43_Muskelwachstum 26.08.2010 10:43 Uhr Seite 43 ernährung | workout & science Essen für schnelles Muskelwachstum Ernährungstipps für Kraftsportler Was ist bei der Ernährung mit dem Ziel Muskelaufbau durch Krafttraining zu beachten? Stephan Müller ist Experte im Bereich Ernährung und Personal Fitness Training. Er gibt wertvolle Tipps, wie man einen gesunden Muskelaufbau schneller erreichen kann. Zusätzlich räumt er mit Mythen und Gerüchten auf, die vor allem im Kraftsportbereich vorherrschen. iner der wichtigsten Bausteine für das Ziel Muskelaufbau ist und bleibt der Nährstoff Eiweiß. Eiweiß hat nicht nur die Aufgabe des Aufbaus von Muskeln, Sehnen, Knorpel, Knochen, Haut, Haaren und Zähnen sondern ist auch verantwortlich für ein stabiles Immunsystem, den Aufbau des Blutes, der Hormone und Enzyme sowie für die Regulierung des Flüssigkeitshaushaltes im Körper. E Biologische Wertigkeit Foto: Andrey Ushakov/Fotolia.com Bei der Aufnahme von Eiweißstoffen muss vor allem die biologische Wertigkeit beachtet werden um den Körper optimal mit den wichtigsten Aminosäuren zu versorgen. Die biologische Wertigkeit der Proteine in einem Lebensmittel ist ein Maß dafür, mit welcher Effizienz ein Nahrungsprotein in körpereigenes Protein umgesetzt werden kann. Je ähnlicher das Nahrungsprotein dem Körperprotein in seiner Aminosäurenzusammensetzung ist, desto weniger Nahrungsproteine pro kg Körpergewicht wird benötigt, um ein Proteingleichgewicht (Eiweißbilanz = 0, Eiweißsynthese = Eiweißabbau) zu erreichen. Besondere Be- 왘 trainer 5/2010 앚 43 43_Muskelwachstum 26.08.2010 10:43 Uhr Seite 44 workout & science | ernährung Weizenkeime Isoleucin: 1.320 mg, Leucin: 2.170 mg, Valin: 1.680 mg Gegensatz dazu ein Protein schlechter als Ei-Protein vom Körper verwertet, liegt die biologische Wertigkeit dieses Proteins unter 100. Je höher die biologische Wertigkeit eines Nahrungsproteins ist, desto niedriger ist die Bedarfsmenge, die mit der Nahrung zugeführt werden muss. Nüsse Isoleucin: 1.230 mg, Leucin: 2.050 Geschickte Kombinationen LEBENSMITTEL, DIE ALLE DREI AMINOSÄUREN ENTHALTEN: mg, Valin:1.450 mg Thunfisch Isoleucin: 1.210 mg, Leucin: 2.170 mg, Valin:1.420 mg Lachs Isoleucin: 1.160 mg, Leucin: 1.770 mg, Valin: 1.390 mg Rindfleisch, Filet Isoleucin: 1.090 mg, Leucin: 1.700 mg, Valin: 1.150 mg Kichererbsen Isoleucin: 1.140 mg, Leucin: 1.460 mg, Valin: 980 mg Kalbfleisch, Filet Isoleucin: 1.110 mg, Leucin: 1.660 mg, Valin: 1.120 mg Hüttenkäse Isoleucin: 790 mg, Leucin: 1.230 mg, Valin: 825 mg Reis, unpoliert Isoleucin: 340 mg, Leucin: 690 mg, Valin: 500 mg deutung kommt dem Gehalt an essenziellen Aminosäuren zu. Als Referenzwert dient Vollei, dessen biologische Wertigkeit willkürlich auf 100 (100%) gesetzt wurde, da es zu damaliger Zeit das Protein war, für welches die höchste biologische Wertigkeit angenommen wurde. Wird ein Nahrungsprotein besser als Ei-Protein vom Körper verwertet, hat es eine biologische Wertigkeit mit einem Wert über 100. Wird im 44 앚 trainer 5/2010 Durch geschickte Kombination können Nahrungsmittel mit einer relativ geringen biologischen Wertigkeit zu einer biologisch hochwertigen Mahlzeit werden, da sich die Aminosäurezusammensetzungen der jeweiligen Proteine zueinander ergänzen. Viele traditionelle Speisenzusammenstellungen führen zu einer Ergänzungswirkung (siehe Kombinationsbeispiele). Gute Kombinationen sind z.B. Bohnen und Mais (Chili con carne), Milch und Kartoffeln (Kartoffelbrei), Weizen und Milch (Pfannkuchen oder Müsli mit Milch). Tierisches Protein ist meist besser verwertbar als pflanzliches Protein, da dessen Aminosäurenzusammensetzung der des körpereigenen Proteins ähnlicher ist. Hochwertiger ist dabei nicht automatisch