Tumornekrosefaktor alpha Blocker zur Therapie der rheumatoiden

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3. Jahrgang, November/Dezember 2009, 258-274
- - - Rubrik Fortbildungsartikel - - -
Tumornekrosefaktor alpha Blocker
zur Therapie der rheumatoiden
Arthritis
Rheumatische Erkrankungen
TNFα-Blocker
Rheumatoide Arthritis
Effektivität der TNFα-Blocker
TNFα
Nebenwirkungen der TNFα-Blocker
TNFα-Blocker bei rheumatoider Arthritis
- 259 -
Tumornekrosefaktor alpha Blocker zur
Therapie der rheumatoiden Arthritis.
Prof. Dr. Georg Kojda
Fachpharmakologe DGPT,
Fachapotheker für Arzneimittelinformation
Institut für Pharmakologie und klinische Pharmakologie
Universitätsklinikum, Heinrich-Heine-Universität
Moorenstr. 5, 40225 Düsseldorf
[email protected]
Lektorat:
N.N.
Den Fortbildungsfragebogen zur Erlangung eines Fortbildungspunktes zum
Fortbildungstelegramm Pharmazie finden Sie hier:
http://www.uni-duesseldorf.de/kojda-pharmalehrbuch/FortbildungstelegrammPharmazie/Kurzportraet.html
Titelbild : Universitätsbibliothek New York , Urheber: Photoprof, Lizenz: Fotolia
Fortbildungstelegramm Pharmazie 2009;3:258-274
TNFα-Blocker bei rheumatoider Arthritis
Abstract
All available TNFα-blockers reduce the
biologic activity of the potent inflammatory mediator TNFα. They are one of the
most effective groups of drugs among
the
disease-modifying
antirheumatic
drugs (DMARDS). Other indications
include juvenile rheumatoid arthritis,
ankylosing spondylitis, psoriasis arthritis,
psoriasis und Morbus Crohn. About half
of the patients with rheumatoid arthritis
show a useful response to TNFα-blocker
therapy and TNFα-blockers are more
efficient when used in combination with
methotrexat. There are striking structural differences between the different
drugs, but there is no clinical evidence
for using one over another in rheumatiod
arthritis. Side effects elicited by TNFαblockers might be severe or even fatal.
Thus, a detailed anamnesis (e.g. tuberculosis, malignancy, multiple sclerosis)
and strict adherence to indications and
contraindications are mandatory. In
many cases a change to another TNFαblocker might be useful to overcome
therapeutic failure of the initial drug.
Thus, the availability of five different
TNFα-blockers appears to be a considerable therapeutic advantage.
Abstrakt
Alle verfügbaren TNFα-Blocker wirken
über eine Verminderung der biologischen
Aktivität des potenten Entzündungsmediators TNFα. Sie gehören zu den wirksamsten Basistherapeutika bei rheumatoider Arthritis. Andere Indikationen sind
juvenile rheumatoide Arthritis, ankylosierende Spondylitis, Psoriasis-Arthritis,
Psoriasis und Morbus Crohn. Im Mittel
spricht etwa die Hälfte der behandelten
Patienten mit rheumatoider Arthritis auf
die Behandlung an. TNFα-Blocker werden
bei der Behandlung der rheumatoiden
Arthritis aufgrund der besseren Wirksamkeit mit Methotrexat kombiniert.
Obwohl sich die Arzneistoffe strukturell
teilweise stark unterscheiden, zeigen die
bisher vorliegenden klinischen Daten
keine therapeutisch relevanten Unterschiede bei rheumatoider Arthritis. TNFαBlocker können schwer wiegende teilweise letale Nebenwirkungen auslösen,
weshalb eine genaue Anamnese (z.B.
- 260 -
Tuberkulose,
Tumorerkrankungen,
Multiple Sklerose) sowie eine strikte
Beachtung der Indikationen und Kontraindikationen erforderlich sind. In vielen
Fällen kann es lohnenswert sein, bei
Unwirksamkeit eines TNFα-Blockers zu
einem anderen zu wechseln. Insofern ist
es als Vorteil anzusehen, dass fünf
verschiedene rekombinante Arzneistoffe
zur Verfügung stehen.
Einleitung
Bei der Entwicklung neuer Arzneistoffe
hat in den letzten Jahrzehnten die
gentechnologische bzw. molekularbiologische Herstellung von Proteinen zunehmend an Bedeutung gewonnen. Solche
oft als „Biologicals“ bezeichnete Arzneistoffe haben die Therapie vieler
genetisch
bedingter
Erkrankungen,
beispielsweise von Stoffwechselerkrankungen wie Morbus Gaucher (Glucocerebrosid-ß-Glucosidase-Mangel)
oder
Morbus Fabry (α-Galaktosidase-Mangel),
grundlegend verbessert (1). So war es
durch die Verfügbarkeit biologischer
Arzneistoffe oft erstmals möglich, genetische Erkrankungen durch eine gezielte
Substitution des defekten Proteins zu
therapieren. Darüber hinaus sind auch
Biologicals aus tierischem oder menschlichem Gewebe gewonnen worden. Beispiele hierfür sind Humaninsulin oder
Somatropin, das Wachstumshormon aus
dem Vorderlappen der Hypophyse (2).
Vereinfacht dargestellt lassen sich drei
therapeutische Strategien unterscheiden:
• Substitution fehlender oder defek-
ter körpereigener Proteine, beispielsweise Insulin, Somatropin,
• Einsatz körpereigener Proteine zur
zusätzlichen spezifischen Stimulation physiologischer Funktionen, beispielsweise Kolonie-stimulierende
Faktoren, Interferone, Interleukine,
Erythropoietin
• Einsatz von Antikörpern und Fusi-
onsproteinen zur spezifischen Modulation der Wirkung körpereigener
Proteine oder Abwehrmechanismen, beispielsweise Trastuzumab,
Bevacizumab, Ranibizumab
Im Gegensatz zur Substitutionstherapie
wird bei den zusätzlich eingesetzten
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TNFα-Blocker bei rheumatoider Arthritis
körpereigenen Proteinen deren physiologische Wirkung für die Behandlung von
Erkrankungen genutzt. So steigern
Kolonie-stimulierende
Faktoren
die
Bildung von neutrophilen Granulozyten
und Monozyten und werden zur Verkürzung der Neutropeniedauer (häufigste
Form eines Leukozytenmangels) bei
zytostatischer
Therapie
von
nichtmyeloischen Tumorerkrankungen eingesetzt.
