ZERTIFIZIERTE FORTBILDUNG Die fachkundige Beratung in der Apotheke ist Voraussetzung, um für den Patienten und sein jeweiliges Beschwerdebild die richtige Therapie zu finden. Zudem muss geklärt werden, ob Alarmsymptome vorliegen, die gegen eine Selbstmedikation sprechen. Mit dieser zertifizierten Fortbildung können Sie Ihr Wissen zur Entstehung von Sodbrennen und säurebedingten Beschwerden und den Therapieoptionen auffrischen und vertiefen. Zudem erhalten Sie wichtige Informationen und Tipps für das Beratungsgespräch und die Arzneimittelabgabe in der Apotheke. Die Fortbildung ist in drei Module gegliedert. MODUL 1: BESCHWERDEBILD SODBRENNEN UND SÄUREBEDINGTE MAGENBESCHWERDEN MODUL 2: THERAPIE MODUL 3: ARZNEIMITTELABGABE UND BERATUNG IN DER APOTHEKE Alle Fortbildungsinhalte sowie das Teilnahmeformular sind auch auf www.meinDAP.de/fobi-sodbrennen verfügbar. PUNKT NG Sodbrennen und säurebedingte Magenbeschwerden zählen zu den häufigsten Erkrankungen des Magen-Darm-Traktes. In den meisten Fällen lassen sich die Beschwerden im Rahmen der Selbstmedikation in den Griff bekommen. 1 ERTIFIZIE -Z RU B AK SODBRENNEN UND SÄUREBEDINGTE MAGENBESCHWERDEN ZERTIFIZIERTE FORTBILDUNG SODBRENNEN UND SÄUREBEDINGTE MAGENBESCHWERDEN MODUL 1:BESCHWERDEBILD SODBRENNEN UND SÄUREBEDINGTE MAGENBESCHWERDEN EINLEITUNG: Sodbrennen und säurebedingten Magenbeschwerden zählen zu den häufigsten Erkrankungen im Bereich des Magens: 34 % der deutschen Bevölkerung leiden gelegentlich bis regelmäßig unter diesen Beschwerden.1,2 Das bedeutet, dass etwa jeder dritte Kunde in Ihrer Apotheke die Symptome aus eigener Erfahrung kennt. Die Apotheke ist in der Regel die erste Anlaufstelle, wenn Betroffene nach Linderung suchen. Meistens ist die Behandlung der säurebedingten Beschwerden sehr gut mittels Selbstmedikation möglich. Es stehen verschiedene Arzneimittelgruppen zur Verfügung, die je nach Art, Häufigkeit und Dauer der Beschwerden bevorzugt eingesetzt werden können. Bevor jedoch eine Empfehlung zur Selbstmedikation gegeben wird, ist es wichtig, das Vorliegen einer schwerwiegenden Erkrankung auszuschließen. Bei bestimmten Alarmsymptomen ist unbedingt ein sofortiger Arztbesuch zu empfehlen. Das Thema Sodbrennen und säurebedingte Magenbeschwerden erfordert daher eine hohe Beratungskompetenz in der Apotheke. Was sind die Auslöser für Sodbrennen und säurebedingte Magenbeschwerden? Welche Menschen sind besonders häufig betroffen? Wie funktionieren die verschiedenen Therapieoptionen? Worauf ist bei der Arzneimitteleinnahme und der Abgabe in der Apotheke zu achten? Diese Fragen werden im Rahmen der Fortbildung beantwortet. Zum besseren Verständnis der Entstehung von säurebedingten Beschwerden werden zunächst Anatomie und Funktion des Magens dargestellt. ANATOMIE UND FUNKTION DES MAGENS3,4 Der Magen ist ein Muskelsack mit ca. 1–1,5 Litern Fassungsvermögen, in dem die aufgenommene Nahrung sowohl mechanisch als auch chemisch vorverdaut wird. Er lässt sich in einen proximalen (oberen) und einen distalen (unteren) Teil unterteilen. Der proximale Magen besitzt in erster Linie eine Speicherfunktion und besteht aus dem Magenfundus und dem proximalen Teil des Magenkorpus (siehe Abb.). Im distalen Magen wird die Nahrung durchmischt und aufbereitet, was durch das rhythmische Zusammenziehen (Peristaltik) der Magenmuskulatur erfolgt. 2 Abb.: Magen MODUL 1 ZERTIFIZIERTE FORTBILDUNG SODBRENNEN UND SÄUREBEDINGTE MAGENBESCHWERDEN MODUL 1 Die chemische Vorverdauung erfolgt mit Hilfe des Magensaftes. Bei diesem handelt es sich um eine saure Flüssigkeit, die von der Magenschleimhaut (Mukosa) produziert wird. Die Produktion der Magensäure – eine ca. 0,5 %ige Salzsäure – erfolgt durch die Belegzellen. Der wesentliche Teil des Sekretionsprozesses besteht in einem aktiven Transport von H+- und Cl–-Ionen in das Magenlumen. Dieser Vorgang wird von dem Enzym K+/H+-ATPase, auch Protonenpumpe genannt, katalysiert. Die Aufgabe der Magensäure ist neben der Denaturierung von Eiweißen in der Nahrung auch die Abtötung von Bakterien, die mit der Nahrung aufgenommen werden (bakterizide Wirkung). Neben der Magensäure sezernieren die Belegzellen auch den sogenannten Intrinsic Factor – ein Glykoprotein, das für die Resorption von Cobalamin (Vitamin B12) im Dünndarm benötigt wird. In den Epithel- und Nebenzellen der Magenschleimhaut wird ein alkalischer Schleim produziert, der eine wichtige Schutzfunktion gegenüber dem sauren Magensaft besitzt. Er enthält BicarbonatIonen, die als Puffer gegenüber freien Protonen (Wasserstoff-Ionen) wirken. So wird die Magenschleimhaut vor der aggressiven Säure geschützt. Außerdem macht der Schleim den Nahrungsbrei gleitfähig. In den sog. G-Zellen wird Gastrin gebildet – ein Peptidhormon, das unter anderem einen starken Reiz für die Produktion von Magensäure ausübt. Der Magensaft ist eine gelbliche, geruchlose Flüssigkeit, die im nüchternen Zustand einen sauren pH-Wert von 0,8 bis 1,0 hat. Täglich werden etwa 1,5 bis 2,5 Liter Magensaft mit einem Anteil von ca. Abb.: Magenschleimhaut einem Liter Salzsäure (HCl) gebildet, wobei der Stimulus für die Magensaftsekretion