mit „wertvoller“ oder „vollwertiger“ gleichzusetzen, da der gesundheitliche Wert eines Lebensmittels durch zahlreiche weitere Faktoren bestimmt wird, z.B. den Gehalt an Vitaminen, Mineralien, enthaltenen Fetten, Kohlenhydraten oder Ballaststoffen. Das Prädikat „hochwertig“ wird verwendet um auszudrücken, dass eine geringere Masse an Proteinen gebraucht wird, um den Proteinbedarf des Körpers zu decken. Allgemein sollte man aber die Bedeutung der biologischen Wertigkeit nicht überbewerten, denn in der Praxis machen sich die Werteunterschiede nur sehr geringfügig bemerkbar. Eiweißbedarf eines Mannes Um seine Körperstrukturen zu erhalten benötigt ein 70 kg schwerer Mann ca. ein Gramm Eiweiß pro Kilogramm Körpergewicht. Bei einer Aufnahme von 70 g Eiweiß (bei einer 100% biologischen Wertigkeit) befindet er sich im Eiweißgleichgewicht, das heißt er erhält seine bisher aufgebaute Muskelmasse. Um ein Kilogramm Skelettmuskulatur aufzubauen, benötigt er 70 g Eiweiß plus die Menge an Eiweiß, die benötigt wird, um ein Kilogramm Muskulatur aufzubauen. Die Frage ist dann, wie viel Eiweiß wird benötigt, um ein Kilogramm Skelettmuskulatur im Monat aufzubauen? Dazu sollte man die Bestandteile der Skelettmuskulatur kennen. Ein Kilogramm Skelettmuskel besteht aus: m 70% Wasser m 22% Eiweiße m 7% Lipide m 1% Sonstiges (Mineralstoffe, Spurenelemente usw.) Ein Kilogramm Muskulatur beinhaltet somit ca. 220 g Eiweiß. Wenn eine Zunahme an fettfreier Körpermasse von einem Kilogramm pro Monat angestrebt wird, so bedeutet dies eine zusätzliche Aufnahme von 220 g Eiweiß pro Monat bzw. ca. 8 g pro Tag. Bedarf bei Krafttraining Wenn der erhöhte Eiweißbedarf durch das Training mit täglich 8 g angesetzt wird, so ergibt sich ein Gesamteiweißbedarf von 70 g nach den allgemeinen Wer 2 Liter pro Tag trinkt, steigert den Energieumsatz um bis zu 100 Kalorien Richtlinien zuzüglich 8 g für den Muskelaufbau und ca. 10 g als zusätzliche Reserve, also insgesamt 88 g (bei einer mindestens 100% biologischen Wertigkeit in der Ernährung). Das wären dann bei einer 70 kg schweren Person ca. 1,3 g pro Kilogramm Körpergewicht. Oft werden im Kraftsport 2–4 g Eiweiß pro Kilogramm Körpergewicht empfohlen. Diese Werte führen sehr häufig zu einer Überversorgung mit Eiweiß. Wenn pro Tag allein 20 g Eiweiß zu viel gegessen werden, wären das in der Woche 140 g und im Monat ca. 560 g. Um es noch drastischer darzustellen, würde für den Körper im Jahr ein Überangebot von 6.720 g Eiweiß bestehen. Zuviel Eiweiß wird entweder ausgeschieden oder in 43_Muskelwachstum 26.08.2010 10:43 Uhr Seite 45 ernährung | workout & science BIOLOGISCHE WERTIGKEITEN Vollei: 100 (Referenzwert) Soja: 84–86 Molkenprotein: 104–110 Reis: 81 Kartoffeln: 98–100 Roggenmehl: (82% Ausmahlung) ca. 76–83 Rindfleisch: 92 Thunfisch: 92 Kuhmilch: 88 Edamer Käse: 85 Fett umgewandelt und dann im Körper gespeichert. Hier ist Vorsicht geboten. Das richtige Eiweiß essen Wer auf eine eiweißreiche Ernährung achten möchte, sollte vermehrt Lebensmittel essen, die Muskel aufbauende Aminosäuren in größerer Menge beinhalten. Das sind vor allem die Aminosäuren Valin, Leucin und Isoleucin. Sie werden auch als BCAAs (Branched Chain Amino Acids = verzweigtkettige Aminosäuren wegen ihrer spezifischen Molekularstruktur) bezeichnet. Diese bauen ca. 35% der Skelettmuskulatur auf. Valin hemmt im Muskelgewebe den Proteinabbau und fördert den Erhalt sowie den Aufbau von Muskeleiweiß – vor allem bei sportlicher Betätigung und Erkrankungen. Valin ist reichlich enthalten in Thunfisch, Lachs, Linsen, Bohnen, Rindfleisch, Edamer, Parmesan, Gouda, Haferflocken. Leucin hemmt im Muskelgewebe ebenfalls den Proteinabbau und fördert den Erhalt sowie Aufbau von