3. Jahrgang, November/Dezember 2009, 258-274 - - - Rubrik Fortbildungsartikel - - - Tumornekrosefaktor alpha Blocker zur Therapie der rheumatoiden Arthritis Rheumatische Erkrankungen TNFα-Blocker Rheumatoide Arthritis Effektivität der TNFα-Blocker TNFα Nebenwirkungen der TNFα-Blocker TNFα-Blocker bei rheumatoider Arthritis - 259 - Tumornekrosefaktor alpha Blocker zur Therapie der rheumatoiden Arthritis. Prof. Dr. Georg Kojda Fachpharmakologe DGPT, Fachapotheker für Arzneimittelinformation Institut für Pharmakologie und klinische Pharmakologie Universitätsklinikum, Heinrich-Heine-Universität Moorenstr. 5, 40225 Düsseldorf [email protected] Lektorat: N.N. Den Fortbildungsfragebogen zur Erlangung eines Fortbildungspunktes zum Fortbildungstelegramm Pharmazie finden Sie hier: http://www.uni-duesseldorf.de/kojda-pharmalehrbuch/FortbildungstelegrammPharmazie/Kurzportraet.html Titelbild : Universitätsbibliothek New York , Urheber: Photoprof, Lizenz: Fotolia Fortbildungstelegramm Pharmazie 2009;3:258-274 TNFα-Blocker bei rheumatoider Arthritis Abstract All available TNFα-blockers reduce the biologic activity of the potent inflammatory mediator TNFα. They are one of the most effective groups of drugs among the disease-modifying antirheumatic drugs (DMARDS). Other indications include juvenile rheumatoid arthritis, ankylosing spondylitis, psoriasis arthritis, psoriasis und Morbus Crohn. About half of the patients with rheumatoid arthritis show a useful response to TNFα-blocker therapy and TNFα-blockers are more efficient when used in combination with methotrexat. There are striking structural differences between the different drugs, but there is no clinical evidence for using one over another in rheumatiod arthritis. Side effects elicited by TNFαblockers might be severe or even fatal. Thus, a detailed anamnesis (e.g. tuberculosis, malignancy, multiple sclerosis) and strict adherence to indications and contraindications are mandatory. In many cases a change to another TNFαblocker might be useful to overcome therapeutic failure of the initial drug. Thus, the availability of five different TNFα-blockers appears to be a considerable therapeutic advantage. Abstrakt Alle verfügbaren TNFα-Blocker wirken über eine Verminderung der biologischen Aktivität des potenten Entzündungsmediators TNFα. Sie gehören zu den wirksamsten Basistherapeutika bei rheumatoider Arthritis. Andere Indikationen sind juvenile rheumatoide Arthritis, ankylosierende Spondylitis, Psoriasis-Arthritis, Psoriasis und Morbus Crohn. Im Mittel spricht etwa die Hälfte der behandelten Patienten mit rheumatoider Arthritis auf die Behandlung an. TNFα-Blocker werden bei der Behandlung der rheumatoiden Arthritis aufgrund der besseren Wirksamkeit mit Methotrexat kombiniert. Obwohl sich die Arzneistoffe strukturell teilweise stark unterscheiden, zeigen die bisher vorliegenden klinischen Daten keine therapeutisch relevanten Unterschiede bei rheumatoider Arthritis. TNFαBlocker können schwer wiegende teilweise letale Nebenwirkungen auslösen, weshalb eine genaue Anamnese (z.B. - 260 - Tuberkulose, Tumorerkrankungen, Multiple Sklerose) sowie eine strikte Beachtung der Indikationen und Kontraindikationen erforderlich sind. In vielen Fällen kann es lohnenswert sein, bei Unwirksamkeit eines TNFα-Blockers zu einem anderen zu wechseln. Insofern ist es als Vorteil anzusehen, dass fünf verschiedene rekombinante Arzneistoffe zur Verfügung stehen. Einleitung Bei der Entwicklung neuer Arzneistoffe hat in den letzten Jahrzehnten die gentechnologische bzw. molekularbiologische Herstellung von Proteinen zunehmend an Bedeutung gewonnen. Solche oft als „Biologicals“ bezeichnete Arzneistoffe haben die Therapie vieler genetisch bedingter Erkrankungen, beispielsweise von Stoffwechselerkrankungen wie Morbus Gaucher (Glucocerebrosid-ß-Glucosidase-Mangel) oder Morbus Fabry (α-Galaktosidase-Mangel), grundlegend verbessert (1). So war es durch die Verfügbarkeit biologischer Arzneistoffe oft erstmals möglich, genetische Erkrankungen durch eine gezielte Substitution des defekten Proteins zu therapieren. Darüber hinaus sind auch Biologicals aus tierischem oder menschlichem Gewebe gewonnen worden. Beispiele hierfür sind Humaninsulin oder Somatropin, das Wachstumshormon aus dem Vorderlappen der Hypophyse (2). Vereinfacht dargestellt lassen sich drei therapeutische Strategien unterscheiden: • Substitution fehlender oder defek- ter körpereigener Proteine, beispielsweise Insulin, Somatropin, • Einsatz körpereigener Proteine zur zusätzlichen spezifischen Stimulation physiologischer Funktionen, beispielsweise Kolonie-stimulierende Faktoren, Interferone, Interleukine, Erythropoietin • Einsatz von Antikörpern und Fusi- onsproteinen zur spezifischen Modulation der Wirkung körpereigener Proteine oder Abwehrmechanismen, beispielsweise Trastuzumab, Bevacizumab, Ranibizumab Im Gegensatz zur Substitutionstherapie wird bei den zusätzlich eingesetzten Fortbildungstelegramm Pharmazie 2009;3:258-274 TNFα-Blocker bei rheumatoider Arthritis körpereigenen Proteinen deren physiologische Wirkung für die Behandlung von Erkrankungen genutzt. So steigern Kolonie-stimulierende Faktoren die Bildung von neutrophilen Granulozyten und Monozyten und werden zur Verkürzung der Neutropeniedauer (häufigste Form eines