vor allem die Aufnahme von Nahrung ist. Aber auch Faktoren wie Ärger und Stress können sekretionssteigernd wirken. DAS KRANKHEITSBILD SODBRENNEN UND SÄUREBEDINGTE MAGENBESCHWERDEN2,5-9 Die gesunde Magenschleimhaut ist gegen die Säure des Magensaftes gut geschützt. Ist der Schutz der Magenschleimhaut aber gestört oder wird zu viel Magensäure produziert, kann es zu säurebedingten Beschwerden im Bereich des Magens kommen. Zudem kann saurer Mageninhalt in die Speiseröhre aufsteigen oder aufgestoßen werden und dort zu einer Reizung der Schleimhaut und damit zu Sodbrennen führen. Der Rückfluss von saurem Mageninhalt in die Speiseröhre wird auch als Reflux bezeichnet. Zu säurebedingten Beschwerden kann es aus unterschiedlichen Gründen kommen: • Der eigene Schutz ist geschwächt. • Es wird zu viel Säure produziert. • Es gelangt Magensäure in die Speiseröhre (Reflux). 3 ZERTIFIZIERTE FORTBILDUNG SODBRENNEN UND SÄUREBEDINGTE MAGENBESCHWERDEN SYMPTOME Säurebedingte Magenbeschwerden äußern sich durch vielfältige Symptome: Am häufigsten sind Sodbrennen – ein brennender Schmerz hinter dem Brustbein, der bis in den Hals reichen kann – und saures Aufstoßen, aber auch Magendruck, Brennen im Magen und Magenschmerzen. URSACHEN UND AUSLÖSER2,3,5-8 Die möglichen Ursachen für Sodbrennen und säurebedingte Magenbeschwerden sind vielfältig. Grundsätzlich können organische Störungen zugrunde liegen; in ca. 60 % der Fälle handelt es sich aber lediglich um funktionelle Beschwerden, die durch äußere Faktoren ausgelöst werden. In diesem Fall können die Beschwerden den Ursachen oft direkt zugeordnet werden, sodass neben der Symptombehandlung auch präventive Maßnahmen empfohlen werden können. FUNKTIONELLE BESCHWERDEN OHNE ORGANISCHE STÖRUNG2,5-8 Die Magensäureproduktion wird automatisch durch fett- und/oder zuckerreiche Lebensmittel, hastiges Essen und voluminöse Mahlzeiten gesteigert. Wenn der Magen voll ist, wird zudem der Druck auf den Ösophagussphinkter erhöht, wodurch es zu einem Rückfluss von saurem Mageninhalt in die Speiseröhre kommen kann. Vor allem im Liegen besteht eine erhöhte Refluxgefahr. Weiterhin können Übergewicht, eine Schwangerschaft, Muskeldruck durch schweres Heben oder sportliche Betätigung den Magen- und damit verbunden den Sphinkterdruck erhöhen. Ebenso kann zu enge Kleidung Refluxbeschwerden begünstigen. Als vegetative Stimulanzien regen Nikotin, Alkohol und Koffein die Magensäureproduktion an und können zudem die Ösophagusfunktion negativ beeinflussen, da dieser vegetativ gesteuert wird. Auch Stress, Hektik und seelische Belastungen können als vegetative Stimulanzien die Magensaftproduktion steigern und die Funktion des Ösophagussphinkters beeinträchtigen. Des Weiteren können bestimmte Arzneimittel Sodbrennen und säurebedingte Magenbeschwerden auslösen. Dazu gehören: •Rheuma- und Schmerzmittel aus der NSAR-Gruppe (z. B. ASS, Ibuprofen, Diclofenac) •Antibiotika (z. B. Tetracycline) •Bisphosphonate •Calciumantagonisten •Theophyllin und andere Asthmamittel •Anticholinergika •Psychopharmaka Die zugrundeliegenden Mechanismen sind vielfältig und sind beispielsweise begründet in einer unsachgemäßen Einnahme, z. B. bei Bisphosphonaten – hier ist die Einnahme in aufrechter Position auf nüchternen Magen mit ausreichend Flüssigkeit erforderlich, damit das Arzneimittel keinen Kontakt zur Speiseröhre bekommt und diese nicht reizen kann. 4 MODUL 1 ZERTIFIZIERTE FORTBILDUNG SODBRENNEN UND SÄUREBEDINGTE MAGENBESCHWERDEN Ein weiterer Grund für Sodbrennen und säurebedingte Magenbeschwerden ist die Einnahme von Arzneimitteln z. B. aus der NSAR-Gruppe. Durch deren Einnahme wird die Prostaglandinsynthese gehemmt und damit die Magenschutzwirkung herabgesetzt. ORGANISCHE URSACHEN FÜR SODBRENNEN UND SÄUREBEDINGTE MAGENBESCHWERDEN2,5-8 Eine angeborene hohe Magensäureproduktion kann zu einem häufigen Rückfluss von saurem Mageninhalt in die Speiseröhre führen. Auch ein geschwächter Schließmechanismus des Sphinkters führt zu einem Rückfluss von saurem Mageninhalt in die Speiseröhre. Eine solche Schwächung tritt häufig mit zunehmenden Alter auf, weshalb ältere Menschen ein erhöhtes Risiko für Sodbrennen und säurebedingte Magenbeschwerden haben. Sodbrennen wird zusätzlich begünstigt, wenn die Selbstreinigung der Speiseröhre, z. B. aufgrund einer verminderten Beweglichkeit, gestört ist. Schwangere leiden sehr häufig unter Sodbrennen: Mehr als 70 % aller Frauen sind im Laufe der Schwangerschaft davon betroffen.10 Die Beschwerden treten besonders im letzten Drittel der Schwangerschaft auf und verschwinden in der Regel nach der Geburt des Kindes. Für das Auftreten der Beschwerden gibt es zwei Hauptursachen: • Vermehrt gebildetes Progesteron schwächt den Ösophagussphinkter. • Der wachsende Fötus übt einen Druck auf den Magen aus. In beiden Fällen kommt es zu einem vermehrten Rückfluss von saurem Mageninhalt in die Speiseröhre und damit verbunden zu Sodbrennen. Häufig müssen Schwangere auch länger liegen, was ebenfalls den Rückfluss begünstigt. Auch bei einem Zwerchfellbruch, der sog. Hiatus-Hernie, kommt es zu einer Verlagerung eines