogenen kogniti-
ren konnten keine klinisch relevanten Verbesserungen
ven Verhaltenstherapie [27].
gezeigt werden. Dies kann einer geringen publizierten
Datenbasis geschuldet sein.
█
Britische NICE-Leitlinien
Die britischen NICE-Leitlinien berücksichtigen in der
Fazit für die Praxis – NICE-Empfehlungen
Metaanalyse zur Behandlung der PTBS 4 Gruppen von
Allen Patienten mit Traumafolgestörungen sollten
Behandlungstechniken, für die eine ausreichende
vorrangig traumafokussierte Verfahren (TF-KVT oder
Datenbasis verfügbar ist:
EMDR) angeboten werden, unabhängig von der Zeit-
█
Verhaltenstherapien mit Elementen der traumafo-
dauer, die seit dem Trauma verstrichen ist. Nicht-
kussierten Exposition und kognitiver Umstrukturie-
traumafokussierte Verfahren sollten nicht standardmäßig angeboten werden. Patienten, die solche
rung (traumafokussierte kognitive Verhaltensthera-
Formen der Behandlung wünschen, sollten darüber
pie TF-KVT)
█
informiert werden, dass für deren Wirksamkeit bisher
das ebenfalls traumafokussierte EMDR (Eye Move-
keine ausreichenden Belege vorliegen. Bei Patienten,
ment Desensitisation and Reprocessing)
█
die von einem bestimmten traumafokussierten Ver-
Stressimmunisierungstrainings ohne Exposition und
fahren nicht profitieren, sollte ein anderes traumafo-
Entspannungstechniken
█
kussiertes Verfahren oder die Augmentation mit Psy-
andere Therapien
In der letzten Gruppe fassen die Autoren diverse Therapieverfahren zusammen, für deren einzelnen Ver-
chopharmaka in Betracht gezogen werden.
█
Australische ACPMH-Leitlinien
gleich nicht genügend empirische Daten publiziert
Das ACPMH übernimmt die o. g. Klassifikation der Ver-
wurden: Psychoedukation, Gesprächspsychotherapie,
fahren aus der britischen Leitlinie und stellt folgende
psychodynamische Verfahren, Hypnotherapie.
Ergebnisse auf einer erweiterten Datenbasis vor:
█
Traumafokussierte Verfahren (TF-KVT und EMDR)
In die Analyse wurden Studien aufgenommen, in denen
sind anderen psychologischen Verfahren überlegen
die Therapie 3 Monate nach dem Trauma oder später
und führen nicht nur zu einer Verbesserung der
durchgeführt wurde.
Symptome von PTBS, Angst und Depression, sondern
auch zu einer Erhöhung der Lebensqualität.
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Neurotische, somatoforme und Belastungsstörungen
█
307
Stressmanagement ist der Wartelistenbedingung
überlegen, zeigt aber in allen Maßen geringere Effekte der Symptomverbesserung als traumafokussierte
Verfahren.
█
Gesprächspsychotherapie und Hypnotherapie sind
traumafokussierten Verfahren unterlegen, für die
Untersuchung psychodynamischer, z. T. spezifisch
traumafokussierter Verfahren war die Datenbasis zu
gering.
Komplexe PTBS. Die Gruppe der traumafokussierten
Verfahren führte auch bei der komplexen PTBS zu kli-
Abb. 1 Effektstärken (Hedge’s g) unterschiedlicher Behandlungsverfahren der PTBS (nach
[29]). Die dargestellten Effektgrößen sind modifiziert nach Hedge’s g und indizieren einen
relativen Therapiegewinn im Vergleich zu einer Kontrollgruppe (n = Anzahl der durchgeführten Vergleiche).
nisch relevanten Symptomverbesserungen. Der Vergleich zwischen TF-KVT und EMDR zeigte keine Unterschiede in kurzfristigen und langfristigen Outcomes,
wobei in Studien, die beide Verfahren miteinander vergleichen, das EMDR stets in Kombination mit Exposition und/oder kognitiven Verfahren angewandt wurde.
Effektmaß Hedge’s g
Das Effektstärkemaß Hedge’s g wird für Veränderungen in abhängigen Stichproben benutzt. Die Einschätzung seiner Effektgröße entspricht Cohen’s d:
g = 0,2 gilt als kleiner Effekt, g = 0,5 als mittlerer
Effekt, g = 0,8 stellt einen großen Effekt und g = 1,2
einen sehr großen Effekt dar.
