Beugen Sie Coli-Problemen gezielt vor

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Tiergesundheit
Beugen Sie Coli-Problemen
gezielt vor
Die meisten Ferkelverluste nach dem Absetzen gehen
auf das Konto Coli-bedingter Darminfektionen. Fachtierärztin Dr. Dörthe Norden aus Brockel ­erläutert, wie
Sie wirksam vorbeugen.
Übersicht: So heften sich die Colis an
Das ColiBakterium
heftet sich mit
seinen Fimbrien an spezielle Andockstellen der
Darmschleimhaut.
Geißeln
Fimbrien
Anheftungsstelle
Darmwand
Darmschleimhaut
Coli-Bakterium
Grafik:
Thiemeyer
M
eist erwischt es ausgerechnet die
kräftigsten Tiere des Wurfes: Die
Augenlider der abgesetzten Ferkel schwellen an und die Nasenrücken
verdicken durch Wassereinlagerungen.
Einige Tiere liegen rudernd auf der Seite.
Gleichzeitig kann Durchfall auftreten.
Erkrankte Ferkel sterben meist. Und
Überlebende bleiben in ihrer Gewichtsentwicklung zurück.
Ein typischer Fall von Ödemkrankheit, ausgelöst durch eine Infektion mit
dem Bakterium Escherichia coli (E. coli).
Es scheint, dass sich die meisten Ferkelerzeuger inzwischen mehr schlecht als
recht mit dem Erreger arrangiert haben.
Etliche Betriebe kommen mittlerweile
nicht mehr umhin, ihre abgesetzten Ferkel antibiotisch zu behandeln (siehe Kasten). Dabei ließe sich durch konsequente
vorbeugenden Maßnahmen oftmals das
Schlimmste verhindern.
Um erfolgreich gegen die Coli-Bakte-
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Antibiotika
­gezielt einsetzen
Die massenhafte Vermehrung der
Coli-Keime kann durch den Einsatz
wirksamer Antibiotika gestoppt werden. Welches Antibiotikum dabei zum
Einsatz kommt, entscheidet der Tierarzt. In Problembeständen sollte auf
jeden Fall eine Keimbestimmung bzw.
ein Resistenztest durchgeführt werden. Denn die im Betrieb auftretenden Serotypen und deren Resistenzeigenschaften können wechseln. Aussagekräftige Ergebnisse erzielen Sie,
wenn Sie für den Resistenztest gemeinsam mit dem Hoftierarzt frisch
erkrankte, noch nicht behandelte Ferkel auswählen.
rien vorgehen zu können, muss man aber
zunächst verstehen, wie es zu der Erkrankung kommt. E. coli gehört zu den normalen Darmbesiedlern des hinteren
Dünndarms und des Dickdarms. Die
Bakterien werden mit dem Kot ausgeschieden und sind in der Umwelt weit
verbreitet. Man muss jedoch zwischen
„gutartigen“ und krank machenden
E. coli-Stämmen unterscheiden:
Für den typischen Coli-Durchfall nach
dem Absetzen sind vor allem enterotoxische E. coli verantwortlich. Diese Erreger
besitzen fingerartige Proteinfortsätze auf
der Zelloberfläche, so genannte Fimbrien
(Typ F 4 und 18 ac). Sie ermöglichen eine
Anheftung an die Darmwand (siehe Übersicht) und bilden im Darm wirksame Giftstoffe, so genannte Enterotoxine.
Die Ödemkrankheit hingegen lösen
Shiga-Toxin bildende E. coli-Bakterien
aus. Auch sie besitzen Fimbrien (Fimbrienantigen F 18 ab). Das von ihnen gebildete Shiga-Toxin schädigt die Blutgefäße
und bewirkt dadurch die Bildung von
Ödemen. Durch Sauerstoffmangel wird
das Nervengewebe beeinträchtigt, und es
kommt zu zentralnervösen Störungen.
Die Schockformen und plötzlichen Todesfälle, die in diesem Krankheitskomplex auftreten können, sind auf die Freisetzung großer Toxinmengen zurückzuführen, die beim Zerfall der Bakterienzellwänden frei werden. Das kann z. B. der
Fall sein, wenn die Tiere antibiotisch gegen Escherichia coli behandelt wurden.
Beide Krankheitsbilder – Ödemkrankheit und Colidurchfall – können sowohl
bei einzelnen Tieren als auch im gesamten Bestand auftreten.
