Aaron T. Beck, Robert A. Steer und Gregory K. Brown Beck Depressions-Inventar – FS deutsche Bearbeitung Manual (1. Auflage) Sören Kliem, Hannover Elmar Brähler, Leipzig Beck Depressions-Inventar – FS (BDI-FS) Manual Bearbeiter der deutschen Ausgabe: Sören Kliem, Elmar Brähler 1. Auflage 2013 Copyright © 2000 Aaron T. Beck. Alle Rechte vorbehalten. Deutsche Übersetzung © 2013 Aaron T. Beck. Alle Rechte vorbehalten. Veröffentlichung und Vertrieb erfolgen exklusiv über die Pearson Assessment & Information GmbH, Frankfurt am Main. Übersetzung, Adaptation und Produktion durch Pearson Assessment & Information GmbH, Frankfurt am Main mit freundlicher Genehmigung und Lizenz der NCS Pearson, Inc. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikro­verfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Beck Depression Inventory und das BDI Logo sind in den USA und/oder anderen Ländern eingetragene Markenzeichen der Pearson Education, Inc. und all ihrer Tochtergesellschaften. Pearson und das Psi Logo sind weltweit eingetragene Markenzeichen der Pearson Education, Inc. und all ihrer Tochtergesellschaften. Kontakt: Pearson Assessment & Information GmbH Baseler Str. 35-37, 60329 Frankfurt am Main, Tel.: +49 69 7 561 460 E-Mail: [email protected], Internet: www.pearsonassessment.de Umschlagfoto: Copyright © Tom – Fotolia.com Inhaltsverzeichnis Abbildungsverzeichnis.....................................................................................4 Tabellenverzeichnis............................................................................................5 Danksagung.......................................................................................................6 1Entwicklung.............................................................................................7 1.1Einleitung..............................................................................................7 1.2 Geschichte..............................................................................................9 1.3 Reihenfolgeeffekte und Vergleichbarkeit mit dem BDI-II............11 1.4 Klinische Anwendung.......................................................................12 1.5 Bisherige Studien zum BDI-FS.........................................................13 1.6 Bisherige psychometrische Befunde zum BDI-FS.........................15 1.6.1 Reliabilität.................................................................................15 1.6.2 Validität......................................................................................17 1.6.3 Diagnostische Diskriminationsfähigkeit...............................18 1.6.4 Änderungssensitivität.............................................................19 1.6.5 Zusammenhänge mit soziodemografischen Merkmalen....20 1.6.6 Zusammenhänge mit somatischen Erkrankungen.............21 1.6.7 Zusammenfassung...................................................................21 2.Anwendung und Auswertung......................................................22 2.1 Grundüberlegungen..........................................................................22 2.1.1 Testbedingungen......................................................................22 2.1.2 Bearbeitungszeit.......................................................................22 2.1.3 Selbstständige Anwendung mit schriftlicher Instruktion.................................................................................22 2.1.4 Anwendung mit mündlicher Instruktion.............................23 2.1.5 Gedächtnis und Antworttendenzen......................................24 2.2 