Die therapeutisch eingesetzten Antikörper bzw. Fusionsproteine binden an
körpereigene Proteine und verhindern
damit deren Mediatorfunktionen. Die
Erkenntnisse über die pathologischen
Wirkungen des Wachstumsfaktors VEGF
(vascular endothelial growth factor)
haben zur Entwicklung der VEGF-Blocker
Ranibizumab und Bevacizumab geführt.
VEGF fördert die Tumordurchblutung
damit das Tumorwachstum. Die gleiche
angiogenetische Wirkung fördert das
pathologische Gefäßwachstum im Bereich der Netzhaut des hinteren Augenpols (Weblink 1) und ist eine der wichtigsten Ursachen, der feuchten Form der
altersabhängigen
Maculadegeneration
(AMD, Weblink 2). Die nachfolgend
beschriebenen Tumornekrosefaktor α
(TNFα)-Blocker zählen ebenfalls zur
Kategorie der Biologicals, die eine Modulation der Wirkung körpereigener Proteine bewirken. In diesem Fall ist die
Wirkung
des
Entzündungsmediators
TNFα betroffen.
Rheumatische Erkrankungen
Die Bezeichnung rheumatische Erkrankungen ist ein Sammelbegriff für etwa
400 verschiedene Krankheitsbilder (3-5).
In den meisten Fällen handelt es sich um
chronisch entzündliche Erkrankungen.
Rheumatische Erkrankungen sind Erkrankungen der Bindegewebsstrukturen,
die sich vor allem im Bereich von Gelenken, Gelenkkapseln, Knochen, Muskulatur oder Sehnen manifestieren. Daneben
können sich beispielsweise auch rheumatische Entzündungen von Herz, Nieren,
Nerven oder Gefäßen entwickeln. In
fortgeschrittenen Stadien leiden die
betroffenen
Patienten
häufig
unter
starken Bewegungseinschränkungen und
Schmerzen. Häufige Formen der rheumatischen Erkrankungen sind:
- 261 -
• rheumatoide Arthritis
auch chronische Polyarthritis
(Entzündung, Ruheschmerz)
• Arthrose
(meist nicht entzündlich, Schmerz
bei oder nach Belastung, teilweise
genetisch bedingt)
• aktivierte Arthrose
(Ruheschmerz, Entzündung)
• Morbus Bechterew
bzw. Spondylitis ankylosans
(Wirbelsäulen-Befall, nächtlicher
Kreuzschmerz)
• Psoriasisarthritis
bzw. Osteoarthropathia psoriatica
(betrifft hauptsächlich die Hände)
Rheumatoide Arthritis
Die rheumatoide Arthritis im Erwachsenenalter weist eine Prävalenz von etwa
1 % auf. Frauen sind 3-Mal häufiger
betroffen als Männer. Die Erkrankung
führt zu einer progressiv verlaufenden
Entzündung und Zerstörung von Synovialmembran, Gelenkknorpel und den
Knochen an den Gelenken (Erosionen).
Im Verlauf der Erkrankung kommt es zu
bleibenden Veränderungen wie Gelenkzerstörung und –versteifung, die u.a. zu
charakteristischen Verformungen an den
Händen führen können (Abb. 1). In den
meisten Fällen finden sich bereits in
frühen Stadien Schwellungen von kleinen
Gelenken wie Fingergrund- und Mittelgelenken oder Zehengelenken, aber es
können auch Schulter-, Knie- und Halswirbelsäulengelenke
betroffen
sein.
Typischerweise sind mehrere Gelenke
auf beiden Seiten des Körpers geschwollen, beispielsweise die Fingergelenke der
linken und rechten Hand (3-5).
Zu Beginn der Erkrankung kommt es oft
zu einem längeren Prodomalstadium,
welches durch eher unspezifische und
teilweise
remittierende
Beschwerden
gekennzeichnet ist. Im akuten Stadium
bzw. bei manifester Erkrankung zeigen
sich typische Symptome wie
• länger dauernde Morgensteifigkeit
(mehr als eine Stunde)
• entzündliche Schwellung an mehre-
ren Gelenken (Polyarthritis)
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TNFα-Blocker bei rheumatoider Arthritis
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Hand besonders beim Greifen stören. Am
Fuß - und hier besonders an der Achillessehne – können Rheumaknoten das
Gehen behindern. Rheumaknoten können auch durch eine Therapie mit Methotrexat entstehen.
Abb. 1: Typische Spätfolgen der rheumatoiden Arthritis an den Händen. Die
starke Einschränkung der Beweglichkeit
(bis zur Gelenksteifigkeit) verursacht
viele einschneidende Behinderungen im
Alltagleben. Dies gilt auch für die richtige
Applikation und Dosierung von Arzneimitteln, z.B. Handhabung von Fertigspritzen oder Blistern, die Teilung von
Tabletten oder Abteilung von Tropfen
(Abb. nach Weblink 3).
• entzündliche Schwellung an den
mittleren Fingergelenken beider
Hände
• positiver Rheumafaktor (bei 50 %)
• degenerative Veränderungen der
Gelenke oft mit gelenksnaher Osteoporose (Erosion) und Verkleinerung des Gelenkspaltes
• Rheumaknoten
Die Entzündungen an den Gelenken
gehen oft auch mit klassichen systemischen Entzündungszeichen wie erhöhter
Blutsenkungsgeschwindigkeit
und/oder
erhöhter Konzentration von C-reaktivem
Protein einher. Dementsprechend entwickeln die Patienten auch einen Nachtschmerz und einen Ruheschmerz in den
Gelenken. Diagnostisch bedeutsam ist
auch, dass die Gelenkschmerzen und schwellungen über mehr als 6 Wochen
bestehen (6). Etwa 20 % der Patienten
entwickeln Rheumaknoten. Rheumaknoten bestehen aus nekrotischem
Gewebe, die vermutlich auf der Grundlage einer Schädigung kleiner Blutgefäße
entstehen. Sie sind ein Hinweis für eine
aggressive
Verlaufsform
der
rheumathoiden Arthritis. Sie können an der
Die Ursache der rheumatoiden Arthritis
ist bislang nicht geklärt (3-5). Das
Immunsystem spielt nach derzeitigen
Erkenntnissen eine wesentliche Rolle bei
der Pathogenese. Hierfür sprechen
Autoimmunreaktionen mit erhöhter TZell-aktivität (Autoantikörper gegen FcFragment von IgG) und die Nachweisbarkeit des Rheumafaktors (seropositiv:
50 %). Wie in Abb. 2 dargestellt, stehen
aktivierte T-Zellen im Zentrum des
Geschehens. Diese Zellen migrieren in
den Gelenkspalt und akkumulieren dort.