Patienten mit Traumafolgestörungen sollte standard-
In derselben Metaanalyse wurden die Effekte von
mäßig eine traumafokussierte KVT angeboten wer-
EMDR getrennt von reinen KVT-Verfahren geprüft. Für
den oder EMDR in Kombination mit In-vivo-Exposi-
die EMDR liegen zwar deutlich weniger Evaluations-
tion. Weil die Datenlage keine Wirksamkeit der EMDR
studien vor, deren Effektstärken sind aber sehr hoch.
getrennt von KVT-Elementen belegt, sollten Therapeuten, die EMDR anbieten, zusätzliche KVT-Elemen-
Noch weniger randomisierte Studien haben die
te einschließen. In Fällen, in denen es zu keiner Symptomverbesserung durch die beiden oben genannten
Verfahren kommt, sollten andere traumafokussierte
Verfahren angeboten werden. Verfahren, die nicht
traumafokussiert sind, sollten nicht vorrangig angeboten werden. Soweit sie evidenzbasiert sind (Stressmanagement und/oder psychopharmakologische
Behandlung), sollten sie aber in den Fällen angewandt
Therapieeffekte anderer – u. a. psychodynamischer –
Verfahren geprüft. Die Ergebnisse zeigen mittlere bis
sehr hohe Effektstärken, allerdings sind mehrere davon
nicht signifikant (s. Abb. 1).
KVT und EMDR (in Kombination mit KVT) zeigen
hohe Effektstärken bei der PTBS.
werden, in denen die vorrangigen Verfahren keine
Insgesamt zeichnen Metaanalysen randomisierter Fall-
zufriedenstellenden Ergebnisse erbracht haben.
kontrollstudien der letzten Jahre ein konsistentes Bild.
Es gibt klare, verfügbare Nachweise für einen hohen
█
Metaanalyse zu Effektstärken
günstigen Effekt von KVT-Verfahren und EMDR, wobei letztere normalerweise in Kombination mit KVT-
In der derzeit aktuellsten und umfassendsten Meta-
Techniken eingesetzt wurde. So gilt weiterhin die
analyse untersuchen Watts et al. die Effektstärken von
ursprüngliche Empfehlung ihrer Begründerin, dass
Verhaltenstherapie, EMDR und anderen Psychothera-
EMDR in dieser Kombination eingesetzt werden sollte
pieverfahren sowie die Effektstärken von Therapie im
(s. [31]). Es gibt vereinzelt Hinweise, dass andere psy-
Gruppensetting [29]. Für die KVT zeigen sich positive
chologische Therapien ebenfalls positive Effekte haben,
Effekte bei Verfahren, die primär kognitive Techniken
aber für eine valide Einschätzung dieser Effekte fehlt
anwenden (Hedge’s g = 1,71), Exposition (g = 1,09),
bislang die erforderliche Datenbasis.
die Kombination von beidem (g = 1,31) und die hauptsächlich Stressimpfungstrainings anwenden (g = 1,37)
(s. Abb. 1). Der Effekt für die ganze Gruppe der KVTVerfahren beträgt g = 1,26. Vergleiche dieser Verfahren
untereinander zeigen keine statistisch signifikanten
Unterschiede.
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Elektronischer Sonderdruck zur persönlichen Verwendung
Fazit für die Praxis – ACPMHEmpfehlungen
308
Behandlung der posttraumatischen Belastungsstörung
im Vergleich zu Wartelistenkontrollen (d = 0,56). Grup-
Empfehlungen für die Auswahl des
Therapieverfahrens
█
█
die aber deutlich geringer ausfallen als Effekte, wie sie
Therapieverfahren 1. Wahl: traumafokussierte
Verfahren (KVT oder EMDR in Kombination mit
üblicherweise für Therapie im Einzelsetting berichtet
KVT-Elementen)
mittlere Effekt im Vergleich zu Wartelistenkontrollen
für Patienten, die keine Symptomverbesserung
zeigt, dass Gruppentherapie besser ist als keine Thera-
zeigen: Wechsel des spezifischen traumafokussier-
pie. Eine Effektstärke von d = 0,09 im Vergleich zwi-
ten Verfahrens oder Augmentation mit Psychopharmaka
█
pentherapie zeigt demnach mittlere bis hohe Effekte,
Zu den o. g. Verfahren liegen derzeit keine evidenzbasierten Alternativen vor.
werden (für traumafokussierte Verfahren d > 1,0). Der
schen verschiedenen Verfahren weist darauf hin, dass
im Gruppentherapiesetting keine bestimmte Psychotherapie einer anderen überlegen ist, d. h. es zeigt sich
kein Vorteil für bspw. KVT im Vergleich zu supportiver
Therapie.
Wirksamkeit psychotherapeutischer
Verfahren im Gruppensetting
Gruppentherapie hat geringere Effektstärken als
Einzeltherapie, kann aber angewandt werden,
wenn keine Einzeltherapie möglich ist.