Auswertung.........................................................................................25 2.2.1 Auswertung der Fragebogenwerte........................................25 2.2.2 Interpretation der Testergebnisse..........................................25 2.2.3 Klassifikation auf Basis eines Schwellenwertes...................26 2.2.4 Klassifikation auf Basis vorliegender Symptome................29 3.Psychometrische Eigenschaften des deutschen BDI-FS.....................................................................30 3.1 Stichprobenbeschreibung..................................................................30 3.2 Werteverteilung..................................................................................32 3.3 Gütekriterien.......................................................................................33 3.3.1 Objektivität................................................................................33 3.3.2 Reliabilität.................................................................................34 3.3.3 Validität......................................................................................35 3.3.4 Zusammenhänge mit Stichprobenmerkmalen....................38 4.Normwerte.............................................................................................40 4.1 Prozentränge und T-Werte................................................................40 4.2 Bestimmung eines Konfidenzintervalls..........................................41 4.3 Kritische Differenzen.........................................................................42 4.4 Reliable Veränderung........................................................................42 4.5 Fazit .....................................................................................................44 Literaturverzeichnis...............................................................................45 Anhang: Normtabellen ........................................................................52 Abbildungsverzeichnis Abbildung 1:Transformation von BDI Fast Screen Werten in BDI-II Werte nach Beck et al. (2000).....................................11 Abbildung 2:Zusammenhang zwischen den BDI Fast Screen Summenwerten und dem Schweregrad der depressiven Symptomatik.....................................................28 Abbildung 3:Abhängigkeit der BDI Fast Screen Werte von Geschlecht und Alter..............................................................33 Abbildung 4:Schwellenwerte für den deutschen BDI Fast Screen auf Basis eines polytomen Raschmodells............................35 Abbildung 5:Häufigkeitsverteilung der BDI Fast Screen Summenwerte..........................................................................41 Abbildung 6:Remission und reliable Veränderung nach RCI Methode von Vor- zu Nachtest im deutschen BDI Fast Screen........................................................................43 Tabellenverzeichnis Tabelle 1: Zuordnung der BDI-II Items zum BDI Fast Screen und zur Kognitiv-affektiven Skala nach Beck und Steer (1993)...........................................................................10 Tabelle 2: Mittelwerte (M), Standardabweichungen (SD), und Trennschärfen (rit) des BDI Fast Screen für die Stichproben des amerikanischen Manuals..............................14 Tabelle 3: Ergebnisse zur internen Konsistenz (Cronbach´s α) des BDI-FS aus internationalen Studien..........................................15 Tabelle 4: Mittelwerte (M) und Standardabweichungen (SD) der BDI Fast Screen Summenwerte für die Depressionsgruppen (DG) im Vergleich mit den psychisch