Sie
sezernieren
viele
verschiedene
Entzündungsmediatoren und bewirken
auf diese Weise die Rekrutierung weiterer
immunkompetenter
Zellen
wie
Makrophagen, Fibroblasten, Chondrozyten, Osteoklasten und B-Zellen. Diese
sezernieren ebenfalls Entzündungsmediatoren und verstärken so den inflammatorischen Prozess (3).
Bei der Behandlung der rheumatoiden
Arthritis mit Arzneistoffen wird zwischen
einer Standardtherapie und einer Basistherapie
(auch:
disease-modifying
antirheumatic drugs (DMARDs)) unterschieden. Die Standardtherapie umfasst nicht-steroidale Antirheumatika
(NSAR) wie u.a. Diclofenac, Ibuprofen,
Naproxen und die steroidalen Antirheumatika, d.h. Glukokortikoide. Diese
Arzneistoffe wirken akut antiphlogistisch
und NSAR auch direkt analgetisch. Im
Gegensatz dazu sind die sogenannten
Basistherapeutika nicht akut wirksam,
können jedoch nach einer Latenzzeit von
1-3 Monaten den chronischen Entzündungsprozess günstig beeinflussen. Man
differenziert klassische Basistherapeutika, die zunächst eingesetzt werden, von
Reserve-Basistherapeutika, die erst bei
Versagen und/oder Unverträglichkeit der
Standardtherapeutika
zum
Einsatz
kommen.
Zu den klassischen Basistherapeutika
zählen im Allgemeinen die Antimalariamittel Chloroquin und Hydroxochloroquin
sowie das Zytostatikum Methotrexat,
welches als Goldstandard angesehen
wird (4-6).
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TNFα-Blocker bei rheumatoider Arthritis
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Abb. 2: Modellvorstellung über die Entstehung und Progression der rheumatoiden Arthritis (Näheres siehe Text). Danach führt ein infektiöses Agens oder ein anderer unbekannter Stimulus durch Bindung an dendritische (antigenpräsentierende) Zellen zur Aktivierung der unspezifischen Immunabwehr. Die aktivierten Zellen migrieren in den Lymphknoten und aktivieren T-Zellen durch das übliche duale Signal (MHC, CD 80/86). Die
aktivierten T-Zellen migrieren in den Gelenkspalt und sezernieren verschiedene
proinflammatorische Mediatoren, die Effektorzellen rekrutieren und stimulieren. Dabei
nimmt TNFα eine zentrale Stellung ein. Durch die Aktivität der Effektorzellen kommt es
zu Entzündung, Gelenkschaden und Knochenerosion (MHC= Major Histocompatibility
Complex (Haupthistokompatibilitätskomplex) modifiziert nach (3)).
Die Gruppe der Reserve-Basistherapeutika umfasst ebenfalls verschiedene
Wirkprinzipien. Hierzu gehören:
•
Penicillamin
•
Indometacin
•
Natriumaurothiomaleat
•
Azathioprin
•
Ciclosporin
•
Cyclophosphamid (Vaskulitis)
•
Leflunomid
•
TNFα-Blocker
•
Anakinra
IL-1-Rezeptorantagonist
•
Tolicizumab
IL-6-Rezeptorantagonist
•
Rituximab
(CD20-Blocker, hemmt B-Zellen)
•
Abatacept
(CD80/CD86-Blocker, hemmt TZellen)
Innerhalb dieser Gruppe bestehen viele
Erfahrungen mit den TNFα-Blockern. Im
Folgenden werden die Bedeutung von
TNFα für Entzündungsreaktionen sowie
die Pharmakologie der TNFα-Blocker
näher ausgeführt.
Tumornekrosefaktor α (TNFα)
Tumornekrosefaktor α (TNFα) ist ein
wichtiger Mediator bei der Immunabwehr
sowie bei der Entstehung und Unterhaltung einer Entzündung. Dabei geht man
heute von einem biphasischen Effekt
aus. In niedrigen Konzentrationen verstärkt TNFα die Abwehrreaktionen des
Körpers gegen Infektionen, während
hohe Konzentrationen überschießende
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TNFα-Blocker bei rheumatoider Arthritis
Entzündungsreaktionen
fördern.
In
beiden Fällen liegen die gleichen Wirkungen von TNFα auf immunkompetente
Zellen wie Makrophagen und Lymphozyten zugrunde. Während jedoch bei der
natürlichen Immunabwehr Infektionen
Ursache der vermehrten TNFα-Bildung
sind, kommt es bei chronisch entzündlichen Erkrankungen wie Morbus Crohn,
rheumatoide Arthritis oder Psoriasis aus
unbekannter Ursache zu einer pathologischen Erhöhung der TNFα-Bildung in
Geweben, beispielsweise im Gelenkspalt
(siehe unten).
TNFα ist ein Homotrimer, welches aus 17
kDa großen Untereineiten besteht und
von vielen verschiedenen Zellen gebildet
werden kann. Hierzu zählen u.a.
- 264 -
Makrophagen, T-Lymphozyten, Mastzellen, Granulozyten, natürliche Killerzellen,
Fibroblasten, Neuronen, Keratinozyten
und glatte Muskelzellen. Wie in Abb. 3
dargestellt, erfolgt die Freisetzung von
löslichem TNFα aus Zellen durch eine
enzymatische Abspaltung der membrangebunden Form durch das TNFαconverting-enzym (TACE).
In ruhenden Zellen ist die TNFα-Bildung
sehr gering. Durch Stimuli wie u.a.
Bakterien, Viren, Immunkomplexe, viele
Zytokine aber auch Strahlung, Ischämie
und Verletzungen kommt es oft innerhalb von 30 min zur TNFα-Bildung, meist
durch posttranskriptionale Regulation
(beispielsweise
vermehrtes
Ablesen
bereits vorliegender RNA).
Abb. 3: TNFα liegt zunächst membrangebunden vor (mTNFα) und wird erst durch die
membrangebundene Protease TACE (TNFα converting enzyme) in seine lösliche Form
überführt (sTNFα). TNFα bindet an spezifische TNF-Rezeptoren (TNF-R). Beide Subtypen
kommen in membrangebundener und löslicher Form (sTNF-R) vor. TNF-R1 wird in erster
Linie durch lösliches TNFα aktiviert, während der TNF-R2 bevorzugt an mTNFα bindet. Die
Bindung von TNFα an den TNF-R2 ist zudem deutlich labiler. Dieser Rezeptor wird auch
als Liganden-Transfer-Rezeptor angesehen, der gebundenes TNFα rasch an den TNF-R1
weitergibt (7). Über eine komplexe Signalkaskade (siehe Kasten) kommt es zur Translokation von NFκB in den Nucleus. Dort induziert NFκB die Bildung proinflammatorischer
Mediatoren sowie FAAD-like IL-1ß-converting enzyme (FLICE), ein Protein, welches die
proapoptotische Wirkung des internalisierten TNF-R1/TNFα-Komplexes hemmt.