Muskeleiweiß. Zudem unterstützt die Aminosäure den Heilungsprozess von Muskelgewebe. Leucin ist reichlich enthalten in Erdnüssen, Sojabohnen, Garnelen, Parmesan und Edamer. Isoleucin nimmt eine besondere Funktion im Proteinstoffwechsel ein. Die essenzielle Aminosäure ist vorwiegend am Aufbau neuer Gewebe beteiligt und verstärkt die Proteinverknüpfung in Muskulatur und Leber. Isoleucin ist reichlich enthalten in Milchprodukten, Fleisch, Ei und Erdnüssen. Auswahl der Fettsäuren Ein weiterer wichtiger Bestandteil für die Ernährung im Kraftsport sind die Fettsäuren. Oft werden zu viele von den falschen Fetten bzw. zu wenig von den richtigen Fetten aufgenommen. Kraftsport- Bohnen: 72 Mais: 72 Weizenmehl (83% Ausmahlung): 56–59 (Quelle: Wikipedia) ler sollten vor allem die Trans-Fettsäuren meiden. Trans-Fettsäuren sind Fettsäuren mit trans-konfigurierten KohlenstoffDoppelbindungen. In der menschlichen Ernährung sind sie besonders bei industriell produzierter Nahrung zu finden (Fertigprodukte, Margarine, Süßigkeiten, Gebäck, Pommes Frites, Kekse, Kartoffelchips), wo sie durch die Härtung von Pflanzenöl entstehen. Nach wissenschaftlichen Untersuchungen geht von Nahrungsmitteln mit höheren Anteilen von Trans-Fettsäuren eine erhöhte Gesundheitsgefahr aus. Ein hoher Konsum dieser Fettsäuren gilt als eine Ursache für einen zu hohen LDLSpiegel im Blut (Low Density Lipoprotein, umgangssprachlich auch schlechtes Cholesterin genannt) und für einen Abfall des HDL-Spiegels (High Density Lipoprotein, umgangssprachlich auch als das gute Cholesterin bezeichnet), was zu Arteriosklerose und zu einem erhöhten Herzinfarkt- und Schlaganfallrisiko führen kann. Essenzielle Fettsäuren wählen Kraftsportler sollten auf alle Fälle darauf achten, genügend essenzielle Fettsäuren aufzunehmen, die Zellen im Körper aufbauen und für den Stoffwechsel eine entscheidende Bedeutung haben. Essenzielle Fettsäuren sind z.B. Linolsäure, Linolensäure, Eicosapentaensäure und Docosahexaensäure, die in Fisch, Leinsamen, Sojaöl, Hanföl, Kürbiskernen, Sonnenblumenkernen oder Nüssen vorkommen. Entscheidend für den Muskelaufbau ist auch, dass vorhandene Fettpolster im Körper reduziert werden. Um Fette im Körper abzubauen, benötigt der Körper Bestandteile, die den Stoffwechsel aktivieren wie z.B. Chili. Schon kleine Mengen der heißen Schoten erhöhen den Stoffwechsel und lassen kleine Schweiß- perlen auf die Stirn treten. Verantwortlich dafür ist der natürliche Stoff Capsaicin. Ähnlich wie beim Sport erhöht das Capsaicin kurzfristig die Thermogenese im Körper. Der Stoffwechsel erhöht sich und dadurch steigt der Kalorienverbrauch. Stoffwechsel aktivieren Auch Ingwer erhöht die Stoffwechselaktivität. Gingerol und Shaogol heißen die Wirkstoffe der frischen Knolle, die ähnlich wie Chili den Stoffwechsel, den Kreislauf und die Verdauung anregen und so dazu beitragen, Kalorien zu verbrennen. Auch Wasser erhöht den Energieverbrauch. Trinkt man täglich zwei Liter Wasser (am besten vor jeder Mahlzeit ein großes Glas), steigt der tägliche Energieumsatz um bis zu 100 Kalorien. Hier sollte eine gute Mineralstoffversorgung beachtet werden. Zitronen haben einen hohen VitaminC-Gehalt. Vitamin-C ist für den Fettstoffwechsel sehr wichtig, weil er im menschlichen Körper zusammen mit Niacin und Vitamin B6 die Produktion von L-Carnitin steuert und so die Fettverbrennung fördert. Die ätherischen Öle der Zitrone unterstützen zudem die Entgiftung der Leber. Stephan Müller Stephan Müller 앚 ist Inhaber des GluckerKolleg, Dozent und Lehrbeauftragter an der GluckerSchule, Inhaber PT Lounge und Mitglied im Vorstand des VAPT e.V. (Verband ausgebildeter Personal Fitness Trainer). www.glucker.de trainer 5/2010 앚 45