Absetzstress schwächt
die Abwehr
Zur Entstehung: Frisst ein Ferkel nach
dem Absetzen wenig, kommt es zu tiefgreifenden Veränderungen der Darmfunktion. Zuerst werden die Darmzotten
zerstört. Dadurch nimmt das Futter- und
In Coli-Problembeständen sollten Sie auf jeden Fall
eine Keimbestimmung per
Kottupfer durchführen.
Wasseraufnahmevermögen des Darmes
ab. Und der Darm ist durch das Absterben der Darmzellen in seiner Abwehr geschwächt.
Bleibt die Frage, welche Faktoren das
Entstehen von Colidurchfällen bzw. der
Ödemkrankheit begünstigen und wie Sie
wirksam vorbeugen können?
Fakt ist, dass sich die Umwelt für die
Ferkel nach dem Absetzen abrupt
ändert. Es sind vor allem drei Faktoren,
die das Ferkel stressen und die Colibakterien die Oberhand gewinnen lassen:
n Futterumstellung: Das Ferkel muss
seine Ernährung von hoch verdaulicher
Sauenmilch auf Ferkelfutter umstellen.
n Wasser statt Milch: Statt der körperwarmen Sauenmilch ernährt sich das Ferkel künftig von kaltem Wasser.
n Neues Umfeld: Aus dem warmen Ferkelnest mit optimalem Mikroklima wird
das Ferkel in ein Flatdeck umgestallt, in
dem es oftmals zu kalt ist. Hinzu kommt,
dass im Flatdeck eine neue Rangordnung
ausgekämpft werden muss.
Wollen Sie die rasche Vermehrung der
krank machenden E. coli-Bakterien hemmen, müssen sie diese drei Faktoren für
die Ferkel so tierfreundlich wie möglich
gestalten.
Füttern Sie die Saugferkel
rechtzeitig zu
Fütterungsmaßnahmen sind die effektivste Waffe gegen E. coli! Um wirkungsvoll gegensteuern zu können, muss man
die Grundlagen der Verdauungsphysiologie kennen und beachten. Deshalb kurz
einige Grundlagen.
Die Verdauung im Magen-Darm-Trakt
des Ferkels erfolgt durch Enzyme. Die
Verwertung und Verträglichkeit der
Nährstoffe hängen von der Entwicklung
der Enzymsysteme im Verdauungstrakt
ab. Während der Säugezeit ist die Enzym-
aktivität darauf ausgerichtet,
die Sauenmilch möglichst vollständig zu verwerten. Daher
ist zwar die Aktivität der
Milchzucker spaltenden Laktase hoch. Die Aktivität der
Enzyme für die Eiweiß- (Trypsin), Fett- (Lipase) und Stärkespaltung (Amylase) muss
sich während der ersten vier
Lebenswochen jedoch erst
entwickeln.
Sie sollten daher dem Verdauungstrakt der Ferkel ermöglichen, sich auf die veränderte Zusammensetzung des
Futters einzustellen. Es ist
wichtig, dass Sie die Ferkel
rechtzeitig zufüttern, um die
Umstellung des Enzymsystems und die Ausbildung der
Darmzotten zu fördern.
Passen Sie außerdem die
Zusammensetzung des Futters
an die Enzymaktivität an.
Denn nur so lässt sich eine
hohe Anflutung unverdauter
Stärke im hinteren Dünndarmabschnitt vermeiden, die
für die Coli-Bakterien eine
ideale
Nahrungsgrundlage
wäre. Achten Sie darauf, dass
das Ferkelfutter schmackhaft
ist! Das erhöht die Futteraufnahme, so dass die Ferkel
mehr Enzyme bilden und in
den Magen-Darm-Trakt ausschütten können.
Zudem muss der Mageninhalt möglichst schnell durchsäuern. Denn ein
schwacher Säuregrad fördert die Bakterienbesiedlung, und die Keime können ungehindert in den Dünndarm gelangen. In
den ersten drei bis vier Lebenswochen ist
das Ferkel noch nicht in der Lage, selbst
im Magen Salzsäure zu produzieren. Erst
mit sieben bis zehn Wochen hat sich das
Verdauungssystem auf diese Möglichkeit
der Magensäuerung umgestellt.
Der Ferkelstarter und das Aufzuchtfutter 1, das in den ersten zwei bis drei
Wochen nach dem Absetzen gefüttert
wird, sollten daher aufgeschlossenes Getreide, hoch verdauliche Eiweiße (Molkeund Sojaprotein, Kartoffeleiweiß) und
hochwertige Fette enthalten.
