OPTOM E TR I E Dipl.-Ing. (FH) Peggy Kahl Prof. Dr.-Ing. Michael Gebhardt, Fachhochschule Jena Dipl.-Ing. (FH) Ulrike Meinhold, SFZ Förderzentrum gGmbH Chemnitz Erprobung eines computergestützten exzentrischen Sehtrainings bei Sehbehinderten mit Zentralskotom ■ Einleitung Den für das scharfe Sehen wichtigsten Bereich der Netzhaut stellt die Makula dar, welche funktionell am höchsten entwikkelt ist. Wenn dieser Bereich geschädigt ist, kommt es zu zentralen Gesichtsfeldausfällen und damit verbunden, zu einer reduzierten Lesefähigkeit. Das exzentrische Sehtraining (EST) ist eine Methode, die Lesefähigkeit bei Sehbehinderungen mit Zentralskotom wiederzuerlangen beziehungsweise zu verbessern. Es gibt verschiedene Methoden des EST, wobei mit Hilfe von optischer Vergrößerung und unter Anwendung bestimmter Lesestrategien eine intakte Netzhautstelle außerhalb der Makula monokular trainiert wird. [12] Mit dem Ziel, die Lesefähigkeit bei Zentralskotom zu verbessern, wurde in dieser Diplomarbeit ein computergestütztes EST bei Patienten mit Zentralskotom erprobt. Dabei wurde die Steigerung der Lesegeschwindigkeit sowie die Effektivität hinsichtlich des Zeitaufwands ausgewertet und mit den Ergebnissen der Studie von Schreckenbach, welche den Erfolg der adaptiven Variante des exzentrischen Sehtrainings nach Nilsson untersuchte, verglichen. ■ Wissenschaftlicher Hintergrund Zentralskotome sind zentrale Gesichtsfeldausfälle, die aufzentrale Netzhautbereiche mit einer reduzierten Lichtunterschiedsempfindlichkeit, welche die Fovea mit einschließen, zurückzuführen sind. Schädigungen der zentralen Netzhaut resultieren am häufigsten aus der Makuladegeneration, speziell der altersbedingten Makuladegeneration (AMD), deren Prävalenz steigend ist. [4] Oft bemerken Betroffene den zentralen Gesichtsfeldausfall zunächst nicht und nur sehr wenige nehmen ein schwarzes Loch in der Mitte ihres Gesichtsfeldes wahr. Den Patienten erscheinen vielmehr gewisse Bereiche, die sich direkt vor ihnen befinden, verschwommen (Abb.1) und einige Objekte verschwinden oder tauchen plötzlich auf. [13] Durch zentrale Gesichtsfeldausfälle kommt es zu Störungen des Lesevorganges, wodurch die Lesegeschwindigkeit reduziert wird. 62 Abb. 1: Aufgehobene Wahrnehmung im Gesichtsfeldzentrum bei Patienten mit Zentralskotom, Quelle [6] Verschiedene Studien haben mit Hilfe des Scanning Laser Ophthalmoskops (SLO) bewiesen, dass die meisten Patienten, die ein bilaterales absolutes Zentralskotom besitzen, eine neue Fixationsstelle entwickeln. [1, 2, 3, 5, 7, 9, 11] Mit Schädigung des zentralen Gesichtsfeldes entwickelt sich aus der fovealen Fixation ein immer diffuseres Fixationsareal, bis sich schließlich ein neues exzentrisches Fixationszentrum ausbildet. Diese neue Fixationsstelle (preferred retinal locus (PRL) oder Pseudo-Fovea genannt) übernimmt die Aufgaben von der nicht mehr funktionstüchtigen Fovea und bestimmt die verbleibende Sehfunktion. Die Betroffenen sind sich dieses Vorganges jedoch meistens nicht bewusst [5] bzw. entspricht die entwickelte PRL nicht unbedingt der besten exzentrischen Einstellung für Lesetätigkeiten. Der Verlust der Lesefähigkeit wird oft als wesentliche Beeinträchtigung erlebt. Er kann zu Unselbstständigkeit bis hin zur Berufsunfähigkeit der Betroffenen führen. Der Erhalt und die Wiedererlangung der Lesefähigkeit sind deshalb Schwerpunkt der Rehabilitation von Personen mit