gesunden Gruppen (PGG).......................................19 Tabelle 5: Korrelationen der BDI Fast Screen Werte mit dem Geschlecht, dem Alter und der Ethnizität in den Stichproben des amerikanischen Manuals..............................20 Tabelle 6: Trennwerte, Sensitivität (SEN) und Spezifität (SPE) des BDI Fast Screen aus internationalen Studien....................27 Tabelle 7: Soziodemografische Daten der Normierungsstichprobe......31 Tabelle 8: Mittelwert (M), Standardabweichung (SD), Trennschärfe (rit), Schwierigkeit (Pi) für die Items des BDI Fast Screen.....................................................................32 Tabelle 9: Korrelationen des BDI Fast Screen (BDI-FS) mit anderen Selbstbeurteilungsinstrumenten................................36 Tabelle 10: Faktorladungen und Kommunalitäten (h2) für die Items des BDI Fast Screen für die Gesamtstichprobe und getrennt nach dem Geschlecht..........................................37 Tabelle 11: Modellfit-Indices der konfirmatorischen Faktorenanalyse...........................................................................38 Tabelle 12: Mittelwerte (M) und Standardabweichungen (SD) für die Items des BDI Fast Screen getrennt nach dem Geschlecht............................................................................39 Tabelle 13: Prozentränge (PR) und T-Werte (T) getrennt nach Altersgruppen für die Männer..................................................52 Tabelle 14: Prozentränge (PR) und T-Werte (T) getrennt nach Altersgruppen für die Frauen....................................................53 Tabelle 15: Prozentränge (PR) und T-Werte (T) getrennt nach Altersgruppen für die Gesamtstichprobe................................54 Danksagung Die Autoren möchten sich an dieser Stelle sehr herzlich bei Frau Julia Pellmann, Frau Summer Algret Pellmann, Frau Alma Pellmann, Frau Schuli Pellmann, Frau Susanne Gödde, Frau Birte Thomas, Herrn Tobias Birowicz und Herrn Markus Zenger für ihre Unterstützung bedanken. Kapitel 1: Entwicklung 1.1 Einleitung In den letzten 12 Monaten litten in Europa, aktuellen Schätzungen zufolge, etwa 7 % der Jugendlichen und Erwachsenen an einer Major Depression (Wittchen et al., 2011). Wiederholt wurde dabei in verschiedenen epidemiologischen Untersuchungen auf ein deutlich höheres Erkrankungsrisiko für Frauen hingewiesen (z. B. WHO, 2001; Wittchen et al., 2011): So liegt das Erkrankungsrisiko bei diesen mit einer Lebenszeitprävalenz von 10-25 % doppelt so hoch wie das der Männer mit 5-12 % (Saß, Wittchen & Zaudig, 2001). Depressionen können sich in jedem Lebensalter manifestieren, wobei eine Ersterkrankung häufig bereits zwischen dem 14ten und 30ten Lebensjahr auftritt (Jacobi et al., 2004). Für ältere Menschen werden häufig höhere Prävalenzraten (15-25 %) berichtet als für jüngere (15-20 %), wobei in der Hoch-Altersgruppe höhere Komorbiditätsraten mit körperlichen Grunderkrankungen sowie teilweise dadurch bedingten Funktionseinschränkungen vorliegen (z. B. Härter & Baumeister, 2007). Depressionen verlaufen häufig rezidivierend bzw. chronisch und verursachen, im Vergleich zu anderen Erkrankungen, ein besonders hohes subjektives Leiden (Murray & Lopez, 1997a) sowie hohe direkte und indirekte volkswirtschaftliche Kosten (jährlich alleine 113.4 Milliarden Euro für den europäischen Raum; Wittchen et al., 2011). Nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) werden im Jahr 2020 Depressionen nach den ischämischen Herzerkrankungen an zweiter Position auf der Liste von Erkrankungen stehen, die die Lebenszeit in den Industriestaaten am bedeutsamsten einschränken; 2030 sollen sie