Teils des Magens in den Brustraum. Dadurch wird der Druck des Sphinkters verringert und somit der Reflux von saurem Mageninhalt begünstigt. MODUL 2: THERAPIE PRÄVENTIVE MASSNAHMEN2,5–8,10,11 Sodbrennen und säurebedingte Magenbeschwerden lassen sich meist gut mit Hilfe einer Arzneimitteltherapie beheben bzw. verbessern. Neben den medikamentösen Behandlungsmöglichkeiten können auch einige einfache Maßnahmen im Alltag helfen, die Beschwerden zu vermeiden oder zu lindern. Zur Vorbeugung gilt es vor allem, Stress abzubauen und auslösende Faktoren wie bestimmte Genussmittel, zucker- oder fettreiche Nahrungsmittel oder zu hastige und voluminöse Mahlzeiten zu vermeiden. Genussmittel wie Alkohol, Tabak oder starker Kaffee sollten vermieden oder nur in Maßen konsumiert werden. Mahlzeiten sollten generell in Ruhe und in mehreren kleineren Portionen über den Tag verteilt eingenommen werden. 5 MODUL 1/2 ZERTIFIZIERTE FORTBILDUNG SODBRENNEN UND SÄUREBEDINGTE MAGENBESCHWERDEN MODUL 2 Bei Übergewicht kann mit einer Gewichtsreduktion häufig eine deutliche Besserung erzielt werden. Am Abend sollte auf üppige und spät eingenommene Mahlzeiten verzichtet werden. Oft hilft es auch, beim Schlafen den Kopf etwas höher zu lagern. Die Refluxgefahr wird auch gemindert, in dem man auf der linken Seite schläft: Da sich der Mageneingang auf der rechten Seite befindet, kann der Mageninhalt leichter in die Speiseröhre fließen, wenn man auf der rechten Seite liegt. ARZNEIMITTELTHERAPIE2,5-8,10-12 Reicht die Umstellung der Lebensgewohnheiten nicht aus, um die Beschwerden zu verbessern, so ist eine Arzneimitteltherapie angezeigt. Im Bereich der Selbstmedikation stehen folgende Arzneimittelgruppen zur Behandlung von Sodbrennen und säurebedingten Magenbeschwerden zur Verfügung: • Antazida • H2-Antihistaminika • Protonenpumpenhemmer ANTAZIDA Antazida sind Substanzen, die überschüssige Salzsäure neutralisieren. Sie können bei Hyperazidität und deren akuten Folgen, z. B. Sodbrennen und säurebedingte Magenbeschwerden, kurzfristig angewendet werden. WIRKSTOFFE Die Antazida umfassen eine Reihe verschiedener Wirkstoffe. Dazu gehören: • • • • Magnesiumverbindungen (z. B. Magnesiumhydroxid) Aluminiumverbindungen (z. B. Aluminiumhydroxid) Calciumverbindungen (z. B. Calciumcarbonat) Natriumhydrogencarbonat WIE WIRKEN ANTAZIDA? Antazida entfalten ihre Wirkung lokal im Magen, wo sie mit überschüssiger Magensäure chemisch reagieren und diese neutralisieren. Die Wirkung tritt meist innerhalb weniger Minuten ein und kann je nach eingesetztem Wirkstoff über mehrere Stunden anhalten. Die Wirkung von Antazida beruht auf der chemischen Bindung überschüssiger Säure durch basische Mineralien. Bei der Neutralisierungsreaktion entstehen verschiedene Salze, wie die folgenden Neutralisationsreaktionen zeigen. Mg(OH)2 + 2 HCl <=> MgCl2 + 2 H2O Al(OH)3 + 3 HCl <=> AlCl3 + 3 H2O CaCO3 + 2 HCl <=> CaCl2 + H2O + CO2 MgCO3 + 2 HCl <=> MgCl2 + H2O + CO2 NaHCO3 + HCl <=> NaCl + H2O + CO2 Abb.: Neutralisationsreaktionen typischer Antazida Starke Basen wie Natriumhydrogencarbonat, Calciumcarbonat oder Magnesiumhydroxid reagieren sehr schnell mit der Säure, sodass der pH-Wert im Magen schnell ansteigt. 6 ZERTIFIZIERTE FORTBILDUNG SODBRENNEN UND SÄUREBEDINGTE MAGENBESCHWERDEN IM FOKUS: DIE WIRKSTOFFKOMBINATION MAGNESIUMHYDROXID + ALGELDRAT11-14 Eine bei Sodbrennen und säurebedingten Magenbeschwerden sehr häufig eingesetzte Wirkstoffkombination ist die aus Magnesiumhydroxid und Algeldrat (Aluminiumhydroxid-Gel). Diese bewirkt eine schnelle und gleichzeitig nachhaltige Linderung der Beschwerden. WIRKMECHANISMUS Das Magnesiumhydroxid (Mg (OH)2) reagiert sofort und sorgt für eine schnelle Bindung der überschüssigen Säure. So wird der brennende Schmerz bei Sodbrennen in kürzester Zeit gelindert. Das Algeldrat reagiert hingegen langsamer mit der Säure, denn es handelt sich dabei um eine komplex aufgebaute Struktur aus miteinander verbundenen Oktaedern, die – abhängig vom pH-Wert – nur Stück für Stück aufgelöst werden. Der Wirkstoff wird also nicht mit einem Mal, sondern langsam, über einen längeren Zeitraum freigesetzt. Dadurch wird eine nachhaltige, säureneutralisierende Wirkung erreicht. Ferner hat Algeldrat einen verzögernden Effekt auf die Magenentleerung. Dadurch verlängert sich die Wirkung zusätzlich, denn die Dauer der säurebindenden Wirkung eines Antazidums hängt unter anderem von der Verweildauer im Magen ab. Weiterhin legt sich das Algeldrat wie ein schützendes Gel über angegriffene Bereiche der Schleimhaut und erleichtert so die Selbstheilung. Es wird angenommen, dass das in Algedrat enthaltene Aluminium die Bildung von körpereigenen Prostaglandinen fördert. Diese fördern die Durchblutung der Magenschleimhaut, stimulieren die Schleimproduktion und begünstigen dadurch die Zellteilung und die Zellregeneration in der Mukosa. Das Algeldrat fördert also direkt und indirekt die Selbstheilung der Magenschleimhaut. WISSENSWERTES ZUR EINNAHME UND VERTRÄGLICHKEIT 2,6,10-14 Wie bei allen anderen Antazida ist bei der Einnahme von Magnesiumhydroxid und Algeldrat zu beachten, dass diese