Elektronischer Sonderdruck zur persönlichen Verwendung
Das NICE untersucht das gruppentherapeutische Setting getrennt von der individuellen Therapie [27]. Zur
Barrera et al. untersuchten im Unterschied zur Arbeit
Beurteilung von Gruppentherapien liegen vergleichs-
von Sloan et al. 12 Evaluationsstudien zur Gruppen-
weise wenige Studien vor. Die verfügbaren Daten zei-
therapie (die auch Einzelsitzungen umfasst), die aus-
gen vereinzelte Hinweise darauf, dass eine KVT-Grup-
schließlich KVT anwendeten, und fanden große Effekte
pentherapie der Wartelistenbedingung überlegen ist.
im Prä-post-Vergleich (ES = 1,13) [33]. Es zeigte sich
Traumafokussierte und nicht traumafokussierte Grup-
dabei kein Unterschied zwischen Gruppentherapien,
pentherapie unterscheiden sich nicht. Es gibt vereinzelt
in denen traumafokussiert gearbeitet und in denen
Hinweise auf eine Überlegenheit traumafokussierter
nicht traumafokussiert gearbeitet wurde. Innerhalb
Verfahren bei ausreichender Dauer der Gruppenthera-
dieser beiden Gruppen zeigte sich aber ein größerer
pie. Die Autoren kommen aufgrund der Datenbasis zu
Effekt in der Gruppe mit Traumafokus. Laut Barrera et
folgender Behandlungsempfehlung: Gruppentherapie
al. zeigt sich für die Gruppentherapie immer noch ein
(traumafokussiert und nicht traumafokussiert) kann
geringerer Therapieeffekt als für die Einzeltherapie,
zusätzlich zur Einzeltherapie durchgeführt werden,
aber Gruppen-KVT stellt eine effektive Behandlungs-
kann jene aber nicht ersetzen.
möglichkeit dar.
Fazit NICE: Gruppentherapie ersetzt nicht die
Einzeltherapie, sondern ergänzt sie allenfalls.
Gruppentherapie der PTBS
Die Effektstärken der Gruppentherapie fallen im
Das ACPMH schließt sich nach Sichtung derselben
Allgemeinen deutlich geringer aus als für die Einzel-
Datenlage an [28]: Gruppentherapie (sowohl trauma-
therapie, und die Datenbasis ist viel geringer. Grup-
fokussiert als auch nicht traumafokussiert) zeigt gerin-
pentherapie sollte deshalb nicht das Verfahren der
gere Effektstärken als Einzeltherapie und stellt keine
1. Wahl sein. Für die Gruppen-KVT liegen allerdings
Alternative dazu dar. Angesichts der vereinzelten Hin-
ausreichend evidenzbasierte Wirksamkeitsnachweise
weise zur Effektivität der Gruppentherapie kann sie
dennoch zusätzlich zur Einzeltherapie angeboten werden.
vor, um sie als Alternative zur Einzeltherapie zu empfehlen, wenn eine traumafokussierte Therapie im
Einzelsetting nicht infrage kommt.
Watts et al. berichten kleine bis mittlere günstige The[29].
Wirksamkeit pharmakologischer und
somatischer Therapien
Sloan et al. haben 16 Gruppentherapiestudien im Rah-
Eine Metaanalyse randomisierter, doppelblinder phar-
men einer Metaanalyse untersucht [32]. Die Studien
makologischer Studien des NICE zeigt einen kleinen
zeigen eine klinisch relevante Verbesserung der PTBS-
positiven Effekt für die PTBS-Behandlung mit Paroxetin
Patienten im Prä-post-Vergleich (Cohen’s d = 0,71) und
[27]. Keine klinisch relevanten Effekte zeigten sich für
rapieeffekte für Psychotherapie im Gruppensetting
PSYCH up2date 7
ê 2013
Neurotische, somatoforme und Belastungsstörungen
Tipp für die Praxis
Empfehlung zur Pharmakotherapie
Bei einer Behandlung mit SSRI sollte aufgrund des
1. Die vorliegenden Medikamentenstudien zeigen
bekannten erhöhten Suizidalitätsrisikos ein enges
Monitoring durch den behandelnden Psychiater
nur kleine bis mittlere günstige Effekte von Psychopharmaka bei der Behandlung von PTBS und können
erfolgen, besonders im Anfangsstadium der Behand-
daher nicht als Therapie 1. Wahl empfohlen werden.
lung und besonders bei Kindern, Jugendlichen und
2. Für Patienten, bei denen aus o. g. Gründen die
jungen Erwachsenen.
Behandlung mit Psychopharmaka erwogen wird,
309
stellen SSRI die Behandlung der 1. Wahl dar.
die Behandlung mit anderen Serotonin-Wiederaufnahmehemmern (SSRI) wie Sertralin. Es gibt vereinzelt
Hinweise für die Wirksamkeit von Mirtazapin, Amitriptylin, MAO-Hemmern; einzelne Studien zeigen
einen positiven Effekt für Olanzapin auf.
Allgemein basieren die Daten bislang nur auf Studien
3. Andere Klassen von Psychopharmaka sollten erst
zweitrangig Verwendung finden. Olanzapin kann zur
Augmentation einer Pharmakotherapie benutzt werden.