den ersten Platz einnehmen (Murray & Lopez, 1997b; WHO, 2008). Ein bedeutender Bereich für die Früherkennung depressiver Störungen ist die medizinische Primärversorgung, die in der Bundesrepublik Deutschland zumeist durch Hausärzte bzw. Kinder- und Jugendärzte geleistet wird. Oftmals begleiten die Hausärzte einen Patienten / eine Patientin über Jahre hinweg und sind die ersten Ansprechpartner bei somatischen bzw. psychischen Auffälligkeiten und Beschwerden (Pietsch et al., 2012). Dennoch sind die Erkennungsraten für Depressionen in der 7 Primärversorgung häufig nicht ausreichend (21-55 %; Ani et al., 2008; Balestrieri, Bisoffi, Tansella, Martucci & Goldberg, 2002; McGrady, Lynch, Nagel & Tamburrino, 2010; Wittchen & Pittrow, 2002). Als Gründe für diese unzureichenden Erkennungsraten kann neben Zeitmangel und der damit verbundenen fehlenden Exploration psychischer Störungen auch der Einsatz von wenig geeigneten psychometrischen Verfahren zu Früherkennung genannt werden (Sharp & Lipsky, 2002). Demnach besteht in der medizinischen Primärversorgung ein Bedarf an Screeninginstrumenten, die neben einer hohen, möglichst fehlerfreien Detektionsrate unkompliziert und ökonomisch durchgeführt und ausgewertet werden können. Mit dem Beck Depressions-Inventar (BDI) liegt ein weltweit verbreitetes Selbstbeurteilungsinstrument zur Erfassung des Schweregrades einer Depression vor, welches darüber hinaus auch zum Screening in der Normalbevölkerung eingesetzt werden kann. Mittlerweile wurde das Instrument an die Depressionskriterien des DSM–IV angepasst und als BDIII erneut für den deutschen Sprachraum aufgelegt (Hautzinger, Keller & Kühner, 2006). Die Überarbeitung umfasste dabei z. B. die Aussagen zum Schlafmangel und zur Appetitlosigkeit. Andere Aussagen wie z. B. zur Unruhe, zur Wertlosigkeit, zu Konzentrationsschwierigkeiten und zum Energieverlust wurden gänzlich neu konstruiert. Trotz der Verbreitung des BDIs wurde mehrfach die Frage aufgeworfen, ob die Einbeziehung von Aussagen zu somatischen Beschwerden und Leistungsfähigkeit zu einer fälschlichen Erhöhung der Prävalenz bzw. zu einer Überschätzung des Schweregrades von Depressionen bei Patienten mit somatischen Grunderkrankungen führen könnte (z. B. Cavanaugh, Clark & Gibbons, 1983; Clark, Cavanaugh & Gibbons, 1983; Plumb & Holland, 1977). So können z. B. bei Patienten mit Diabetes, Herzerkrankungen, Lungenentzündung oder Substanzmissbrauch somatische Symptome wie Müdigkeit oder Erschöpfung im BDI-II als Symptome einer Depression erfasst werden, obgleich diese möglicherweise als Folge einer körperlichen Erkrankung zu bewerten sind. Auf Grundlage dieser Überlegungen wurde 1997 das Beck Depression Inventory for Primary Care (BDI-PC) von Beck, Guth, Steer und Ball mit dem Ziel entwickelt, die Anzahl falscher Screening-Entscheidungen im Kontext der medizinischen Grundversorgung zu reduzieren. Im Jahr 2000 wurde das Verfahren als Beck Depression Inventory Fast Screen for Medical Patients (BDI-FS) für den englischen Sprachraum publiziert (Beck, Steer & Brown, 2000). 8 1.2 Geschichte Bereits 1987 konstruierten Beck und Steer eine kognitiv-affektive Subskala des BDI-I, welche bei der Untersuchung von Patienten mit bereits bekannten somatischen Grunderkrankungen bzw. Suchterkrankungen eingesetzt werden sollte. Damit folgten die Autoren den Empfehlungen von Plumb und Holland, die bereits 1977 forderten, die übergreifenden Items des BDI-I zu somatischen Symptomen und Leistungsfähigkeit auszuschließen. Darauf aufbauend wurde nach der Veröffentlichung des BDI-II im Jahr 1996 von Beck, Steer und Brown vorgeschlagen, dass ein Teil