die Resorption anderer Arzneimittel durch deren Bindung bzw. durch Komplexbildung herabsetzen können. Das betrifft z. B. Bisphosphonate, Gyrasehemmer sowie Tetracycline. Daher sollte bei der Einnahme anderer Medikamente ein Mindestzeitabstand von zwei Stunden eingehalten werden. Als häufige, aber unbedenkliche Nebenwirkung sind weiche Stühle zu nennen. Bei übermäßigem Gebrauch können gelegentlich Diarrhö oder Obstipation auftreten. Intoxikationen durch Aluminium oder Magnesium sind bei bestimmungsgemäßem Gebrauch des Arzneimittels nicht zu befürchten. Lediglich 1 % des aufgenommenen Aluminiums wird vom Körper resorbiert, beim Magnesium sind es ca. 10 %.14 Die Serumspiegel steigen nach der Einnahme zwar kurzzeitig an, fallen aber aufgrund der schnellen Ausscheidung über die Nieren rasch wieder auf Normalwerte zurück. 7 MODUL 2 ZERTIFIZIERTE FORTBILDUNG SODBRENNEN UND SÄUREBEDINGTE MAGENBESCHWERDEN Zu einer relevanten Ablagerung von Aluminium etwa in Nerven- und Knochengewebe kommt es dabei nicht. Bei Personen mit Niereninsuffizienz sowie Dialysepatienten und bei langfristiger Einnahme hoher Dosen ist allerdings Vorsicht geboten: Hier müssen die Serumspiegel regelmäßig kontrolliert werden, um eine Intoxikation sicher auszuschließen. SCHLEIMHAUTSCHÜTZENDE WIRKUNG DURCH AL/MG-ANTAZIDA15-18 In zahlreichen In-vitro- und In-vivo-Studien konnte eine Zytoprotektion der Magenschleimhaut durch Antazida gegenüber Läsionen durch Noxen, wie z. B. Alkohol, ASS oder Stress, belegt werden. Die Ähnlichkeit der gastroprotektiven Wirkungen der Prostaglandine mit denen der Antazida lassen gemeinsame Wirkungsmechanismen beider Substanzgruppen vermuten. Dies wird durch Studienergebnisse unterstützt, die einen signifikanten Anstieg der Prostaglandin-E2-Konzentration (PGE2) im Mageninhalt nach einer Behandlung mit aluminium-magnesiumhydroxidhaltigen Antazida zeigen. Die Selbstheilung der Schleimhaut wird dadurch beschleunigt. HCO3EGF Mukosaschleim HCO3HCO3EGF HCO3- HCO3- HCO3- EGF HCO3- 1 2 HCO3- HCO3- 3 EGF HCO3- Epithelzelle Magenschleimhaut 1.Schutzfilm: Steigerung der Prostaglandin-Synthese. PGE2 stimuliert die Produktion von zusätzlichem Mukosaschleim. So wird der Magen verstärkt vor der Säure geschützt. 2.Lokaler Säurepuffer: Abgabe von neutralisierendem Hydrogencarbonat aus den Epithelzellen des Magens in den Mukosaschleim. 3.Förderung der Selbstheilung: Freisetzung von an der Wundheilung beteiligten Wachstumsfaktoren (EGF) aus den Epithelzellen des Magens. Abb.: Schleimhautschützender Effekt durch Antazida 8 MODUL 2 ZERTIFIZIERTE FORTBILDUNG SODBRENNEN UND SÄUREBEDINGTE MAGENBESCHWERDEN MODUL 2 Zudem bewirkt die Einnahme von Al/Mg-Antazida eine Freisetzung von bestimmten Wachstumsfaktoren, die auch an der schleimhautschützenden Wirkung beteiligt sind. Antazida besitzen auch die Eigenschaft, das eiweißspaltende Enzym Pepsin reversibel zu inaktivieren. Pepsin zählt zu den Faktoren, die die Magenschleimhaut reizen und schädigen können. Einige Antazida können darüber hinaus auch aggressive Gallensäuren binden. Im Zwölffingerdarm werden Gallensäuren für die Fettverdauung benötigt. Gelangen sie jedoch in den Magen oder die Speiseröhre, können sie dort die Schleimhäute schädigen. Wie Forschungen aus den letzten Jahren zeigen, werden aggressive Gallensäuren durch magnesium- und aluminiumhaltige Antazida gebunden und damit unschädlich gemacht, wobei der Algeldratanteil offenbar besonders relevant ist. Auch die Bindung der Gallensäuren ist reversibel: Bei der weiteren Passage durch den Verdauungstrakt steigt der pH-Wert. Dadurch wird die Bindung wieder gelöst und die Gallensäuren stehen für die Fettverdauung wieder zur Verfügung. WAS BEDEUTET SÄUREBINDUNGSKAPAZITÄT? Eine wichtige Kenngröße zur pharmazeutischen Charakterisierung eines Antazidums ist die sog. Säurebindungskapazität, welche in mVal pro Einzeldosis angegeben wird. Eine Einzeldosis mit 25 mVal neutralisiert dabei ca. 250 ml Magensäure (Salzsäure). Die empfohlene Säurebindungskapazität von 20–25 mVal pro Einzeldosis stellt eine optimale Dosierung dar, so dass nicht mit einem Rebound-Phänomen bei der Anwendung zu rechnen ist. Beim Vergleich von Antazida zeigt sich, dass diese Unterschiede in den jeweiligen Neutralisationskapazitäten pro Einzeldosis aufweisen. Säurebindungskapazität pro Einzeldosis (mVal) Die zuständige Bundesbehörde empfiehlt in ihren Monografien für Antazida bei Sodbrennen und säurebedingten Magenbeschwerden eine Säurebindungskapazität von 20–25 mVal pro Einzeldosis.19 45,2 mVal Magaldrat 1600 mg Empfohlene Neutralisationskapazität: 20–25 mVal pro Einzeldosis# 25mVal Magnesiumhydroxid + Algeldrat 13–14 mVal Calciumcarbonat 760 mg 13,0 mVal Hydrotalcit 500 mg Abb.: Säurebindungskapazität verschiedener Antazida #B undesanzeiger (BAnz) vom 12.06.1993, Monographie: Hydrotalcit und Magaldrat; BAnz vom 27.10.1993, Monographie: Aluminium-Magnesium-Silikate; BAnz vom 26.10.1993, Monographie: Calciumcarbonat 9 ZERTIFIZIERTE FORTBILDUNG SODBRENNEN UND SÄUREBEDINGTE MAGENBESCHWERDEN H2-ANTIHISTAMINIKA2,6,11,20 Im Gegensatz zu den Antazida wirken H2-Antihistaminika