Lektüre Durchblick Deutsch plus Friedrich Schiller: Die Räuber - Buch mit mp3-Download Inhalt - Hintergrund - Interpretation von Detlev Mahnert 1. Auflage Friedrich Schiller: Die Räuber - Buch mit mp3-Download – Mahnert schnell und portofrei erhältlich bei beck-shop.de DIE FACHBUCHHANDLUNG Mentor 2005 Verlag C.H. Beck im Internet: www.beck.de ISBN 978 3 580 65302 6 65302_001_064.qxd 09.01.2006 15:16 Uhr Seite 6 Die Handlung Inhalt Die Handlung Das Stück spielt Mitte des 18. Jahrhunderts, also etwa zu Schillers Zeit, an verschiedenen Orten in Deutschland (in Franken, Sachsen und Böhmen). Die Handlung erstreckt sich über einen Zeitraum von etwa anderthalb Jahren. Bei der Uraufführung schien dem Mannheimer Theaterdirektor v. Dalberg der revolutionäre Gehalt des Stücks so gefährlich, dass er es in die Zeit um 1495 verlegte und die Schauspieler in Ritterkostümen spielen ließ. Das Stück wurde ein Riesenerfolg; die Zuschauer waren aber nicht etwa wegen seiner revolutionären Töne so begeistert, sondern wegen der großen Gefühle, die hier gezeigt wurden. Vorgeschichte: Karl Moor als Student Der junge Karl Moor, Lieblingssohn des Grafen Maximilian, ein feuriger, hoch begabter junger Mann, hat als Student in Leipzig aus jugendlichem Leichtsinn allerhand Unfug getrieben und Schulden gemacht, wofür er jetzt bestraft werden soll. Er bereut sein Handeln und gesteht in einem Brief alles seinem Vater in der Hoffnung, dass ihm verziehen wird und er aufs Schloss zurückkehren und an der Seite seiner geliebten Amalia glücklich werden kann. Dieser Brief aber wird von Karls Bruder Franz abgefangen und erreicht deshalb den Vater nie. Franz fädelt eine heimtückische Intrige ein. 6 65302_001_064.qxd 09.01.2006 15:16 Uhr Seite 7 Die Handlung 1. Szene: Der teuflische Plan von Franz Der alte Moor, bereit seinem »verlorenen Sohn« Karl zu verzeihen, wartet auf eine Nachricht von ihm. Franz, schon immer neidisch auf den bevorzugten Bruder, nutzt die Gelegenheit: Mit einem gefälschten Brief täuscht er dem Vater vor, dass Karl wegen eines (verbotenen) Duells steckbrieflich gesucht werde, und bringt den Vater dazu, seinen Lieblingssohn zu verfluchen. Den entsprechenden Brief an Karl verfasst er vorsichtshalber auch gleich selbst. 2. Szene: Karls Aufstand gegen die ganze Welt In einer Kneipe wütet der »Kraftmensch« Karl (s. S. 29) gegen die tintenklecksende (S. 21/27f.) Zeit, gegen das Kriechen vor den Fürsten, gegen ein heuchlerisches Christentum und ganz allgemein gegen die beengenden Gesetze, die noch keinen großen Mann gebildet (S. 23/16) haben. Spiegelberg, der wildeste unter Karls Kumpanen, spricht davon, eine Räuberbande zu gründen. Da erhält Karl den – von Franz verfassten – Brief des Vaters. Die Überzeugung, dass sein geliebter Vater ihn verstoßen hat, erschüttert ihn tief. Er sieht die ganze Welt in Unordnung und lässt sich von den Freunden mitreißen, Hauptmann einer Bande von Räubern und Mördern zu werden. Sie schwören einander Treue bis in den Tod. Spiegelberg allerdings ist wütend, dass nicht er zum Anführer gewählt worden ist. 3. Szene: Franz macht sich an Amalia heran Franz versucht, Karl bei Amalia schlecht zu machen, die ihm zunächst deutlich ihre Abneigung zeigt. Er schmeichelt sich bei ihr ein, erzählt ihr dann, Karl habe ihren Freundschaftsring verpfändet und sei von seinen Lastern fast zerstört. Auf Amalias Einwand, so könne ihr Karl unmöglich geworden sein, erklärt er, er habe alles 7 Inhalt 1. Akt: Die feindlichen Brüder 65302_001_064.qxd 09.01.2006 15:16 Uhr Seite 30 Der Text in seiner Zeit Der Text in seiner Zeit ■ Elemente des Sturm und Drang Formal – Loslösung von den Regeln für das Drama – an vielen Stellen maßlose Sprache und Übertreibungen (s. S. 24 und 29) Inhaltlich – Revolutionsstimmung Hintergrund – Freiheit – Kraftmeiertum – Lust, »große Männer« zu zeigen, auch große Bösewichte – Verachtung des Alltagslebens – Freundschaft, Treue ■ Elemente anderer Epochen Barock (17. Jh.) – Lust an der »großen Oper« mit all ihrem Prunk – Denken in Gegensätzen (Gegensatz Mensch/Gott, Lebenslust/ Todesangst) Pietismus und Empfindsamkeit (s. S. 27) – Frömmigkeit und Gefühlsreichtum, z. B. bei Klopstock (1724–1803) Aufklärung (s. S. 26) – der Mut, sich seines eigenen Verstandes zu bedienen 30 65302_001_064.qxd 09.01.2006 15:16 Uhr Seite 31 Der Text in seiner