Leukozytenmangels) bei zytostatischer Therapie von nichtmyeloischen Tumorerkrankungen eingesetzt. Die therapeutisch eingesetzten Antikörper bzw. Fusionsproteine binden an körpereigene Proteine und verhindern damit deren Mediatorfunktionen. Die Erkenntnisse über die pathologischen Wirkungen des Wachstumsfaktors VEGF (vascular endothelial growth factor) haben zur Entwicklung der VEGF-Blocker Ranibizumab und Bevacizumab geführt. VEGF fördert die Tumordurchblutung damit das Tumorwachstum. Die gleiche angiogenetische Wirkung fördert das pathologische Gefäßwachstum im Bereich der Netzhaut des hinteren Augenpols (Weblink 1) und ist eine der wichtigsten Ursachen, der feuchten Form der altersabhängigen Maculadegeneration (AMD, Weblink 2). Die nachfolgend beschriebenen Tumornekrosefaktor α (TNFα)-Blocker zählen ebenfalls zur Kategorie der Biologicals, die eine Modulation der Wirkung körpereigener Proteine bewirken. In diesem Fall ist die Wirkung des Entzündungsmediators TNFα betroffen. Rheumatische Erkrankungen Die Bezeichnung rheumatische Erkrankungen ist ein Sammelbegriff für etwa 400 verschiedene Krankheitsbilder (3-5). In den meisten Fällen handelt es sich um chronisch entzündliche Erkrankungen. Rheumatische Erkrankungen sind Erkrankungen der Bindegewebsstrukturen, die sich vor allem im Bereich von Gelenken, Gelenkkapseln, Knochen, Muskulatur oder Sehnen manifestieren. Daneben können sich beispielsweise auch rheumatische Entzündungen von Herz, Nieren, Nerven oder Gefäßen entwickeln. In fortgeschrittenen Stadien leiden die betroffenen Patienten häufig unter starken Bewegungseinschränkungen und Schmerzen. Häufige Formen der rheumatischen Erkrankungen sind: - 261 - • rheumatoide Arthritis auch chronische Polyarthritis (Entzündung, Ruheschmerz) • Arthrose (meist nicht entzündlich, Schmerz bei oder nach Belastung, teilweise genetisch bedingt) • aktivierte Arthrose (Ruheschmerz, Entzündung) • Morbus Bechterew bzw. Spondylitis ankylosans (Wirbelsäulen-Befall, nächtlicher Kreuzschmerz) • Psoriasisarthritis bzw. Osteoarthropathia psoriatica (betrifft hauptsächlich die Hände) Rheumatoide Arthritis Die rheumatoide Arthritis im Erwachsenenalter weist eine Prävalenz von etwa 1 % auf. Frauen sind 3-Mal häufiger betroffen als Männer. Die Erkrankung führt zu einer progressiv verlaufenden Entzündung und Zerstörung von Synovialmembran, Gelenkknorpel und den Knochen an den Gelenken (Erosionen). Im Verlauf der Erkrankung kommt es zu bleibenden Veränderungen wie Gelenkzerstörung und –versteifung, die u.a. zu charakteristischen Verformungen an den Händen führen können (Abb. 1). In den meisten Fällen finden sich bereits in frühen Stadien Schwellungen von kleinen Gelenken wie Fingergrund- und Mittelgelenken oder Zehengelenken, aber es können auch Schulter-, Knie- und Halswirbelsäulengelenke betroffen sein. Typischerweise sind mehrere Gelenke auf beiden Seiten des Körpers geschwollen, beispielsweise die Fingergelenke der linken und rechten Hand (3-5). Zu Beginn der Erkrankung kommt es oft zu einem längeren Prodomalstadium, welches durch eher unspezifische und teilweise remittierende Beschwerden gekennzeichnet ist. Im akuten Stadium bzw. bei manifester Erkrankung zeigen sich typische Symptome wie • länger dauernde Morgensteifigkeit (mehr als eine Stunde) • entzündliche Schwellung an mehre- ren Gelenken (Polyarthritis) Fortbildungstelegramm Pharmazie 2009;3:258-274 TNFα-Blocker bei rheumatoider Arthritis - 262 - Hand besonders beim Greifen stören. Am Fuß - und hier besonders an der Achillessehne – können Rheumaknoten das Gehen behindern. Rheumaknoten können auch durch eine Therapie mit Methotrexat entstehen. Abb. 1: Typische Spätfolgen der rheumatoiden Arthritis an den Händen. Die starke Einschränkung der Beweglichkeit (bis zur Gelenksteifigkeit) verursacht viele einschneidende Behinderungen im Alltagleben. Dies gilt auch für die richtige Applikation und Dosierung von Arzneimitteln, z.B. Handhabung von Fertigspritzen oder Blistern, die Teilung von Tabletten oder Abteilung von Tropfen (Abb. nach Weblink 3). • entzündliche Schwellung an den mittleren Fingergelenken beider Hände • positiver Rheumafaktor (bei 50 %) • degenerative Veränderungen der Gelenke oft mit gelenksnaher Osteoporose (Erosion) und Verkleinerung des Gelenkspaltes • Rheumaknoten Die Entzündungen an den Gelenken gehen oft auch mit klassichen systemischen Entzündungszeichen wie erhöhter Blutsenkungsgeschwindigkeit und/oder erhöhter Konzentration von C-reaktivem Protein einher. Dementsprechend entwickeln die Patienten auch einen Nachtschmerz und einen Ruheschmerz in den Gelenken. Diagnostisch bedeutsam ist auch, dass die Gelenkschmerzen und schwellungen über mehr als 6 Wochen bestehen (6). Etwa 20 % der Patienten entwickeln Rheumaknoten. Rheumaknoten bestehen aus nekrotischem Gewebe, die vermutlich auf der Grundlage einer Schädigung kleiner Blutgefäße entstehen. Sie sind ein Hinweis für eine aggressive Verlaufsform der rheumathoiden Arthritis. Sie können an der Die Ursache der rheumatoiden Arthritis ist bislang nicht geklärt (3-5). Das Immunsystem spielt nach derzeitigen Erkenntnissen eine wesentliche Rolle bei der Pathogenese. Hierfür sprechen Autoimmunreaktionen mit erhöhter TZell-aktivität (Autoantikörper gegen FcFragment von IgG) und die Nachweisbarkeit