Der Rohproteingehalt darf 18 % nicht
übersteigen. Und die Pufferkapazität des
Futters sollte möglichst gering sein, um
die Säure im Magen nicht zu neutralisie-
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Tiergesundheit
ren. Puffernde Substanzen enthalten vor
allem Proteine und Mineralstoffe.
Empfehlenswert ist der Zusatz von organischen Säuren (Propion- und Ameisensäure). Denn sie verbessern die
Durchsäuerung im Magen. Probiotika gehören als Gegenspieler zu potenziellen
Schadkeimen inzwischen standardmäßig
in jedes Ferkelfutter.
Um die Futteraufnahme nach dem
Absetzen zu fördern, sollten Sie den Ferkeln mehrmals täglich breiiges Futter in
kleinen Mengen anbieten. Das kann über
zusätzliche Anfütterungsschalen geschehen. Wichtig ist jedoch, dass die Schalen
bzw. Tröge sauber sind! Zum Umgewöhnen streuen Sie nach zwei Tagen über das
angebreite Futter immer mehr Trockenfutter bis Sie das Zufüttern nach fünf bis
sechs Tagen beenden können.
Als Absetzmischung hat sich mehlförmiges Futter bewährt. Denn es lässt sich
von den Tieren besser einspeicheln und
führt zu einer schnelleren Durchsäuerung
im Magen. Am besten setzen Sie in den
ersten Tagen nach dem Absetzen das Futter ein, mit dem Sie die Ferkel schon ab
der zweiten Lebenswoche bei der Sau angefüttert haben. Um einen abrupten Futterwechsel zu vermeiden, erfolgt der
Übergang von einer Futtersorte zur
nächsten durch Verschneiden.
Kontrollieren Sie Tränken
und Wasserqualität
Während der Säugephase nehmen die
Ferkel über die Sauenmilch ausreichend
Flüssigkeit auf. Nach dem Absetzen müssen die Tiere dann selbst eine neue Flüssigkeitsquelle finden. Daher ist es wichtig,
dass die Tränken leicht zu bedienen und
in der richtigen Höhe angebracht sind –
am besten verstellbar.
Ein Ferkel muss täglich 1 bis 3,5 Liter
Wasser zu sich nehmen, das entspricht
etwa 10 % seines Körpergewichts. Um
dies zu gewährleisten, sollten die Tränkenippel eine Durchflussrate von 0,5 bis 0,8 l/min aufweisen. Zwölf Tiere pro Nippel sind ideal und vom Gesetzgeber ohnehin vorgeschrieben.
Der Futterverzehr ist an die Wasseraufnahme gekoppelt. Wasser ist daher der
preiswerteste Leistungsförderer für die
Tiere. Es kann aber auch die größte Problemquelle sein. Lassen Sie daher die
Qualität des Tränkewassers regelmäßig
überprüfen! Um Biofilm, Beläge und Mikroorganismen aus den Leitungen zu entfernen, empfiehlt sich eine regelmäßige
Reinigung der Leitung. Hierzu sind verschiedene Präparate im Angebot: Organische Säuren, die in 0,3 %-iger Lösung
eingesetzt werden, sowie TränkewasserDesinfektionsmitttel auf Peroxidbasis
oder Chlordioxid.
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Typisches Ödemferkel mit geschwollenem Nasenrücken
durch Wassereinlagerungen.
Fotos: Nienhoff (2),
Tovornik
Erleichtern Sie den Ferkeln
die Umstellung
Kommt das Ferkel ins Flatdeck, ist zunächst alles neu und verändert: Die Sau
als Nahrungsquelle fehlt, und Wasser bzw.
Futter sind nur schwer zu finden. Außerdem stößt das Tier auf fremde Artgenossen, die zu Rangordnungskämpfen herausfordern. Und zu allem Überfluss ist
auch noch das warme Ferkelnest verschwunden. Das alles bedeutet Stress für
das Tier. Stress, der sich negativ auf die
Ferkelgesundheit auswirken kann.
Am schonensten ist es, wenn Sie die
Ferkel nach dem Absetzen zunächst in
der Abferkelbucht belassen. Das ist allerdings in vielen Betrieben aus Platzgründen nicht machbar. Außerdem werden
auf diese Weise die teuersten Tierplätze
unnötig lange blockiert.
Deshalb gilt es, den Ferkeln beim Um-
stallen ins Flatdeck so viel Vertrautes wie
möglich zu bewahren. Halten Sie zum
Beispiel den Wurf beeinander, um die
Rangordnungskämpfe zu minimieren.