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TNFα-Blocker bei rheumatoider Arthritis
Die Bildung von TNFα ist stark reguliert
von positiven und negativen Rückkopplungsmechanismen. So induziert TNFα
die Bildung von IL-1, welches die weitere
Bildung von TNFα fördert. Andererseits
führt TNFα auch zur Bildung von IL-10
und dessen Wirkung hemmt die TNFαBildung (7).
TNFα
bindet
an
spezifische
TNFRezeptoren (TNF-R). Bislang sind 2
Subtypen dieser Rezeptoren bekannt:
der TNF-R1 (p55, CD120a) und der TNFR2 (p75, CD120b). Beide Rezeptoren
sind transmembranäre Glykoproteine
und kommen in membrangebundener
und löslicher Form vor (7,8). TNF-R1
wird von nahezu allen Körperzellen
konstitutiv
exprimiert
(Ausnahme
Erythrozyten), während TNF-R2 üblicherweise erst nach Induktion und
hauptsächlich in Endothelzellen und
hämatopoietischen
Zellen
exprimiert
wird. TNF-R1 wird durch lösliches TNFα
bevorzugt aktiviert, wodurch eine komplexe Signalkaskade ausgelöst wird
(Kasten).
TNFα-Signalgebung
Die Signalkaskade, die letztlich zur Aktivierung proinflammatorischer Gene
und/oder zur Auslösung einer Apoptose
führt, ist sehr komplex (8,9). Die Bindung
von TNFα an TNF-R1 führt zur Rekrutierung eines Signalproteinkomplexes
(Complex 1), der aus insgesamt 4 Proteinen besteht. Über diesen Komplex kommt
es zur Phosphorylierung des NFκB hemmenden Proteins IκB, welches nachfolgend von NFκB dissoziiert und dessen
Translokation in den Nukleus ermöglicht.
Eine Modifizierung von Complex 1 zu
Compex 2 kann zur Aktivierung der
Apoptose führen.
Dagegen ist die Bindung von TNFα an
den TNF-R2 labiler. Dieser Rezeptor wird
als Liganden-Transfer-Rezeptor angesehen, der gebundenes TNFα rasch an den
TNF-R1 weitergibt (10). Andererseits ist
TNF-R2 der bevorzugte Bindungspartner
von mTNFα. Während die Aktivierung
membrangebundener
TNF-Rs
durch
Induktion inflammatorischer Proteine
(Abb. 3) zur Auslösung und Unterhaltung der Entzündung beitragen, dienen
die löslichen TNF-Rs der Modulation von
TNFα-Effekten (7).
- 265 -
Der TNFα-Rezeptor Typ 2 wird als
Liganden-Transfer-Rezeptor angesehen, der gebundenes TNFα rasch an
den TNF-Rezeptor Typ 1 weitergibt.
Als wichtiger Entzündungsmediator ist
TNFα an vielen Erkrankungen beteiligt,
die eine chronisch entzündliche Komponente aufweisen. Hierzu zählen u.a.
• Rheumatoide Arthritis,
• juvenile rheumatoide Arthritis,
• Ankylosierende Spondylitis (auch
Spondylitis ankylosans, Morbus
Bechterew)
• Psoriasis Arthritis,
• Psoriasis
• Morbus Crohn
• Asthma
Mit Ausnahme von Asthma zeigen alle
diese Erkrankungen eine Besserung
durch rekombinante Arzneistoffe, die
TNFα bzw. dessen Effekte vermindern.
Bei Asthma haben bisherige Untersuchungen sehr heterogene Effekte einer
TNFα-Therapie gezeigt. Dies läßt vermuten, dass die therapeutische Effektivität
einer solchen Therapie nur bei einer
kleinen Gruppe von Asthmapatienten
zum Tragen kommt (11).
TNFα-Blocker
Substanzen Derzeit stehen insgesamt
fünf verschiedene TNFα-Blocker für die
Therapie der rheumatoiden Arthritis zur
Verfügung, die trotz deutlicher struktureller Unterschiede alle eine Hemmung
der biologischen Wirkungen von TNFα
bewirken. Eine Übersicht zu den Strukturunterschieden ist in Abb. 4 dargestellt.
• Etanercept (Enbrel®)
chimäres Fusionsprotein mit der
Bindungsstelle des menschlichen
TNF-Rezeptors 2 (p75, CD120b),
bindet sowohl TNFα als auch
Lymphotoxin-α (früher TNFß)
• Infliximab (Remicade®)
chimärer, monoklonaler Antikörper
mit einem murinen Fab-Fragment,
bindet spezifisch TNFα
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TNFα-Blocker bei rheumatoider Arthritis
• Adalimunab (Humira®)
rekombinanter humaner, monoklonaler Antikörper, bindet spezifisch
TNFα
• Golimunab (Simponi®)
rekombinanter humaner monoklonaler IgG1κ-Antikörper,
bindet spezifisch TNFα
• Certolizumab (Cimzia®)
Certolizumab Pegol ist ein rekombinantes humanisiertes mit
verzweigtkettigem Polyethylenglycol (PEG) konjugiertes AntikörperFab‘-Fragment, bindet spezifisch
TNFα
Die genannten Strukturunterschiede
sind klinisch bedeutsam. Am wichtigsten
erscheint die Tatsache, dass Etanercept
– im Gegensatz zu allen anderen TNFαBlockern – nur einen geringen Effekt auf
den Verlauf eines Morbus Crohn hat
(12).
Bislang ist dieser Unterschied auf molekularer Ebene nicht hinreichend erklärt.
Einer früheren Hypothese zufolge könnte
die fehlende Wirkung von Etanercept bei
- 266 -
Morbus Crohn darauf beruhen, dass
Etanercept – entsprechend der natürlichen Funktion des TNF-R2 – eine vergleichsweise labile Bindung zu TNFα
eingeht und daher nicht in der Lage ist in
Monozyten zytotoxische Reaktionen wie
Apoptose auszulösen (10).
Etanercept hat - im Gegensatz zu
allen anderen TNFα-Blockern – nur
einen geringen Effekt auf den Verlauf
eines Morbus Crohn.