des Rheumafaktors (seropositiv: 50 %). Wie in Abb. 2 dargestellt, stehen aktivierte T-Zellen im Zentrum des Geschehens. Diese Zellen migrieren in den Gelenkspalt und akkumulieren dort. Sie sezernieren viele verschiedene Entzündungsmediatoren und bewirken auf diese Weise die Rekrutierung weiterer immunkompetenter Zellen wie Makrophagen, Fibroblasten, Chondrozyten, Osteoklasten und B-Zellen. Diese sezernieren ebenfalls Entzündungsmediatoren und verstärken so den inflammatorischen Prozess (3). Bei der Behandlung der rheumatoiden Arthritis mit Arzneistoffen wird zwischen einer Standardtherapie und einer Basistherapie (auch: disease-modifying antirheumatic drugs (DMARDs)) unterschieden. Die Standardtherapie umfasst nicht-steroidale Antirheumatika (NSAR) wie u.a. Diclofenac, Ibuprofen, Naproxen und die steroidalen Antirheumatika, d.h. Glukokortikoide. Diese Arzneistoffe wirken akut antiphlogistisch und NSAR auch direkt analgetisch. Im Gegensatz dazu sind die sogenannten Basistherapeutika nicht akut wirksam, können jedoch nach einer Latenzzeit von 1-3 Monaten den chronischen Entzündungsprozess günstig beeinflussen. Man differenziert klassische Basistherapeutika, die zunächst eingesetzt werden, von Reserve-Basistherapeutika, die erst bei Versagen und/oder Unverträglichkeit der Standardtherapeutika zum Einsatz kommen. Zu den klassischen Basistherapeutika zählen im Allgemeinen die Antimalariamittel Chloroquin und Hydroxochloroquin sowie das Zytostatikum Methotrexat, welches als Goldstandard angesehen wird (4-6). Fortbildungstelegramm Pharmazie 2009;3:258-274 TNFα-Blocker bei rheumatoider Arthritis - 263 - Abb. 2: Modellvorstellung über die Entstehung und Progression der rheumatoiden Arthritis (Näheres siehe Text). Danach führt ein infektiöses Agens oder ein anderer unbekannter Stimulus durch Bindung an dendritische (antigenpräsentierende) Zellen zur Aktivierung der unspezifischen Immunabwehr. Die aktivierten Zellen migrieren in den Lymphknoten und aktivieren T-Zellen durch das übliche duale Signal (MHC, CD 80/86). Die aktivierten T-Zellen migrieren in den Gelenkspalt und sezernieren verschiedene proinflammatorische Mediatoren, die Effektorzellen rekrutieren und stimulieren. Dabei nimmt TNFα eine zentrale Stellung ein. Durch die Aktivität der Effektorzellen kommt es zu Entzündung, Gelenkschaden und Knochenerosion (MHC= Major Histocompatibility Complex (Haupthistokompatibilitätskomplex) modifiziert nach (3)). Die Gruppe der Reserve-Basistherapeutika umfasst ebenfalls verschiedene Wirkprinzipien. Hierzu gehören: • Penicillamin • Indometacin • Natriumaurothiomaleat • Azathioprin • Ciclosporin • Cyclophosphamid (Vaskulitis) • Leflunomid • TNFα-Blocker • Anakinra IL-1-Rezeptorantagonist • Tolicizumab IL-6-Rezeptorantagonist • Rituximab (CD20-Blocker, hemmt B-Zellen) • Abatacept (CD80/CD86-Blocker, hemmt TZellen) Innerhalb dieser Gruppe bestehen viele Erfahrungen mit den TNFα-Blockern. Im Folgenden werden die Bedeutung von TNFα für Entzündungsreaktionen sowie die Pharmakologie der TNFα-Blocker näher ausgeführt. Tumornekrosefaktor α (TNFα) Tumornekrosefaktor α (TNFα) ist ein wichtiger Mediator bei der Immunabwehr sowie bei der Entstehung und Unterhaltung einer Entzündung. Dabei geht man heute von einem biphasischen Effekt aus. In niedrigen Konzentrationen verstärkt TNFα die Abwehrreaktionen des Körpers gegen Infektionen, während hohe Konzentrationen überschießende Fortbildungstelegramm Pharmazie 2009;3:258-274 TNFα-Blocker bei rheumatoider Arthritis Entzündungsreaktionen fördern. In beiden Fällen liegen die gleichen Wirkungen von TNFα auf immunkompetente Zellen wie Makrophagen und Lymphozyten zugrunde. Während jedoch bei der natürlichen Immunabwehr Infektionen Ursache der vermehrten TNFα-Bildung sind, kommt es bei chronisch entzündlichen Erkrankungen wie Morbus Crohn, rheumatoide Arthritis oder Psoriasis aus unbekannter Ursache zu einer pathologischen Erhöhung der TNFα-Bildung in Geweben, beispielsweise im Gelenkspalt (siehe unten). TNFα ist ein Homotrimer, welches aus 17 kDa großen Untereineiten besteht und von vielen verschiedenen Zellen gebildet werden kann. Hierzu zählen u.a. - 264 - Makrophagen, T-Lymphozyten, Mastzellen, Granulozyten, natürliche Killerzellen, Fibroblasten, Neuronen, Keratinozyten und glatte Muskelzellen. Wie in Abb. 3 dargestellt, erfolgt die Freisetzung von löslichem TNFα aus Zellen durch eine enzymatische Abspaltung der membrangebunden Form durch das TNFαconverting-enzym (TACE). In ruhenden Zellen ist die TNFα-Bildung sehr gering. Durch Stimuli wie u.a. Bakterien, Viren, Immunkomplexe, viele Zytokine aber auch Strahlung, Ischämie und Verletzungen kommt es oft innerhalb von 30 min zur TNFα-Bildung, meist durch posttranskriptionale Regulation (beispielsweise vermehrtes Ablesen bereits vorliegender RNA). Abb. 3: TNFα liegt zunächst membrangebunden vor (mTNFα) und wird erst durch die membrangebundene Protease TACE (TNFα converting enzyme) in seine lösliche Form überführt (sTNFα). TNFα bindet an spezifische TNF-Rezeptoren (TNF-R). Beide Subtypen kommen in membrangebundener und löslicher Form (sTNF-R) vor. TNF-R1 wird in erster Linie durch lösliches TNFα aktiviert, während der TNF-R2 bevorzugt an mTNFα bindet. Die Bindung von TNFα an den TNF-R2 ist zudem deutlich labiler. Dieser Rezeptor