Punktion der A. radialis und Blutgasanalyse

Werbung
Punktion der A. radialis und
Blutgasanalyse
Interdisziplinäres Ausbildungszentrum - Medizinische Fakultät - Universität Tübingen
Autor: Dr. med. Peter Weyrich
Wissenswertes:
Allgemeines:
Sinn dieser Station in unserem Skills-Lab Innere
ist nicht nur die arterielle Blutentnahme, sondern
insbesondere auch die nachfolgende Interpretation der
Blutgaswerte. Reale Analysen von unserer Intensivstation stehen Ihnen als laminierte Kärtchen zur
Verfügung.
Die
theoretischen
Grundlagen
der
Blutgasanalyse bitten wir Sie dem Übersichtsartikel
„Blutgasanalyse“
aus
Anaesthesist
2004
·53:471–494 von Boemke, Krebs und Rossaint
(Physiologische Grundlagen) zu entnehmen. Der
Artikel ist online beim Springer Verlag verfügbar.
Ebenso empfehlenswert ist das Kapitel Säure-BasenHaushalt des Lehrbuchs „Basislehrbuch Innere Medizin“
von Renz-Polster, Krautzig und Braun, U & S oder Cecil
Textbook of Medicine für die klinische Interpretation.
Klinische Bedeutung der Symptome:
Dyspnoe: Das Leitsymptom einer akuten respiratorischen Insuffizienz. Problematisch an diesem Symptom
ist die Unzuverlässigkeit in Bezug auf den wahren
Oxygenierungsstatus des Patienten (man denke nur
an die Hyperventilationstetanie oder den chronisch
adaptierten COPD Patienten).
Zyanose: abhängig vom Hb, tritt bei Hb < 7 g/dl nicht
mehr auf, da mindestens 5 g/dl Hb deoxygeniert sein
müssen, damit die Blauverfärbung des Blutes überhaupt
sichtbar wird (dies erklärt ja den paradoxen Befund,
dass eine Zyanose bei Polyglobulie bereits bei höherem
arteriellem O2-Gehalt auftritt als bei normwertigen
Hb-Werten). Oder denken sie an die Kohlenmonoxidvergiftung (rosafarbene Haut trotz massiver Oxygenierungsproblematik wegen kompetitiver Verdrängung
des O2 aus seiner Bindungstelle am Hb)!
Blässe: kann Hinweis auf eine Zentralisierung sein.
Kann aber auch andere Ursachen haben, man denke
z.B. an Kälte, Stress, Raynaud-Syndrom oder an ein
Phäochromozytom.
Der Goldstandard zur Erfassung des Oxygenierungsstatus ist deshalb die Blutgasanalytik und NICHTS
ANDERES!!!
Dringende Empfehlung: Erarbeiten Sie Sich den
Unterschied zwischen O2-Gehalt und O2-Sättigung!
O2-Sättigung: besagt nichts anderes als den
Sättigungsgrad des vorhandenen Hämoglobins, in
anderen Worten: ein Patient mit einem akut
abgefallenen Hb von 4 g/dl und einer Sättigung von
100% ist intubationspflichtig!
O2-Gehalt: errechnet sich mit Hilfe der Hüfnerzahl.
Siehe hierzu S. 482 und 492 der ersten Literaturempfehlung.
Version: April 2011
Tipp: Als Faustregel aus der Notfallmedizin gilt
bei einem polytraumatisierten Patienten mit entsprechender Volumenmangelproblematik:
O2-Sättigungen von 90% (Werte, die einem
„rein optisch“ noch Spielraum suggerieren)
entsprechen einem pO2 von ~ 60mmHg und
stellen praktisch eine Indikation zur Intubation
dar.
Wie gehe ich bei der Interpretation einer Blutgasanalyse systematisch vor?
Schritt 1: Qualitätskontrolle „Ist das Gas überhaupt
arteriellen Ursprungs?“
1. Sättigung auf der BGA mit der aktuellen Sättigung
des Pulsoxymeters vergleichen! Beide Werte müssen
identisch sein (eine korrekte Messung durch das Pulsoxymeter
vorausgesetzt;
Messfehler
entstehen
bei
Zentralisation sowie bei feuchter Haut).
2. Auf pCO2 achten: der Normwert für arterielle Gase
ist 35 – 45 mmHg, für eine BGA gemischt-venösen
Ursprungs liegt der pCO2 bei 45-50 mmHg, bei
maximaler peripherer Sauerstoffausschöpfung oder
einer rein peripher-venösen BGA auch deutlich darüber.
Liegt ein pCO2 von über 50 mmHg vor und ist der
Patient beschwerdefrei (und hat keine COPD oder eine
andere kardiopulmonale Grunderkrankung, welche eine
Adaptation wahrscheinlich macht), so muss der arterielle
Ursprung der BGA in Frage gestellt werden.
Schritt 2: Liegt eine Hypoxämie vor?
1. Normwert für den arteriellen O2-Partialdruck ist 70 –
95 mmHg
2. pO2 < 70 mmHg = Hypoxämie
3. pO2 < 60 mmHg = bei einem zuvor gesunden
Patienten muss hier bereits an die Intubation gedacht
werden!!
Schritt 3: Liegt eine Anämie vor?
1. Normwert Hb: 14 – 18 g/dl (Männer);
12 – 16 g/dl (Frauen)
2. Der Hb wird auch gerne mal übersehen, man sollte aber
immer wissen, wo man bzgl. der Hb-Reserve steht (zum
Bsp. bei einer chronischen gastrointestinalen Blutung).