der 14 psychologischen Items sinnvoll für ein Depressions-Screening von Patienten mit medizinischen Problemen oder Substanzmissbrauchsproblemen eingesetzt werden könnte. In Folge dessen wurde der BDI-FS entwickelt: In einem ersten Schritt wurden Items des BDI-II auf Grundlage von inhaltlichen Überlegungen eingeschlossen. So wurden die Aussagen zur Traurigkeit und die Aussagen zum Verlust der Freude ausgewählt, da eines dieser beiden Symptome vorliegen muss, um eine Major Depression nach DSM-IV Richtlinien diagnostizierten zu können. Zweitens wurden die Aussage zu Suizidgedanken miteinbezogen, um eine klinische Einschätzung des Selbstmordrisikos zuzulassen. Anschließend wurden auf Basis von Faktorenanalysen anhand der Normierungsstichproben des BDI-II (500 Patienten aus ambulant psychiatrischer Behandlung sowie 120 College-Studenten) weitere Items ausgewählt, die der kognitiven Komponente der Depressionssymptomatik zuzuordnen sind. Ausschlaggebend für diese Entscheidung war die Feststellung, dass sich diese Items nicht mit den physischen oder medizinischen Symptomen einer Depression überschneiden (Beck et. al, 2000). Bei den ambulanten Patienten konnten vier Aussagen mit hohen (> .35) Ladungen auf die kognitive Dimension identifiziert werden, welche sich in der studentischen Stichprobe weitestgehend bestätigen ließen. Die Items beinhalten dabei Aussagen zum Pessimismus, Aussagen zu Versagensgefühlen, Aussagen zur Selbstablehnung und Aussagen zur Selbstkritik. Eine vergleichende Übersicht des BDI-II, der kognitiv-affektiven Subskala sowie des BDI-FS sind in Tabelle 1 einzusehen. 9 Tabelle 1 Zuordnung der BDI-II Items zum BDI Fast Screen und zur Kognitiv-affektiven Skala nach Beck und Steer (1993) BDI-II Items 10 Kognitivaffektive Skala nach Beck und Steer (1993) BDI Fast DSM-IV bzw. DSM 5 Screen Kriterium Items nach Beck et al. (2000) 1. Traurigkeit x x 1. Depressive Verstimmung 2. Pessimismus x x 1. Depressive Verstimmung 3. Versagensgefühle x x 7. Wertlosigkeit/ unangemessene Schuldgefühle 4. Verlust an Freude x x 2. Interessen-/Freudminderung 5. Schuldgefühle x 7. Wertlosigkeit/ unangemessene Schuldgefühle 6. Bestrafungsgefühle x 7. Wertlosigkeit/ unangemessene Schuldgefühle 7. Selbstablehnung x x 7. Wertlosigkeit/ unangemessene Schuldgefühle 8. Selbstkritik x x 7. Wertlosigkeit/ unangemessene Schuldgefühle 9. Suizidgedanken x x 9. Suizidalität 10. Weinen x 1. Depressive Verstimmung 11. Unruhe x 5. Psychomotorische Unruhe/ Verlangsamung 12. Interessenverlust x 2. Interessen-/Freudminderung 13. Entschlussunfähigkeit x 8. Konzentrations-/ Entscheidungsschwierigkeiten 14. Wertlosigkeit x 7. Wertlosigkeit/ unangemessene Schuldgefühle 15. Energieverlust 6. Erschöpfung/Energieverlust 16. Veränderung der Schlafgewohnheiten 4. Insomnie/Hypersomnie 17. Reizbarkeit 1. Depressive Verstimmung 18. Appetitveränderung 3. Gewichtszunahme/-verlust/ Appetitsveränderung 19. Konzentrationsschwierigkeiten 8. Konzentrations-/ Entscheidungsschwierigkeiten 20. Müdigkeit 6. Erschöpfung/Energieverlust 21. Verlust an sexuellem Interesse 2. Interessen-/Freudminderung 1.3 Reihenfolgeeffekte und Vergleichbarkeit mit dem BDI-II Weiss (1996) untersuchte an zwei unabhängigen Stichproben (26 Erwachsene aus der Normalbevölkerung und 25 Doktoranden), ob sich bedeutsame Unterschiede in den Ausprägungen der BDI-FS Gesamtwerte ergeben, wenn dieses als 7-Item-Inventar vorgegeben oder in die BDI-Langversion eingebettet war. Es ergaben sich keine signifikanten Mittelwertunterschiede bezüglich der Darbietungsvarianten. Nach Beck et al. (2000) kann hieraus geschlossen werden, dass das BDI-FS als weitgehend