wird auch als Liganden-Transfer-Rezeptor angesehen, der gebundenes TNFα rasch an den TNF-R1 weitergibt (7). Über eine komplexe Signalkaskade (siehe Kasten) kommt es zur Translokation von NFκB in den Nucleus. Dort induziert NFκB die Bildung proinflammatorischer Mediatoren sowie FAAD-like IL-1ß-converting enzyme (FLICE), ein Protein, welches die proapoptotische Wirkung des internalisierten TNF-R1/TNFα-Komplexes hemmt. Fortbildungstelegramm Pharmazie 2009;3:258-274 TNFα-Blocker bei rheumatoider Arthritis Die Bildung von TNFα ist stark reguliert von positiven und negativen Rückkopplungsmechanismen. So induziert TNFα die Bildung von IL-1, welches die weitere Bildung von TNFα fördert. Andererseits führt TNFα auch zur Bildung von IL-10 und dessen Wirkung hemmt die TNFαBildung (7). TNFα bindet an spezifische TNFRezeptoren (TNF-R). Bislang sind 2 Subtypen dieser Rezeptoren bekannt: der TNF-R1 (p55, CD120a) und der TNFR2 (p75, CD120b). Beide Rezeptoren sind transmembranäre Glykoproteine und kommen in membrangebundener und löslicher Form vor (7,8). TNF-R1 wird von nahezu allen Körperzellen konstitutiv exprimiert (Ausnahme Erythrozyten), während TNF-R2 üblicherweise erst nach Induktion und hauptsächlich in Endothelzellen und hämatopoietischen Zellen exprimiert wird. TNF-R1 wird durch lösliches TNFα bevorzugt aktiviert, wodurch eine komplexe Signalkaskade ausgelöst wird (Kasten). TNFα-Signalgebung Die Signalkaskade, die letztlich zur Aktivierung proinflammatorischer Gene und/oder zur Auslösung einer Apoptose führt, ist sehr komplex (8,9). Die Bindung von TNFα an TNF-R1 führt zur Rekrutierung eines Signalproteinkomplexes (Complex 1), der aus insgesamt 4 Proteinen besteht. Über diesen Komplex kommt es zur Phosphorylierung des NFκB hemmenden Proteins IκB, welches nachfolgend von NFκB dissoziiert und dessen Translokation in den Nukleus ermöglicht. Eine Modifizierung von Complex 1 zu Compex 2 kann zur Aktivierung der Apoptose führen. Dagegen ist die Bindung von TNFα an den TNF-R2 labiler. Dieser Rezeptor wird als Liganden-Transfer-Rezeptor angesehen, der gebundenes TNFα rasch an den TNF-R1 weitergibt (10). Andererseits ist TNF-R2 der bevorzugte Bindungspartner von mTNFα. Während die Aktivierung membrangebundener TNF-Rs durch Induktion inflammatorischer Proteine (Abb. 3) zur Auslösung und Unterhaltung der Entzündung beitragen, dienen die löslichen TNF-Rs der Modulation von TNFα-Effekten (7). - 265 - Der TNFα-Rezeptor Typ 2 wird als Liganden-Transfer-Rezeptor angesehen, der gebundenes TNFα rasch an den TNF-Rezeptor Typ 1 weitergibt. Als wichtiger Entzündungsmediator ist TNFα an vielen Erkrankungen beteiligt, die eine chronisch entzündliche Komponente aufweisen. Hierzu zählen u.a. • Rheumatoide Arthritis, • juvenile rheumatoide Arthritis, • Ankylosierende Spondylitis (auch Spondylitis ankylosans, Morbus Bechterew) • Psoriasis Arthritis, • Psoriasis • Morbus Crohn • Asthma Mit Ausnahme von Asthma zeigen alle diese Erkrankungen eine Besserung durch rekombinante Arzneistoffe, die TNFα bzw. dessen Effekte vermindern. Bei Asthma haben bisherige Untersuchungen sehr heterogene Effekte einer TNFα-Therapie gezeigt. Dies läßt vermuten, dass die therapeutische Effektivität einer solchen Therapie nur bei einer kleinen Gruppe von Asthmapatienten zum Tragen kommt (11). TNFα-Blocker Substanzen Derzeit stehen insgesamt fünf verschiedene TNFα-Blocker für die Therapie der rheumatoiden Arthritis zur Verfügung, die trotz deutlicher struktureller Unterschiede alle eine Hemmung der biologischen Wirkungen von TNFα bewirken. Eine Übersicht zu den Strukturunterschieden ist in Abb. 4 dargestellt. • Etanercept (Enbrel®) chimäres Fusionsprotein mit der Bindungsstelle des menschlichen TNF-Rezeptors 2 (p75, CD120b), bindet sowohl TNFα als auch Lymphotoxin-α (früher TNFß) • Infliximab (Remicade®) chimärer, monoklonaler Antikörper mit einem murinen Fab-Fragment, bindet spezifisch TNFα Fortbildungstelegramm Pharmazie 2009;3:258-274 TNFα-Blocker bei rheumatoider Arthritis • Adalimunab (Humira®) rekombinanter humaner, monoklonaler Antikörper, bindet spezifisch TNFα • Golimunab (Simponi®) rekombinanter humaner monoklonaler IgG1κ-Antikörper, bindet spezifisch TNFα • Certolizumab (Cimzia®) Certolizumab Pegol ist ein rekombinantes humanisiertes mit verzweigtkettigem Polyethylenglycol (PEG) konjugiertes AntikörperFab‘-Fragment, bindet spezifisch TNFα Die genannten Strukturunterschiede sind klinisch bedeutsam. Am wichtigsten erscheint die Tatsache, dass Etanercept – im Gegensatz zu allen anderen TNFαBlockern – nur einen geringen Effekt auf den Verlauf eines Morbus Crohn hat (12). Bislang ist dieser Unterschied auf molekularer Ebene nicht hinreichend erklärt. Einer früheren Hypothese zufolge könnte die fehlende Wirkung von Etanercept bei - 266 - Morbus Crohn darauf beruhen, dass Etanercept – entsprechend der natürlichen Funktion des TNF-R2 – eine vergleichsweise labile Bindung zu TNFα eingeht und daher nicht in der Lage ist in Monozyten zytotoxische Reaktionen wie Apoptose auszulösen (10). Etanercept hat - im Gegensatz zu allen anderen TNFα-Blockern – nur einen geringen Effekt auf den Verlauf eines Morbus Crohn. Allerdings zeigten spätere Untersuchungen, dass auch der neue TNFα-Blocker Certolizumab keine antikörperabhängige zellvermittelte Zelltoxizität