systemisch. Sie müssen zunächst über den Dünndarm resorbiert werden und gelangen dann über den Blutkreislauf zu den Belegzellen der Magenschleimhaut. Dort blockieren sie die Bindung des körpereigenen Botenstoffes Histamin. Die Bindung von Histamin an die H2-Rezeptoren löst die Sekretion von HCl und Pepsinogen aus. H2-Blocker unterbinden also die Produktion von Magensäure. WIRKSTOFFE2,6,11 Zur Gruppe der H2-Antihistaminika gehören folgende Wirkstoffe: • Cimetidin • Famotidin • Ranitidin Für die Selbstmedikation steht derzeit nur die Formulierung Ranitidin 75 mg zur Verfügung. Höhere Dosen sind verschreibungspflichtig. WISSENSWERTES ZUR EINNAHME UND VERTRÄGLICHKEIT2,6,11 H2-Antihistaminika eignen sich besonders für Patienten mit nächtlichem, länger anhaltendem oder ausgeprägtem Sodbrennen. Die Wirkung ist aber schwächer als die von Protonenpumpenhemmern. Die Wirkung von H2-Antihistaminika setzt nicht so schnell wie bei Antazida ein, hält dafür aber länger an: Die Wirkung tritt nach etwa 30–60 Minuten ein und hält für 6–10 Stunden an. Deshalb kann die Einnahme vor dem Schlafengehen zu einer ruhigen Nacht verhelfen. H2-Antihistaminika eignen sich auch zur Prophylaxe: Wer weiß, dass er in bestimmten Situationen Sodbrennen bekommt, kann vorbeugend ein H2-Antihistaminikum einnehmen. Die Verträglichkeit ist allgemein gut, bei Schwangerschaft und Stillzeit ist jedoch eine strenge Indikationsstellung geboten. Als Nebenwirkungen können gelegentlich Kopfschmerzen oder Schwindel, seltener Obstipation oder Diarrhö auftreten. Die Aufnahme der Antimykotika Ketoconazol und Itraconazol kann bei gleichzeitiger Einnahme vermindert sein. Daher sollten Patienten in einem solchen Fall das Antipilzmittel etwas zwei Stunden vor dem H2-Antihistaminikum einnehmen. Aufgrund der geringeren Wirksamkeit gegenüber den PPI werden H2-Antihistaminika in der Regel nur noch dann eingesetzt, wenn PPI aufgrund von Unverträglichkeiten oder Wechselwirkungen nicht gegeben werden können. 10 MODUL 2 ZERTIFIZIERTE FORTBILDUNG SODBRENNEN UND SÄUREBEDINGTE MAGENBESCHWERDEN PROTONENPUMPENINHIBITOREN (PPI)9,11,21-24 Protonenpumpeninhibitoren werden bei wiederkehrenden und schweren Symptomen eingesetzt. Bei säurebedingten Erkrankungen wie Refluxösophagitis oder peptischen Ulcera sind PPI Mittel der ersten Wahl. Sie bewirken eine nachhaltige Linderung über 24 Stunden oder länger. Im Rahmen der Selbstmedikation stehen die Wirkstoffe Omeprazol (20 mg) und Pantoprazol (20 mg) in niedriger Dosierung zur Verfügung. In höheren Dosen sind die beiden Wirkstoffe verschreibungspflichtig. Im Bereich der rezeptpflichtigen Arzneimittel stehen noch weitere Wirkstoffe zur Verfügung. WIRKMECHANISMUS11,21-23 Die Wirkung ist wie die der H2-Antihistaminika systemisch. PPI greifen in den Belegzellen der Magenschleimhaut an und hemmen dort irreversibel die Protonenpumpen, die für den Transport von Protonen (H+-Ionen) in das Magenlumen verantwortlich sind. Damit wird der letzte Schritt der Produktion von Magensäure unterbunden. Durch die Hemmung der Protonenpumpen steigt der intragastrale pH-Wert über viele Stunden auf Werte über 3 bzw. 4 an. Da nur aktive Protonenpumpen gehemmt werden, aber nicht alle Protonenpumpen gleichzeitig aktiv sind, erfolgt der Aufbau der maximalen Wirksamkeit sukzessive über ein bis drei Tage. Dies bedeutet, dass nach der Einnahme nicht sofort mit Symptomlinderung zu rechnen ist. Da die Nahrungsaufnahme die Zahl der aktiven Protonenpumpen erhöht, sollten PPI 30 bis 60 Minuten vor einer Mahlzeit auf nüchternen Magen eingenommen werden. WIRKSTOFFE23 Zur Gruppe der PPI gehören folgende Wirkstoffe: • Omeprazol • Lansoprazol • Rabeprazol • Esomeprazol • Pantoprazol WISSENSWERTES ZUR EINNAHME UND VERTRÄGLICHKEIT21-24 Die Verträglichkeit von PPI ist im Allgemeinen gut. Zu den möglichen Nebenwirkungen zählen intestinale Störungen, Schwindel, Müdigkeit und Erhöhung einiger Leberenzyme. Bei Vorliegen einer Schwangerschaft und während der Stillzeit sollten PPI nur nach besonderer Nutzen-Risiko-Abwägung eingesetzt werden. Vor der Einnahme sollte daher ein Arzt oder Apotheker konsultiert werden. Die Einnahme erfolgt in der Regel morgens vor dem Frühstück. Falls damit keine ausreichende 24-stündige Säurehemmung erreicht wird, kann die Tagesdosis auch auf eine morgendliche und abendliche Dosis aufgeteilt werden. Um eine rasche Abheilung zu erzielen, werden initial oft höhere Dosen appliziert. Bei Patienten mit schwerer Leberinsuffizienz werden niedrigere Dosen gegeben. 