CAVE: bei einer akuten Blutung verändert sich der
Hb erst einmal nicht, weil es ca. 2-6 Std. braucht, bis
Flüssigkeit aus dem Interstitium zum Ausgleich des
Volumenmangels in den Intravasalraum resorbiert
wird. Bei einem Patienten mit einer akuten Blutung
ist ein Hb von 14 g/dl KEINESWEGS ein Grund zur
Beruhigung. Hier achtet man in erster Linie auf
hämodynamische Parameter und die Klinik.
Schritt 4: In welche Richtung ist der pH verändert?
1. Normwert für den arteriellen pH ist 7.36 – 7.44
2. pH> 7.44 = Alkalose
Punktion der A. radialis und Blutgasanalyse I 01
Punktion der A. radialis und Blutgasanalyse
3. pH < 7.36 = Azidose
CAVE: ein normaler pH-Wert schließt das Vorhandensein
einer Alkalose/Azidose keinesfalls aus, denn diese kann
jeweils kompensiert vorliegen.
Schritt 5: In welcher Richtung ist der pCO2 verändert?
1. Normwert arterieller pCO2: 35 – 45 mmHg
2. pCO2 > 45 mmHg: Hyperkapnie
3. pCO2 < 35 mmHg: Hypokapnie
Schritt 6: Ist der pCO2 gleichsinnig oder entgegen
dem pH verändert?
1. Merkformel „metabolisch miteinander“, d.h. wenn pH
und pCO2 gleichsinnig verändert sind, so spricht dies für
eine metabolische Genese der Säure-Basen-Störung.
2. Bsp: metabolische Azidose: pH < 7.36, pCO2
kompensatorisch erniedrigt (Organismus versucht,
saure Äquivalente abzuatmen und den pH dadurch
wieder anzuheben)
3. Bsp: metabolische Alkalose: pH > 7.44, pCO2
kompensatorisch erhöht (Organismus versucht, durch
Hypoventilation und damit CO2-Retention der Alkalose
gegenzusteuern)
4. Ist der pCO2 hingegen entgegen dem pH-Wert
verändert, so spricht dies für das Vorliegen einer
respiratorischen Störung des Säure-Basen-Haushalts.
Beispiel 1: pH < 7.36 = Azidose, pCO2 > 45 mmHg =
ungleichsinnig wie pH = respiratorische Azidose, HCO3aber nicht kompensatorisch erhöht, sondern erniedrigt
oder normal niedrig.
Beispiel 2: pH > 7.44 = Alkalose, pCO2 < 35 mmHg
oder normal niedrig = respiratorische Alkalose, HCO3aber nicht kompensatorisch erniedrigt, sondern erhöht.
Auf einen Blick:
Normwerte der BGA
• arterieller pH-Wert: 7.36 – 7.44
• arterieller pO2: 70 – 95 mmHg
• arterieller pCO2: 35 – 45 mmHg
• venöser pH-Wert: 7.31 – 7.41
• venöser pO2: 33- 53 mmHg
• venöser pCO2: 45 – 50 mmHg
Schritt 7: Ist die Anionenlücke erhöht?
1. Normwert der Anionenlücke: 10 – 18 mmol/l (manche
Lehrbücher: 10 – 16mmol/l)
2. Formel der Anionenlücke: Natrium – Bikarbonat –
Chlorid (Na+ - HCO3- - Cl-)
3. Was besagt die Anionenlücke? Die Anionenlücke dient
zur Differentialdiagnostik bei metabolischen Azidosen.
Diese können einerseits durch mangelnde Ausscheidung
von Protonen (akutes und chronisches Nierenversagen,
sogenannte Retentionsazidosen) Verlust an Bikarbonat
(meist bei Diarrhöe, (selten) renal tubuläre Azidose,
sogenannte Subtraktionsazidosen) entstehen, andererseits durch Anfall von Säureaquivalenten (Ketoazidose,
Laktatazidose, Intoxikation mit Salizylaten, sogenannte
Additionsazidosen). Bei letzteren (Additionsazidosen)
vergrößert sich die Anionenlücke, da negativ geladene
Säureaquivalente diese Lücke ausfüllen
4. Anionenlücke > 18 mmol/l = es liegt eine Additionsazidose vor!
5. Vorgehen bei erhöhter Anionenlücke:
· ist das Laktat erhöht? = Laktatazidose
· Sind Ketonkörper im Urin nachweisbar, oder ist der
Blutzucker deutlich erhöht? = Ketoazidose
· keiner der Parameter erhöht: z. B. Verdacht auf
Intoxikation mit Salizylaten
Schritt 8: Liegt möglicherweise eine gemischte
Störung vor?
1. An eine gemischte Störung mit sowohl metabolischer
und respiratorischer Komponente muss immer gedacht
werden!
2. Eine gemischt Störung liegt immer dann vor, wenn
Standardbikarbonat und pCO2 im gleichen „Stoffwechselsinne“ wie der pH verändert sind.
Herausgeber:
DocLab Universitätsklinikum Tübingen
Elfriede-Aulhorn-Straße 10
72076 Tübingen
Lern- u. Lehrgebäude
E-Mail: [email protected]
Internet: www.doc-lab.de
Autor: PD Dr. med. Peter Weyrich
Fotos & Layout: Malte Bongers
Punktion der A. radialis und Blutgasanalyse I 02
Herunterladen