frei von bedeutsamen Reihenfolge- bzw. Frage-Kontext-Effekten eingeschätzt werden kann. In mehreren Studien konnten darüber hinaus starke Korrelationen zwischen BDI-FS und BDI-II Werten vorgefunden werden (r = .85 bis r = .92; z. B. Beck et al., 1996; Benedict, Fishman, McClellan, Bakshi & Weinstock-Guttman, 2003; Neitzer, Sun, Doss, Moran & Schiller, 2012; Poole, Bramwell & Murphy, 2009). Beck et al. (2000) schlagen dabei auf Basis von Regressionsanalysen folgende lineare Transformation vor, mit der BDI-FS Gesamtwerte in BDI-II Gesamtwerte überführt werden können (vgl. Abbildung 1): BDI-II-Wert = (2.54 x BDI-FS-Wert) + 3.97 Abbildung 1: Transformation von BDI Fast Screen Werten in BDI-II Werte nach Beck et al. (2000). 11 1.4 Klinische Anwendung Das BDI-FS misst die Schwere der Depression entsprechend der psychologischen bzw. nicht-somatischen Kriterien für die Diagnose einer Major Depression nach DSM-IV. Da sich im Zuge der aktuellen Überarbeitung des bestehenden Klassifikationssystems keine Veränderungen hinsichtlich des diagnostischen Vorgehens ergeben haben, kann das Instrument aber auch unproblematisch zur Erfassung der nicht-somatischen Symptomschwere einer Major Depression nach DSM-5 eingesetzt werden. Das Instrument kann bei Jugendlichen ab dem 13. Lebensjahr sowie bei Erwachsenen eingesetzt werden. Das BDI-FS sollte nicht als Verfahren zur Erstellung einer klinischen Diagnose verwendet werden. Auch sollte das Verfahren nicht als Ersatz der 21-Item Langversion (BDI-II) betrachtet werden, insbesondere wenn bei Patienten, denen eine depressive Störung diagnostiziert wurde, die Schwere einer Depression eingeschätzt werden soll. Weiterhin empfiehlt es sich nicht, den BDI-FS als einziges Instrument im Rahmen einer klinischen Evaluation einzusetzen, da Depressionen auch als Begleiterscheinungen von anderen psychischen Störungen, wie z. B. Panikstörungen, Schizophrenie, Zwangsstörungen oder Generalisierten Angststörungen auftreten können. Weiterhin können auch Personen, die sich in einer akuten Phase des Trauerns befinden (z. B. als Reaktion auf den Verlust einer nahestehenden Person) teilweise Symptome einer Major Depression angeben. Durch den Wegfall des „bereavement exclusion criterion“ im DSM-5 kann der Kliniker, sofern die Symptome über einen Zeitraum von 2 Wochen persistieren, äquivalent zur ICD-10 Diagnostik nun auch hier zur Diagnosestellung übergehen. Angemerkt werden sollte dennoch, dass die überwiegende Mehrheit der Trauernden auch unbehandelt nach einigen Wochen symptomfrei ihren normalen Lebensalltag wieder aufnimmt, daher sollte sich der Kliniker fragen, ob eine therapeutische oder medikamentöse Intervention, z. B. aufgrund besonders starker Trauerreaktion oder einer schwach ausgeprägten Fähigkeit der Selbstregulation, dennoch als gerechtfertigt erscheint (DGPPN, 2013). Obwohl das BDI-FS auch von semiprofessionellen Personen angewendet und ausgewertet werden könnte, sollte die Interpretation der Ergebnisse nur durch Personen mit angemessener klinischer Ausbildung und Erfahrung erfolgen: Depressionen können bei psychiatrischen Patienten mit einem Suizidrisiko einhergehen, daher ist es unbedingt nötig, dass der behandelnde Kliniker fähig ist, mit der gesamten Bandbreite angemessener therapeutischer Interventionen oder Überweisungs-/ Einweisungs12 verfahren zu reagieren. Zudem sollte der Kliniker ein besonderes Augenmerk auf die Antworten der Aussage zum Pessimismus und der Aussage zu Suizidgedanken richten, die eventuell ein bestehendes Suizidrisiko indizieren können (siehe auch Interpretation der Testergebnisse). Der geschulte Anwender sollte