4. Im Falle einer Pharmakotherapie sollte der psychische Zustand des Patienten kontinuierlich dahingehend beurteilt werden, ob eine traumafokussierte
Behandlung begonnen werden kann.
mit kleinen Fallzahlen, sodass die Autoren zu folgenden
5. Von einer präventiven Verwendung von Psycho-
Empfehlungen kommen:
pharmaka wird abgeraten.
lungsverfahren der 1. Wahl dar. Dennoch ist der Einsatz
Watts et al. berichten kleine Effektstärken von g = 0,39
von v. a. Paroxetin und Mirtazapin als Alternative und
für Pharmakotherapie [29]. Somatische Verfahren wie
Augmentation der traumafokussierten Behandlung in
die Akupunktur zeigen hohe Effektstärken, für eine
einer Reihe von Fällen zu empfehlen: Sie sollten alter-
abschließende Beurteilung ist die Datenbasis allerdings
nativ bei denjenigen Patienten eingesetzt werden, die
zu gering. Bezüglich des präventiven Einsatzes von
eine traumafokussierte Behandlung ablehnen und bei
Psychopharmaka sind bisher nur vereinzelt randomi-
Patienten, bei denen sie aufgrund äußerer Umstände
sierte Studien verfügbar und es gibt Hinweise auf
nicht möglich ist. Als Augmentation der traumafokus-
günstigere Effekte in der Placebo- als in der Verum-
sierten Behandlung sind sie einzusetzen bei Patienten
gruppe (Propranolol).
mit komorbider Depression oder Patienten, bei denen
die traumafokussierte Behandlung zu keiner zufriedenstellenden Symptomreduktion geführt hat oder
bei denen die Schwere der Störung mögliche Verbes-
Behandlungssituation in der
Bundesrepublik Deutschland
serungen aus einer rein traumafokussierten Behand-
Übertragung der Effektivitätsstudien
lung verunmöglicht. Soweit sie durch einen erfahrenen
Die Versorgungssituation von PTBS-Patienten in
Psychiater durchgeführt wird, kann die Behandlung
Deutschland ist gegenwärtig nicht zufriedenstellend.
auch mit dem Trizyklikum Amitriptylin oder dem
Viele Psychotherapeuten sehen sich für eine Behand-
MAO-Hemmer Phenelzin durchgeführt werden.
lung von PTBS nicht ausreichend qualifiziert, sodass
gerade schwere und komorbide Fälle in psychiatri-
Pharmakotherapie ist kein Behandlungsverfahren
schen und psychosomatischen Kliniken aufgefangen
der 1. Wahl, sondern einzusetzen für Einzelfälle
oder als Augmentation der traumafokussierten
werden müssen, wobei in Kliniken bereits in der Vergangenheit häufig nicht ausreichend Behandlungs-
KVT.
stunden zur Verfügung standen. Diese Situation
droht sich im Zuge der Einführung von Fallpauschalen
Das ACPMH schließt sich diesen Empfehlungen weitge-
in psychiatrischen Kliniken weiter zu verschärfen,
hend an, wobei die australischen Kollegen keine aus-
sodass zu befürchten ist, dass gerade schwere Fälle
reichende Datenbasis für die bevorzugte Empfehlung
nicht ausreichend behandelt werden.
eines spezifischen SSRI gegenüber anderen Psycho-
Im Rahmen der angespannten Behandlungssituation
pharmaka sehen [28]. Andere Pharmaka als SSRI seien
komplizierter in der Anwendung und werden deshalb
nicht als Medikamente 1. Wahl empfohlen.
können gruppentherapeutische Verfahren, und insbesondere KVT, ergänzend zu Einzelsitzungen eingesetzt werden. Zu empfehlen ist dabei der Einschluss
von Traumaexposition, unabhängig davon, ob sie im
Gruppen- oder Einzelsetting durchgeführt wird.
PSYCH up2date 7
ê 2013
Elektronischer Sonderdruck zur persönlichen Verwendung
Pharmakologische Verfahren stellen keine Behand-
310
Behandlung der posttraumatischen Belastungsstörung
Behandlung der PTBS bei Vorliegen
komorbider Störungen
Prolongierte Exposition
Bei dem Behandlungsmodell der prolongierten Exposi-
Zusammenfassend sollen an dieser Stelle die Empfeh-
tion (PE) handelt es sich um ein Verfahren, das in vielen
lungen der australischen Leitlinie zur Psychotherapie
Behandlungssettings erfolgreich überprüft wurde. Die
bei PTBS mit komorbiden Störungen dargestellt wer-
übliche Therapiedauer liegt bei 9 – 12 Sitzungen, wobei
den [28]. Die Empfehlungen stellen „Kann“-Empfeh-
die Sitzungen zwischen 45 und 60 Minuten andauern.
lungen auf Basis von Expertenmeinungen dar.
Den theoretischen Hintergrund bildet das Furchtstrukturmodell. Zentrale Annahme dieses Modells ist die
Komorbider Substanzmissbrauch und Substanzabhän-
gemeinsame Abspeicherung von Situationen, Reaktio-
gigkeit. Es liegt bislang nur eine geringe Datenbasis zur
nen, Bedeutungen von Reizen und idiosynkratischen
Abschätzung von Effekten kombinierter Therapie vor.