Zentralskotom. [10] Es gibt verschiedene Methoden des EST, wobei mit Hilfe von Vergrößerung und unter Anwendung bestimmter Lesestrategien eine intakte Netzhautstelle außerhalb der Makula, monokular trainiert wird. [12] DOZ 1-2008 OPTOM E TR I E Die Entscheidung für das Auge, welches trainiert werden soll, sowie die Lokalisation des zu trainierenden Areals der exzentrischen Einstellung auf der Netzhaut ist deshalb Grundlage für das Training. Durch das Training der bewussten und konstanten Nutzung der neuen exzentrischen Netzhautstelle soll die exzentrische Einstellung für Lesetätigkeiten stabilisiert werden, was Voraussetzung für eine gute Lesefähigkeit ist. Das Sehzentrum der SFZ Förderzentrum gGmbH in Chemnitz hat sich seit vier Jahren dem Thema des exzentrischen Sehtrainings angenommen. Im Rahmen der Diplomarbeit von Schreckenbach wurden 2005 die Erfolge der adaptiven Variante des exzentrischen Sehtrainings nach Nilsson untersucht. [12] Diese Methode wurde von einer Mitarbeiterin des SFZ ursprünglich für die Anwendung in Afrika entwickelt und bedient sich ganz einfachen Mitteln, wie Zettel, Stift und Buchstabenfähnchen. Die Ergebnisse der Arbeit waren eine signifikante Steigerung der Lesegeschwindigkeit nach Trainingsabschluss, jedoch bei geringer Effektivität hinsichtlich Trainingsaufwand und –erfolg. Zur Optimierung der Methode entschloss man sich im Sehzentrum Chemnitz auf Basis der gemachten Erfahrungen mit der adaptiven Variante des EST nach Nilsson zur Entwickung einer Computersoftware. Dabei wurden die Ideen der Mitarbeiter des Sehzentrums mit großem Engagement von Prof. Erich Kasten, LernReha Software Travemünde, umgesetzt. Letztes Jahr wurde im Rahmen der in diesem Artikel beschriebenen Folgediplomarbeit eine vorläufige Version des Computerprogramms zum exzentrischen Sehtraining auf seine Trainingserfolge hin untersucht. zentral, welche für ihn in diesem Moment verschwinden bzw. unscharf werden kann. Um dem Patienten die dauerhafte Fixation des Mittelpunktes zu vereinfachen, wird durch den eigentlichen zentralen Fixationspunkt ein Fadenkreuz gelegt, welches von ihm in der Peripherie gesehen werden kann. Der Low Vision-Trainer bewegt einzelne Buchstaben von außen nach innen über den Bildschirm. Die verschiedenen Gesichtsfeldareale, in denen der Patient Buchstaben lesen kann, werden auf dem Computer abgespeichert und nachfolgend miteinander verglichen (Abb.2). Dabei wird das Areal mit der größten Ausdehnung und höchsten Empfindlichkeit gesucht und im Anschluss trainiert. ■ Probanden und Methode Abb. 2: Suche der geeignetsten Stelle zum Lesen Das Training wurde mit insgesamt 14 Probanden im Alter zwischen 22 und 86 Jahren durchgeführt. Sie wiesen einen beidseits zentralen Gesichtsfeldausfall und einen vor dem Training durchschnittlichen Visus für die Nähe von 0,06 ± 3,2 Zeilen auf dem trainierten Auge auf. Bei einer ausführlichen Sehfunktionsuntersuchung vor dem Training, bei der auch der Gesichtsfeldbefund erhoben wurde, wurden zudem die Visuswerte für Ferne und Nähe sowie der Vergrößerungsbedarf ermittelt und mit den Werten nach dem Training verglichen. Außerdem wurden mittels der von Ulrich [14] modifizierten Lesetafeln nach Radner [8] die Lesegeschwindigkeit und der Lesevisus vor und nach dem Training bestimmt. ■ Computergestütztes exzentrisches Sehtraining Für das EST wird das Auge ausgewählt, welches in der Regel einen kleineren