Allerdings zeigten spätere Untersuchungen, dass auch der neue TNFα-Blocker
Certolizumab keine antikörperabhängige
zellvermittelte Zelltoxizität auslöst (7),
obwohl sich mit diesem Arzneistoff eine
gute klinische Effektivität bei der Erstund der Erhaltungstherapie von moderatem bis schwerem Morbus Crohn nachweisen ließ (13,14). Eine neuere Hypothese besagt, dass die fehlende Hemmung der Zytokinbildung in Monozyten
eine molekulare Erklärung für die fehlende Effektivität von Etanercept bei Morbus
Crohn sein könnte (15).
Abb. 4: TNFα-Blocker bestehen aus unterschiedlichen Proteinen (siehe Text). Während
Infliximab und zu einem geringem Teil auch Certolizumab einen Mausproteinanteil tragen, sind die anderen TNFα-Blocker komplett humanisiert. Etanercept bindet TNFα über
die entsprechenden Domänen des TNF-R2. Dagegen ist Certolizumab kein Vollantikörper,
sondern ein konjugiertes Fab’-Fragment (Abb. modifiziert nach (7))
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TNFα-Blocker bei rheumatoider Arthritis
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Anteil an Mausprotein Weitere möglicherweise klinisch bedeutsame Strukturunterschiede betreffen den Anteil an
Mausprotein, der die Bildung neutralisierender Antikörper und damit auch die
Verminderung der klinischen Wirkung
fördern könnte. Allerdings ist die Bedeutung der nachweisbaren Antikörper für
den
Therapieerfolg
bislang
unklar.
Dagegen gibt es Daten dazu, dass die
gleichzeitige Gabe von Immunsuppressiva, beispielsweise Methotrexat, die
Bildung solcher Antikörper vermindert
(16).
Immunogenität und eine Verlängerung
der Halbwertszeit angesehen (17).
Darüber hinaus könnte die Mastzellstabilisierende Wirkung von Polyethylenglykol zu einer Verminderung von Reaktionen an der Infusions- bzw. Injektionsstelle führen. Tierexperimentelle Befunde
weisen darauf hin, dass Certolizumab
nicht jedoch Adalimumab in entzündeten
Gelenken akkumuliert (18). Ob und
inwieweit die möglichen Vorteile einer
Pegylierung im Fall von Certolizumab zu
klinisch bedeutsamen Effekten führen, ist
bislang nicht geklärt.
Pegylierung Unter Pegylierung wird die
kovalente Bindung von Arzneistoffen an
Polyethylenglykol verstanden. Dabei sind
bislang unterschiedliche Kettenlängen
sowie einkettige und verzweigtkettige
Polyethylenglykolreste verwendet worden. Die Pegylierung von rekombinanten
Proteinen
sowie
Aptameren
(siehe
Weblink 4) ist ein bereits etabliertes
Konzept, welches für eine Reihe von
Arzneistoffen eingesetzt wird:
Wirkmechanismus/Wirkungen Durch
die Bindung von TNFα wird dessen
biologische Aktivität gehemmt. So sinkt
der in Biopsiematerial aus entzündetem
Gewebe nachweisbare Anteil von TNFα.
Dadurch wird die Kaskade der Mediatoren, die eine Entzündung auslösen bzw.
unterhalten, bereits an ihrem Beginn
unterbrochen (Abb. 5). Weitere damit
verbundene und vermutlich an den
klinischen Wirkungen von TNFα-Blockern
beteiligte Effekte sind in Tab. 1 aufgelistet. Die Arzneistoffe bewirken einen
antiphlogistischen Effekt, der sich auch
durch eine Abnahme plasmatischer
Entzündungsmarker
wie
C-reaktives
Protein (CRP) oder Blutsenkungsgeschwindigkeit klinisch-chemisch nachweisen lässt. Darüber hinaus ist die
antiphlogistische Wirkung auch mit einer
Besserung der Auswirkungen chronisch
entzündlicher Erkrankungen wie rheumatoide Arthritis verbunden.
• Certolizumab (Cimzia®)
zur Therapie der rheumatoiden
Arthritis
• Methoxy-PEG-Epoietin beta
(Micera®) zur Therapie der renalen
Anämie
• Pegfilgastrim (Neulasta®) zur
Therapie der Neutropenie nach
Chemotherapie
• Peginterferon alfa-2a (Pegasys®)
zur Therapie der Hepatitis C
• Peginterferon alfa-2b
(Peg-Intron®) zur Therapie der Hepatitis C
• Peginterferon alfa-2b
(Viraferon®) zur Therapie der Hepatitis C
• Pegvisomant (Somavert®) zur
Therapie der Akromegalie
• Pegaspargase (Oncaspar®) zur
Therapie der akuten lymphatischen
Leukämie
• Pegaptanib (Macugen®) zur The-
rapie der altersabhängigen Maculadegeneration (siehe Weblink 4)
Als Vorteile der Pegylierung werden im
Allgemeinen eine Verbesserung der
Löslichkeit, eine Verminderung der
Effektivität der TNFα-Blocker
Da
TNFα-Blocker
einen
wichtigen
Schrittmacher von Entzündungen blockieren, sind die Wirkungen dieser
Arzneistoffe nicht nur bei rheumatoider
Arthritis klinisch nutzbar. Viele Studien
haben gezeigt, dass diese Wirkstoffe
auch den Verlauf anderer chronisch
entzündlicher
Erkrankungen
positiv
beeinflussen können, deren Pathogenese
mit einer vermehrten Bildung und Wirkung von TNFα verbunden ist. Hierzu
zählen beispielsweise Psoriasis, Morbus
Crohn oder ankylosierende Spondylitis
(siehe oben). In Deutschland ist allerdings bislang nicht jeder TNFα-Blocker
für jede dieser chronisch entzündlichen
Erkrankungen zugelassen.