Reaktionen in den sog. „Furchtstrukturen“ [34]. Diese
Es gibt aber Hinweise darauf, dass PTBS-Patienten mit
sind wie folgt:
komorbiden Substanzstörungen von einer kombinier-
█
Informationen über die gefürchtete Situation
ten Therapie profitieren im Sinne positiver Effekte für
█
Informationen über mögliche Reaktionen (verbal,
beide Diagnosen. Dieser Effekt zeigt sich nicht im gleichen Maße, wenn eine der beiden Störungen allein
motorisch, physiologisch)
█
behandelt wird.
Informationen zur Bedeutung des Stimulus und der
Reaktionen darauf
Elektronischer Sonderdruck zur persönlichen Verwendung
Diese Strukturen werden durch die Symptomatik des
Tipp für die Praxis
Wiedererlebens verfestigt. Weil aber gleichzeitig ver-
Empfohlen wird, den Beginn der traumafokussierten
mieden wird, kommt es zu einer nicht vollständigen
Arbeit davon abhängig zu machen, ob der Patient
Aktivierung des Netzwerks, das letztendlich dazu eine
ausreichende Kompetenzen zur Stressreduktion ohne
Habituation verhindert.
Substanzgebrauch entwickelt hat.
Die PE-Therapie arbeitet mit dem FurchtstrukturKomorbide Depression. Im Falle komorbider Depres-
modell und der Angst-Habituation.
sion konnte gezeigt werden, dass PTBS-Therapie zur
Symptomreduktion beider Störungen führen kann. Für
Entsprechend dem Modell setzt diese Intervention
Aussagen bezüglich der Effektivität einer bestimmten
auf Habituation als Hauptwirksamkeitsfaktor, wobei
Reihenfolge in der Symptombehandlung ist die Daten-
in den letzten Jahren auch bis zu einem gewissen Grad
basis bisher zu gering.
kognitive Interventionen mit einbezogen werden.
Angenommen wird dabei, dass es durch das wiederholte kontrollierte Wiedererleben im geschützten
Tipp für die Praxis
therapeutischen Setting zu einer Angst-Habituation
Empfohlen wird, die Depression vorrangig in all den
kommt. Dadurch reduziert sich die Vermeidung, feh-
Fällen zu behandeln, in denen der Schweregrad einer
lerhafte kognitive Überzeugungen verändern sich
Major Depression bzw. damit einhergehende Suizida-
und das traumatische Ereignis kann angemessen im
lität eine effektive PTBS-Therapie behindert.
Gedächtnis abgespeichert werden. Die Intervention
besteht aus folgenden Teilen:
█
Traumafokussierte kognitive
Verhaltenstherapie
Psychoedukation zum Störungsbild, häufig in Kombination mit Entspannung
█
Exposition in sensu, bei der nicht graduiert eine wiederholte emotionale Erzählung (Narrativ) des Ereignisses erfolgt. Der Therapeut liefert dabei nur die
Zur Erläuterung der konkreten Vorgehensweisen wer-
emotionalen Hinweisreize, die mit dem Ereignis in
den nachfolgend 2 Therapiemanuale dargestellt:
Verbindung stehen. Das Narrativ wird aufgezeichnet
█
prolongierte Exposition (PE)
█
Cognitive Processing Therapy (CPT)
und zwischen den Sitzungen zu Hause angehört.
█
In-vivo-Exposition, bei der traumarelevante, bisher
vermiedene Situationen und Aktivitäten konfrontiert
werden
PSYCH up2date 7
ê 2013
Neurotische, somatoforme und Belastungsstörungen
Die PE wurde häufig wegen ihrer hohen Drop-out-
Während sich Assimilation meist mit der Vergan-
Quoten kritisiert, wobei sich aber in Studien keine
genheit beschäftigt, ist Über-Akkommodation auf
erhöhten Quoten gegenüber anderen evidenzbasierten
die Gegenwart oder Zukunft gerichtet.
311
Verfahren absichern lassen.
Assimilation und Akkommodation werden entlang der
sog. „Stuck-Points“ (Hängepunkte oder Stolpersteine)
Cognitive Processing Therapy
herausgearbeitet. Hier handelt es sich um dysfunktionale Kognitionen, die dann mittels kognitiver Um-
Ähnlich wie PE wurde die Cognitive Processing Therapy
strukturierung verändert werden.
(CPT; auf Deutsch: kognitive Verarbeitungstherapie) in
den 80er-Jahren von Patricia Resick et al. ursprünglich
Vereinfacht lässt sich die CPT ebenfalls in mehrere
für Vergewaltigungsopfer entwickelt und wurde über
Abschnitte unterteilen: Zu Beginn erfolgt eine Psycho-
die Jahre in verschiedensten Settings erfolgreich evalu-
edukation zur Symptomatik, der Rolle von Vermeidung
iert. Im Mittel benötigt man für CPT 12 Sitzungen,
und zu kognitiven Prozessen. Gleichzeitig wird das
wobei in einzelnen Settings durchaus auch mehr Stun-
traumatische Ereignis und seine Bewertung in einer
den verwendet werden [35, 36]. Auch in der CPT wer-
Schreibaufgabe konfrontiert, deren Besprechung übli-
den kognitive und konfrontative Therapieelemente
cherweise nicht mehr als 2 Sitzungen andauert. Die
kombiniert, wobei der Schwerpunkt hier im Gegensatz
Hängepunkte werden u. a. mithilfe der Informationen
zur PE auf den kognitiven Interventionen liegt.
aus der Schreibaufgabe identifiziert und bearbeitet.