auslöst (7), obwohl sich mit diesem Arzneistoff eine gute klinische Effektivität bei der Erstund der Erhaltungstherapie von moderatem bis schwerem Morbus Crohn nachweisen ließ (13,14). Eine neuere Hypothese besagt, dass die fehlende Hemmung der Zytokinbildung in Monozyten eine molekulare Erklärung für die fehlende Effektivität von Etanercept bei Morbus Crohn sein könnte (15). Abb. 4: TNFα-Blocker bestehen aus unterschiedlichen Proteinen (siehe Text). Während Infliximab und zu einem geringem Teil auch Certolizumab einen Mausproteinanteil tragen, sind die anderen TNFα-Blocker komplett humanisiert. Etanercept bindet TNFα über die entsprechenden Domänen des TNF-R2. Dagegen ist Certolizumab kein Vollantikörper, sondern ein konjugiertes Fab’-Fragment (Abb. modifiziert nach (7)) Fortbildungstelegramm Pharmazie 2009;3:258-274 TNFα-Blocker bei rheumatoider Arthritis - 267 - Anteil an Mausprotein Weitere möglicherweise klinisch bedeutsame Strukturunterschiede betreffen den Anteil an Mausprotein, der die Bildung neutralisierender Antikörper und damit auch die Verminderung der klinischen Wirkung fördern könnte. Allerdings ist die Bedeutung der nachweisbaren Antikörper für den Therapieerfolg bislang unklar. Dagegen gibt es Daten dazu, dass die gleichzeitige Gabe von Immunsuppressiva, beispielsweise Methotrexat, die Bildung solcher Antikörper vermindert (16). Immunogenität und eine Verlängerung der Halbwertszeit angesehen (17). Darüber hinaus könnte die Mastzellstabilisierende Wirkung von Polyethylenglykol zu einer Verminderung von Reaktionen an der Infusions- bzw. Injektionsstelle führen. Tierexperimentelle Befunde weisen darauf hin, dass Certolizumab nicht jedoch Adalimumab in entzündeten Gelenken akkumuliert (18). Ob und inwieweit die möglichen Vorteile einer Pegylierung im Fall von Certolizumab zu klinisch bedeutsamen Effekten führen, ist bislang nicht geklärt. Pegylierung Unter Pegylierung wird die kovalente Bindung von Arzneistoffen an Polyethylenglykol verstanden. Dabei sind bislang unterschiedliche Kettenlängen sowie einkettige und verzweigtkettige Polyethylenglykolreste verwendet worden. Die Pegylierung von rekombinanten Proteinen sowie Aptameren (siehe Weblink 4) ist ein bereits etabliertes Konzept, welches für eine Reihe von Arzneistoffen eingesetzt wird: Wirkmechanismus/Wirkungen Durch die Bindung von TNFα wird dessen biologische Aktivität gehemmt. So sinkt der in Biopsiematerial aus entzündetem Gewebe nachweisbare Anteil von TNFα. Dadurch wird die Kaskade der Mediatoren, die eine Entzündung auslösen bzw. unterhalten, bereits an ihrem Beginn unterbrochen (Abb. 5). Weitere damit verbundene und vermutlich an den klinischen Wirkungen von TNFα-Blockern beteiligte Effekte sind in Tab. 1 aufgelistet. Die Arzneistoffe bewirken einen antiphlogistischen Effekt, der sich auch durch eine Abnahme plasmatischer Entzündungsmarker wie C-reaktives Protein (CRP) oder Blutsenkungsgeschwindigkeit klinisch-chemisch nachweisen lässt. Darüber hinaus ist die antiphlogistische Wirkung auch mit einer Besserung der Auswirkungen chronisch entzündlicher Erkrankungen wie rheumatoide Arthritis verbunden. • Certolizumab (Cimzia®) zur Therapie der rheumatoiden Arthritis • Methoxy-PEG-Epoietin beta (Micera®) zur Therapie der renalen Anämie • Pegfilgastrim (Neulasta®) zur Therapie der Neutropenie nach Chemotherapie • Peginterferon alfa-2a (Pegasys®) zur Therapie der Hepatitis C • Peginterferon alfa-2b (Peg-Intron®) zur Therapie der Hepatitis C • Peginterferon alfa-2b (Viraferon®) zur Therapie der Hepatitis C • Pegvisomant (Somavert®) zur Therapie der Akromegalie • Pegaspargase (Oncaspar®) zur Therapie der akuten lymphatischen Leukämie • Pegaptanib (Macugen®) zur The- rapie der altersabhängigen Maculadegeneration (siehe Weblink 4) Als Vorteile der Pegylierung werden im Allgemeinen eine Verbesserung der Löslichkeit, eine Verminderung der Effektivität der TNFα-Blocker Da TNFα-Blocker einen wichtigen Schrittmacher von Entzündungen blockieren, sind die Wirkungen dieser Arzneistoffe nicht nur bei rheumatoider Arthritis klinisch nutzbar. Viele Studien haben gezeigt, dass diese Wirkstoffe auch den Verlauf anderer chronisch entzündlicher Erkrankungen positiv beeinflussen können, deren Pathogenese mit einer vermehrten Bildung und Wirkung von TNFα verbunden ist. Hierzu zählen beispielsweise Psoriasis, Morbus Crohn oder ankylosierende Spondylitis (siehe oben). In Deutschland ist allerdings bislang nicht jeder TNFα-Blocker für jede dieser chronisch entzündlichen Erkrankungen zugelassen. Fortbildungstelegramm Pharmazie 2009;3:258-274 TNFα-Blocker bei rheumatoider Arthritis Substanz - 268 - Zelluläre Wirkungen Klinischer Effekt Infliximab - bindet sowohl an lösliche als auch an transmembrane Formen von TNFα - hemmt die funktionelle Aktivität von TNFα - verhinderte die Erkrankung bei transgenen Mäusen, die Polyarthritis aufgrund einer veranlagungsbedingten Expression von menschlichem TNFα entwickelt hatten - bildet rasch stabile Komplexe mit menschlichem TNFα, ein Vorgang, der mit dem Verlust der TNFα-Bioaktivität einhergeht verbessert körperliche Funktionsfähigkeit und reduziert das Fortschreiten von radiologisch nachweisbaren Gelenkschäden Etanercept - kompetitive Hemmung der Bindung von TNF an seine Zelloberflächen-Rezeptoren - bewirkt