Ausfall sowie eine bessere Sehschärfe aufweist und das bevorzugte Auge zum Lesen ist. Dabei kann es allerdings auch zu Kompromissen kommen. Das nicht trainierte Auge wird während des gesamten Trainings abgedeckt gehalten. Erste Stufe – Suchen einer zum Lesen geeigneten Netzhautstelle: Der Patient sitzt in einer bequemen Haltung vor dem Bildschirm und fixiert die dargebotene rote Fixiermarke möglichst DOZ 1-2008 Zweite Stufe – Erlernen des Lesens von Fließtext am Bildschirm: Während der Patient weiterhin auf das Fixierkreuz des Bildschirmes blickt, stellt der Low Vision-Trainer Laufschrift ein, welche zunächst in kurzen Wörtern von rechts nach links das vorher festgelegte Areal des Gesichtsfeldes durchläuft und vom Patienten gelesen wird (Abb.3). Die Wörter werden am Anfang in einer dem Visus entsprechenden relativ großen Schriftgröße mit Leerzeichen zwischen den Buchstaben präsentiert und nachfolgend verkleinert und ohne Leerzeichen dargeboten. Dabei wird der Abstand verkürzt und, wenn vom Patienten angenommen, Addition vorgegeben. Anzeige Produkte für die Optometrie ! Kindersehteste, Stereoteste ! Farbteste, Kontrastteste ! 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Dies wird solange wiederholt, d.h. weitere Vorstellungstermine werden geplant und Hausaufgaben mit dem Computerprogramm aufgegeben, bis die kleinstmögliche Schrift des Programms gelesen wird oder ein zu geringer Abstand zum Monitor das Training daran nicht mehr möglich macht. Vierte Stufe – Erlernen des Lesens von gedrucktem Text: Die neue Lesetechnik “move the text“ (Ulla Nilsson), bei der die Probanden das Lesen von herkömmlichen, ausgedruckten Texten erlernen, wird mit der bisher erreichten Buchstabengröße und Addition eingeführt. Hierfür werden Texte mit Fixierlinien, entsprechend der Lage des Fixierkreuzes am Bildschirm, auf einem ClipBoard dargeboten. Der Patient erlernt nun das Lesen unter Beibehaltung seiner eingeübten Blickrichtung (exzentrische Einstellung), indem er den Text von rechts nach links bewegt und den Kopf und das Auge still und gerade hält (Abb.4). Am Zeilenende bewegt der Patient den Text in umgekehrter Richtung bis zum Zeilenanfang und indem er den Text nach oben bewegt, gelangt er zum nächsten Zeilenanfang. Fünfte Stufe – Übungsphase mit gedrucktem Text: Nachdem diese Lesestrategie beherrscht wird, wird ein weiterer Wiedervorstellungstermin im Sehzentrum vereinbart und unter weiterer Verstärkung der Pluswirkung die Buchstabengröße verkleinert. Gleichzeitig werden die Zeilen- und Leseabstände immer weiter verringert und die Fixierlinie ganz weggelassen. Dies wird so lange wiederholt, d.h. ein weiterer Vorstellungstermin wird geplant und Hausaufgaben werden aufgegeben bis Zeitungsdruck flüssig gelesen wird. Hierbei wird der Patient auf gute Lichtbedingungen hingewiesen, die er für seine Hausaufgaben realisieren sollte. 64 Abb. 4: Erlernen des Lesens von gedrucktem Text Sechste Stufe – Anpassung einer Hyperokularbrille: Das Hyperokular mit dem Leseflüssigkeit bei kleinstmöglichem Text erreicht wird, wird auf dem trainierten Auge angepasst. Das andere Auge wird entweder abgedeckt oder ein Mattglas eingesetzt. Der Patient wird angewiesen, das Training mit für ihn interessantem Lesematerial jeden Tag fortzuführen und bei eventuell auftretenden Problemen seinen Low VisionTrainer aufzusuchen. ■ Einfluss des EST auf den Visus und die Lesefähigkeit Visus