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TNFα-Blocker bei rheumatoider Arthritis
Substanz
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Zelluläre Wirkungen
Klinischer Effekt
Infliximab
- bindet sowohl an lösliche als auch an transmembrane
Formen von TNFα
- hemmt die funktionelle Aktivität von TNFα
- verhinderte die Erkrankung bei transgenen Mäusen, die
Polyarthritis aufgrund einer veranlagungsbedingten
Expression von menschlichem TNFα entwickelt hatten
- bildet rasch stabile Komplexe mit menschlichem TNFα,
ein Vorgang, der mit dem Verlust der TNFα-Bioaktivität
einhergeht
verbessert körperliche
Funktionsfähigkeit und
reduziert das Fortschreiten von radiologisch nachweisbaren
Gelenkschäden
Etanercept
- kompetitive Hemmung der Bindung von TNF an seine
Zelloberflächen-Rezeptoren
- bewirkt biologische Inaktivität von TNF und verhindert somit
durch TNF hervorgerufene Zellreaktionen
- verändert biologische Reaktionen, die durch zusätzliche
Moleküle der Entzündungskaskade (z. B. Zytokine, Adhäsionsmoleküle oder Proteinasen) kontrolliert und durch TNF
hervorgerufen oder gesteuert werden
verbessert körperliche
Funktionsfähigkeit und
reduziert das Fortschreiten von radiologisch nachweisbaren
Gelenkschäden
Adalimumab
- beeinflusst biologische Reaktionen, die durch TNF
ausgelöst oder gesteuert werden, einschließlich der
Veränderungen der Konzentrationen von für die Leukozytenmigration verantwortlichen Adhäsionsmolekülen (ELAM1, VCAM-1 und ICAM-1)
verbessert körperliche
Funktionsfähigkeit und
reduziert das Fortschreiten von radiologisch nachweisbaren
Gelenkschäden
Golimumab
- neutralisiert die TNFα-induzierte Zelloberflächenexpression der Adhäsionsmoleküle E-Selektin, vaskuläres Zelladhäsionsmolekül(VCAM)-1 und interzelluläres Adhäsionsmolekül(ICAM)-1
- hemmt die TNFα-induzierte Freisetzung von Interleukin(IL)-6, IL-8 und Granulozyten-Makrophagenkoloniestimulierendem Faktor(GM-CSF) durch humane
Endothelzellen.
verbessert körperliche
Funktionsfähigkeit
Certolizumab
- neutralisiert membranassoziierten und löslichen TNFα.
- hemmt Lipopolysaccharid-(LPS-)induzierte TNFα- und IL1ß-Produktion in humanen Monozyten
- enthält keine fragment-kristallisierbare (Fc)-Region, und
bewirkt in vitro daher weder Komplementfixierung noch
eine antikörperabhängige zellvermittelte Zelltoxizität
- induziert in vitro weder eine Apoptose in humanem
Monozyten oder Lymphozyten noch eine neutrophile
Degranulation
verbessert körperliche
Funktionsfähigkeit und
reduziert das Fortschreiten von radiologisch nachweisbaren
Gelenkschäden
Tabelle 1: Zelluläre Wirkungen und klinische Effekte der TNFα-Blocker bei der Therapie
der rheumatoiden Arthritis. Es ist bislang nicht genau bekannt, ob und inwieweit sich die
unterschiedlichen Effekte auf die klinische Effektivität auswirken (Ausnahme Etanercept,
modifiziert nach Fachinformationen aus Weblink 5).
Bei Patienten mit rheumatoider Arthritis wird die Effektvität einer Basistherapie durch eine Summe verschiedener
klinischer Parameter bestimmt, die
Angaben der Patienten, Beurteilungen
der behandlenden Ärzte sowie biochemische Messwerte einbezieht. Das am
häufigsten eingesetzte Verfahren ist der
Index des „American College of Rheumatology“ (ACR), wobei der ACR20, also
eine Verbesserung des Index um 20 %,
als Standard eingesetzt wird (Tab. 2).
Ein modifizierter ACR20 zur Reduktion
der in klinischen Studien erforderlichen
Patientenzahlen wurde kürzlich veröffentlicht (19). Gleichfalls dienen ACR50
und ACR70 in klinischen Studien zur
Beurteilung der Effektivität von Arzneimitteln.
Applikation TNFα-Blocker müssen als
rekombinante Proteine zur Behandlung
der rheumatoiden Arthritis parenteral
appliziert werden.
Fortbildungstelegramm Pharmazie 2009;3:258-274
TNFα-Blocker bei rheumatoider Arthritis
- 269 -
Abb. 5: Angriffspunkte der TNFα-Blocker und anderer neuerer Basistherapeutika innerhalb der Pathogenese der rheumatoiden Arthritis (siehe auch Abb. 1).
ACR*-Kriterien
Zahl, der geschwollenen und druckschmerzhaften Gelenke
Einschätzung der allgemeinen Krankheitsaktivität durch den Patienten
Einschätzung der allgemeinen Krankheitsaktivität durch den Arzt
Bewertung des Schmerzes durch den
Patienten
Subjektive Einschätzung der physischen Funktionen durch den Patienten
Untersuchung der "Akute-PhaseParameter" wie BSG und CRP
Tab. 2: Klinische Kriterien der Bewertung zum Status Quo und der Progression der rheumatoiden Arthritis (*ACR:
American College of Rheumatology, aus
Weblink 6)
Während bei Infliximab alle 4-8 Wochen
eine i.v.-Infusion erforderlich ist, können
die anderen TNFα-Blocker auch selbst-
ständig durch die Patienten subkutan
appliziert werden. Die Dosierungsintervalle schwanken dabei von 1-2-Mal
wöchentlich bei Etanercept bis 1-2-Mal
monatlich bei Adalimumab, Golimumab
und Certolizumab. Im Hinblick auf die bei
rheumatoider Arthritis möglichen Beweglichkeitseinschränkungen der Hände ist
für eine Reihe von Patienten ein Pen
schwierig zu bedienen. Für solche Patienten werden Fertigspritzen angeboten, die
auf unterschiedliche Weise den speziellen
Bedürfnissen
der
Rheumapatienten
gerecht werden sollen (Abb. 6). Von
Bedeutung hierbei erscheinen neben der
Laufleichtigkeit des Stempels vor allem
breite und rutschsichere Seitenflügel, ein
rutschsicherer Stempeldrücker und die
leichte Entfernbarkeit des Kanülenschutzes.
Klinische Studien Alle derzeit in
Deutschland verfügbaren TNFα-Blocker
haben sich in klinischen Studien als
wirksam zur Behandlung der rheumatoiden Arthritis erwiesen. So führt die Gabe
von TNFα-Blockern zu einer mittleren
Ansprechrate von etwa 50 % (20 %ige
Besserung eines standardisierten Index,
Fortbildungstelegramm Pharmazie 2009;3:258-274
ACR20). Der Effekt stellt sich innerhalb
der ersten 6 Wochen ein und bleibt
mindestens 6 Monate erhalten. In
Abb. 7 sind die Ergebnisse klinischer
Studien für Etanercept und Certolizumab
(je+Methotrexat) beispielhaft dargestellt.
Die Wirkung der TNFa-Blocker kann
im Laufe der Therapie nachlassen
oder die Patienten sprechen erst gar
nicht auf die Therapie an (20).