In der CPT wird davon ausgegangen, dass das Wissen
tion im Vordergrund, sondern die Bedeutung des trau-
über die Welt, die eigene Person und andere Menschen
matischen Ereignisses. In den letzten Stunden wird die
in Form von Schemata organisiert ist. Um neue Infor-
Therapie abgeschlossen mit kognitiven Interventionen
mationen in diese Schemata zu integrieren, stehen 2
Mechanismen zur Verfügung:
█
Assimilation: Hier werden neue Informationen so
gedeutet, dass sie in bereits bestehende Schemata
passen.
█
Traumafokussierende Verfahren –
mögliche Schwierigkeiten
Akkommodation: Die Schemata werden so verändert,
Ähnlich wie in anderen spezialisierten Interventionsformen muss auch in der traumafokussierten KVT
dass sie zur neuen Information passen.
eine Reihe von für den Therapeuten schwierigen
Punkten beachtet werden. Die größte Sorge künfti-
Basis der CPT ist die Annahme von inneren, indivi-
ger Traumatherapeuten bezieht sich dabei aber auf
duellen Organistationsschemata, in die alle neuen
die Konfrontation des traumatischen Ereignisses
Informationen integriert werden.
(manchmal als Exposition oder Traumanarrativ
bezeichnet). Befürchtet wird dabei die sog. Retrau-
mäß meist nicht in die bestehenden Schemata passt,
matisierung oder Destabilisierung des Patienten, was
in der Praxis im schlechtesten Fall dazu führt, dass
führt Assimilation dazu, dass Patienten zu Selbstvor-
Therapeuten ihre Patienten monatelang „stabilisie-
würfen und Schuldgefühlen neigen (etwa nach dem
ren“, ohne das Trauma zu behandeln. Letztlich führt
Muster „schlimme Dinge passieren schlechten Men-
so ein Vorgehen zu einer weiteren Chronifizierung der
Bei einem traumatischen Ereignis, das definitionsge-
schen, also muss ich irgendetwas getan haben, um das
PTBS-Symptomatik. Tatsächlich konnte empirisch
hier zu verdienen“) oder versuchen, das Ereignis mental
bisher keine dauerhafte Verschlechterung durch eine
ungeschehen zu machen. Im Extremfall kann Assimilation dazu führen, dass relevante Details des Ereignisses
nicht mehr erinnert werden. Während Akkommodation
also der angemessene Mechanismus wäre, verändern
viele Patienten ihre Schemata so stark, dass die ganze
Weltsicht von dem traumatischen Ereignis gefärbt wird,
was als Über-Akkommodation bezeichnet wird. Es entstehen neue dysfunktionale Schemata („ich weiß jetzt,
dass ich absolut niemandem vertrauen kann“).
Exposition nachgewiesen werden [37]. Wenn eine
Konfrontation lege artis durchgeführt wird (z. B. in
der CPT), dann hat der Patient schon eine Psychoedukation zu seiner individuellen Symptomatik sowie
eine Einführung in Bewältigungsfertigkeiten hinter
sich. Falls es zu Dissoziationen kommt, ist es unwahrscheinlich, dass diese hier zum 1. Mal auftauchen.
Vielmehr sollte der Therapeut die Dissoziationsneigung des Patienten schon vorher kennen und mit
dem Patienten zusammen Möglichkeiten der Dissoziationsunterbrechung besprochen und geübt haben.
PSYCH up2date 7
ê 2013
Elektronischer Sonderdruck zur persönlichen Verwendung
Auch bei der Schreibaufgabe steht nicht die Habitua-
312
Behandlung der posttraumatischen Belastungsstörung
Krieg im früheren Jugoslawien. Im Rahmen mehrerer Stu-
Elektronischer Sonderdruck zur persönlichen Verwendung
Kernaussagen
dien zur posttraumatischen Belastungsstörung bei
Die Kernsymptomatik der post-
zeigen sich für unterschiedliche
Kriegsopfern setzte sie sich sowohl mit dem Thema PTBS
traumatischen Belastungsstörung
(PTBS) besteht in Symptomen des
Formen der traumafokussierten
Verhaltenstherapie (darunter
als auch mit posttraumatischem Wachstum auseinander.
