DOBE_Trauma_und_Schmerz_DKST2015

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DEUTSCHES KINDERSCHMERZZENTRUM
Umgang mit Traumatisierung bei chronischen Schmerzen
Referent
Michael Dobe
Deutsches Kinderschmerzzentrum
8. Dattelner Kinderschmerztage
gefördert durch
die
Gliederung
Epidemiologie
Komorbidität
Edukation
Allgemeine Hinweise zum Vorgehen
2 Beispiele
1
Epidemiologie
Chronische und Somatoforme Schmerzstörung:
Punkt-Prävalenz (14-24 Jahre; DSM-IV): 1,5%1
Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS):
Lebenszeitprävalenz (DSM-III-R): 7,8%2
Punkt-Prävalenz (14-24 Jahre; DSM-IV): 1,5-2%3
PTBS-Kriterien für Kinder und Jugendliche unzureichend4
1
Lieb et al., 1998
Kessler et al., 1995
Perkonigg et al., 2000
4 Van der Kolk &
Courtois, 2005
2
3
Trauma – „Freeze“ und „Fragment“
Starke Bedrohungen lösen “Fight”
or “Flight” – Reaktion aus.
Flucht/Bewältigung möglich? –
eher normale Stressverarbeitung
Flucht/Bewältigung nicht möglich?:
Freeze und Fragment
Freeze („Einfrieren“) Erstarrung
Fragment (“Zersplittern”) fragmentierte Verarbeitung
2
Das „Häschengehirn“
Grobe Unterteilung:
„Häschen“: intuitive, schnelle Teil
sichert das Überleben
„Denker“: Bewusstsein, Reflexion,
Sprache, braucht viel Zeit und
Aufmerksamkeit, im Notfall hinderlich
Im Normalfall gute Zusammenarbeit
Im Notfall: blitzschnelle Trennung
Notfallmechanismen treten in Kraft:
fliehen, kämpfen, erstarren
Der „Denker“ kann nur zuschauen,
steuern kann er nicht!
Trauma – „Freeze“ und „Fragment“
3
Ausgewählte Studien zur Komorbidität
Komorbidität Schmerzstörung und PTBS bis zu 60%1
Zeitabhängige PV chron. Schmerz nach Folter (75%)2
Miterleben häuslicher Gewalt: Prädiktor für chronische BS3
OR PTBS Mädchen (ab 14) & chronische BS: 15,44
Erhöhter PTBS-Score: Prädiktor für chronische RS5
24% der 12-17 Jährigen: PTBS und Schmerzsstörung6
1
Cohen et al., 2002
Olsen et al., 2003
Sansone et al., 2006
4
Seng et al., 2005
5 Young-Casey et al.,
2008
6 Essau et al., 1999
2
3
Trauma und Schmerz
4
Angstsensitivität (AS)
Besorgte Wahrnehmung von Symptomen, die
Zustände sympathischer Aktivierung
begleiten können, also vor interozeptiven
Reizen.
Angstsensitivität (AS)
Ein zugrunde liegender Faktor bei Angststörungen, PTBS und
chronischen Schmerzen1.
Erklärt 40% der Angst vor Schmerzen, diese zu 50% eine hohe
Lebensbeeinträchtigung2.
1 Bernstein´07
Behav
Ther
2 Martin´07
Pain Res
Manag
5
AS beeinflusst maladaptive kognitive
Prozesse bei PTBS und Schmerzen
Neigung, schmerz- und
angstrelevante Reize als
bedrohlich zu interpretieren
(„interpretation bias“) maladaptive Interozeption
Selektive Aufmerksamkeit auf
bedrohliche Reize („attention
bias“)
Bedrohliche Reize werden besser
erinnert („memory bias“)
Angst vor Schmerz und PTBS
Angst vor Schmerz: Angst vor Schmerzen während/in
Erwartung des Schmerzerlebens
Angst vor Schmerzen beeinflusst von:
- Unkontrollierbarkeit
- Katastrophisierung/Bedrohlichkeit
- Angstsensitivität
Alle Faktoren auch bei PTBS erhöht.