darüber hinaus mit den Standards für pädagogisches und psychologisches Testen (Häcker, Leutner, Amelang & Pfannenschwarz, 1998) vertraut sein. 1.5 Bisherige Studien zum BDI-FS Neben den Analysen zum deutschen BDI-FS, die in Kapitel 3 und 4 ausführlich behandelt werden, liegen weitere publizierte Analysen zur psychometrischen Güte des BDI-FS vor. Im amerikanische BDI-FS Handbuch (Beck et al., 2000) werden dabei vier Stichproben (Mittelwerte, Standardabweichungen sowie Trennschärfen dieser Stichproben finden sich in Tabelle 2) herangezogen, die im Folgenden überblicksartig vorgestellt werden: Stichprobe aus dem psychiatrischen Konsiliar-/Liaisondienst (Beck, Guth et al., 1997) Bei der ersten Stichprobe handelt es sich um 50 Patienten mit allgemeinmedizinischen Beschwerden (z. B. respiratorischen Erkrankungen, Kreislauferkrankungen, urogenitalen Erkrankungen oder Erkrankung als Folge von Drogenkonsum), die nach stationärer Aufnahme an den psychiatrischen Konsiliar- bzw. Liaisondienst weiterverwiesen wurden. Die Stichprobe setzt sich aus 30 (60 %) Frauen und 20 (40 %) Männer zusammen. Das Alter lag im Mittel bei 39.72 (SD = 16.81) Jahren mit einer Spannweite von 16 bis 80 Jahren. Insgesamt wurde in dieser Stichprobe bei etwa 66 % der Patienten eine Major Depression mittels des PRIMEMD für DSM-IV (Spitzer, Kroenke & Williams, 1999) diagnostiziert. Stichprobe aus Hausarztpraxen (Beck et al., 2000) Bei der zweiten Stichprobe handelt es sich um 94 ambulant behandelte Patienten aus der medizinischen Erstversorgung mit allgemeinmedizinischen Beschwerden. Hiervon waren 70 % weiblichen und 30 % männlichen Geschlechts. Das Alter lag im Mittel bei 46.11 (SD = 14.98) Jahren mit einer Spannweite von 16 bis 77 Jahren. In dieser Stichprobe ließ sich bei etwa 24 % der Patienten mittels PRIME-MD eine Major Depression diagnostizieren. 13 Stichprobe aus Kinder-/Jugendarztpraxen (Winter, Steer, Jones-Hicks & Beck, 1999) Die dritte Stichprobe wurde in der kinderärztlichen Fakultät der University of New Jersey rekrutiert. Das Geschlechtsverhältnis war in dieser Stichprobe ausgewogen. Das Alter lag im Mittel bei 13.89 Jahren (SD = 1.58) mit einer Spannweite von 12 bis 17 Jahren. Bei 11 % der befragten Jugendlichen konnte mittels PRIME-MD eine Major Depression diagnostiziert werden. Stichprobe aus der Inneren Medizin (Steer, Cavalieri, Leonard & Beck, 1999) Die vierte Stichprobe umfasst 120 konsekutive ambulante Patienten mit allgemeinmedizinischen Beschwerden. Die Stichprobe setzte sich zu gleichen Teilen aus Männern und Frauen zusammen. Das Alter lag in dieser Stichprobe im Mittel bei 58.44 (SD = 15.50) Jahren mit einer Spannweite von 25 bis 82 Jahren. Insgesamt konnte bei 24 % der befragten Patienten mittels PRIME-MD eine Major Depression diagnostiziert werden. Tabelle 2 Mittelwerte (M), Standardabweichungen (SD), und Trennschärfen (rit) des BDI Fast Screen für die Stichproben des amerikanischen Manuals Stichprobe Stichprobe aus Hausarzt- aus der praxen Inneren Medizin Stichprobe aus dem Konsiliar-/ Liaisondienst M SD rit M SD rit M SD rit M SD rit Traurigkeit .43 .71 .71 .22 .44 .70 .27 .60 .66 .86 .81 .40 Pessimismus .45 .73 .69 .42 .66 .64 .25 .52 .67 1.02 .94 .71 Versagensgefühle .38 .70 .56 .28 .58 .56 .29 .61 .72 .74 .90 .62 Verlust an Freude .81 .81 .59 .47 .59 .67 .31 .58 .47 .98 .84 .74 Selbstablehnung .57 .81 .71 .38 .73 .71 .22 .60 .75 1.06 1.08 .70 Selbstkritik .50 .74 .65 .37 .69 .70 .38 .66 .69 .56 .76 .66 Suizidgedanken .10 .30 .36 .07 .25 .32 .15 .46 .78 .54 .67 .59 Summenwerte 14 Stichprobe aus KinderJugendarztpraxen 3.23 3.57 - 2.18 2.96 - 1.87 3.10 - 5.76 4.46 -