11 MODUL 2 ZERTIFIZIERTE FORTBILDUNG SODBRENNEN UND SÄUREBEDINGTE MAGENBESCHWERDEN ÜBERSICHT: ARZNEIMITTEL ZUR BEHANDLUNG VON SODBRENNEN UND SÄUREBEDINGTEN MAGENBESCHWERDEN In der folgenden Tabelle werden die verschiedenen Arzneimittelgruppen zur Behandlung von Sodbrennen und säurebedingten Magenbeschwerden mit ihren wichtigsten Merkmalen miteinander verglichen. Antazida H2-Antihistaminika PPI Anwendung in der Selbstmedikation Bei leichteren, gelegentl. Beschwerden; bei Bedarf, wenn schnelle Hilfe gewünscht ist Bei stärkeren und v. a. bei nächtlichen Beschwerden, wenn keine PPI gegeben werden können Bei stärkeren und bei wiederkehrenden Symptomen, vor allem bei unklarem Auslöser Wirkstoffe Al-Mg-Hydroxid-Gemische, Schichtgitterantazida, Carbonate Cimetidin, Famotidin, Nizatidin, Ranitidin Omeprazol, Pantoprazol, Esomeprazol, Lansoprazol, Rabeprazol Verschreibungsstatus Rezeptfrei Ranitidin in niedriger Dosierung rezeptfrei Omeprazol und Pantoprazol in niedrigen Dosierungen rezeptfrei Wirkung Lokal im Magen, Neutralisierung der Magensäure durch basische Mineralien Systemisch, Hemmung der Salzsäureproduktion durch Blockierung der Bindung von Histamin an H2-Rezeptoren in den Belegzellen Systemisch, Hemmung der Salzsäurebildung durch Hemmung der Protonenpumpen in den Belegzellen Wirkeintritt Sehr schnell, wenige Minuten Nach 30–60 Minuten Maximale Wirkung nach ca. 3 Tagen Wirkdauer 2–4 h 6–10 h > 24 h Gut: Schwangerschaft und Stillzeit: Strenge Indikationsstellung Gut: Schwangerschaft und Stillzeit: Nur nach besonderer NutzenRisiko-Abwägung Verträglichkeit Sehr gut, auch in Schwangerschaft und Stillzeit über kurze Zeit einsetzbar Tab.: Arzneimittel zur Behandlung von Sodbrennen und säurebedingten Magenbeschwerden 12 MODUL 2 ZERTIFIZIERTE FORTBILDUNG SODBRENNEN UND SÄUREBEDINGTE MAGENBESCHWERDEN MODUL 3:ARZNEIMITTELABGABE UND BERATUNG IN DER APOTHEKE Bei der Beratung und Abgabe in der Apotheke ist es wichtig, die Risikogruppen für Sodbrennen und säurebedingte Magenbeschwerden zu kennen und diese sowohl hinsichtlich geeigneter Präventionsmaßnahmen als auch im Hinblick auf die richtige Therapie beraten zu können. RISIKOGRUPPEN Grundsätzlich können Sodbrennen und saures Aufstoßen jeden treffen. Es gibt aber Personengruppen, die besonders gefährdet sind. Zu den Menschen, die besonders häufig unter Sodbrennen und saurem Aufstoßen leiden, gehören: • ältere Menschen • Berufstätige und Hausfrauen • Schwangere Ältere Menschen leiden häufiger unter Sodbrennen, weil der Schließmechanismus des Sphinkters mit dem Alter schwächer wird und es dadurch leichter zum Rückfluss von Mageninhalt in die Speiseröhre kommt. Aber auch jüngere Menschen, die z. B. ein hohes Arbeitspensum haben, sind gefährdet, da Stress und Hektik Sodbrennen und säurebedingte Magenbeschwerden begünstigen. Weiterhin leiden Schwangere sehr häufig an Sodbrennen, da der Fötus auf den Magen drückt und zudem hormonelle Veränderungen eine Schwächung des Sphinkters bewirken. PRÄVENTIONSMASSNAHMEN5,7,8 Folgende Tipps können Sie Ihren Kunden mit auf den Weg geben, wenn diese hin und wieder unter Sodbrennen und/oder säurebedingen Magenbeschwerden leiden: • Speisen und Getränke, die Sodbrennen begünstigen, meiden (z. B. fetthaltige Lebensmittel, Kaffee, kohlensäurehaltige Getränke, Alkohol, scharfe Gewürze) • Mit dem Rauchen aufhören • Bei Übergewicht Gewicht reduzieren • Sich Zeit zum Essen nehmen und gründlich kauen • Mehrere kleine Mahlzeiten über den Tag verteilen • Nach dem Essen einen Verdauungsspaziergang machen • Beim Schlafen das Kopfteil etwas höher stellen • Vor dem Schlafengehen keine größere Mahlzeit einnehmen • Im Alltag für regelmäßige Entspannung sorgen und Stress und Hektik vermeiden 13 MODUL 3 ZERTIFIZIERTE FORTBILDUNG SODBRENNEN UND SÄUREBEDINGTE MAGENBESCHWERDEN GRENZEN DER SELBSTMEDIKATION2,5 Sodbrennen und säurebedingte Magenbeschwerden können in den meisten Fällen gut mittels Selbstmedikation behandelt werden. Bei bestimmten Alarmsymptomen sollte jedoch von einer Selbstbehandlung abgeraten werden, da diese auf eine schwerwiegendere Erkrankung hindeuten können. Zu den wichtigsten Alarmsymptomen gehören: • • • • • • Magenblutungen Unerklärliche Schluckbeschwerden Eine starke, unbeabsichtigte Gewichtsabnahme Schwellungen oder Verhärtungen im Bauchraum Schmerzen im Brustkorb oder Oberbauch Erbrechen ohne erkennbaren Auslöser Diese Alarmsymptome sind für Sodbrennen untypisch und deuten auf das Vorliegen einer anderen Erkrankung hin, die vom Arzt abgeklärt werden sollte. Auch wenn die Selbst-medikation nicht innerhalb von 14 Tagen zur Besserung der Beschwerden geführt hat, ist eine ärztliche Untersuchung nötig. AUSWAHL DES RICHTIGEN ARZNEIMITTELS2,10 Welches Arzneimittel zur Selbstmedikation empfohlen werden kann, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Im Folgenden werden die drei Arzneimittelgruppen mit dem richtigen Anwendungsgebiet vorgestellt. ANTAZIDA Bei leichten, nur gelegentlich auftretenden Beschwerden sind Antazida die Mittel der Wahl. Sie wirken schnell und sind besonders gut verträglich, da die Wirkstoffe nur in geringen Mengen vom Körper aufgenommen werden. Aufgrund der raschen und lokalen Wirkung eignen sich Antazida vor allem bei funktionellen Beschwerden mit bekanntem Auslöser, wie etwa bestimmte Speisen und Getränke. WIRKSTOFFKOMBINATION AUS MAGNESIUMHYDROXID UND ALGELDRAT (ALUMINIUMHYDROXID-GEL)15-18 Diese Kombination erfüllt eine Doppelwirkung aus Akuthilfe und aktivem Magenschutz: Magnesiumhydroxid (Mg (OH)2) bindet überschüssige Magensäure und lindert so den Schmerz, der beispielsweise durch Sodbrennen ausgelöst wird – es dient also der schnellen Akuthilfe, vor allem auch, weil der Wirkstoff sofort und