Zeit Verzicht auf die »drei Einheiten« (s. S. 32) z. B. S. 22/29–23/9; S. 33/33–34/5; S. 34/32–35/5; S. 36/21–35; S. 44/17–45/3; S. 55/27–36; S. 74/35–75/36; S. 147/24–28 vor allem in der Erstfassung (s. S. 46f.), aber auch I, 2 (S. 22/29–23/9) oder II, 3 (S. 76/36ff.; S. 77/23ff.) Ich fühle eine Armee in meiner Faust. (II, 3; S. 80/34) Karl, Franz; vgl. auch S. 14/13 I, 2: S. 22/22ff., S. 23/12ff., S. 30/35ff. S. 36/34–37/6; Rettung Rollers durch Karl; Treue der Amalia überquellende Bilder, Aktionsreichtum, große Gefühle Freiheit/sittliche Ordnung; Tugend/Laster; Tugend/Verbrechen; Schönheit/Hässlichkeit; auch die beiden Hauptfiguren (Typen aus dem Welttheater des Barock) Amalia habe zu viel im Klopstock gelesen, schreibt Schiller selbst (in seiner Selbstrezension, s. S. 16) Franz als – gewissenloser – Aufklärer 31 Hintergrund Freiheit brütet Kolosse und Extremitäten aus (S. 23/16) 65302_001_064.qxd 09.01.2006 15:16 Uhr Seite 32 Die literarische Gattung Die literarische Gattung Als Hintergrund Schiller begann, »Die Räuber« zu schreiben, war er gerade 18 Jahre alt, also sicher nicht in dem Alter, in dem man sich gern an feste Regeln, an vorgefertigte Muster hält – besonders nicht in einer Zeit, die das Genie verherrlicht, das sich selbst die künstlerischen Regeln gibt. Gerade für das Theater gab es allerdings ganz feste Regeln, die man von den Franzosen übernommen hatte: Der deutsche Dichter und damalige Literaturpapst Johann C. Gottsched (1700–1766) hatte in seinem Hauptwerk »Versuch einer kritischen Dichtkunst« (1729) festgelegt, dass die Regeln der französischen Dichtung auch für die deutsche Dichtung zu gelten hätten. Schönheit war nach diesen Regeln gleichbedeutend mit Ordnung und Maß in Sprache und Form. Für das Theater galten z. B. die drei Einheiten: Einheit des Ortes (das Stück darf nur an einem Ort spielen), ● Einheit der Zeit (alles muss sich innerhalb von höchstens 24 Stunden abspielen) und ● Einheit der Handlung (nur eine Handlung, keine Nebenhandlungen, Abschweifungen etc.). ● Das nach diesen Regeln geformte Drama (nach dem griechischen Philosophen und Theatertheoretiker Aristoteles nannte man es »aristotelisches Drama«) hatte auch einen weitgehend verbindlichen Musteraufbau (5 Akte in symmetrischem Aufbau): 1. Akt: Exposition: Einführung der Personen, des Konflikts, der Voraussetzungen 2. Akt: Steigende Handlung, Verwicklungen, Knoten 3. Akt: Höhepunkt, Umschwung, Peripetie 4. Akt: Fallende Handlung, Moment der letzten Spannung, retardierendes Moment: doch noch glückliches Ende? 5. Akt: Auflösung, Katastrophe, Tod 32 65302_001_064.qxd 09.01.2006 15:16 Uhr Seite 33 Die literarische Gattung Der junge Schiller hatte wie mancher seiner Zeitgenossen mit solchen Regeln nichts im Sinn – seine aufgestaute Wut, sein Freiheitswille konnten sich nicht in eine vorgegebene Form pressen lassen. ● ● ● ● ● ● Der Spannungsaufbau ist nicht symmetrisch: fallende Handlung schon von Beginn des 3. Akts an, der ganz untypisch kurz ist: nur 2 Szenen. Das Stück hat zwei Handlungen, die bis zum 4. Akt nebeneinander laufen, sich kurz berühren, dann aber wieder trennen, dazu noch kleinere Nebenhandlungen (Spiegelberg-Intrige, Kosinsky-Geschichte). Es gibt viele (Neben-)Personen. Das Stück spielt an verschiedenen Orten. Die Handlung läuft sprunghaft ab und umfasst eine Zeit von etwa anderthalb Jahren. Die Sprache enthält Elemente der Alltagssprache. Dabei hat Schiller noch besonders effektvolle dramatische Möglichkeiten ausgelassen: Franz und Karl treffen nicht einmal aufeinander, man hört nur kurz (4. Akt), dass sie sich gesehen haben. Was hätte das für eine Szene geben können! Formal sind »Die Räuber« also nicht dem (späteren) Drama der deutschen Klassik verwandt, sondern Stücken wie den »Soldaten« von Lenz (Mini-Szenen, ständiger Schauplatzwechsel, Handlungsabweichungen, Alltags-, sogar Umgangssprache und Dialekt), Goethes »Götz von Berlichingen« (Ortswechsel, Perspektivwechsel, kurze und lange Szenen) und selbst Büchners »Woyzeck« (von 1836!). 33 Hintergrund Aus dem Schaubild S. 22/23 können Sie schon erkennen, wie wenig er sich an die Regeln hält: Zwar hat das Stück, das er selbst nicht »Tragödie«, sondern »Schauspiel« nennt, 5 Akte, und der 1. Akt enthält die Exposition, der 5. die Katastrophe, aber um die anderen Regeln kümmert er sich nicht sehr.