für die Ferne Der Visus für die Ferne war bei den Probanden sehr unterschiedlich, auf dem trainierten Auge betrug der höchste Wert vor dem Training 0,5 und der geringste Wert 0,02. Die Ausnutzung des Sehvermögens und somit auch die Sehschärfe kann bei den einzelnen Probanden von verschiedenen Faktoren abhängig sein. Zum einen spielt das Bewusstsein des Patienten hinsichtlich seines Skotoms und das Vorhandensein einer PRL eine Rolle. Zum anderen ist die Entfernung der PRL zur Makula und das damit verbundene Auflösungsvermögen von Bedeutung. Eine signifikante Steigerung des Visus für die Ferne war weder unter monokularen noch unter binokularen Bedingungen feststellbar. Eine mögliche Ursache ist die Tatsache, dass zum Lesen eine Stelle trainiert wurde, welche eine bestimmte Ausdehnung (mindestens vier Buchstaben) aufweisen musste. Für Sehaufgaben in der Ferne (z.B. Erkennen von Anzeigetafeln im Bahnhof oder Fernsehschauen) kann jedoch auch eine Netzhautstelle genutzt werden, die eine kleinere Ausdehnung besitzt, näher an der Makula liegt und damit ein höheres Auflösungsvermögen hat. Daraus könnte geschlussfolgert werden, dass die trainierte Netzhautstelle zum Lesen nicht gleichzeitig für Sehaufgaben in der Ferne übertragen wird. DOZ 1-2008 OPTOM E TR I E Visus für die Nähe Obwohl jeweils nur ein Auge trainiert wurde, sind die Visuswerte für die Nähe nach dem Training monokular (p=0,018; Vorzeichenrangtest von Wilcoxon) sowie binokular (p=0,011; Vorzeichenrangtest von Wilcoxon) signifikant gestiegen. Die Sehschärfe des trainierten Auges stieg dabei von durchschnittlich 0,06 auf 0,08, was einer Visustufe entspricht. Ein möglicher Grund für die verbesserte Sehschärfe auf dem nicht trainierten Auge könnte sein, dass sich die Probanden durch das Sehtraining bewusst geworden sind, dass sie um ein Detail erkennen zu können, daran vorbeischauen müssen. Diese Erkenntnis könnte dann auf das andere Auge übertragen worden sein, womit der Anstieg der Sehschärfe auf dem nicht trainierten Auge begründet werden könnte. Bei einem Visusunterschied zwischen beiden Augen hat das bessere Auge einen größeren Einfluss auf binokulare Sehaufgaben bzw. es kommt nicht selten zu einer Suppression des schlechteren Auges. Bei 11 Probanden war der Visuswert für die Nähe auf dem trainierten Auge höher, als auf dem nicht trainierten Auge. Unter der vorangegangenen Aussage ist es vorstellbar, dass die Probanden bei der Ermittlung des binokularen Visus für die Nähe hauptsächlich ihr besseres Auge verwendeten und bei einer Änderung des Visuswertes für die Nähe des trainierten Auges sich der binokulare Visuswert für die Nähe genauso verhält. Bei 93% der Probanden verhielt sich der binokulare Visuswert für die Nähe nach dem EST genauso wie der Visus für die Nähe auf dem trainierten Auge nach dem EST, womit dieser Zusammenhang die Ursache für die signifikante Steigerung des binokularen Visuswertes für die Nähe nach dem Sehtraining darstellen könnte. Lesefähigkeit Die Lesegeschwindigkeit ist nach dem EST signifikant (p=0,002; Vorzeichenrangtest von Wilcoxon) von 57 ± 33 W/min auf 77 ± 52 W/min gestiegen, was einer Steigerung um 34% entspricht (Abb.5). Abb. 5: Lesegeschwindigkeiten auf dem trainierten Auge der Probanden vor und nach dem EST Ein durchschnittlicher Anstieg der Lesegeschwindigkeit um 20 Wörter pro Minute könnte zum einen auf die Auswahl einer zum Lesen geeigneten Netzhautstelle