Forschungsschwerpunkte der letzten Jahre: Behandlung
Wiedererlebens, der Vermeidung
auch EMDR), wobei erfolgreiche
der PTBS bei Kindern und Jugendlichen sowie der The-
und der Übererregung. Die Häu-
Interventionen im Wesentlichen
menbereich komplizierte Trauer.
figkeit der PTBS ist interkulturell
auf 2 Strategien aufbauen, näm-
abhängig von der Häufigkeit und
lich der In-sensu-Konfrontation
Intensität traumatischer Ereignis-
und der kognitiven Neubewertung
se in der entsprechenden Region.
des traumatischen Ereignisses
Dr. rer. nat. Jahrgang 1973. Studium
Für Mitteleuropa liegen die 12Monats-Prävalenzen bei 0,7 %
und seiner Konsequenzen sowie
der In-vivo-Konfrontation der
der Psychologie und Ausbildung in Ver-
(Deutschland) bis 2,4 % (Frank-
Traumatrigger. Die derzeit am
Mitarbeiterin und Psychotherapeutin
reich), wobei Frauen häufiger als
besten evaluierten Interventionen
am Institut de Investigació Médica in
Männer eine PTBS entwickeln. Die
sind die kognitive Verarbeitungs-
anstehenden Revisionen des DSM
therapie (Cognitive Processing
Barcelona, an der TU Dresden und am
Max-Planck-Institut für Psychiatrie.
und der ICD werden die Kriterien
Therapy; CPT), die prolongierte
2010 Promotion, 2011 Approbation zur
leicht verändern.
Exposition (PE) und die Eye Move-
Bei der PTBS handelt es sich um
eine Störung mit chronischem
ment Desensitation and Reprocessing Therapie (EMDR).
Seit 2012 Akademische Rätin an der Katholischen Univer-
Verlauf und hoher Komorbidität.
Für eine Reihe weiterer Interven-
Epidemiologie von Angst, Depression und Substanzstö-
Es finden sich Hinweise auf eine
tionen liegen positive Ergebnisse
rungen, Therapie-Begleitforschung bei PTBS.
Reihe von langfristig schwerwie-
in geringerem Maß vor. Gruppen-
genden Gesundheitskonsequen-
therapien erscheinen im Vergleich
zen. Häufig treten Depressionen,
zu Einzeltherapien als weniger
andere Angststörungen, Sub-
wirksam. Psychopharmaka sind
Prof. Dr. Miranda Olff, arbeitet an der
stanzmissbrauch und Suizidalität
auf. Die besten Therapieerfolge
nicht das Mittel der Wahl.
Psychiatrie des Academic Medical Cen-
Agnes Nocon
haltenstherapie. Wissenschaftliche
Psychologischen Psychotherapeutin.
sität Eichstätt-Ingolstadt. Forschungsschwerpunkte sind
Miranda Olff
ter der Universität Amsterdam, und
bei der Arq Psychotrauma Expert
Group in Diemen, Niederlande. Haupt-
rund um die Themen Sicherheit, Vertrauen, Intimität,
forschungsgebiete von Frau Prof. Olff
Macht und Kontrolle.
sind psychologische und biologische
Folgen traumatischer Belastungen und
(frühe) Interventionen. Neben rando-
CPT arbeitet mit einer Fülle schriftlicher Materialien,
sodass die Stunden einerseits stark strukturiert sind
misierten klinischen Studien zu den Effekten von Debrie-
und andererseits der Patient eine umfangreiche Be-
fing, frühen Traumainterventionen und unterschiedlichen
Formen der Psychotherapie und Pharmakotherapie bei
schreibung des Therapieablaufs für sich erhält.
PTBS-Patienten führte sie Studien im Bereich Neuroimaging und Neuroendokrinologie durch.
Über die Autorinnen
Rita Rosner
Prof. Dr. Dipl.-Psych, approbierte Psychologische Psychotherapeutin (Fachkunde Verhaltenstherapie) und Supervisorin. Derzeit hat R. Rosner den Lehrstuhl für Klinische und Biologische Psychologie an der KU Eichstätt-Ingolstadt
inne, nachdem sie lange an der LMU
München lehrte und forschte. Ihre Auseinandersetzung mit dem Thema Traumafolgestörungen begann mit dem
PSYCH up2date 7
ê 2013
Interessenkonflikt: Rita Rosner gibt an, dass sie sich in
einem bewilligten BMBF-Forschungsprojekt u. a. mit einer
Adaptation einer der im Beitrag vorgestellten Interventionen (CPT) beschäftigt. Darüber hinaus gibt sie an, dass
kein Interessenkonflikt besteht.
Agnes Nocon und Miranda Olff haben keinen Interessenkonflikt.
Korrespondenzadresse
Prof. Dr. phil. Rita Rosner
Lehrstuhl Klinische und Biologische Psychologie,
Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt
Ostenstraße 25
85072 Eichstätt
E-Mail: [email protected]
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PSYCH up2date 7
ê 2013
313
Elektronischer Sonderdruck zur persönlichen Verwendung
Neurotische, somatoforme und Belastungsstörungen
314
Behandlung der posttraumatischen Belastungsstörung
CME-Fragen
█
1
Welche Behandlung der PTBS stellt
nach aktuellem Wissensstand die
erfolgreichste Behandlung dar?