TNFα-Blocker werden bei der Behandlung
der rheumatoiden Arthritis aufgrund der
besseren Wirksamkeit mit Methotrexat
kombiniert. So zeigte die Kombination
mit Methotrexat im Allgemeinen eine
deutlich bessere klinische Wirkung als
die jeweilige Monotherapie. Dennoch ist
eine solche Kombination nicht immer
möglich, beispielsweise bei Unverträglichkeiten
oder
Kontraindikationen
gegenüber Methotrexat. In solchen
Fällen kann auch eine Monotherapie mit
TNFα-Blockern initiiert werden. Zugelassen hierfür sind Etanercept, Adalimumab
und Certolizumab.
Abb. 6: Spritzen für die Anwendung von
Etanercept (oben), Adalimumab (Mitte)
und Certolizumab (unten). Besonders für
Patienten mit rheumatoider Arthritis sind
breite und rutschsichere Seitenflügel (1),
die leichte Entfernbarkeit des Kanülenschutzes (2) und ein rutschsicherer
Stempeldrücker (3) sehr wichtig.
- 270 -
Anteil der Patienten mit ACR20 [%]
TNFα-Blocker bei rheumatoider Arthritis
75
50
25
P
0
V
D
Etanercept
P V
D
Certolizumab
Abb. 7: Effektivität von zwei ausgewählten TNFα-Blockern. Im Vergleich zu
Placebo (P) erreichten innerhalb von 24
Wochen Therapie nahezu dreimal soviele
Patienten den ACR20 nach Gabe von
Verum (V), d.h. 25 mg Etanercept
zweimal wöchentlich bzw. 200 mg
Certolizumab einmal alle 2 Wochen.
Betrachtet man die Differenz (D) zwischen Verum und Placebo, also die durch
die Arzneistoffe ausgelöste Wirkung,
zeigt sich kein Effektivitätsunterschied
zwischen den beiden TNFα-Blockern
(Daten aus (21,22)).
Nicht jeder Patient spricht auf die Therapie mit TNFα-Blockern an. Bei etwa 2040 % der behandelten Patienten wird
nach 6 monatiger Therapie der ACR20
nicht erreicht (20). Darüber hinaus kann
die Wirkung der TNFα-Blocker im Laufe
der Therapie nachlassen. Nach klinischen
Untersuchungen von Schweizer Rheumatologen ist Infliximab stärker davon
betroffen, als Etanercept oder Adalimumab (23). Für die beiden neuen TNFαBlocker Golimunab und Certolizumab
sind bislang keine vergleichenden Untersuchungen
publiziert.
Eine
häufige
eingesetzte
therapeutische
Strategie
nach einem missglückten Behandlungszyklus ist ein Behandlungsversuch mit
einem anderen TNFα-Blocker. Obwohl
alle TNFα-Blocker über denselben Mechanismus wirken, existieren einige
Unterschiede, die die Erfolgsraten nach
einem Wechsel erklären könnten. Hierzu
zählen u.a. Unterschiede in der Pharmakokinetik, der Stabilität des gebildeten
Komplexes mit TNFα, den zytotoxischen
Eigenschaften oder der Bildung von
Antikörpern (siehe oben).
Fortbildungstelegramm Pharmazie 2009;3:258-274
TNFα-Blocker bei rheumatoider Arthritis
Wie in einer gerade veröffentlichten
wissenschaftlichen
Übersichtsarbeit
dargestellt, ist die Strategie des TNFαBlocker-Wechsels
klinisch
erfolgreich
(20). So wurde der ACR20 von etwa
50 % der Patienten nach dem ersten
Wechsel des TNFα-Blockers erreicht.
Allerdings sinkt die Erfolgsrate bei einem
zweiten Wechsel. Insofern erscheint
vorteilhaft, dass heute zwei Reservetherapien
mit
deutlich
verschiedenem
Wirkungsmechanismus existieren, die
beiden Zytostatika Abatacept und Rituximab (20). Eine weitere Alternative, die
in Deutschland erst seit kurzem verfügbar wurde, ist der IL-6-RezeptorAntagonist Tocilizumab (24).
Nebenwirkungen der TNFα-Blocker
Die Liste der Nebenwirkungen, die in die
Fachinformationen
der
TNFα-Blocker
aufgenommen wurden ist sehr lang und
kann daher hier nicht im Einzelnen
wiedergegeben werden (Weblink 5). Im
Folgenden werden einige wichtige Nebenwirkungen
aufgezählt
und
kurz
beschrieben (Tab. 3).
Wichtige Nebenwirkungen
von TNFα-Blockern
Infusionsreaktionen
Überempfindlichkeit
Reaktionen an der Injektionsstelle
Antikörperbildung
Infektionen
- 271 -
häufig vor und können Fieber, Schüttelfrost, Hypertonie, Hypotonie, Dyspnoe,
Urtikaria und Pruritus umfassen (gegebenenfalls
Therapieabbruch).
Diese
Reaktionen sind bei wiederholter Gabe
und möglicherweise auch bei geringer
Infusionsgeschwindigkeit seltener bzw.
schwächer ausgeprägt.
Reaktionen an der Injektionsstelle
wie Juckreiz, Blutungen, Schmerzen und
Schwellungen sind bei Etanercept und
Adalimumab sehr häufig, während solche
Reaktionen bei den neueren TNFαBlockern seltener vorkommen (Weblink
5). Beobachtet werden vor allem
Erytheme mit Juckreiz und Schmerzen.
Solche Reaktionen können wiederholt
auftreten und eine Dauer von mehr als 3
Tagen aufweisen.
Wird die Therapie nach längerer Unterbrechung (Jahre) wieder aufgenommen,
kann es 3 bis 12 Tage später zu teilweise
schwerwiegenden, verzögerten Überempfindlichkeitsreaktionen wie Fieber, Myalgie, Arthralgie, Hautausschläge,
Pruritus, Gesichts-, Hand- und Lippenödemen, Dysphagie, Hals- oder Kopfschmerzen kommen.
In einigen Fällen entwickeln Patienten
neutralisierende
Antikörper
gegen
TNFα-Blocker, die u.U. schwerwiegende
allergische Reaktionen verursachen und
mit einem Wirkungsverlust einhergehen
können (16). Möglicherweise sind solche
Reaktionen
bei
TNFα-Blockern
mit
Mausproteinanteilen häufiger. Ebenfalls
beschrieben ist die Bildung antinukleärer
Antikörper gegen doppelsträngige DNS,
welche ein Lupus-ähnliches Syndrom
hervorrufen können.