frei verfügbar ist. Algeldrat (Al (OH)3) hingegen wird durch seine komplex aufgebaute Struktur (Oktaeder) langsamer bzw. pH-Wert-abhängig freigesetzt. Es dient dem Magenschutz, indem es sich wie ein Schutzfilm auf die empfindliche Schleimhaut legt und den Säurespiegel über mehrere Stunden konstant hält. 14 MODUL 3 ZERTIFIZIERTE FORTBILDUNG SODBRENNEN UND SÄUREBEDINGTE MAGENBESCHWERDEN MODUL 3 H2-ANTIHISTAMINIKA UND PPI Bei stärkeren, wiederkehrenden Beschwerden können auch H2-Antihistaminika oder PPI in geringeren Dosierungen im Rahmen der Selbstmedikation eingesetzt werden. Diese verringern die Säureproduktion und sind daher vor allem dann geeignet, wenn tatsächlich zu viel Säure produziert wird. Seitdem die Wirkstoffe Omeprazol und Pantoprazol in geringeren Dosierungen rezeptfrei in der Apotheke erhältlich sind, werden diese den H2-Antihista-minika häufig vorgezogen, da sie stärker und länger wirksam sind. Im Gegensatz zu Antazida, die lokal wirken, wirken PPI systemisch. Da immer nur aktive Protonenpumpen gehemmt werden, stellt sich die volle Wirksamkeit erst nach ca. drei Tagen ein. Während der ersten drei Tage der Behandlung mit PPI kann man dem Kunden empfehlen, bei Bedarf und zur schnellen Linderung zusätzlich ein Antazidum einzunehmen. KUNDENWÜNSCHE BERÜCKSICHTIGEN SYMPTOME: Sodbrennen, saures Aufstoßen Änderung des Lebensstils und von Ernährungsgewohnheiten Linderung der Beschwerden Wiederkehrende/andauernde Symptome Antazida Linderung der Beschwerden Wiederkehrende/andauernde Symptome Antazida/niedrig dosierte PPI Linderung der Beschwerden Wiederkehrende/andauernde Symptome Arztbesuch Abb.: Empfehlungsschema: Maßnahmen bei Sodbrennen (modifiziert nach Tytgat 2003, Quelle 10) Neben der Auswahl eines geeigneten Wirkstoffs bzw. einer geeigneten Wirkstoffkombination stellt sich unter Umständen auch noch die Frage nach der Darreichungsform. Antazida werden in verschiedenen Darreichungsformen angeboten, z. B. sowohl in fester als auch in flüssiger Form: • Kautablette (fest) • Suspension (flüssig) Hier sind vor allem die Bedürfnisse des Kunden entscheidend. Kautabletten sind z. B. besonders gut für unterwegs oder bei der Arbeit geeignet. Nicht zuletzt ist auch der jeweilige Geschmack von Bedeutung: Wo der eine einen frischen Minzgeschmack bevorzugt, wählt der andere eher einen angenehmen Sahne-KaramellGeschmack. Stehen bei dem ausgewählten Arzneimittel mehrere Darreichungsformen zur Verfügung, fragen Sie am besten den Kunden nach seinen Wünschen. HINWEISE ZUR RICHTIGEN ARZNEIMITTELANWENDUNG2,6,11 Wurde ein Arzneimittel ausgewählt, so gilt es, den Kunden auch über die richtige Einnahme zu informieren. 15 ZERTIFIZIERTE FORTBILDUNG SODBRENNEN UND SÄUREBEDINGTE MAGENBESCHWERDEN ANTAZIDA Antazida werden nicht prophylaktisch, sondern bei Bedarf drei bis vier Mal täglich eingenommen. Die Einnahme sollte ein bis zwei Stunden nach einer Mahlzeit erfolgen, um eine möglichst lange Verweildauer im Magen und dadurch eine lange Wirkung zu erzielen. Antazida sollten grundsätzlich in einem Abstand von mindestens zwei Stunden zu anderen Arzneimitteln eingenommen werden, da sie die Resorption anderer Wirkstoffe herabsetzen können. Da die Wirkstoffe von Antazida nur in geringem Maße vom Körper aufgenommen werden, ist die Verträglichkeit sehr gut, sodass sie auch während der Schwangerschaft und Stillzeit kurzzeitig eingenommen werden können. H2-ANTIHISTAMINIKA H2-Antihistaminika werden in der Regel tagsüber und nachts je einmal eingenommen.28 Die Verträglichkeit der H2-Antihistaminika ist im Allgemeinen gut, bei Schwangerschaft und Stillzeit ist jedoch eine strenge Indikationsstellung geboten (nur nach Rücksprache mit einem Arzt). Als Nebenwirkungen können gelegentlich Kopfschmerzen oder Schwindel, seltener Obstipation oder Diarrhö auftreten. H2-Antihistiaminika werden in der Regel dann eingesetzt, wenn PPI nicht gegeben werden können. PROTONENPUMPENINHIBITOREN (PPI) PPI werden ebenfalls in der Regel einmal täglich eingenommen. Die Einnahme sollte 30 bis 60 Minuten vor einer Mahlzeit auf nüchternen Magen erfolgen. Da die Nahrungsaufnahme die Zahl der aktiven Pumpen erhöht, können so möglichst viele Pumpen erreicht werden. Da sich die volle Wirksamkeit über mehrere Tage sukzessiv aufbaut, sollten PPI mindestens sieben Tage eingenommen werden. Auch PPI sind in der Regel gut verträglich. Zu den möglichen Nebenwirkungen zählen intestinale Störungen, Schwindel, Müdigkeit und Erhöhung einiger Leberenzyme. Bei Schwangerschaft und in der Stillzeit sollten PPI nur nach besonderer Nutzen-Risiko-Abwägung und Beratung durch einen Arzt eingesetzt werden. Ausführliche Angaben zur Anwendung der Arzneimittel sowie zu Kontraindikationen, möglichen Nebenwirkungen und Wechselwirkungen sind den jeweiligen Fach- bzw. Gebrauchsinformationen zu entnehmen. HINWEISE ZUR ERSTATTUNGSFÄHIGKEIT ZULASTEN DER GKV Präparate, die im Rahmen der Selbstmedikation eingesetzt werden, sind im Allgemeinen als apothekenpflichtige Arzneimittel im Handel. 