A Psychotherapie
B Pharmakotherapie
C kombinierte Psychotherapie und Pharmakotherapie
D traumafokussierte (kognitive) Verhaltenstherapie
E
nicht traumafokussierte (emotionsfokussierte) Psychotherapie
█
2
Was gilt als evidenzbasierte Alternative zum Verfahren nach „State of
the Art“ im Falle unzureichender
Symptomremission?
A Wechsel der Technik innerhalb des State-of-the-Art-Verfahrens
B Augmentation mit Gruppentherapie
C Gruppen-KVT mit Exposition (in der Gruppe oder in Einzelsitzungen)
D somatische Therapien (z. B. Akupunktur)
E
Wechsel von Psychotherapie zu Pharmakotherapie
Elektronischer Sonderdruck zur persönlichen Verwendung
█
3
Welches Verfahren gilt als Goldstandard der PTBS-Diagnostik?
A das klinische Interview
B CAPS
C CIDI
D SKID
E
PDS
█
4
Welche sind die 3 grundlegenden
Symptome der PTBS?
A Angst, Vermeidung, Panikattacken
B Gereiztheit, Flashbacks, aggressives Verhalten
C Suizidalität, Flashbacks, Hyperarousal
D Amnesie, Schlafstörungen, wiederkehrende Erinnerungen
E
Flashbacks, Hyperarousal, Vermeidung/emotionale Taubheit
█
5
Welche Aussage zur Cognitive Processing Therapy (CPT) ist richtig?
PSYCH up2date 7
A Die Durchführung einer CPT ist nur im Rahmen einer Langzeittherapie möglich.
B In der CPT sind nur die kognitiven Elemente wirksam, weil sie die Bewertungen eines Traumas
modifizieren.
C Als Assimilation wird bei Patienten mit PTBS das Phänomen bezeichnet, Informationen und
Erinnerungen so zu deuten/wahrzunehmen, dass bestehende Schemata zum erinnerten Ereignis
passen.
D Bei der Akkommodation kommt es zu einer Färbung der ganzen Weltsicht durch das traumatische
Ereignis.
E Stuck-Points bezeichnen zu erwartende Störungen im Therapiefortschritt.
ê 2013
Neurotische, somatoforme und Belastungsstörungen
CME-Fragen
315
Behandlung der posttraumatischen Belastungsstörung
█
6
Welche Empfehlungen gelten
bezüglich der Behandlungsreihenfolge bei komorbiden Störungen der
PTBS?
A Die PTBS sollte zeitlich vorrangig behandelt werden, weil es im Zuge einer verbesserten
Symptomatik auch zur Remission anderer Syndrome kommt.
B Abstinenz ist notwendige Bedingung für einen günstigen Verlauf der PTBS-Therapie.
C Der größte Effekt auf komorbide PTBS und Substanzstörungen zeigt sich bei der getrennten
Behandlung der beiden Syndrome.
D Im Falle komorbider Depression konnte gezeigt werden, dass die Depressionstherapie zur
Symptomreduktion beider Störungen führen kann.
E Es liegen bislang zu wenige Studien zur Wirksamkeit einer bestimmten Behandlungsreihenfolge
bei komorbiden Störungen vor.
█
7
Die komplexe PTBS …
A ist eine tiefgreifende Störung der Sexualität, Affektregulation, Beziehungsgestaltung und des
Wertesystems.
B kann ab dem DSM-IV als Subtyp der PTBS codiert werden.
D kann bisher nicht wirksam behandelt werden.
E
sollte in Kombination mit Pharmakotherapie behandelt werden.
█
8
Welche Aussage bezüglich der Epidemiologie einer PTBS ist richtig?
A Eine PTBS tritt spätestens 6 Monate nach dem Ereignis auf.
B Die PTBS ist eine Störung mit starkem Chronifizierungsrisiko.
C Männer und Frauen haben ein unterschiedlich hohes Risiko für das Erleben von traumatischen
Ereignissen und ein gleich hohes Risiko für PTBS nach dem Erlebnis.
D Das Risiko für eine PTBS-Diagnose ist bei völlig unkontrollierbaren Ereignissen wie
Naturkatastrophen am höchsten.
E Etwa die Hälfte der PTBS-Patienten hat auch andere komorbide Störungen.
█
9
Welche der genannten Störungen
tritt häufig komorbide mit der PTBS
auf?
A bipolare Störungen
B Schizophrenie
C Depressionen
D Enuresis
E
Zwangsstörungen
█
10
In der Folge welches traumatischen
Ereignisses ist die Wahrscheinlichkeit für die Entwicklung einer PTBS
am höchsten?
A Autounfälle
B Naturkatastrophen
C Sportunfälle
D Vergewaltigung und Missbrauch
E
Krieg
PSYCH up2date 7
ê 2013
Elektronischer Sonderdruck zur persönlichen Verwendung
C wird mit der revidierten Version der IES erfasst.
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