Tab. 3: Wichtige Nebenwirkungen von
TNFα-Blockern (aus Weblink 5, Erläuterungen siehe Text)
Die Anwendung von TNFα-Blockern kann
zum Neuauftreten oder zur Verschlechterung klinischer Symptome und/oder
röntgenologischer Hinweise einer demyelinisierenden Erkrankung einschließlich Multipler Sklerose führen (16). Bei
Patienten mit vorbestehenden oder
kürzlich aufgetretenen demyelinisierenden Erkrankungen sollten vor Therapiebeginn Nutzen und Risiken der TNFαBlocker-Behandlung sorgfältig abgewogen werden.
Infusionsreaktionen während und bis
zu 2 Stunden nach der ersten Applikation
von Infliximab kommen häufig bis sehr
Aufgrund des Eingriffs in das Immunsystem zeigen TNFα-Blocker viele Nebenwirkungen, die auch von Immunsuppressiva bekannt sind. Interessant erscheint
Lymphome
Gastrointestinale Störungen
Bluthochdruck
Kopfschmerz
Fortbildungstelegramm Pharmazie 2009;3:258-274
TNFα-Blocker bei rheumatoider Arthritis
jedoch das relativ häufige Auftreten
einer Tuberkulose, welches im Fall von
Infliximab auch für Todesfälle verantwortlich war (25). Weitere Erfahrungen
zeigten dann, dass auch alle anderen
TNFα-Blocker tödliche Infektionen hervorrufen können (Weblink 5). Daher ist
es erforderlich, dass geeignete Screening-Untersuchungen (z.B. Tuberkulinhauttest und Röntgen-Thorax-Aufnahme)
bei allen Patienten durchgeführt und
positiv getestete Patienten von einer
TNFα-Therapie ausgeschlossen werden.
Gleichfalls erleiden Patienten unter
Infliximab häufiger virale und bakterielle Infektionen. Insbesondere Infektionen der ableitenden Harnwege und des
gesamten Respirationstraktes (Sinusitis,
Pneumonie) sowie schwere Verläufe von
Pyelonephritis,
Bronchitis,
septischer
Arthritis, Pneumonie oder Sepsis wurden
in einzelnen Fällen beobachtet.
Unter der Behandlung mit Infliximab sind
in einzelnen Fällen Lymphome und
Myelome aufgetreten. Dies könnte auf
der Blockade der TNFα-Wirkung beruhen.
Eine gezielte Überwachung wird empfohlen.
Gastrointesinale Störungen (> 1 %)
umfassen hauptsächlich Übelkeit, Diarrhoe, Dyspepsie oder abdominelle
Schmerzen.
- 272 -
Zentralnervöse Störungen wie Kopfschmerz, Schwindel oder Benommenheit
und kardiovaskuläre Nebenwirkungen
wie Hyper- und Hypotonie oder Flush
wurden ebenfalls häufig (> 1 %) beobachtet.
Seltenere Nebenwirkungen betreffen
u.a. das Blutbild, die Psyche, das Auge
und die Galle (siehe Weblink 5).
Schwangerschaft/Stillzeit Zur Anwendung von TNFα-Blockern bei schwangeren Frauen gibt es keine ausreichenden klinischen Daten. Tierexperimentelle
Studien ergaben keine Hinweise auf eine
Beeinträchtigung der Fruchtbarkeit oder
eine Schädigung des Fötus. Dennoch
könnte die Anwendung von TNFαBlockern während der Schwangerschaft
die normale Immunantwort von Neugeborenen beeinträchtigen. Deshalb sollten
TNFα-Blocker während der Schwangerschaft nicht angewendet werden. Außerdem sollten Frauen im gebärfähigen
Alter geeignete Empfängnisverhütungsmethoden anwenden und diese für
begrenzte Zeit nach der letzten Anwendung von TNFα-Blockern fortführen
(Weblink 5) (16).
Wichtige Kontraindikationen sind in
Tab. 4 zusammengefasst.
Fazit
Wichtige Kontraindikationen
von TNFα-Blockern
Herzinsuffizienz
Latente oder aktive Tuberkulose
Bestehende Infektion oder Sepsis
Bestehende oder anamnestische
Tumorerkrankung
Bestehende oder anamnestische
multiple Sklerose oder Optikusneuritis
Bekannte Überempfindlichkeit
Tab. 4: Wichtige Kontraindikationen von
TNFα-Blockern (aus Weblink 5, und
Zitat (16), Erläuterungen siehe Text)
TNFα-Blocker sind hochwirksame Basistherapeutika bei rheumatoider Arthritis. Obwohl sich die Arzneistoffe strukturell teilweise stark unterscheiden, zeigen
die bisher vorliegenden klinischen Daten
kaum therapeutisch relevante Unterschiede. TNFα-Blocker werden bei der
Behandlung der rheumatoiden Arthritis
aufgrund der besseren Wirksamkeit mit
Methotrexat kombiniert. Nachteilig sind
die teilweise schwerwiegenden Nebenwirkungen. Wichtig erscheint, dass es in
vielen Fällen lohnenswert sein kann, bei
Unwirksamkeit eines TNFα-Blockers zu
einem anderen zu wechseln. Insofern ist
es als Vorteil anzusehen, dass fünf
verschiedene rekombinante Arzneistoffe
zur Verfügung stehen.
Fortbildungstelegramm Pharmazie 2009;3:258-274
TNFα-Blocker bei rheumatoider Arthritis
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Weblinks
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2) Kojda G, Neue Arzneistoffe zur Behandlung der altersabhängigen Makuladegeneration. Teil 2: Ranibizumab
Fortbildungstelegramm Pharmazie 2007;1:170-179 (Dezember 2007)
http://www.uni-duesseldorf.de/kojda-pharmalehrbuch/FortbildungstelegrammPharmazie/SerieNeueArzneimittel.html
3) Medizinische Enzyklopädie der „National Library of Medicine“ (USA)
http://www.nlm.nih.gov/medlineplus/encyclopedia.html
4) Kojda G, Neue Arzneimittel:Pegaptanib
Fortbildungstelegramm Pharmazie 2007;1:150-158 (November 2007)
http://www.uni-duesseldorf.de/kojda-pharmalehrbuch/FortbildungstelegrammPharmazie/SerieNeueArzneimittel.html
5) Fachinformationen online (Registrierung mit Approbation erforderlich!)
http://www.fachinfo.de/data
6) Webseiten des „American College of Rheumatology”
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Impressum:
http://www.uni-duesseldorf.de/kojda-pharmalehrbuch/FortbildungstelegrammPharmazie/impressum.html
Fortbildungstelegramm Pharmazie 2009;3:258-274
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