„Revolutionäre Realpolitik“ für die Universitäten!

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Daniel Schukovits
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Input zur Internationalen Bildungskonferenz – Bereich Universitäten:
„Revolutionäre Realpolitik“ für die Universitäten!
Grundsätzliche Problemebene: Rolle von Universität und Wissenschaft im kapitalistischen Staat
vs. Emanzipatorisches und linkes Bildungsverständnis
1) Reproduktion von Führungspersonal im Staat; Schaffung eines „akademischen Prekariats“;
Legitimation
von
Herrschaftsstrukturen;
Förderung
ausgewählter
Technologien
&
Unternehmen; Staatsbürgerliche und autoritäre Sozialisation; Dominanz von (Berufs-)
Ausbildung
2) Bildung als emanzipatorische Tätigkeit; umfassende Persönlichkeitsbildung; Förderung
von Wissenschaften und Technologien, die soziale Veränderung stärken; Demokratisierung
der Gesellschaft; Abbau sozialer Hierarchien; Erwerb von Analysefähigkeiten zum
Verständnis der Welt; Etablierung und Erhaltung eines fortschrittlichen studentischen
Milieus
Vorgangsweise und Methodik: Anwendung des Konzepts des „Revolutionären Realpolitik“ (Rosa
Luxemburg, Frigga Haug) auf oben genannte grundsätzliche Problemebene.
So schreibt Frigga Haug (2009):
„Revolutionäre Realpolitik geht nicht nur über die Grenzen des Kapitalismus hinaus. Da
sie zugleich real ist, wird am Ende das Reale auch bestimmbar als ein Vorläufiges, als
'Vorstadium'. Die Politik der Sozialisten ist demnach nicht selbst sozialistisch, solange sie
im Kapitalismus praktisch ist. Jede Teilbestrebung kann systemimmanent sein und muss
dies
auch.
Erst
in
ihrer
Gesamtheit
fügen
die
Teile
sich
in
ein
anderes
Gesellschaftsmuster.“ (Haug 2009, S.13)
Frigga Haug beschreibt also ein politisches Handeln, das Widersprüche in sich einschließt. Es gilt
also, unter den gegenwärtigen Verhältnissen Mechanismen und Anknüpfungspunkte zu finden, die
es – in ihrem Zusammenspiel – ermöglichen, Veränderungen im Universitätsbereich zu fördern.
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Voraussetzung für die Realisierung eines solchen politischen Konzepts ist, dass Akteur_innen
unterschiedlicher Ebenen und mit unterschiedlicher Praxis in Kooperation treten. Notwendig ist
auch eine Vorgehensweise, die innere Widersprüche erlaubt und die Akzeptanz dieser
Widersprüchlichkeit seitens der Akteur_innen.
„Revolutionäre Realpolitik setzt Realwidersprüche voraus, entfaltet sich in ihnen. Die
Widersprüche der kapitalistischen Gesellschaft setzen sich in die Politik hinein fort. Es
muss ein Modus gefunden werden, selbst widersprüchlich Politik zu machen.“ (Ebd.,
S.15)
So geht es also darum, dass sich die auf unterschiedlichen Ebenen und mit unterschiedlicher
Praxis handelnden Akteur_innen auf eine gemeinsame Strategie einigen. Welche Ebenen
einbezogen sind, hängt von den lokalen Verhältnissen ab (Parlament, Universitätsstrukturen,
Studierendenvertretungen,
Basisinitiativen,
politische
Parteien,
außerparlamentarischer
Aktivismus). Jedenfalls besteht der Bedarf an Tätigkeit auf verschiedenen Ebenen mit den
jeweiligen Formen von politischer Praxis:
„Der
Parlamentarismus
als
allein
seligmachendes
politisches
Kampfmittel
der
Arbeiterklasse ist ebenso phantastisch und in letzter Linie reaktionär wie der allein
seligmachende Generalstreik oder die allein selig machende Barrikade.“
(Luxemburg, zit. in: Ebd., S.19)
In diesem Sinne ist die Frage zu stellen:
Welche Schritte können im gegenwärtigen Universitätssystem gesetzt werden, um langfristige
Veränderungen im Sinne der Emanzipation zu erreichen? Welche Spielräume können eröffnet
werden?
Wie
gestaltet
sich
dabei
die
Kooperation
zwischen
institutioneller
Arbeit
(Universitätsgremien, Studierendenvertretung, Staatliche Organe) und außerparlamentarischer
(Bildungs-) Bewegung?
Im
Folgenden
soll
dieses
politische
Konzept
auf
verschiedene
Problemfelder
im
Universitätsbereich angewandt werden. Da diese Problemstellungen äußerst vielfältig sind, kann
es an dieser Stelle nur um kurze Problembeschreibungen und Anregungen für eine
transformatorische Praxis gehen. Umfassende Analysen und Strategien müssen in gemeinsamer
Diskussion entwickelt werden.