Folge: Interozeptive Konditionierung (über das
körperliche Erleben von Angst)
Bailey ´10
Martin ´07
Asmundson ´08
6
1
Unkonditionierter Reiz (US):
Schmerz
Unkonditionierte Reaktion
(UR):
Mobilisierung des
Defensivsystems: Reflexive
Flucht/
Vermeidungsreaktion,
Arousal, Hypervigilanz
2
Konditionierter
Stimulus (CS):
Interozeptive
Empfindung
3
CS: Interozeptive
Empfindung
+
US:
Schmerz
UR: Mobilisierung des
Defensivsystems
Konditionierte
Reaktion (CR):
Mobilisierung des
Defensivsystems
Interozeptive Angstkonditionierung (Bsp. IBS)
1
Unconditioned stimuli (US): pain
Unconditioned response (UR):
Defensive responses:
-Increased arousal
-Hypervigilance
-Escape/avoidance
2
3
Conditioned stimuli
(CS): interoceptive
sensations (e.g.,
peristaltic sounds)
CS: interoceptive
sensation
+
US: pain
UR: Defensive responses
Conditioned defensive
responses (CR)
7
Und das bedeutet?
Wald ´06/´08
Fazit
Interozeption kann Angst vor Schmerz, Vermeidung und
PTBS-Symptome auslösen.
Angst vor Schmerz bei PTBS und chron. Schmerz
erhöht.
Kopplung Schmerzspitze – Intrusion/negative körperliche
Symptome
Klinische Erfahrung: Bewegungen/Stress-Erleben kann
über Schmerzen mit traumatischen Erinnerungen
gekoppelt sein.
Meulders ´11
De Peuter ´11
Asmundson ´08
Liedl ´11
8
Bedeutung für die Edukation – so…
Gemeinsamkeiten1,2,3
Erregungsniveau Körperaufmerksamkeit Vermeidung/Inaktivität Vermutlich Folge4,5:
Interozeptive Konditionierung
Starker Schmerzreiz = Trigger
1
Martin et al., 2010
Asmundson et al.,
2002
3
Liedl et al., 2008/2011
4 Wald et al., 2010
5 Liedl et al., 2011
2
Abb. Focus Gesundheit
Bedeutung für die Edukation - … oder so…
Wager et al.
Monatsschrift
Kinderheilkunde 2014;
162:12-18
9
Das Ganz in „einfach“…
Schmerzzentrum
Schmerz Schmerzsignal und
Schmerzsensibilität Schmerztor
Körperliche Anspannung Stresshormone Gefühle wie z.B. Trauer,
Angst, Wut, Langeweile,
Stress, Frust, Hiflosigkeit
Aufmerksamkeit
Bewertung
Schwarze Gedanken
Trigger
„Ein schwarzer Gedanke kommt selten allein!“
Dobe, M. & Zernikow,
B. (2014). Rote Karte
für den Schmerz (3.
Auflage). Carl-Auer.
Trauma- und Schmerzstörung - Fazit
Diagnostik? – schwer zu „entdecken“
- Screening: z.B. CROPS ETI-KJ
Zufällig? – Häufig keine gemeinsame Ursache
Klinische Haltung:
- Es gibt keine Zufälle!
- No Go: „Die/Der will doch nur Aufmerksamkeit!“
- Das Kind hat recht in seiner Wahrnehmung!
(Sensibilisierung ≠ Simulieren)
10
Vorgehen bei Trauma und Schmerz (1)
Edukation, Edukation und ….. Edukation! –
Schwerpunkt: Zusammenhang Trauma/Schmerz
Disputation „Trauma“-Logik hilfreich: Edukation!
Die Edukationseinheiten schriftlich zusammenfassen
lassen!
Vorgehen bei Trauma und Schmerz (2)
Reduktion Aktivierung limbisches System
- Sicherer Ort / imaginative Übungen
- Distanzierungstechniken/kontrollierte Dissoziation
Reduktion Körperaufmerksamkeit (KA)
- Verringerte KA = Wahrnehmung Trigger ↓
- Achtsamkeitsübungen / Ablenkungsstrategien
Flashback-Kontrolle
- Skills
- Screening-Techniken
Vorsicht bei Entspannung! – besser TENS, Biofeedback
11
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
12
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