Und wenn sich das Umgruppieren schon
nicht vermeiden lässt, dann achten Sie zumindest auf eine gleichmäßige Größenverteilung! Die kleinsten Ferkel sortieren
Sie besser von vornherein in eine separate Bucht.
Die Anfütterungsschalen kennen die
Ferkel im Idealfall schon aus der Abferkelbucht. Und damit sich die Ferkel auch
besser orientieren können, sollte das
Licht in den ersten zwei bis drei Nächten
nach dem Umstallen im Flatdeckabteil
durchgehend leuchten. Dadurch können
die Tiere ihre Artgenossen beim Fressen
beobachten. Das erhöht den Anreiz, sich
selbst zum Trog zu bewegen.
Da die Sau und das Ferkelnest als
Wärmequelle entfallen, muss die Liegefläche im Flatdeck ausreichend temperiert sein. Ferkel, die sich wohl fühlen, liegen neben- und nicht dicht gedrängt
übereinander. Die Beobachtung der Ferkel liefert hier oft wichtigere Hinweise
zum Stallklima als der Blick auf die Anzeige des Lüftungscomputers!
Achten Sie auf
Futter-Verweigerer
Auch an den Augenlidern ist eine
deutliche Schwellung zu erkennen.
Die ersten Tage nach dem Absetzen
sind die entscheidenden Tage. Ödemkrankheit und Coli-Durchfälle treten
meist erst etwa eine Woche nach dem Absetzen auf. Die Ursache liegt aber in der
mangelnden Futter- und Wasseraufnahme direkt nach dem Absetzen.
Um die Enzymproduktion zu fördern
und die Darmzellen gesund zu erhalten,
ist es wichtig, das die Ferkel zu keinem
Zeitpunkt die Futteraufnahme einstellen.
Die Futterübergänge sollten Sie daher
möglichst gleitend gestalten.
Besonders gefährdet sind
die am besten entwickelten
Ferkel des Wurfes. Denn sie
hatten an der Sau die milchreichsten Zitzen und waren
deshalb bisher nicht darauf
angewiesen, zusätzlich festes
Futter aufzunehmen. Sie müssen jetzt erst lernen, ihren
Nährstoff- und Flüssigkeitsbedarf über festes Futter und
Wasser zu decken.
Achten sie auf Futter-Verweigerer! Sie sind in der Regel leicht an den hohlen Flanken zu erkennen. Am besten
richten Sie im Flatdeck eine
separate Bucht für diese Problemfälle ein, die Sie besonders intensiv betreuen können. Empfehlenswert ist zudem eine zusätzliche Wärmequelle, die die Ferkel vor
Unterkühlung schützt.
✔
Wir fassen
­zusammen
Coli- und Ödemprobleme
nach dem Absetzen sind in
erster Linie ein Fütterungsproblem. Die Ferkel müssen
rechtzeitig an die Aufnahme
von festem Futter gewöhnt
werden, damit Darmzotten,
Darmflora und Enzymsystem
Zeit haben, sich auf die veränderte Zusammensetzung
des Futters umzustellen.
Wichtig ist, dass die Ferkel
nach dem Absetzen durchfressen. Ein an das Verdauungssystem des Ferkels angepasstes Futter, eine ausreichende und qualitativ einwandfreie Wasserversorgung
sowie eine stressfreie Umgebung sind der Schlüssel für
gesunde Flatdeckferkel.
Checkliste zur
Coli-Vorsorge
Ziel muss sein, rund ums Absetzen jeden Stress für die
Ferkel zu vermeiden und die Darmgesundheit zu stabilisieren. Wichtig sind dabei folgende Punkte:
Mit gesunden Ferkeln starten;
Futterwechsel,
Impfungen und Operationen zum
Absetztermin möglichst vermeiden;
Erst
die Sauen aus der Abferkelbucht ausstallen, dann
zwei Tage später die Ferkel;
Flatdeck zum Absetzen auf mindestens 28 °C
vorheizen;
Abgesetzte Würfe im Flatdeck möglichst wenig
mischen;
Ferkelfutter mit abgesenktem Energie- und Rohproteingehalt einsetzen;
Calciumgehalt im Futter begrenzen (< 0,85 %) bei
gleichzeitigem Einsatz von Phytasen. Verwendung
alternativer Calciumquellen (z. B. Calciumformiat);
Organische Säuren zusetzen (z. B. Essig- oder
Ameisensäure);
Aufgeschlossenes Getreide erhöht die Verdauungskapazität der Enzyme;
Frisches und sauberes Tränkewasser ad libitum.
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