biologische Inaktivität von TNF und verhindert somit durch TNF hervorgerufene Zellreaktionen - verändert biologische Reaktionen, die durch zusätzliche Moleküle der Entzündungskaskade (z. B. Zytokine, Adhäsionsmoleküle oder Proteinasen) kontrolliert und durch TNF hervorgerufen oder gesteuert werden verbessert körperliche Funktionsfähigkeit und reduziert das Fortschreiten von radiologisch nachweisbaren Gelenkschäden Adalimumab - beeinflusst biologische Reaktionen, die durch TNF ausgelöst oder gesteuert werden, einschließlich der Veränderungen der Konzentrationen von für die Leukozytenmigration verantwortlichen Adhäsionsmolekülen (ELAM1, VCAM-1 und ICAM-1) verbessert körperliche Funktionsfähigkeit und reduziert das Fortschreiten von radiologisch nachweisbaren Gelenkschäden Golimumab - neutralisiert die TNFα-induzierte Zelloberflächenexpression der Adhäsionsmoleküle E-Selektin, vaskuläres Zelladhäsionsmolekül(VCAM)-1 und interzelluläres Adhäsionsmolekül(ICAM)-1 - hemmt die TNFα-induzierte Freisetzung von Interleukin(IL)-6, IL-8 und Granulozyten-Makrophagenkoloniestimulierendem Faktor(GM-CSF) durch humane Endothelzellen. verbessert körperliche Funktionsfähigkeit Certolizumab - neutralisiert membranassoziierten und löslichen TNFα. - hemmt Lipopolysaccharid-(LPS-)induzierte TNFα- und IL1ß-Produktion in humanen Monozyten - enthält keine fragment-kristallisierbare (Fc)-Region, und bewirkt in vitro daher weder Komplementfixierung noch eine antikörperabhängige zellvermittelte Zelltoxizität - induziert in vitro weder eine Apoptose in humanem Monozyten oder Lymphozyten noch eine neutrophile Degranulation verbessert körperliche Funktionsfähigkeit und reduziert das Fortschreiten von radiologisch nachweisbaren Gelenkschäden Tabelle 1: Zelluläre Wirkungen und klinische Effekte der TNFα-Blocker bei der Therapie der rheumatoiden Arthritis. Es ist bislang nicht genau bekannt, ob und inwieweit sich die unterschiedlichen Effekte auf die klinische Effektivität auswirken (Ausnahme Etanercept, modifiziert nach Fachinformationen aus Weblink 5). Bei Patienten mit rheumatoider Arthritis wird die Effektvität einer Basistherapie durch eine Summe verschiedener klinischer Parameter bestimmt, die Angaben der Patienten, Beurteilungen der behandlenden Ärzte sowie biochemische Messwerte einbezieht. Das am häufigsten eingesetzte Verfahren ist der Index des „American College of Rheumatology“ (ACR), wobei der ACR20, also eine Verbesserung des Index um 20 %, als Standard eingesetzt wird (Tab. 2). Ein modifizierter ACR20 zur Reduktion der in klinischen Studien erforderlichen Patientenzahlen wurde kürzlich veröffentlicht (19). Gleichfalls dienen ACR50 und ACR70 in klinischen Studien zur Beurteilung der Effektivität von Arzneimitteln. Applikation TNFα-Blocker müssen als rekombinante Proteine zur Behandlung der rheumatoiden Arthritis parenteral appliziert werden. Fortbildungstelegramm Pharmazie 2009;3:258-274 TNFα-Blocker bei rheumatoider Arthritis - 269 - Abb. 5: Angriffspunkte der TNFα-Blocker und anderer neuerer Basistherapeutika innerhalb der Pathogenese der rheumatoiden Arthritis (siehe auch Abb. 1). ACR*-Kriterien Zahl, der geschwollenen und druckschmerzhaften Gelenke Einschätzung der allgemeinen Krankheitsaktivität durch den Patienten Einschätzung der allgemeinen Krankheitsaktivität durch den Arzt Bewertung des Schmerzes durch den Patienten Subjektive Einschätzung der physischen Funktionen durch den Patienten Untersuchung der "Akute-PhaseParameter" wie BSG und CRP Tab. 2: Klinische Kriterien der Bewertung zum Status Quo und der Progression der rheumatoiden Arthritis (*ACR: American College of Rheumatology, aus Weblink 6) Während bei Infliximab alle 4-8 Wochen eine i.v.-Infusion erforderlich ist, können die anderen TNFα-Blocker auch selbst- ständig durch die Patienten subkutan appliziert werden. Die Dosierungsintervalle schwanken dabei von 1-2-Mal wöchentlich bei Etanercept bis 1-2-Mal monatlich bei Adalimumab, Golimumab und Certolizumab. Im Hinblick auf die bei rheumatoider Arthritis möglichen Beweglichkeitseinschränkungen der Hände ist für eine Reihe von Patienten ein Pen schwierig zu bedienen. Für solche Patienten werden Fertigspritzen angeboten, die auf unterschiedliche Weise den speziellen Bedürfnissen der Rheumapatienten gerecht werden sollen (Abb. 6). Von Bedeutung hierbei erscheinen neben der Laufleichtigkeit des Stempels vor allem breite und rutschsichere Seitenflügel, ein rutschsicherer Stempeldrücker und die leichte Entfernbarkeit des Kanülenschutzes. Klinische Studien Alle derzeit in Deutschland verfügbaren TNFα-Blocker haben sich in klinischen Studien als wirksam zur Behandlung der rheumatoiden Arthritis erwiesen. So führt die Gabe von TNFα-Blockern zu einer mittleren Ansprechrate von etwa 50 % (20 %ige Besserung eines standardisierten Index, Fortbildungstelegramm Pharmazie 2009;3:258-274 ACR20). Der Effekt stellt sich innerhalb der ersten 6 Wochen ein und bleibt mindestens 6 Monate erhalten. In Abb. 7 sind die Ergebnisse klinischer Studien für Etanercept und Certolizumab (je+Methotrexat) beispielhaft dargestellt. Die Wirkung der TNFa-Blocker kann im Laufe der Therapie nachlassen oder die Patienten sprechen erst gar nicht auf die Therapie an (20). TNFα-Blocker werden bei der Behandlung der rheumatoiden Arthritis