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Mögliche Problemfelder und Ideen für eine Praxis:
•
Austerität im Universitätsbereich: Der generelle Trend zur Ökonomisierung der Bildung
wird durch Sparmaßnahmen im Zuge der kapitalistischen Krise verstärkt. Die Folgen
dieser Entwicklung sind soziale Selektion bei den Studierenden (Studiengebühren,
Streichung
von
Stipendien
und
Zuschüssen,
Zugangsbeschränkungen);
Prekäre
Beschäftigungsverhältnisse bei jungen Lehrenden; Verschulung beim Studium und
Zurückdrängen
kritischer
Lehrinhalte;
Drittmittelförderung
durch
kommerzielle
Unternehmen.
→ Ideen für die Praxis: Aufbau von Kooperationen zwischen Lehrenden und Lernenden,
um kritische Lehrinhalte zu verankern und Hierarchien abzubauen; Verschlechterungen
sowohl
in
Universitätsgremien,
(Gewerkschaftliche)
Organisierung
als
auch
prekär
durch
Aktionismus
beschäftigter
Lehrender;
bekämpfen;
Vernetzung
studentischer Basisinitiative; Widersprüche zwischen Universitätsleitung und Staat
(Ministerien, Parlament, etc.) für eigene Ziele nutzen.
•
Genderthemen und antifeministische Strukturen: Universitäre Entscheidungsstrukturen
sind nach wie vor männerbündisch organisiert; Frauen sind in diesen Strukturen
unterrepräsentiert; Zugangsbeschränkungen sind auch in Bezug auf das Geschlecht
selektiv; Feministische Lehrinhalte sind nur in wenigen Studienplänen verankert oder
„ausgelagert“
→ Ideen für die Praxis: Öffentliche Problematisierung der Rolle von Männerbünden;
Forderung nach feministischen Inhalten in den Universitätsgremien; Forderung nach
Einführung einer Quote?; Vernetzung von feministischen Initiativen mit anderen
Basisinitiativen und Zusammenführung von Kämpfen: Frage der Teilhabe / Demokratie.
•
Demokratie
im
Universitätsbereich:
Abschaffung
repräsentativ-demokratischer
Strukturen zugunsten von „Management“; Entscheidungsfindung: Top-Down; Schwächung
offizieller Studierendenvertretungen; Partizipationsmöglichkeit ist mit der sozialen
Situation der Studierenden verbunden; Das Zurückdrängen kritischer Lehre schwächt die
universitäre Linke
→ Ideen für die Praxis: Konflikte innerhalb der Leitungsgremien nutzen; Bottom-UpStrukturen aufbauen; Abbau von Hierarchien zwischen Lehrenden und Lernenden und
Aufbau
von
Kooperationen;
Verteidigung
offizieller
Studierendenvertretungen;
Ermöglichung politischer Partizipation durch Entlohnung politischer Arbeit und durch
Schaffung von Lehrveranstaltungen/Studienrichtungen von „unten“.
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•
Migrant_innen im Universitätsbereich: Diskriminierung durch Dritt-Staaten-Regelung;
Anwerbung von „Schlüsselarbeitskräften“; Fehlende Arbeitserlaubnis und rassistische
Diskriminierung; Zulassung ist an Studienplatz im Herkunftsland gebunden; Höhere
Studiengebühren und sozialer Druck
→ Ideen für die Praxis: Förderung von Selbstorganisation; Rassistische Diskriminierungen
in Universitätsgremien (auf Gesetzesbasis) und durch antirassistischen Aktionismus
bekämpfen; Auftreten gegen Studiengebühren und dabei die besonders problematische
Situation von Migrant_innen betonen; Kritik an der „Schlüsselarbeitskräfte“-Praxis und
Einforderung
tatsächlicher
Aufenthalts-
und
Lernfreiheit;
Kooperationen
mit
Migrant_innen-Organisationen aufbauen.
•
Bildungsbewegungen im Universitätsbereich: Protestwellen verebben nach einiger Zeit;
Staatliche und universitäre Repression gegen politischen Aktivismus; Universitätsräume
werden normiert, überwacht und kommerzialisiert; Kämpfe sind oft lokal isoliert; Große
Bandbreite
zwischen
Forderungen
der
Protestierenden
(Einhaltung
gesetzlicher
Bestimmungen, Staat als Adressat vs. Revolutionärer Anspruch); Hierarchien und
diskriminierende Tendenzen
auch
in
Protestbewegungen;
Mangelnde
Kooperation
zwischen Studierendenvertretungen und Protestierenden
→ Ideen für die Praxis: Bewegungsgeschichte aufarbeiten und festhalten; Offene
Kommunikationsstrukturen
Repressionsarbeit
auf
in
allen
den
Studierendenvertretungen
Ebenen
durchführen
schaffen;
(Rechtsberatung,
Anti-
juristische
Unterstützung, Aktionismus); Vernetzung verschiedener Kämpfe (lokal und international);
Schaffung von Freiräumen, die Raum für Initiativen bieten; Schaffung von Bündnissen
fortschrittlicher
Professor_innen,
prekarisierten
Lehrenden
und
Studierenden;
Forderungen im Sinne „Revolutionärer Realpolitik“ gestalten.
Verwendete Literatur:
Haug, Frigga (2009): Revolutionäre Realpolitik – die Vier-in-einem-Perspektive. In: Brie, Michael (Hg.)
(2009): Radikale Realpolitik. Plädoyer für eine andere Politik. Karl Dietz Verlag, Berlin
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