Unser Sohn leidet an Farbenblindheit: Wird diese vererbt? Kurzantwort: Umgangssprachlich wird oft die weit mehr vorkommende Rot-Grün-Farbsinnstörung als «Farbenblindheit» bezeichnet als die echte Farbenblindheit. Dabei handelt es sich aber lediglich um eine Farbenanomalie, bei der die Betroffenen die Farben Rot und Grün schlechter als Normalsichtige unterscheiden können. Männer sind von dieser Sehschwäche, weit mehr betroffen als Frauen. Augen: Unser Sohn (10) leidet an Farbenblindheit. Er hat Schwierigkeiten, zwischen Rot und Grün zu unterscheiden. Woher kommt die Farbenblindheit, und ist diese vererbbar? Verändert sie sich im Verlaufe des Lebens? Hat sie später einen Einfluss auf die allgemeine Sehschärfe? L. O. in K. Dr. med. Markus Suppiger, Facharzt FMH für Ophtalmologie Ophtalmochirurgie, Belegarzt Hirslanden Klinik St. Anna Luzern Die echte Farbenblindheit (Achromatopsie) ist eine seltene Farbsinnstörung, bei der gar keine Farben, sondern nur Hell-Dunkel-Kontraste wahrgenommen werden können. Umgangssprachlich wird aber auch oft die weit mehr vorkommende Rot-Grün-Farbsinnstörung als «Farbenblindheit» bezeichnet. Dabei handelt es sich aber lediglich um eine Farbenanomalie, bei der die Betroffenen die Farben Rot und Grün schlechter als Normalsichtige unterscheiden können. Ursachen Die Farbrezeptoren (Zapfen) in der Netzhaut des Auges ermöglichen die farbliche Wahrnehmung der Umwelt. Von diesen Farbrezeptoren gibt es drei Arten, die die Farbreize aufnehmen und weiterleiten. Bei den Achromaten (Farbenblinden) funktioniert keine dieser Zapfenarten, sie können überhaupt keine Farben erkennen. Bei der Rot-Grün- Sehschwäche sind lediglich diejenigen SehpigmentProteine der Netzhaut verändert, die für die Rot-Grün-Erkennung vorgesehen sind. Die Rot-GrünSehschwäche ist immer angeboren und verstärkt oder vermindert sich nicht im Laufe des Lebens. Männer sind von dieser Sehschwäche weit mehr betroffen als Frauen: Etwa 9 Prozent aller Männer und 0,8 Prozent aller Frauen leiden an der Rot-Grün- Sehschwäche. Diese wird tatsächlich genetisch weitergegeben. Der Grund für das zehnmal so häufige Auftreten bei Männern liegt an der Lokalisation des Farben-Gens im Chromosom 23, dem X-Chromosom. Erbkrankheit Die Rot-Grün-Farbsinnstörung ist eine Erbkrankheit, die rezessiv vererbt wird. Die Erbanlagen dafür liegen auf dem X-Chromosom. Bei Frauen müssen deshalb beide X-Chromosomen diese Anlage haben, damit sie rot-grün-blind sind. Wenn nur ein X-Chromosom betroffen ist, dominiert das gesunde X-Chromosom. Bei Männern hingegen reicht es, wenn ein X-Chromosom betroffen ist, weil das andere Chromosom ein Y-Chromosom ist. Auswirkungen im Alltag Die Sehschwäche wird von den Betroffenen im Alltag als nicht besonders hinderlich angesehen. Allerdings dürfen einige Berufe wie Lokomotivführer, Bus und Taxifahrer, Pilot oder Polizist nur nach dem erfolgreichen Bestehen umfangreicher augenärztlicher Untersuchungen ausgeübt werden. Die Ausprägung einer Rot-Grün-Sehschwäche kann mit Farbtafeln (Ishihara), etwas genauer durch den sogenannten Farnsworth-Test oder mit einem Anomaloskop festgestellt werden. Die Rot-Grün- Farbsinnschwäche hat jedoch keinen negativen Einfluss auf die Sehschärfe. Dr. med. Markus Suppiger Quelle: Neue Luzerner Zeitung 3. Juni 2013