aufgrund der besseren Wirksamkeit mit Methotrexat kombiniert. So zeigte die Kombination mit Methotrexat im Allgemeinen eine deutlich bessere klinische Wirkung als die jeweilige Monotherapie. Dennoch ist eine solche Kombination nicht immer möglich, beispielsweise bei Unverträglichkeiten oder Kontraindikationen gegenüber Methotrexat. In solchen Fällen kann auch eine Monotherapie mit TNFα-Blockern initiiert werden. Zugelassen hierfür sind Etanercept, Adalimumab und Certolizumab. Abb. 6: Spritzen für die Anwendung von Etanercept (oben), Adalimumab (Mitte) und Certolizumab (unten). Besonders für Patienten mit rheumatoider Arthritis sind breite und rutschsichere Seitenflügel (1), die leichte Entfernbarkeit des Kanülenschutzes (2) und ein rutschsicherer Stempeldrücker (3) sehr wichtig. - 270 - Anteil der Patienten mit ACR20 [%] TNFα-Blocker bei rheumatoider Arthritis 75 50 25 P 0 V D Etanercept P V D Certolizumab Abb. 7: Effektivität von zwei ausgewählten TNFα-Blockern. Im Vergleich zu Placebo (P) erreichten innerhalb von 24 Wochen Therapie nahezu dreimal soviele Patienten den ACR20 nach Gabe von Verum (V), d.h. 25 mg Etanercept zweimal wöchentlich bzw. 200 mg Certolizumab einmal alle 2 Wochen. Betrachtet man die Differenz (D) zwischen Verum und Placebo, also die durch die Arzneistoffe ausgelöste Wirkung, zeigt sich kein Effektivitätsunterschied zwischen den beiden TNFα-Blockern (Daten aus (21,22)). Nicht jeder Patient spricht auf die Therapie mit TNFα-Blockern an. Bei etwa 2040 % der behandelten Patienten wird nach 6 monatiger Therapie der ACR20 nicht erreicht (20). Darüber hinaus kann die Wirkung der TNFα-Blocker im Laufe der Therapie nachlassen. Nach klinischen Untersuchungen von Schweizer Rheumatologen ist Infliximab stärker davon betroffen, als Etanercept oder Adalimumab (23). Für die beiden neuen TNFαBlocker Golimunab und Certolizumab sind bislang keine vergleichenden Untersuchungen publiziert. Eine häufige eingesetzte therapeutische Strategie nach einem missglückten Behandlungszyklus ist ein Behandlungsversuch mit einem anderen TNFα-Blocker. Obwohl alle TNFα-Blocker über denselben Mechanismus wirken, existieren einige Unterschiede, die die Erfolgsraten nach einem Wechsel erklären könnten. Hierzu zählen u.a. Unterschiede in der Pharmakokinetik, der Stabilität des gebildeten Komplexes mit TNFα, den zytotoxischen Eigenschaften oder der Bildung von Antikörpern (siehe oben). Fortbildungstelegramm Pharmazie 2009;3:258-274 TNFα-Blocker bei rheumatoider Arthritis Wie in einer gerade veröffentlichten wissenschaftlichen Übersichtsarbeit dargestellt, ist die Strategie des TNFαBlocker-Wechsels klinisch erfolgreich (20). So wurde der ACR20 von etwa 50 % der Patienten nach dem ersten Wechsel des TNFα-Blockers erreicht. Allerdings sinkt die Erfolgsrate bei einem zweiten Wechsel. Insofern erscheint vorteilhaft, dass heute zwei Reservetherapien mit deutlich verschiedenem Wirkungsmechanismus existieren, die beiden Zytostatika Abatacept und Rituximab (20). Eine weitere Alternative, die in Deutschland erst seit kurzem verfügbar wurde, ist der IL-6-RezeptorAntagonist Tocilizumab (24). Nebenwirkungen der TNFα-Blocker Die Liste der Nebenwirkungen, die in die Fachinformationen der TNFα-Blocker aufgenommen wurden ist sehr lang und kann daher hier nicht im Einzelnen wiedergegeben werden (Weblink 5). Im Folgenden werden einige wichtige Nebenwirkungen aufgezählt und kurz beschrieben (Tab. 3). Wichtige Nebenwirkungen von TNFα-Blockern Infusionsreaktionen Überempfindlichkeit Reaktionen an der Injektionsstelle Antikörperbildung Infektionen - 271 - häufig vor und können Fieber, Schüttelfrost, Hypertonie, Hypotonie, Dyspnoe, Urtikaria und Pruritus umfassen (gegebenenfalls Therapieabbruch). Diese Reaktionen sind bei wiederholter Gabe und möglicherweise auch bei geringer Infusionsgeschwindigkeit seltener bzw. schwächer ausgeprägt. Reaktionen an der Injektionsstelle wie Juckreiz, Blutungen, Schmerzen und Schwellungen sind bei Etanercept und Adalimumab sehr häufig, während solche Reaktionen bei den neueren TNFαBlockern seltener vorkommen (Weblink 5). Beobachtet werden vor allem Erytheme mit Juckreiz und Schmerzen. Solche Reaktionen können wiederholt auftreten und eine Dauer von mehr als 3 Tagen aufweisen. Wird die Therapie nach längerer Unterbrechung (Jahre) wieder aufgenommen, kann es 3 bis 12 Tage später zu teilweise schwerwiegenden, verzögerten Überempfindlichkeitsreaktionen wie Fieber, Myalgie, Arthralgie, Hautausschläge, Pruritus, Gesichts-, Hand- und Lippenödemen, Dysphagie, Hals- oder Kopfschmerzen kommen. In einigen Fällen entwickeln Patienten neutralisierende Antikörper gegen TNFα-Blocker, die u.U. schwerwiegende allergische Reaktionen verursachen und mit einem Wirkungsverlust einhergehen können (16). Möglicherweise sind solche Reaktionen bei TNFα-Blockern mit Mausproteinanteilen häufiger. Ebenfalls beschrieben ist die Bildung antinukleärer Antikörper gegen doppelsträngige DNS, welche ein Lupus-ähnliches Syndrom hervorrufen können. Tab. 3: Wichtige Nebenwirkungen von TNFα-Blockern (aus Weblink 5, Erläuterungen siehe Text) Die Anwendung von TNFα-Blockern kann zum Neuauftreten oder zur Verschlechterung klinischer Symptome und/oder röntgenologischer Hinweise einer demyelinisierenden Erkrankung einschließlich Multipler