16 MODUL 3 ZERTIFIZIERTE FORTBILDUNG SODBRENNEN UND SÄUREBEDINGTE MAGENBESCHWERDEN ABGABE BIS ZUM 18. GEBURTSTAG Apothekenpflichtige Arzneimittel können nach § 34 SGB V zulasten der gesetzlichen Krankenkassen abgegeben werden: • Für alle Kinder und Jugendliche bis zum 12. Geburtstag • Für Jugendliche mit Entwicklungsstörungen auch bis zum 18. Geburtstag Für den Fall, dass eine Entwicklungsstörung vorliegt, muss weder der Arzt dies auf der Verordnung angeben noch die Apotheke nachprüfen. Das heißt, dass ein verordnetes apothekenpflichtiges Arzneimittel bis zum 18. Geburtstag eines Patienten zulasten der Gesetzlichen Krankenkasse auf Rezept abgegeben werden kann. Ausnahme: Es handelt sich um eine nicht erstattungsfähige Jumbopackung. ABGABE FÜR ERWACHSENE Apothekenpflichtige, nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel dürfen nur in Ausnahmefällen für Erwachsene zulasten der GKV abgegeben. Die GKVErstattung hängt von den Vorgaben der Anlage I der Arzneimittel-Richtlinie des G-BA (OTC-Übersicht) ab. Apothekenpflichtige Arzneimittel aus den Gruppen der Antazida, H2-Antihistaminika und PPI erfüllen diese Vorgaben nicht und dürfen daher nicht für Erwachsene zulasten der GKV beliefert werden. SCHWANGERSCHAFT Leidet eine Schwangere unter Sodbrennen, so kann der Arzt ihr kein apothekenpflichtiges Arzneimittel zulasten der GKV verordnen, denn auch für Verordnungen im Rahmen der Schwangerschaft gelten für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel die Vorgaben der OTC-Übersicht. Nach dieser ist keine Verordnung von Antazida, H2-Antihistaminika und PPI zulasten der GKV für Schwangere bzw. Erwachsene möglich. Eine Verordnung kann daher nur auf einem grünen Rezept erfolgen. 17 MODUL 3 ZERTIFIZIERTE FORTBILDUNG SODBRENNEN UND SÄUREBEDINGTE MAGENBESCHWERDEN GLOSSAR Anticholinergika: Synonym für Parasympatholytikum Arzneimittel-Richtlinie: Richtlinie für die Verordnung von Arzneimitteln (richtet sich an den Arzt) Belegzellen: bilden Magensäure und den Intrinsic Factor Arzneimittelgruppe zur Behandlung der Bisphosphonate: Osteoporose Cobalamin: Vitamin B12 Denaturierung: strukturelle Veränderung von z. B. Proteinen G-BA: Gemeinsamer Bundesausschuss G-Zellen: bilden Gastrin Gastrin: Peptidhormon, das die Magensäureproduktion anstößt Histamin: Gewebshormon, das an der Magensäureproduktion beteiligt ist intragastral: innerhalb des Magens Intrinsic Factor: Glykoprotein, dient der Aufnahme von Vitamin B12 K+/H+-ATPase: Enzym in den Belegzellen des Magens NSAR: nichtsteroidale Antirheumatika Ösophagussphinkter: Muskel am oberen und unteren Teil der Speiseröhre Peptisches Ulcus: Magengeschwür Pepsinogen: Peptid, Vorstufe von Pepsin Progesteron: Sexualhormon, gehört zur Gruppe der Gestagene Prostaglandin: Prostaglandin E2 ist an den Schutzmechanismen der Magenschleimhaut beteiligt Reflux: Rückfluss von Magensaft in die Speiseröhre Refluxösophagitis: Refluxkrankheit, im Volksmund Sodbrennen Säurebindungskapazität: Fähigkeit von Antazida zur Neutralisation von Magensäure SGB V: 18 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch ZERTIFIZIERTE FORTBILDUNG SODBRENNEN UND SÄUREBEDINGTE MAGENBESCHWERDEN QUELLEN 1 Nocon, M., Kulig, M. & Willich, S. N. (2002). Volkskrankheit Sodbrennen. Humboldt-Spektrum 4: 10–13. 2 Selbstmedikation mit Omeprazol und Antazida. Sodbrennenpatienten richtig beraten. Supplement pta FORUM 4, PZ 17 / 2010. 3 Klinke, R. & Silbernagel, S. (Hrsg.). Lehrbuch der Physiologie. 2. Auflage 1996. Georg Thieme Verlag. 4 Schiebler, T. H., Schmidt, W. & Zilles, K. (Hrsg.). Anatomie. 6. Auflage 1995. Springer Verlag. 5 PTA Online-Seminar: http://www.sodbrennen-welt.de/pta/pta_2.htm (abgerufen am 01.09.2016). 6 Berger, R. (Hrsg.). PTAheute (Juli 2014). Fortbildung Sodbrennen. Deutscher Apotheker Verlag. 7 Gastro Liga e. V. Sodbrennen und säurebedingte Magenbeschwerden. Ratgeber für Patienten. www.gastro-liga.de (abgerufen am 23.06.2016). 8 Blank-Koppenleitner, A. (2009) Sodbrennen. Apothekenumschau, http://www.apotheken-umschau.de/Sodbrennen (abgerufen am 23.06.2016). 9 Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselerkrankungen: Gastroösophageale Refluxkrankheit. Z. Gastroenterol. 2005; 43: 163–164, http://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/021-013l_S3_Gastrooesophageale_ Refluxkrankheit.pdf, (abgerufen am 23.06.2016) 10Tytgat, G. N. (2003). Contemporary understanding and management of reflux and constipation in the general population and pregnancy: a consensus meeting. Aliment. Pharmacol. Ther. 18: 291–301. 11OTC-Spezial Sodbrennen. Rückstoß in die Einbahnstraße stoppen. Pharm. Ztg. 156. Jahrgang. 13. Januar 2011: 6–7. 12Mutschler, E., Geisslinger, G., Kroemer, H. K., Menzel, S & P. Ruth. Mutschler Arzneimittelwirkungen. 10. Auflage 2013. 13Gebrauchsinformation Maaloxan® 25 mVal Kautablette, Stand Februar 2015. 14Häufig gestellte Fragen und Antworten zur Säureneutralisation mit AluminiumMagnesiumhydroxid-Antazida: www.sodbrennen-welt.de (abgerufen am 23.06.2016). 15Bosseckert, H. & Bubenzer, R. H. (2004) Antazida – Therapieprinzip mit breitem Wirkspektrum. Dtsch. Apoth. Ztg. 144 (8): 857–863. 16Tarnawski, A. et al. 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