zurückzuführen sein, DOZ 1-2008 die nicht immer mit der bevorzugten Einstellung des Patienten übereinstimmt. Zum anderen könnte das Training der konstanten Nutzung der ausgesuchten exzentrischen Einstellung eine stabilere exzentrische Einstellung des trainierten Auges nach dem Training begründen. Mit einer stabileren exzentrischen Einstellung finden weniger Suchbewegungen der Augen statt, wodurch der Text schneller gelesen werden kann [15]. Außerdem kann die neu erlernte Lesetechnik der Textbewegung ausschlaggebend sein, womit insgesamt die Augenbewegungen reduziert werden. ■ Vergleich des computergestützten exzentrischen Sehtrainings mit der adaptierten Variante des EST nach Nilsson Vergleich der Methoden Der Unterschied der beiden Trainingsmethoden liegt im ersten Teil des Trainings. Bei beiden Varianten fixiert der Proband monokular ein Fixierkreuz. Dabei werden zur Stimulation der zu trainierenden Stelle bei der adaptierten Variante des EST nach Nilsson auf einem Streifen Papier Buchstaben und später Wörter von rechts nach links in die ausgesuchte Stelle des Gesichtsfeldes geschoben. Bei der computergestützten Variante bewegen sich Wörter als Fließtext durch das vorher festgelegte Areal über den Bildschirm. Während das Lesen von Fließtext bei der adaptierten Variante nach Nilsson bedingt durch die Papierstreifentechnik nur einen geringen Teil des Trainings ausmacht, so trainiert der Patient am Computer das Lesen von Fließtext bis hin zu kleinen Schriftgrößen selbstständig und in einem größeren Umfang zu Hause. Auf diese Weise kann die zu trainierende Stelle effektiver stimuliert werden, da der Patient bei dem Training am Computer erst später auf die manuelle Lesetechnik verbunden mit realem Textmaterial übergeht und sich daher zunächst nur auf das Training der exzentrischen Einstellung konzentrieren kann. Anschließend beginnt der zweite Teil mit der Einführung der neuen Lesetechnik („move the text“) mit gedrucktem Text, wobei der Patient die exzentrische Einstellung jetzt schon verinnerlicht hat und sich besser auf die Lesetechnik, das heißt die Textbewegung und das Einhalten des Leseabstands, konzentrieren kann. Vergleich der Trainingserfolge Mit dem computergestützten Sehtraining konnte eine höhere Steigerung der Lesegeschwindigkeit als mit der adaptierten Variante des EST nach Nilsson erzielt werden. Bei Schreckenbach betrug die durchschnittliche Steigerung der Lesegeschwindigkeit 25% [12], wohingegen in der vorliegenden Studie eine durchschnittliche Zunahme um 34% nachgewiesen werden konnte bei vergleichbarem Ausgangsniveau der Lesegeschwindigkeiten. Eine mögliche Ursache kann in der Trainingsmethode liegen: durch die überwiegenden Leseübungen anhand von Fließtext könnte bei dem computergestützten Training die Stimulation der zu trainierenden Netzhautstelle stärker sein und dadurch das Bewusstsein für diese Stelle größer werden. Schreckenbach benötigte in ihrer Studie durchschnittlich 7,1 ± 2,5 Trainingseinheiten zu je 30 Minuten mit ihren Pro65 OPTOM E TR I E banden. In der vorliegenden Arbeit beträgt der durchschnittliche Zeitaufwand für den Therapeuten 4,4 ± 1 Trainingseinheiten zu je 30 Minuten und ist damit um über die Hälfte geringer. Dies bedeutet für den Low Vision-Trainer eine deutliche Zeitersparnis, welche sich aufgrund der weniger komplizierten Hausaufgaben aufgrund der oben beschriebenen Trainingsunterschiede erklären lässt. Die selbstständigen Übungen mit dem Computerprogramm weisen weniger mögliche Fehlerquellen auf, wodurch ein Trainingserfolg eher eintritt. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Effektivität des EST mit der computergestützten Methode durch die größere Steigerung der Lesegeschwindigkeit bei einem geringeren Zeitaufwand erhöht werden konnte. Damit stellt das computergestützte EST eine Optimierung der adaptierten Variante des EST nach Nilsson dar. ■ Zusammenfassung Zentralskotome führen bei vielen Betroffenen zum Verlust der Lesefähigkeit. Gerade für ältere Menschen ist dies eine schwerwiegende Einschränkung, denn für sie stellt die Zeitung oft die einzige Informationsquelle dar. Da die häufigste Ursache von zentralen Gesichtsfeldausfällen die altersabhängige Makuladegeneration ist, an der zunehmend mehr Menschen in den Industrieländern erkranken, sind entsprechende Rehabilitationsmaßnahmen von großer Bedeutung. Das exzentrische Sehtraining stellt eine Rehabilitationsmaßnahme dar, bei der Patienten mit Zentralskotom ihre Lesefähigkeit wiedererlangen bzw. verbessern können. Unter der Anleitung eines Therapeutens lernen die Patienten, eine noch intakte Netzhautstelle außerhalb der defekten Makula zum Lesen zu nutzen. Im Rahmen der Diplomarbeit wurden die Trainingserfolge eines computergestützten exzentrischen Sehtrainings untersucht, welches basierend auf den Erfahrungen mit der adaptiven Variante des exzentrischen Sehtrainings nach Nilsson entwickelt wurde. Dabei konnte mit der computergestützten Variante eine signifikante Steigerung der Lesegeschwindigkeit zusammen mit einem geringeren Zeitaufwand für den Low Vision-Trainer im Vergleich zur bisherigen Methode erzielt werden. Um das computergestützte exzentrische Sehtraining noch optimaler zu gestalten, arbeiteten die Mitarbeiter der SFZ Förderzentrum gGmbH in Zusammenarbeit mit Prof. Erich Kasten, LernReha Software Travemünde, ein weiteres Jahr an der Entwicklung der Software. Die Endversion wurde im Oktober fertig gestellt und wird seitdem auch anderen Therapeuten angeboten. Bei diesbezüglichen Fragen wenden Sie sich bitte an die Co-Autorin Ulrike Meinhold, SFZ Förderzentrum gGmbH, Flemmingstr. 8c, 09116 Chemnitz, Tel.: 03713344258, email: [email protected]. Autoren: Dipl.-Ing. (FH) Peggy Kahl Prof. Dr.-Ing. Michael Gebhardt, Fachhochschule Jena Dipl.-Ing. (FH) Ulrike Meinhold, SFZ Förderzentrum gGmbH Chemnitz 66 Literaturverzeichnis [1] Crossland, M.D.; Culham, L.E.; Rubin, G.S.: Fixation stability and reading speed in patients with newly developed macular disease. In: Ophthalmic and physiological optics, Vol. 24 (2004), S. 327-333 [2] Crossland, M.D.; Rubin, G.S.: Eye movements and reading in macular disease: Further support for the shrinking perceptual span hypothesis. In: Vision Research, Vol. 46 (2006), S. 590-597 [3] Frennesson, C.; Jakobsson, P.; Nilsson, U.L.: A computer and video display based system for training eccentric viewing in macular degeneration with an absolute central scotoma. In: Documenta Ophthalmologica, Vol. 91 (1995), S. 9-16 [4] Grüner, F.: Prävalenz, Inzidenz und Ursache von Blindheit und wesentlicher Sehbehinderung in Hessen – Eine Auswertung des Landesblindengeldarchivs des Landeswohlfahrtsverbandes Hessen unter besonderer Berücksichtigung zeitlicher Entwicklungen und regionaler Unterschiede. 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