Sklerose führen (16). Bei Patienten mit vorbestehenden oder kürzlich aufgetretenen demyelinisierenden Erkrankungen sollten vor Therapiebeginn Nutzen und Risiken der TNFαBlocker-Behandlung sorgfältig abgewogen werden. Infusionsreaktionen während und bis zu 2 Stunden nach der ersten Applikation von Infliximab kommen häufig bis sehr Aufgrund des Eingriffs in das Immunsystem zeigen TNFα-Blocker viele Nebenwirkungen, die auch von Immunsuppressiva bekannt sind. Interessant erscheint Lymphome Gastrointestinale Störungen Bluthochdruck Kopfschmerz Fortbildungstelegramm Pharmazie 2009;3:258-274 TNFα-Blocker bei rheumatoider Arthritis jedoch das relativ häufige Auftreten einer Tuberkulose, welches im Fall von Infliximab auch für Todesfälle verantwortlich war (25). Weitere Erfahrungen zeigten dann, dass auch alle anderen TNFα-Blocker tödliche Infektionen hervorrufen können (Weblink 5). Daher ist es erforderlich, dass geeignete Screening-Untersuchungen (z.B. Tuberkulinhauttest und Röntgen-Thorax-Aufnahme) bei allen Patienten durchgeführt und positiv getestete Patienten von einer TNFα-Therapie ausgeschlossen werden. Gleichfalls erleiden Patienten unter Infliximab häufiger virale und bakterielle Infektionen. Insbesondere Infektionen der ableitenden Harnwege und des gesamten Respirationstraktes (Sinusitis, Pneumonie) sowie schwere Verläufe von Pyelonephritis, Bronchitis, septischer Arthritis, Pneumonie oder Sepsis wurden in einzelnen Fällen beobachtet. Unter der Behandlung mit Infliximab sind in einzelnen Fällen Lymphome und Myelome aufgetreten. Dies könnte auf der Blockade der TNFα-Wirkung beruhen. Eine gezielte Überwachung wird empfohlen. Gastrointesinale Störungen (> 1 %) umfassen hauptsächlich Übelkeit, Diarrhoe, Dyspepsie oder abdominelle Schmerzen. - 272 - Zentralnervöse Störungen wie Kopfschmerz, Schwindel oder Benommenheit und kardiovaskuläre Nebenwirkungen wie Hyper- und Hypotonie oder Flush wurden ebenfalls häufig (> 1 %) beobachtet. Seltenere Nebenwirkungen betreffen u.a. das Blutbild, die Psyche, das Auge und die Galle (siehe Weblink 5). Schwangerschaft/Stillzeit Zur Anwendung von TNFα-Blockern bei schwangeren Frauen gibt es keine ausreichenden klinischen Daten. Tierexperimentelle Studien ergaben keine Hinweise auf eine Beeinträchtigung der Fruchtbarkeit oder eine Schädigung des Fötus. Dennoch könnte die Anwendung von TNFαBlockern während der Schwangerschaft die normale Immunantwort von Neugeborenen beeinträchtigen. Deshalb sollten TNFα-Blocker während der Schwangerschaft nicht angewendet werden. Außerdem sollten Frauen im gebärfähigen Alter geeignete Empfängnisverhütungsmethoden anwenden und diese für begrenzte Zeit nach der letzten Anwendung von TNFα-Blockern fortführen (Weblink 5) (16). Wichtige Kontraindikationen sind in Tab. 4 zusammengefasst. Fazit Wichtige Kontraindikationen von TNFα-Blockern Herzinsuffizienz Latente oder aktive Tuberkulose Bestehende Infektion oder Sepsis Bestehende oder anamnestische Tumorerkrankung Bestehende oder anamnestische multiple Sklerose oder Optikusneuritis Bekannte Überempfindlichkeit Tab. 4: Wichtige Kontraindikationen von TNFα-Blockern (aus Weblink 5, und Zitat (16), Erläuterungen siehe Text) TNFα-Blocker sind hochwirksame Basistherapeutika bei rheumatoider Arthritis. Obwohl sich die Arzneistoffe strukturell teilweise stark unterscheiden, zeigen die bisher vorliegenden klinischen Daten kaum therapeutisch relevante Unterschiede. TNFα-Blocker werden bei der Behandlung der rheumatoiden Arthritis aufgrund der besseren Wirksamkeit mit Methotrexat kombiniert. Nachteilig sind die teilweise schwerwiegenden Nebenwirkungen. Wichtig erscheint, dass es in vielen Fällen lohnenswert sein kann, bei Unwirksamkeit eines TNFα-Blockers zu einem anderen zu wechseln. Insofern ist es als Vorteil anzusehen, dass fünf verschiedene rekombinante Arzneistoffe zur Verfügung stehen. Fortbildungstelegramm Pharmazie 2009;3:258-274 TNFα-Blocker bei rheumatoider Arthritis - 273 - Weblinks 1) Klabe K, Pathophysiologie und Klinik der Makuladegeneration Fortbildungstelegramm Pharmazie 2007;1:141-149 (November 2007) http://www.uni-duesseldorf.de/kojda-pharmalehrbuch/FortbildungstelegrammPharmazie/Fortbildungsartikel.html 2) Kojda G, Neue Arzneistoffe zur Behandlung der altersabhängigen Makuladegeneration. Teil 2: Ranibizumab Fortbildungstelegramm Pharmazie 2007;1:170-179 (Dezember 2007) http://www.uni-duesseldorf.de/kojda-pharmalehrbuch/FortbildungstelegrammPharmazie/SerieNeueArzneimittel.html 3) Medizinische Enzyklopädie der „National Library of Medicine“ (USA) http://www.nlm.nih.gov/medlineplus/encyclopedia.html 4) Kojda G, Neue Arzneimittel:Pegaptanib Fortbildungstelegramm Pharmazie 2007;1:150-158 (November 2007) http://www.uni-duesseldorf.de/kojda-pharmalehrbuch/FortbildungstelegrammPharmazie/SerieNeueArzneimittel.html 5) Fachinformationen online (Registrierung mit Approbation erforderlich!) http://www.fachinfo.de/data 6) Webseiten des „American College of Rheumatology” http://www.rheumatology.org/ Literatur 1. vom Dahl S, Poll LW, Brill N. Morbus Gaucher - Pharmakotherapie einer seltenen Stoffwechselerkrankung. Apothekenmagazin 2006;22(7/8):168-76. 2. Kojda G, D Hafner, M Behne, M Wilhelm: Pharmakologie Toxikologie Systematisch. 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